Sie hören, denken mit den Ohren, Miniatur 11. In dieser und der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit dem alles verbindenden Phänomen der Resonanz. In der Akustik, in Räumen, im Körper. Resonanz bedeutet, ein schwingendes System wird durch äußere Einflüsse verstärkt, wenn diese mit seiner Eigenfrequenz übereinstimmen.
Einfach gesagt: Resonanz findet statt, wenn ein Gegenstand oder Körper mit Schallwellen mitschwingt. Die eingangs gehörte Aufnahme stammt von der Installation Harmonic Bridge in North Adams, Massachusetts. Eine Arbeit von O&A, Bruce Odland und mir. Seit 1998 transformieren wir dort den Klang der Umgebung mit Hilfe zweier Resonanzrohre. In Echtzeit, im öffentlichen Raum. Resonanz, das klingt nach Musik. Und doch ist es viel mehr.
Resonanz ist das, was passiert, wenn etwas antwortet, wenn ein Ton nicht nur klingt, sondern gehört wird. Vom Raum, vom Körper, vom Material. Wenn wir von Resonanz sprechen, meinen wir Resonanzfrequenz, Resonanzraum und Resonanzkörper.
Jedes Objekt, eine Flasche, ein Glas, eine Gitarrenseite, ein Raum, auch unser Brustkorb hat seine eigenen Frequenzen, bei denen es besonders leicht und stark mitschwingt. Resonanz ist: Mitklingen auf gleicher Wellenlänge. Wenn wir eine leere Flasche anblasen, entsteht ein Ton, das ist der Resonanzton der Flasche.
Je kleiner die Flasche, je enger der Hals, desto höher klingt sie. Je größer das Volumen, desto tiefer. Jeder Raum ist ein Resonanzraum, ob wir wollen oder nicht. Wo Luft eingeschlossen ist und von festen Wänden umgeben wird, entstehen stehende Wellen, also Resonanzen. Ein Raum reagiert auf Klang, manche Töne werden verstärkt, andere verschluckt. Ob Konzertsaal, Badezimmer oder Pappkarton, jeder Raum hat seine eigenen Lieblingsfrequenzen.
Er klingt mit und verändert, wie wir hören. Ein kleines Experiment: Gehen Sie sprechend durch Ihre Wohnung und achten Sie darauf, wie sich Ihre Stimme verändert, je nachdem in welchem Raum Sie stehen. Beim Singen, Sprechen oder Maultrommel spielen wird unser Körper selbst zum Resonanzraum. Die Stimmbänder oder die Metallzunge der Maultrommel erzeugen den Grundton. Doch was wir wirklich hören, formt sich im Mund, im Rachen, in der Brust.
Die Zunge modelliert den Raum und dieser Raum verstärkt einzelne Obertöne, macht sie hörbar als zweite innere Stimme im Klang. So entsteht beim Obertongesang ein zweiter Ton scheinbar aus dem Nichts. Und beim Maultrommelspiel werden durch die Formung der Mundhöhle mit der Zunge verschiedene Obertöne hervorgehoben. Der Grundton bleibt gleich, doch was wir hören wandert. Es entsteht der Eindruck einer kleinen Melodie.
Viele Instrumente nutzen Resonanz. Ein Resonanzkörper ist der Teil, der den Klang verstärkt, er nimmt die Schwingung auf und bringt mehr Luft zum Schwingen. So wird der Ton lauter, voller, klangreicher. Der Holzkörper einer Geige, der Korpus einer Gitarre oder auch der Brustraum beim Singen. Ein kurzer Hörvergleich: Konzertgitarre vs. unverstärkte E-Gitarre. Der einzelne Ton auf der E-Gitarre ist fast nicht hörbar.
Erster Resonanzkörper der Konzertgitarre macht ihn lebendig. Ein Resonanzkörper übersetzt leise Schwingungen in etwas Warnembares. Etwas, das in Beziehung tritt mit dem Raum, mit uns als Hörenden. Vielleicht ist Resonanz auch im übertragenen Sinn genau das. Eine Verstärkung durch Beziehung, durch Mitschwingen.
In Miniatur 12 vertiefen wir das Thema Resonanz und hören genauer hin auf die inneren Resonanzen, die Obertöne, die in jedem Klang verborgen sind. Zum Abschluss hören Sie eine Aufnahme der Arbeit "Box 3070" von O&A aus dem Jahr 2002, aufgenommen mit einem Resonanzrohr auf der Erasmusbrücke in Rotterdam.