Lernt ein bisschen Geschichte, dann werdet ihr sehen, wie der Reporter sich damals entwickelt hat. Hallo und herzlich willkommen bei Geschichten aus der Geschichte. Mein Name ist Daniel. Und mein Name ist Richard. Wir sind zwei Historiker, die sich Woche für Woche eine Geschichte aus der Geschichte erzählen. Immer abwechselnd und immer so, dass der eine nie weiß, was der andere ihm erzählen wird. Genau so ist es.
Bevor es hier jetzt aber weitergeht, kommt noch eine kleine Werbeeinschaltung. Richard. Daniel. Wie du weißt, bin ich gerade im Urlaub in Italien unterwegs und ich stelle dabei wieder fest, wie sehr mich da auch Kodo begleitet. Einfach weil es so praktisch ist und lecker ist.
Ich habe Nüsse und Trockenfrüchte fürs Frühstück dabei und vor allem jede Menge Snacks. Zum Beispiel Energy Boys, diverse Riegel. Und weißt du, was ich Neues entdeckt habe? Keine Ahnung, erzähl es mir. Die Bio-Pistazien-Schnitte. Kennst du die schon? Nein, kenne ich nicht. Das ist fantastisch. Das ist eine Waffenschnitte mit Pistazien-Creme-Füllung. Also außen knusprig und dann innen super cremig. Schmeckt wirklich fantastisch.
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Richard, weißt du was? Ja, wir sind bei Folge 507 angekommen. Das hast du mir jetzt vorweg genommen, richtig. 507 ist die Folgennummer dieser Episode.
Und weißt du noch, was die Folgennummer der letzten Episode war? Ich weiß, was die... Das ist tatsächlich meine leichteste Aufgabe. Die Folgennummer der letzten Episode war 506. Und weißt du auch noch das Thema? Ich weiß auch das Thema. Du hast über Raubkunst gesprochen. Du hast über Raubkunst während des Zweiten Weltkriegs gesprochen und über eine Dame, eine Kunsthistorikerin,
die sehr wichtig war, als es darum ging, diese Kunstwerke nicht nur zu retten, sondern auch den rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern zurückzugeben. Richtig. Rose Valant. Rose Valant. Ja, sehr viel Feedback bekommen. Das würde ich dann gerne im nächsten Feedback besprechen. Eine Sache vielleicht gleich vorweg. Das Museum, in dem sie gearbeitet hat, habe ich von der Handinnenfläche zum Apfel umgewandelt. Wie spricht man es? Pomm versus Pomm?
Pomm? Das hätte ich jetzt nachschauen sollen, aber ich glaube, es ist ein langes O. Pomm. Pomm. Nicht Pomm.
Ich bin nämlich darüber gestolpert, als du mir davon erzählt hast und meine erste Assoziation war auch der Apfel und nicht die Handinnenfläche, was aber halt auch damit zusammenhängt, dass mein Französisch eher rusty ist. Ja, frag mal rein, Französisch. Dass ich dann nicht gesagt habe, hey Daniel, was hat es denn mit dem Apfel zu tun? Ich habe darauf vertraut, dass du es richtig aussprichst. Ja, in dem Fall, manchmal ist man sich ja bei so Wörtern ganz sicher und denkt sich, ja klar, das muss Pomm sein, aber gut.
Gut, die Hand in der Fläche. Das Gute ist, Richard, du hast in dieser Woche die Chance, es besser zu machen. Ja, oder die Aufmerksamkeit von dir zu lenken, weil ich so viele Dinge falsch ausspreche. Aber schauen wir mal, ja. Schauen wir mal, ob es Potenzial gibt. Sagen wir es so. Ich freue mich auf die Geschichte und lehne mich mal zurück. Ja, gut. In diesem Fall, Daniel, stelle Folgendes vor. Stelle vor, du stehst am Rand von etwas,
dass es eigentlich gar nicht geben dürfte. Ich meine jetzt damit keine Grenze auf einer Landkarte, sondern ich meine eine tatsächliche Wand aus Beton und Blech, schroff, abweisend. Dahinter, da liegt aber eine ganz andere Welt. Und ein Schritt in diese Welt und das Licht erstickt in engen Gängen,
die oft einmal nicht einmal schulterbreit sind. Es riecht nach Öl, es riecht nach abgestandenem Wasser, es riecht nach Essen, das irgendwo in dunklen Räumen produziert wird. Und über dir ein Geflecht aus Kabeln und Rohren, improvisiert, angezapft, verlegt ohne Genehmigung. Manche davon führen Wasser, andere Strom. Nichts wirkt, als wäre es nach Plan entstanden, sondern aus Notwendigkeit.
Und inmitten dieser Düsternis, da leben zehntausende Menschen, in winzigen Wohnungen, aufgestockt, aufgestapelt, zusammengeschoben, in Gebäuden, die ohne Bauvorschriften einfach weiter in die Höhe wuchern.
Und trotz dieser Beengung herrscht reges Leben. Kinder, die spielen. Alte Menschen, die miteinander plaudern. Zahnärzte und Zahnärztinnen, die keine Lizenz haben, aber trotzdem bohren. Kleine Fabriken, die Spielzeug, Süßigkeiten oder Fischbällchen herstellen. Die Mieten sind niedrig, Vorschriften gibt es kaum. Wer hier lebt, der lebt außerhalb des üblichen Gefüges. Und wahrscheinlich gerade deshalb in einer ganz eigenen Ordnung.
Es ist ein eigenes System, das sich selbst trägt. Kein Staat, keine Kontrolle, nur Menschen, die miteinander auskommen. Meistens zumindest. Daniel, ich erzähle dir heute die Geschichte eines Ortes, der eigentlich nicht hätte existieren dürfen und trotzdem jahrzehntelang weitergewachsen ist. Es ist die Geschichte eines Widerspruchs aus Vergangenheit und Gegenwart,
Es ist ein historisches Fragezeichen, das mitten in Hongkong stammt. Und zwar die Kowloon Wall City. Ist es der am dichtesten besiedelte Ort, den es jemals gegeben hat? Ziemlich sicher. Ziemlich sicher. Ja.
Und es ist ein Ort, der wortwörtlich historisch gewachsen ist. Also zwei Regierungen, beanspruchendes Gebiet, keine fühlt sich aber zuständig. Und was folgt, ist ein jahrzehntelanges Wegsehen. Und inmitten dieses Vakuums entsteht was ganz Eigenes. Eine Enklave ohne Bauvorschriften, ohne Kontrolle, ohne sichtbaren Staat. Ein Ort, den man später als das vielleicht bemerkenswerteste Überbleibsel der Geschichte Hongkongs bezeichnen wird.
Wir werden in dieser Folge über diese historischen Verstrickungen sprechen, aber auch einen Blick hinter diese Mauern werfen und uns anschauen, wie das Leben in einem Ort stattfand, der von vielen als Sündenpfuhl oder Hort der Kriminalität betrachtet wurde, tatsächlich aber vielen Menschen Rückzug, Gemeinschaft und einfach nur Leben ermöglicht hat.
bis eben dieses Überbleibsel der Geschichte in den späten 1980er Jahren abgerissen und komplett getilgt wurde, wenn man so will. Was aber nicht das Ende der Geschichte der Kowloon-Wall-City bedeutet, weil dieser Ort, der wirkt nach. In Filmen, Romanen, Computerspielen, als düstere Vision der Stadt der Zukunft und als Mahnmal dafür, was passiert, wenn Systeme versagen oder einfach nicht präsent sind.
und die Menschen aber trotzdem das Beste draus machen. Obwohl diese Kowloon-Wall-City heute vor allem für das berühmt ist, was aus ihr wurde, beginnt sie tatsächlich ganz anders und viel früher als erwartet.
Die Wurzeln dieser Stadt, die reichen nämlich zurück bis ins 17. Jahrhundert. 1668 schon. Da errichtet man hier an der Halbinsel Kowloon, die nördlich der Hongkonger Insel ist, da errichtet man das erste Mal eine Signalstation, ein Vorposten. Zeichen dafür, dass dieser Fleckenland strategisch nicht ganz bedeutungslos ist.
Der Name Kaolune übrigens, das ist eine lustige Anekdote, bedeutet übersetzt neun Drachen. Und der Legende nach soll ein Kaiser der Song-Dynastie diesen Ort besucht haben und dabei die umliegenden acht Berge gesehen haben und gesagt haben, dort sind acht Drachen. Und ein Höfling soll daraufhin gesagt haben, der Kaiser selbst ist ja auch einer und damit der neunte. Deswegen die neun Drachen. Ja.
Jedenfalls, lange Zeit ist es nur so ein kleiner Vorposten. Um 1810 allerdings steht dort schon so ein kleines Vor. Also eine kleine Befestigung. Ein zeitgenössischer Beobachter bezeichnet dieses Vor aber lakonisch als erbärmlich. Also noch nicht sehr beeindruckend. Sollte sich aber dann im Jahr 1841 ändern.
Zu jener Zeit nämlich, da wütet schon seit zwei Jahren der erste Opiumkrieg, über den ich ja in unserem Frühwerk gesprochen habe. GAG 34, Tee, Silber und Rauschmittel. Kurz erklärt vielleicht, was es damit auf sich hat. Das chinesische Kaiserreich will den Opiumhandel verbieten. Den Opiumhandel, in dem natürlich Großbritannien verstrickt ist, beziehungsweise den Großbritannien eigentlich anführt.
Und Großbritannien will das natürlich nicht, dass das verboten wird und die Briten ziehen in den Krieg gegen das chinesische Kaiserreich. Und sie besetzen dabei unter anderem Hongkong, also die Insel südlich der Kowloon-Halbinsel.
Und die Reaktion der Qing-Regierung auf die Besetzung Kowloons, die folgt halt auf den Fuß. Der kaiserliche Staat, der will jetzt Präsenz zeigen, er will diese Gegend ausbauen, er will, wie sie es bezeichnen, sich gegen die Barbaren absichern.
Der Opiumkrieg geht ein Jahr später mit dem Vertrag von Nanking zu Ende und dabei werden unter anderem fünf wichtige Häfen für Großbritannien geöffnet und vor allem wird Hongkong an Großbritannien abgetreten. Kowloon allerdings bleibt bei China.
1843, dann nach der Ratifizierung dieses Vertrags von Nanking, da ziehen der Vizedistriktrichter von Sinn an und der höchste Militärvertreter in die Nähe des Forts. Also diese Garnison, die wird aufgestockt auf 150 Soldaten und der Gouverneur, der schlägt vor, diesen Ort jetzt durch eine Mauer zu befestigen. Also mit Geschützen, mit Amtsgebäuden, mit Kasernen.
nicht nur als Verteidigung, sondern als sichtbare Machtdemonstration gegen die Briten. 1847 ist die Mauer fertig. Also die Wall City, die ummauerte Stadt, die existiert jetzt mit sechs Wachtürmen, vier Toren, am Granitwallen mit insgesamt 119 Schießscharten. Aber
Aber da findet erstmal kein ziviles Leben statt, sondern das ist eher militär. Komme ich noch darauf zu sprechen. Das ist auch was den Begriff Stadt an sich angeht, also City. Das ist, wie soll ich sagen, ganz eigen. Der Grundriss des Ganzen ist so ein unregelmäßiges Parallelogramm. Es sind insgesamt 2,6 Hektar, also ungefähr dreieinhalb Fußballfelder.
Nicht wahnsinnig groß, dicke Mauern, schwere Geschütze und das Einzige, was hier sonst noch steht, ist eine Schule, die gegründet wird, die Lung Chun Schule. Und diese Schule, die ist im Grunde gedacht als moralisches Gegengewicht zur Kolonialmacht vor der Tür. Also eine weitere kaiserliche Ansage direkt vor den Augen der Briten.
Und einige Jahre nach der Errichtung wird der Anspruch des Kaiserreichs auf diese Festung zum ersten Mal auch auf die Probe gestellt. Aber interessanterweise nicht durch britische Truppen, sondern durch chinesische selbst. Und das hat auch mit einer Folge zu tun, die ich schon mal gemacht habe. Und zwar GAG 423 über einen Aufstand gegen das imperiale China-Kreis.
angeführt von einem Mann, der sich als Sohn Gottes gesehen hat. Erinnerst du dich noch an diese Folge, die ich gemacht habe? Und was das für ein Aufstand war? Das war die Folge über den Taiping-Aufstand. Richtig, der Taiping-Aufstand. Aufstand, der das Kaiserreich schlussendlich zwar nicht besiegen sollte, aber zumindest erheblich schwächt. Und im Jahr 1854, im Windschatten dieses Taiping-Aufstands, da nutzen antikeiserliche Kräfte in Hongkong dieses allgemeine Chaos.
Über den Hafen hinweg greifen sie jetzt die Stadt an, also die Vault City. Und laut britischen Beobachtern, die ja vor Ort sind, sind es vor allem Hacker, also jene Minderheit, die federführend während des Taiping-Aufstands war.
gemeinsam mit Triadenmitgliedern, also Mitgliedern der chinesischen Mafia, wenn man so will. Und sie bringen die Stadt tatsächlich unter Kontrolle. Sie versprechen den verbliebenen Bewohnern und Bewohnerinnen Schutz, falls sie sich gegen die Qing-Dynastie stellen, also gegen das Kaiserreich, beginnen aber zeitgleich auch die Vorräte zu plündern, also Schweine, Hühner, Hunde, alles wird mehr oder weniger beschlagnahmt. Die kaiserlichen Beamten, die fliehen auf die Insel Hongkong.
Und für kurze Zeit steht jetzt diese Stadt zwischen den Fronten. Neun kaiserliche Kriegsschiffe mit 2000 Soldaten. Die werden hingeschickt, die liegen bereit.
Ihnen gegenüber allerdings beinahe gleich große Flotte der Rebellen. Und es hätte zur Schlacht kommen können. Es bleibt aber so bei diesen Drohungen. Die Briten nämlich, die sich grundsätzlich während des Taiping-Aufstands ja zurückgehalten haben, ich weiß nicht, ob du dich noch erinnerst an diese Folge, aber die sich da raushalten wollen, die greifen jetzt indirekt ein. Sie befehlen nämlich allen Kriegsschiffen, diese Gegend zu räumen und verhindern damit eine Eskalation.
Die Kowloon Wall City, die geht dann wieder zurück in die Hände des Kaiserreichs, des chinesischen. Und hier ist jetzt auch der Punkt, wo wir über den Begriff City, also Stadt sprechen sollten. Die zivile Bevölkerung, die zählt nämlich nur ungefähr 200 Personen. Und meistens sind es Familien der Soldaten.
Was aber eben auch Sinn ergibt, wir nennen heute die Kowloon Wall City zwar Wall City, aber das eigentliche Wort, das verwendet worden ist, ist Cheng. Und Cheng bedeutet eigentlich nicht Stadt, sondern Befestigung, Garnison. Und genau so schaut diese Stadt halt auch aus. Also die Wachtürme, die dienen als Wohnungen, daneben stehen Amtsgebäude. Es gibt ein Pavillon für rituelle Papierverbrennungen.
Was nichts mit Bücherverbrennungen zu tun hat, sondern ist so eine jahrhundertealte Tradition, bei der beschriebenes Papier verbrannt wird, tatsächlich um das geschriebene Wort damit zu ehren. Und die Lung Chun Schule, die gibt es auch noch. Was es allerdings nicht gibt, was in Städten ja eigentlich üblich ist, Geschäfte. Die entstehen aber außerhalb, so entlang einer Straße, die auch Kowloon Street heißt, die von der Stadt zum Wasser führt.
Und für die Stadt, da ist es ein bisschen eine Vorhersage dessen, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten passieren soll. Für die wird es in den nächsten Jahren nämlich immer enger. 1860 nämlich, da wird die Kowloon-Halbinsel ebenfalls an die Briten abgetreten. Das heißt, das Umland um diese kleine Befestigung, das liegt jetzt auch in den Händen der Briten.
Und dann kommt das Jahr 1898. In der Wall City, in der Kowloon Wall City, sind auch immer 500 Soldaten stationiert. Jetzt wird sie aber endgültig so zum Spielball zwischen zwei Reichen. Im Juni 1898 wird nämlich Großbritannien im Rahmen der Second Convention of Beijing, also im Grunde im Zweiten Vertrag von Peking, da wird ihnen das gesamte Umland, die sogenannten New Territories, für 99 Jahre verpachtet.
Und das ist natürlich eine massive Ausdehnung der britischen Kolonie. Ein Detail dabei sorgt allerdings für, wie soll ich sagen, diplomatische Reibung.
Die Qing-Regierung besteht nämlich darauf, dass ein Ort von dieser Vereinbarung ausgenommen wird, und zwar die Kowloon Wall City. Zu dem Zeitpunkt ist sie ja noch kaiserlicher Verwaltungssitz, also hier werden auch Steuern eingetrieben etc. mit einem eigenen Richter und eben noch immer mit der eigenen kleinen Garnison. Und genau diese Sonderstellung, die soll auch nach der britischen Übernahme erhalten bleiben.
Im offiziellen Abkommen taucht deshalb ein recht bemerkenswerter Passus auf. Die chinesischen Beamten sollen weiterhin Gerichtsbarkeit innerhalb der Wall City ausüben dürfen, es sei denn, militärische Gründe sprechen dagegen. Und das ist eine Formulierung, die so vage ist, dass sie eigentlich alles und nichts bedeuten kann.
Das Ergebnis ist jetzt ein Ort zwischen zwei Fronten. Die Briten vertreiben zwar ein Jahr darauf schon das chinesische Magistrat und die Soldaten, quasi besetzen sie jetzt diese Stadt, verwalten wollen sie sie aber nicht wirklich.
Auch um keinen diplomatischen Zwischenfall zu riskieren. Sie können sie zwar vertreiben, aber tatsächlich sind sie nicht diejenigen, die die Stadt verwalten. Und die Folge ist tatsächlich ein Verwaltungsvakuum schon zu jener Zeit. Also offiziell gehört die Stadt irgendwie zu beiden Reichen, praktisch, aber zu keinem.
Im Pfarrwasser dessen passieren einige Dinge. Also Landbesitz zum Beispiel wird aufgehoben. Stattdessen erhalten die verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner nur noch fünf Jahrespachten, die bewusst kurz gehalten worden sind, wie sie es nennen, aufgrund der heiklen politischen Lage. Also es wird auch nicht irgendwie dauerhaft investiert in das Ganze, das ist nicht erwünscht. Die Stadt bleibt eine Grauzone, sowohl im chinesischen als auch im britischen System.
Interessanterweise Nutznießer dieser Unsicherheit ist ausgerechnet die Kirche, genauer die Holy Trinity Anglican Church. Die erhält gleich mehrere dieser kurzbefristeten Pachten und sie betreiben dann Schulen, Armenhäuser, ein Altenheim, ein Tempel in der Stadt, der San-Shang-Tempel, der wird 1906 dann zur Kapelle umgewandelt.
Ehemalige Amtsräume dienen jetzt als Klassenzimmer und auch diese Lungchun-Schule, die wird jetzt zu einer kostenlosen Schule und zu einer Apotheke. Die britische Kolonie richtet hier jetzt auch sogar ein Landgericht, der New Territories, ein, auch im Gebäude der Lungchun-Schule. Der Ort selbst bleibt aber trotzdem so ein Provisorium. Es gibt zwar Verwaltung, aber ohne Plan. Es wird Kontrolle ausgeübt, aber es wird nichts gestaltet.
Die tatsächliche Zäsur, was diese Stadt angeht, die kommt dann ein paar Jahrzehnte später. Und zwar mit der japanischen Besatzung von 1941 bis 1945. In der Zeit wird die Wall City nicht nur politisch, sondern auch physisch ausgelöscht. Die Stadtmauern, die aus massivem Granit sind, die werden abgetragen. Das Material wird verwendet für den Ausbau eines Flughafens, der in der Nähe liegt.
Und 1943 ist dann die Mauer komplett verschwunden, wirklich abgetragen, Stein für Stein. Und was zurückbleibt, ist schließlich nur noch der Name. Also diese Wall City, die ummauerte Stadt, die ist jetzt nicht mehr ummauert und eigentlich nur noch ein Slum. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs allerdings, da kehren nicht nur frühere Bewohner nach Hongkong zurück, es strömen jetzt auch Zehntausende aus dem chinesischen Festland in die Stadt Hongkong.
Hungersnöte, Bürgerkrieg und politische Verfolgung, die treiben sie jetzt über diese Grenze. Und manche von ihnen finden ausgerechnet dort Zuflucht, wo jahrzehntelang einfach niemand mehr leben wollte in dieser Kowloon-Wall-City. Die Mauern sind weg, die Verwaltung ist abwesend, die Stadt bleibt aber symbolisch chinesisches Territorium. Zumindest in den Augen vieler, die dort hingeflüchtet sind.
Es ist tatsächlich ein Ort, an dem Chinesinnen und Chinesen unter sich sind. Ohne Steuern, ohne Kontrolle. Und bis 1947 wächst die Zahl dieser neuen Bewohner dann auf ungefähr 2000 Menschen an. Beinahe alle von ihnen haben keinen offiziellen Status.
Aber das Gebiet selber ist auf chinesischem Staatsgebiet oder weiß man nicht? Eigentlich schon. Das ist ja das Ding. Also offiziell gehört es China. Aber sie machen nichts dort. Und es ist aber inmitten des Gebiets, das eigentlich Großbritannien gepachtet hat. Ja.
Und diese Kolonialregierung dort, die reagiert jetzt auch nervös, was die Menge an Menschen angeht, die sich hier jetzt angesiedelt haben in dieser Wall City, die eigentlich gar keine Wall City mehr ist. Und sie versuchen dann am 5. Jänner 1948 die Siedlung räumen zu lassen.
Die Lage eskaliert aber. Als Polizisten dort verhindern wollen, dass die gerade Vertriebenen wieder zurückkehren, da kommt es zu einem Aufstand. Also mehrere Menschen werden verletzt und die Gewalt, die bleibt auch nicht lokal. In Shanghai und in Kanton brechen ebenfalls Proteste aus. Das britische Konsulat wird in Brand gesteckt.
Auch die nationalistische Regierung in Nanking, die protestiert jetzt offiziell. Und angesichts dieser dann doch sehr explosiven Stimmung, und wir müssen ja auch im Kopf behalten, wir befinden uns jetzt gerade in der entscheidenden Phase des chinesischen Bürgerkriegs, das spielt ja auch noch alles mit, angesichts dieser explosiven Stimmung zieht sich die britische Kolonialregierung jetzt zurück und es gibt keine weiteren Räumungen der Stadt mehr.
Und ab diesem Moment beginnt eine neue Phase. Die Behörden, ob sie jetzt britisch sind oder chinesisch, die halten sich ab jetzt mehr oder weniger komplett raus. Und die Stadt ist jetzt in einem tatsächlichen administrativen Vakuum. Und während Hongkong um die Kowloon-Wall-City wächst und wächst,
wächst die Kowloon World City mit. Es ist eine ganz eigene Welt. Recht beeindruckend, faszinierend und teilweise auch irgendwie kaum zu fassen. Lass uns mal reinschauen in diese Welt, wie sich das in den folgenden Jahrzehnten entwickelt hat. Also auf Straßenniveau. Da herrschen Zustände,
die ihresgleichen suchen. Offene Abwasserkanäle, unebenes Gelände, hängende Stromleitungen, überall Ratten, überall Gestank, im Sommer so beißend, dass Besuchern buchstäblich übel wird, wenn sie eintreten in diese Stadt. Bis in die 1970er Jahre gibt es kein zentrales Kanalsystem. Also die Fäkalien, die laufen durch so offene Rinnen am Straßenrand, sickern dann in Boden.
und verwandeln dann das Erdreich unter der Stadt in so eine Art riesige Klärgrube. Und das Brunnenwasser meistens trüb, oft stinkend und über dieser düsteren Erdgeschossebene, da türmen sich mit den Jahrzehnten immer mehr und mehr Hochhäuser. Errichtet natürlich ohne jede Genehmigung und oft auch in völliger Ignoranz der baulichen Vorschriften.
Ab den 1960er Jahren zum Beispiel entstehen diese Bauten dann in sehr rasanter Folge. Wände an Wände, Stockwerk auf Stockwerk, ohne Lücken und auch ohne Lichtschächte. Zwischen den Häusern verlaufen dann diese engen Gänge wie in einem Kaninchenbau. Es sind natürlich Brandfallen, es sind Gesundheitsrisiken,
Aber es ist der perfekte Rückzugsort für all jene, die nicht gefunden werden wollen. Die Häuser bestehen meistens nur aus so bloßen Betonhüllen. Es gibt kein fließendes Wasser, keine richtige Infrastruktur. Und weil Platz natürlich auch Geld bedeutet, ragen viele dieser Gebäude über diese Gassen und Wege raus. Also es wird einfach gebaut, wo Raum ist.
Nicht, wo man irgendwie das Recht hat zu bauen, weil es sowas per se halt dort auch nicht gibt. Aber es hält auch, also es bricht nicht. Es bricht hin und wieder, aber generell hält es.
Die Architektur dieser Wall-City folgt tatsächlich einer recht seltsamen Logik. Also es gibt zum Beispiel so Balkone in Käfigform, für die die Kowloon-Wall-City bekannt war. Die ziehen sich so über viele Fassaden, so verrostetes Gitterwerk, das den Bewohnern und Bewohnerinnen halt ein paar zusätzliche Quadratmeter gibt. Und über allem spannt sich so ein Netz aus Fernsehantennen, Kabeln, Leitungen, dazwischen Wäscheleinen, Wasserbehälter,
Es ist wirklich Dickicht aus Dingen und es ist auch Dickicht aus Leben. Es ist ein Ort, der von außen chaotisch wirkt, von innen aber tatsächlich einer ganz eigenen Ordnung folgt. Es entsteht nämlich auch eine eigene Ökonomie, eine eigene Wirtschaft dort. Es ist so ein System aus Produktion,
Für alle möglichen Dinge, Versorgung für den Alltag, also zwischen diesen dunklen Gängern und improvisierten Bauten, da arbeiten zahllose kleine Werkstätten, manche nicht einmal größer als so Zimmer. Weiß man, woher das Material kommt? Also diese Satellitenantennen, kommen die zum Beispiel aus Hongkong oder kommen die aus China?
Unterschiedlich, wo sie es herkriegen. Aber höchstwahrscheinlich aus Hongkong, weil dieses ganze Gebiet ist ja quasi britisches Staatsgebiet. Und das bringt mich zu meiner nächsten Frage. Die Personen, die dort wohnen, können die aus der Kowloon Wall City nach Hongkong einfach so gehen oder werden die da kontrolliert und es ist eigentlich kein Zuzug möglich?
Nicht immer. Also es hängt davon ab. Also du hast unterschiedliche Leute dort. Die meisten haben keine Aufenthaltsgenehmigung für Hongkong, aber nicht alle. Man kann es tatsächlich nicht genau sagen, weil es, und da komme ich nachher drauf zu sprechen, lange Zeit keine richtige Erhebung gegeben hat, wer eigentlich die Leute sind, die dort wohnen. Ja.
Aber man kann davon ausgehen, die Leute, die dort gewohnt haben, die wollten auch ein Stück weit dort wohnen, weil sie hätten theoretisch auch nach Hongkong gehen können. Tatsächlich eher wenige von ihnen. Also es ist schon für viele war das schon mehr oder weniger die letzte Möglichkeit, eine Wohnstätte zu finden. Okay.
Und es ist interessant, dass du das ansprichst mit, woher kriegen sie diese Dinge, weil lustigerweise wird in der Kowloon World City, werden dort auch Dinge für Hongkong hergestellt. Also Textilien, Spielzeug, Süßigkeiten, Dinge wie Uhrenarmbänder und vor allem eine Sache, ohne die in Hongkong kaum eine Küche auskommt, nämlich Fischbällchen.
Es hat einen Zeitraum gegeben in der Existenz der Kowloon Wall City. Da sind über 80 Prozent der Fischbällchen für Hongkong hergestellt worden. Faszinierend, ja. Aber natürlich produziert unter Bedingungen, die außerhalb dieser Mauern der Kowloon Wall City keine Behörde jemals dulden würden. Aber genau deshalb hat es wahrscheinlich funktioniert, weil in Hongkong selber hätte man es nicht machen können. Es gibt keine Inspektionen, es gibt dort keine offiziellen Hygienevorschriften.
Aber es funktioniert. Also die Kunden und Kundinnen, die stehen trotzdem Schlange für diese Fischbällchen. Auch die medizinische Versorgung, die folgt der ganz eigenen Regeln. Also viele der Ärztinnen und Ärzte und auch Zahnärzte zum Beispiel, die hier arbeiten, die verfügen zwar über chinesische Abschlüsse, aber nicht über die dann doch sehr teuren Nachweise, die die britische Kolonialverwaltung verlangt. Also behandeln sie einfach dort, wo man sie lässt.
In der Kowloon-Wall-City, in kleinen, oft sehr aufgeräumten Praxen. Die Preise dort sind niedrig, die Nachfrage ist natürlich groß und von offizieller Seite gibt es natürlich mehr oder weniger keine Eingriffe. Quasi, wer heilt, wird geduldet. Lang gilt die Wall-City auch als ein Ort des moralischen Verfalls. Sir Alexander Grantham, der Gouverneur von Hongkong war, also das höchste Amt der Kolonialverwaltung,
Der ist in den 1940er und 50er Jahren dort und der nennt die Kowloon-Wall-City schon einen Sumpf der Verkommenheit. Bestehend aus Heroin-Höhlen, aus Bordellen, aus Spielhöhlen, kontrolliert von den Triaden, also der Mafia.
Das ist ein Bild, das sich am Anfang der 1970er erändern wird. Die Polizei startet da nämlich tatsächlich eine groß angelegte Offensive. Innerhalb eines Jahres kommt es zu über 3600 Razzien, mehr als 2500 Festnahmen. Es werden riesige Mengen an Drogen beschlagnahmt.
Und das zeigt auch Wirkung. 1983 verkündet der Polizeikommandant des Bezirks, dass die Kriminalitätsrate in der Wall City jetzt nicht höher sei als im Rest von Kowloon, also dem Umland um dieses Slum, wenn man so will. Und die Triaden, die ziehen sich jetzt nämlich auch zurück. Der Mythos vom gesetzlosen Sündenpfuhl, der stimmte zeitlich nicht mehr.
Und viele Menschen, die in der Kowloon-Wall-City leben, die haben mit all dem eh nichts zu tun. Die arbeiten, die produzieren, sie behandeln und sie leben halt in einem System, das aus Not entstanden ist und aus der Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, wenn halt sonst niemand da ist, der das für sie macht.
So entwickelt sich auch in dieser Stadt, also trotz aller Widrigkeit, trotz enge Gestank, Strom, Salat, Ratten, entwickelt sich was, was von außen eigentlich niemand vermuten wird. So ein richtiges Gefühl von Gemeinschaft. Also viele, die hier leben, die sagen, man kennt sich, man hilft einander und deswegen bleibt man auch.
Ian Lambert und Greg Sherrard, die beide lange in Hongkong gelebt haben, die haben eines der Bücher über die Kowloon-Wall-City rausgebracht. Das ist so eine Mischung aus Erfahrungsbericht der dort Lebenden und Bildband, wo man einen Einblick kriegt, wie das tatsächlich ausgeschaut hat.
Und da zitieren sie jemanden, der das so auf den Punkt bringt. Andere sagen, die Wall City sei schmutzig und geheimnisvoll. Aber für uns war es einfach der Ort, an dem wir groß wurden. Also Außenblick und Innenleben, die könnten da oft gar nicht unterschiedlicher sein. Aber auch innerhalb der Stadt sorgt zum Beispiel die Verstädterung
über die Jahrzehnte dann für Veränderung. Also Sie zitieren einen Bewohner, der meinte, dass früher, als es noch vor allem kleine Hütten statt Hochhäuser waren, dass es da viel persönlicher zuging. Er sagt, früher hat man sich auf der Straße gegrüßt, heute seit die Hochhäuser stehen, gehe ich kaum noch rein, ich bleibe lieber am Rand. Also das Stadtbild verändert auch so ein bisschen das Miteinander.
Und trotzdem bleibt der Ort für viele so ein Zuhause. Und für viele bedeutet die Wall City nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Sicherheit, Arbeit, ein eigenes Leben. Eine Bewohnerin, die spricht von der Iron Rice Bowl, also der eisernen Reisschale, was im Chinesischen sprichwörtlich für einen sicheren Arbeitsplatz steht. Und in dem Fall bedeutet es halt, es ist ein Ort, der ihre Existenz sichert,
Auch wenn alles rundherum relativ bröckelnd wirkt. Aber gibt es eine Organisation, die sowas wie Sicherheit garantiert? Also gibt es sowas wie eine alternative Polizei? Nicht wirklich. Nicht wirklich. Also das ist eben aufgeteilt auf teilweise dann schon jene, die einfach die Mittel haben. Oft sind sie eben Mitglieder von Banden oder den Triaden. Also die Triaden werden ja erst am Ende der 70er Jahre vertrieben. Ja.
Und so hält sich die Kowloon-Wall-City tatsächlich jahrzehntelang. Also als Lücke im System, als blinder Fleck auf der Landkarte, den beide Seiten zwar sehen, aber den niemand wirklich angehen will. Die britische Kolonialverwaltung versucht immer wieder, den Ort zu räumen, scheitert dann aber vor allem auch am politischen Widerstand der chinesischen Seite. Also für Peking ist die Wall-City Symbol. Nicht groß, nicht mächtig, aber trotzdem ein Stück Souveränität
Dass man nicht einfach kampflos aufgibt. Und dann kommt die Sino-British Joint Declaration von 1984. Also das Abkommen, das die Rückgabe Hongkongs an China einleiten soll. Weil wir erinnern uns ja, das Gebiet ist gepachtet auf 99 Jahre und zwar im Jahr 1898. Das heißt, es soll im Jahr 1997 zurückgegeben werden. Mhm.
Und damit verschiebt sich jetzt auch das Kräfteverhältnis. Also plötzlich ist die Wall-City kein heikles Thema mehr, das nicht angegangen wird, sondern es ist jetzt tatsächlich ein Relikt, das beiden Seiten gleichermaßen peinlich ist. Also die, wenn man so will, politische Schutzfolie, die den Ort jahrzehntelang unangreifbar gemacht hat,
Die verschwindet jetzt mit dieser Declaration über Nacht. Also was jetzt hier in der Wahrnehmung bleibt, ist ein unsicherer, überfüllter, maroder Wohnkomplex, der in keiner Zukunftsvision mehr Platz hat. Also weder in einer britischen Kolonie noch in einer chinesischen Sonderverwaltungszone. Die Entscheidung zur Räumung fällt dann schließlich Anfang 1986.
von beiden Seiten gewollt. Also beide Regierungen sind sich einig, die Wall City ist ein anachronistischer Slum, wie sie es nennen, eine Peinlichkeit, die einfach verschwinden muss. Und nicht nur das, also in britischen Kreisen fürchtet man, dass diese elenden Zustände der Wall City nach der Übergabe 1997, dass die als Beleg für koloniales Versagen ausgeschlachtet werden könnten. Also Sinnbild dessen, was die Briten dort über Jahrzehnte hinweg geduldet haben,
Man könnte auch sagen, was sie verursacht haben.
Die Entscheidung zur Räumung und Entfernung der Kowloon Wall City, die ist jetzt also gefallen. Was jetzt allerdings folgt, das spielt sich zuerst einmal hinter verschlossenen Türen ab. Also kein offizieller Fahrplan, keine öffentliche Diskussion. Stattdessen wirklich Geheimhaltung auf höchster Ebene. Sie haben Angst, dass die Leute protestieren und dass es wieder zu Ausschreitungen kommt, oder? Nicht nur das. Sie haben auch Angst, dass wenn sie sagen, das Ding wird geräumt und wer auch immer dort lebt, wird umgesiedelt oder kriegt eine Entschädigung.
dass noch viel mehr Leute in die Stadt ziehen, um dann quasi diese Entschädigungen zu kriegen. Also später wird es heißen, dass es eines der bestgehüteten Geheimnisse der Hongkonger Regierung gewesen sei.
Mitte 1986 wird ein kleiner Kreis handverlesener Beamtinnen und Beamten gebildet, angeführt von Gregory Chan Tak Ping, der ein erfahrener Experte für die Räumung von solchen Siedlungen ist. Und der Auftrag dieses Kreises ist eine geheime Bestandsaufnahme, weil sie wissen ja oft nicht, was sich tatsächlich hinter den Mauern dieser Wall City verbirgt.
Die wenigen Informationen, die sie haben, die stammen von unterschiedlichen Ämtern, die nur punktuell und oft auch nur für eigene Zwecke dort Daten gesammelt haben. Also sie brauchen jetzt harte Fakten. Wie viele Menschen leben hier? Wie viele Geschäfte gibt es?
Wo sind die Zugänge, die Fluchtwege? Der Staat will jetzt halt wissen, was er räumen soll, aber will halt unter keinen Umständen Aufsehen erregen. Aus vor allem diesem Grund, den ich vorher genannt habe, dass sie nicht wollen, dass noch mehr Leute reinziehen, um dann Ersatzwohnungen oder Entschädigungen zu kriegen.
Die Kommunikation läuft auch entsprechend verschlüsselt, also sogar die Einstufung der Unterlagen für dieses Projekt. Die Einstufung wird gezielt heruntergestuft, also nicht secret, sondern confidential, damit ja kein Verdacht entsteht. Auch im Bezirksamt selber wissen nur der zuständige District Officer namens Gordon Jones und seine persönliche Sekretärin, was hier gerade passiert.
Für das geheime Dossier, das dann später nach Peking gehen soll, werden auch Fotos angefertigt. Die hygienischen Zustände zum Beispiel sollen dokumentiert werden und die Aufnahmen dafür macht ein junger Beamter, der aber im Dunkeln gelassen wird, für was er diese Aufnahmen macht. Nicht einmal ihm sagt man, warum er eigentlich dort ist und diese Aufnahmen macht.
Und absurderweise funktioniert das auch, also diese Geheimhaltung. Ein halbes Jahr lang dringt kein Wort nach außen. Also in einer Stadt wie Hongkong, in einem Ort wie der Wall City ist schon sehr außergewöhnlich. Da sieht man, wie wichtig es ihnen war, das tatsächlich geheim zu halten. Und dann am 14. Jänner 1987 um Punkt 9 Uhr verkündet die Kolonialregierung ohne Vorwarnung die Räumung.
15 Minuten später folgt dann eine beinahe wortgleiche Erklärung aus Peking und von dieser jahrzehntelangen juristischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Reichen, was diese Stadt angeht, da ist in diesen Mitteilungen keine Rede mehr. Also stattdessen nennt man die Wall City jetzt eine Question Left Over From History, also eine Frage, die die Geschichte offengelassen hat.
Und es ist eine Frage, die jetzt also von beiden Seiten gleich beantwortet wird. Und zwar mit der Räumung und der Demolierung.
Nur 20 Minuten nach der offiziellen Ankündigung, dass die Kowloon Wall City geräumt werden soll, beginnt schon der Einsatz. Also wirklich ein Einsatz, der geplant ist, bis ins kleinste Detail. 20 Minuten, nachdem die Leute erfahren, dass es geräumt wird. Genau. Um 9.20 Uhr rollen dreistig Lastwagen an drei Sammelpunkten rund um die Stadt an. An Bord sind 400 Beamte des Housing Departments, aufgeteilt in 60 Teams und jedes wird von einem Polizisten begleitet.
Und selbst diese Einsatzkräfte, die erfahren erst an diesem Morgen um halb acht, was eigentlich ihre Aufgabe ist. Es ist eine Aufgabe, die ein bisschen wirkt wie so ein militärischer Zugriff und auch so ein bisschen so durchgeführt wird.
Also um Punkt 10 Uhr, genau eine Stunde nach der Bekanntgabe, betreten diese Teams dann das Gelände. Also alle 83 Zugänge zu Wall-City werden abgeriegelt und sie begeben sich jetzt in dieses labyrinthische Innere und arbeiten sich Haustür für Haustür vor, durch diese Gänge, die kaum Tageslicht sehen, durch alle Wohnungen, durch die Werkstätten, durch die behelfsmäßigen Baracken, wenn man so will. Und dann...
Und das ist jetzt die erste und einzige vollständige Erhebung der Stadtbevölkerung, die jemals durchgeführt worden ist. 24 Stunden lang werden die Bewohnerinnen und Bewohner befragt, es werden Räume gezählt, es werden die Existenzen, die dort leben, dokumentiert.
Und am Ende gibt es auch eine Zahl. Und zwar knapp 33.000 Menschen leben zu dem Zeitpunkt in der Kowloon Wall City. Es ist weniger, als man gedacht hat. Es ist oft kolportiert worden, dass es ungefähr 45.000 waren. Aber es ist trotzdem eine Stadt für sich, mitten in Hongkong auf einem Gelände von ungefähr dreieinhalb Fußballfeldern.
Das letzte Kapitel der Kowloon Wall City beginnt also mit dem, was lange Zeit undenkbar schien für viele, die dort gelebt haben und auch für die beiden Regierungen, die es eigentlich verwalten hätten sollen, aber nicht verwaltet haben. Und zwar wird die Kowloon Wall City jetzt vollständig geräumt und zerstört. Der Großteil der 33.000 Bewohnerinnen und Bewohner akzeptiert das Angebot der Regierung, also Umsiedlung, Entschädigung,
Neues Leben außerhalb dieser Mauern. Aber wie so oft bleibt auch hier so ein harter Kern. Aus Prinzip, aber auch aus Misstrauen und natürlich auch aus dem Gefühl raus entwurzelt zu werden. Zwischen November 1991 und Juli 1992 werden die letzten Verbliebenen dann zwangsweise geräumt. In vier Phasen, auch mit Polizeibegleitung, auch unter Protest.
16 Haushalte müssen dann tatsächlich physisch aus ihren Wohnungen entfernt werden. Dann beginnt der Abriss. Am 23. März 1993 rollt dieses schwere Gerät an. Monatelange Vorbereitung. Unter anderem haben sie auch eine gigantische Abrisskugel direkt aus den USA eingeflogen, die sich jetzt durch Beton und Stahl frisst, wenn man so will. Obwohl, frisst sich eine Abrisskugel.
Frist mich durch, auf jeden Fall. Mit den literarischen Bildern, die du jetzt in der Einleitung verwendest, kann man sagen, ja, das frisst sich gut durch. Auf jeden Fall, die Kowloon Wall City wird jetzt dem Erdboden gleichgemacht und ein Jahr später, im April 1994, ist beinahe alles verschwunden. Ein einziges Gebäude ist übrig geblieben und zwar der Yamen, der ehemalige Verwaltungssitz der kaiserlichen Beamten.
Die Lücke, die jetzt entstanden ist, die wird aber gefüllt. Anstelle der Kowloon Wall City entsteht jetzt ein öffentlicher Park. Am 22. Dezember 1996 wird der Kowloon Wall City Park feierlich eröffnet durch Chris Patton, den letzten Gouverneur von Hongkong. Also wo man früher Betonkabelgewehre und improvisierte Balkone gesehen hat, da gibt es jetzt Teiche, Pavillons, Spazierwege.
Das vorhin erwähnte einzige Gebäude, das erhalten geblieben ist, der alte Jamen, wird sorgfältig restauriert und ist heute das Herzstück dieses Parks. Und schon vor der Eröffnung im Oktober 1996 werden eben dieser Jamen und Torreste, die noch existieren, offiziell zu geschützten Denkmälern erklärt worden.
Und die Gestaltung des Parks, die orientiert sich an den klassischen Chang'an-Gärten der frühen Qing-Dynastie, wird dann übrigens auch bei der internationalen Gartenbau-Ausstellung in Stuttgart ausgezeichnet. Noch bevor er eröffnet wird. Und diese Wirkung, die ist natürlich bewusst gesetzt. Also Offenheit und Ruhe im Gegensatz zu dieser Enge und dem Chaos der Kowloon-Wall-City.
Für viele in Hongkong allerdings war die Kowloon Wall City mehr als nur ein Ort. Sie war halt ein Symbol und wie bei vielen Symbolen spaltet sich auch die Wahrnehmung da in zwei recht gegensätzliche Richtungen. Also auf der einen Seite das Bild der Schande, so ein Slum, ein Sündenpfuhl, Stadt ohne Vorschriften, ohne Kontrolle, überfüllt, gefährlich, gesundheitsschädlich, galt eben als peinliches Überbleibsel der kolonialen Nachlässigkeit.
Eben ein Ort, der sich perfekt dafür eignen würde, um nach der Übergabe Hongkongs an China als Beweis für dieses britische Versagen herangezogen zu werden. Der Abriss wird deshalb nicht nur als städtebauliche Maßnahme gesehen, sondern tatsächlich als eine politische Notwendigkeit. Und dieser neue Park, der steht symbolisch für diesen Wunsch, dieses Kapitel zu beenden.
Gibt aber natürlich auch eine andere Sicht. Also eine, die nicht auf das Schmutzige und das Chaotische schaut, sondern auf das, was drunter war. Also eine funktionierende, selbstorganisierte Gemeinschaft, entstanden zwar aus Not, aber getragen von diesem Zusammenhalt. Und für manche war die Wall City halt auch ein Ort des Widerstands gegen übergriffige Behörden, gegen staatliche Kontrolle, gegen Normierung. Also hier...
An diesem Ort haben die Menschen halt tatsächlich steuerfrei, genehmigungsfrei, aber halt auch nicht ohne Regeln gelebt. Es gab ja trotzdem Läden, Werkstätten, Wasserärzte, Zahnärzte, Kindergärten, auch Altenpflege. Also die Wall City war entgegen dessen, wie es kolportiert worden ist, kein rechtsfreier Raum an sich, sondern einfach ein eigenständig geregelter Mikrokosmos, gewachsen aus dieser Improvisation.
Und wer hier gelebt hat, der hat es natürlich nicht aus Romantik gemacht, sondern aus Mangel an Alternativen, aber trotzdem dann, wie soll ich sagen, das Beste draus gemacht. Also für viele war die Kowloon World City so ein Beweis für menschliche Anpassungsfähigkeit und auch den Gemeinschaftssinn. Ja, und wenn man dort aufwächst, ist es ja trotzdem so die eigene Heimat. Zuhause.
Also diese Sichtweise, die manifestiert sich auch in der Art und Weise, wie die Kowloon-Wall-City heute wahrgenommen wird. Die Stadt wird heute als ein Third Space verstanden, also als so ein Ort der radikalen Offenheit, nicht eingemeindet, nicht vereinnahmt, so ein Ort an den Rändern von Imperien, wo die Menschen nach eigenen Regeln leben, eigene Strukturen entwickeln.
Nicht, weil es per se erlaubt ist, sondern weil es einfach niemand daran hindert. Auch in der Stadtplanung, beziehungsweise in der Stadtplanungstheorie, da ist die Wall City heute so ein Symbol der Fractal Geography, also eines fraktalen Raums. Das ist so ein Begriff, der beschreibt, wie sich aus scheinbarem Chaos ein eigener ästhetischer Rhythmus ergibt. Also diese Wiederholungen, Verästelungen, Unregelmäßigkeiten, Detailverhalten.
die trotzdem einer eigenen Logik folgen. Und das sieht man halt auch in der Kowloon Wall City. Also die Gebäude wachsen chaotisch, aber nach bestimmten Nutzungsmustern, Wege, Mauern und Grenzen, die wirken zufällig, sind aber funktional. Und diese Hierarchie der Räume von engen Gassen bis zu diesen Schächten, das folgt einer nicht-linearen Dynamik, die sich halt diesen klassischen städtebaulichen Plänen entzieht. Mhm.
Und ganz verschwunden ist die Kowloon-Wall-City ja auch nicht. Zumindest nicht von den Bildschirmen oder den Buchseiten. Also die Kowloon-Wall-City war ja nicht nur städtebaulicher Ausnahmezustand, sie wurde dann auch recht bald einmal zu so einem Bild einer Zukunft, die eigentlich schon begonnen hat. Und das beschäftigt natürlich Künstlerinnen und Künstler. Gerade weil sie sich eben dieser klassischen Ordnung entzogen hat,
War die Wall City dann so eine Projektionsfläche für Utopien, für eine Stadt am Rand der Welt, wo Chaos gleichzeitig eben auch Symbol eines Widerstands ist?
Sichtbar wird es vor allem auch in Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker Blade Runner. Also das Los Angeles des Jahres 2019, der Film selbst ist ja aus dem Jahr 1982, das ist durchdrungen von diesen asiatischen Einflüssen. Sushi-Bars, flackernde Werbeflächen, ein chinesischer Gentechniker.
All das ergibt so eine Mosaik aus Hongkong, New York und Tokio, zusammengefügt zu dieser düsteren Zukunftsmetropole. Und es ist, manche Kritiker haben damals gesprochen von einem Chinatown in Tomorrowland oder einer Stadt, die wirkt wie Hongkong an einem schlechten Tag. Also
Diese chaotische Verdichtung des Nebeneinander von Sprachen, von Schriften, die Neonlichter überall, auch ständiger Regen, falls du dich erinnerst. Es erinnert schon sehr an eine reale Stadt Berlin.
wie Kowloon Wall City. Auch William Gibson, den du vielleicht auch kennst als den Vater des Cyberpunk, der hat auch einmal gesagt, dass die Wall City ihn nie losgelassen hat. Und es gibt eine Fantasia-Pressausgabe seines Romans New Romancer aus dem Jahr 1986. Da ziehen chinesische Schriftzeichen das Cover, was so als Hommage verstanden wird an das visuelle und kulturelle Durcheinander dieser Kowloon Wall City.
Also was bei Gibson auch im Roman entsteht, ist so eine urbane Dichte, die im Grunde keine Mitte kennt, sondern nur aus Schichten besteht. Aus Verfall und Improvisation, aus Spuren und aus Resten einer vorherigen Stadt, auf die dann einfach eine neue gebaut wird.
Noch deutlicher wird dieser Einfluss der Kowloon World City allerdings in einem Anime, und zwar in Ghost in the Shell von Mamoru Oshii. Ah, den kenne ich nicht. Kennst du nicht? Nee. Ist eines der berühmtesten Anime, glaube ich. Und er gemeinsam mit seinem Art-Designer Takeuchi Atsushi
haben Hongkong und die Wall City explizit als Vorbild für das Setting dieses Animes bezeichnet. Also so wie sie es darstellen, eine Stadt, die in ihrer Dichte Information quasi ausschwitzt. Also Werbung, Zeichen überall, diverse Symbole, die hier mehr oder weniger die Eigenschaften der Schichten der unterschiedlichen der Kowloon-Wall-City darstellen. Mhm.
Es ist interessant, dass man sich in der Science-Fiction-Stätte immer noch dichter vorstellt. Naja, weil es werden ja immer mehr Menschen. Ja, das stimmt. Aber unsere Vision jetzt zum Beispiel ist ja eher eine offenere, grünere Stadt zu haben und keine, die noch
sich weiter zusammenpfercht. Ja, aber es ist schwierig, wie wir es sehen. Und in einer Stadt wie Hongkong beziehungsweise Kowloon World City ist es natürlich auch nichts, was man einfach so beschließen kann. Nee, nee, das nicht. Aber es geht ja um die Vorstellung. Also in der Science Fiction nutzen sie ja nicht die, das ist ja nur das Vorbild dafür. Du würdest dir aber doch heute nicht mehr das Vorbild
dieser Stadt verwenden, um quasi dir die Zukunft der Stadt vorzustellen? Naja, kommt drauf an, was du dir vorstellen willst. Wenn du dir eine Dystopie vorstellen willst, dann stellst du so eine verdichtete Stadt vor eigentlich, weil das eben genau das Gegenteil dessen ist, was du gerade beschrieben hast. Naja, klar. Mehr so eine bunkerartige Stadt, sehe ich vorstellen. Ja.
Übrigens, wer die wahrscheinlich kompletteste Rekonstruktion der Kowloon World City in einem Film sehen will, der findet sie ja nicht in einem Science-Fiction-Film, sondern in einem Action-Film aus dem Jahr 2024. Der heißt Twilight of the Warriors – Walled In.
Und spielt hauptsächlich in der Kowloon Wall City und ist die Stadt eben entsprechend nachgebaut. Und der Konsens ist, dass es sowohl atmosphärisch als auch baulich sehr nah am Original ist. Obwohl wird dem Film wahrscheinlich zu Recht auch vorgeworfen, dass so ein bisschen das Elend romantisiert wird. Aber man kann in dem Film oder anhand dieses Films kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie die Leute dort gelebt haben.
Und es ist auch ein sehr guter Actionfilm, muss man sagen. Aber ist die Stadt nicht mal gefilmt worden, bevor man sie abgerissen hat? Sie ist gefilmt worden. Es gibt lustigerweise eine, ich glaube, es ist eine Universum-Dokumentation aus den 80ern, wo sie in der Kowloon-Wall-City sind. Aber natürlich, das ist halt ein Blick nur quasi von einem Kamerateam, das da durchgegangen ist. Naja, verstehe.
Wenn man sich so Luftbilder anschaut von der Wall City, dann sieht man von oben so einen größeren Platz. Weißt du, was es mit dem auf sich hat? Ist der Platz, wo das alte Verwaltungsgebäude gestanden ist. Das Ganze treibt natürlich auch ein bisschen seltsame Blüten. Also auch die Erinnerung an diese Kowloon Wall City in Japan wurde nämlich tatsächlich so eine dreistöckige Freizeitattraktion errichtet.
die die Wall City nachgebildet hat. Inklusive heißt es importierten Müll aus Hongkong, der dann auf den Dächern verteilt wurde, um diesen Look perfekt zu machen. Ich habe nachgeschaut, das Ganze ist in Kawasaki. Ich glaube, seit 2020 ist es leider geschlossen. Also wer sich das anschauen will, geht nicht mehr.
Chantars Werther Daniel war meine kleine Geschichte über eine kleine kaiserliche Station vor Hongkong, die schließlich zum Spielball zweier Reiche wurde und so als rechtsfreier Raum bis zum Ende der 1980er Jahre existiert hat und selbst nach dem Abriss die Fantasie der Menschen weiterhin beflügelt.
Ach, sehr faszinierend. Vielen, vielen Dank, Richard, für die Geschichte. Ich habe sehr, sehr viele Fragen noch, die mir durch den Kopf gehen, wenn ich an diese Stadt denke. Zum Beispiel ist es nie passiert, dass, weil du hast ja gesagt, dass die Abwasserkanäle zum Beispiel ja relativ spät erst dann gebaut werden. Ist es nie passiert, dass damals Seuchen oder so ausgebrochen sind?
Ich bin mir sicher, dass es nicht nie passiert ist. Die Tatsache ist halt, dass wir wenig darüber wissen, weil es halt sehr wenig offizielle Aufzeichnungen über das Innenleben der Stadt gegeben hat. Also, dass hier Krankheiten ausgebrochen sind, ist sehr wahrscheinlich, aber wir wissen es tatsächlich nicht. Also, es ist ja auch interessant, dieses Buch zu
über das ich gesprochen habe, das im Grunde ein Bildband ist, aber auch über die Bewohnerinnen und Bewohner schreibt, ist tatsächlich eines der ganz wenigen Bücher, die produziert worden sind drüber, weil es eben auch nicht wahnsinnig viel Informationen aus der modernen Kowloon World City gegeben hat. Naja.
Was ich ja faszinierend finde an solchen Geschichten ist, du hast es ja schon gesagt, es bilden sich eigene Regeln aus. Und man hat immer so das Gefühl oder diese Geschichte vom Sündenpfuhl, da gibt es ja immer die Idee, wenn es keine Regeln gibt, dann bricht nur Chaos aus und…
Und alles geht irgendwie dem Bach runter. Aber so ist es ja nicht. Wenn Menschen zusammenleben, dann bilden sich Regeln aus. Ob man die aufschreibt oder nicht, es ist nie so, dass es einfach nur Chaos ist, sondern es bilden sich Regeln aus, die vielleicht zufällig wirken. Aber wir haben ja diesen Begriff, den wir ganz oft verwenden, dieses historisch gewachsen Regeln.
Der hat das ganz gut beschreibt, weil du kannst das natürlich so nicht planen, aber im Nachhinein sieht es so aus, als folgt es einem gewissen Plan. Absolut. Das ist genau das, was passiert ist in dieser Stadt. Also weil der Großteil der Leute, die dort gelebt haben, die wollten halt dort einfach nur leben und ihr Leben führen. Und dann schaust du natürlich auch darauf, dass die Gemeinschaft funktioniert. Natürlich hast du dann gewisse Dinge, die nicht so gemacht werden wie außerhalb.
In Hongkong. Und es gibt natürlich dann ganz eigene Gesetze, denen gefolgt wird. Also ich habe jetzt am Schluss gesagt, ein rechtsfreier Raum, basierend auf dem Recht, das entweder von China oder von Großbritannien kommt, aber nicht rechtsfrei innerhalb dieses Systems. Also du hast zwar nicht diese Gesetze Chinas oder Großbritanniens, aber du hast schon Regeln, denen du folgen musst. Ansonsten kannst du dort auch nicht wohnen.
Das Problem bei diesen freien Regeln ist ja dann oft, dass es manchmal oder wahrscheinlich in den meisten Fällen so das Recht des Stärkeren ist. So in der Stadt wird sich auch jemand herausgebildet haben, der oder die dann mächtiger war und dann eben auch Regeln bestimmen. Ja, höchstwahrscheinlich. Also weil ihr gesagt habt, Triaden waren sehr vertreten dort. Also es hat sicherlich hier dann solche Strukturen gegeben, wo die Triaden natürlich dann das Sagen gehabt haben. Und das ist dann natürlich auch,
Der Nachteil, wenn du in so einem System lebst, da hast du halt wenig Handhabe, dann dem zu entkommen. Ja, aber es ist faszinierend, sich solche Gesellschaften anzuschauen. Mich erinnert es an den Freistaat Christiania. Ich weiß nicht, ob du da auch schon, ich habe schon viele Hinweise dazu bekommen.
Nicht so viele, aber auch hin und wieder. Das ist ja so ein Gebiet innerhalb Kopenhagens, das auch als autonome Gemeinde geführt wird. Und das, soweit ich mich erinnere, auch vorher militärisch genutzt war. Das war, glaube ich, eine alte Kaserne, die aufgegeben wurde. Und auch da ist es so, da hat sich eben eine eigene Struktur ausgebildet, die in dem Fall halt geduldet wird von Dänemark, aber eben auch nicht rechtsfrei ist. Ja.
Auch so eine historische Anomalie halt. Ja, genau. Weil ich jetzt gerade über diese Bücher gesprochen habe, lass mich kurz über die Literatur sprechen. Also das Buch, von dem ich vorhin gesprochen habe, das ist Ian Lambert und Greg Gerard, das heißt City of Darkness, Life in Kowloon World City. Und dann habe ich mir einige Sachen so ein bisschen zusammengesucht. Also ganz interessant ist das Buch Feeling the Stones, Reminiscences by David Akers-Jones.
David A. Jones war der Chief Secretary of Hongkong, also das zweithöchste Amt nach dem Gouverneur bzw. nach der Übergabe nach dem Chief Executive of Hongkong. Also vor der Übergabe war es der Gouverneur und als es dann an China über ist, ist es zum Chief Executive geworden. Und der schreibt eben auch über die Wall City, weil er eben der Chief Secretary von Hongkong war, als sie dann tatsächlich demoliert worden ist.
Und dann gibt es einen Text von Gordon Jones, den ich vorhin erwähnt habe, als den District Officer. Der hat da auch über seine Erfahrungen geschrieben. Der hat geschrieben, The Kowloon City District and the Clearance of the Kowloon Walled City im Journal of the Royal Asiatic Society Hong Kong. Und Elizabeth Sin hat geschrieben, Kowloon Walled City, its origin and early history. Da habe ich vor allem eben auch diese Frühgeschichte dieser Gegend her.
Und von Wong Kin Yuen kommt On the Edge of Spaces, Blade Runner, Ghost in the Shell und Hong Kong Cityscape, wo er über eben Hong Kong und Kowloon, Malt City und diese Verknüpfung mit der Science Fiction schreibt. Und gibt es Hinweisgeber oder Hinweisgeberinnen? So viele.
Rosanna, Hedde, Simon, Philipp, Corinna, Samuel, Carlos und Stefan haben über die Jahre schon Hinweise geschickt. Also jetzt vor kurzem, glaube ich, zwei relativ nah beieinander und haben immer dann gedacht, okay, it's time. Noch keine Postkarte? Gibt ja keine. Naja, vielleicht vom Park gibt es bestimmt welche. Bin mir nicht sicher. Ich glaube, er muss in den Aufzeichnungen schreiben, also nicht in der letzten Zeit. Aber könnt ihr schauen in den
in meinen Notizen für die Feedbacks. Sehr gut. Also für alle, die in Hongkong im Urlaub sind. Ja, gut. Herr Richard, hast du dieser Geschichte noch etwas hinzuzufügen? Nicht mehr. Ich denke, wir können übergehen zum Feedback-Hinweis-Blog.
Wer Feedback geben will zu dieser Folge oder anderen, kann das per E-Mail machen, feedback-at-geschichte.fm. Kann es auf den diversen Social-Media-Plattformen tun, dort heißt man gemeinhin Geschichte.fm, außer im Fediverse, da gibt man am besten Geschichte.social in einem Browser ein und landet dann direkt auf unserem Mastodon-Profil.
Und wer uns reviewen will, Sterne vergeben und all solche Dinge, kann das auf Apple Podcasts tun oder grundsätzlich einfach überall, wo man Podcasts bewerten kann. Und wer noch nicht Mitglied unserer Campfire Community ist, kann sich das auch überlegen. Einfach auf joincampfire.fm gehen und dort unsere Community beitreten. Da kriegt man dann während des Hörgenutzes zusätzliche Informationen wie Bilder oder solche Dinge und kann auch selber kommentieren.
Genau. Man kann uns auch lesen. Wir haben das Buch geschrieben, das heißt Geschichten außer Geschichte. Dann gibt es Merch unter Geschichte.shop und zwei Möglichkeiten, diesen Podcast werbefrei zu hören. Bei Apple Podcasts gibt es den Kanal Geschichte Plus zu abonnieren und bei Steady kann man sich den Feed kaufen für vier Euro im Monat. Da gibt es alle Infos unter Geschichte.fm.
Wir bedanken uns in dieser Woche bei Lars, Dirk, Steve, Florian, Nikola, Oliver, Christopher, Janosch, Sarah, Carsten, Mitra, Fabian, Laura, Günther, Michael, Claudia und Sebastian. Vielen, vielen Dank für eure Unterstützung. Ja, vielen herzlichen Dank und danke an Lene Kieberl fürs Schneiden dieser Folge.
Tja, Richard, was bleibt uns noch? Ich würde sagen, uns bleibt eigentlich nur, dass wir jetzt dem einen das letzte Wort geben, der es immer hat, nämlich Bruno Kreisky. Lernt ein bisschen Geschichte. Lernt ein bisschen Geschichte, dann werdet ihr sehen, wie der Reporter sich damals entwickelt hat. Wie der sich damals entwickelt hat. Ciao. Ciao, Tchi. Mach's gut, Richard. Ciao.