Sie hören, denken mit den Uhren Miniatur 12. In Miniatur 11 haben wir begonnen, uns mit dem Phänomen der Resonanz zu beschäftigen. Resonanz tritt auf, wenn ein schwingungsfähiges System von außen angeregt wird und die Frequenz dieser Anregung mit einer seiner Eigenfrequenzen übereinstimmt. Anders gesagt, wenn ein äußerer Impuls, etwa ein Schlag, eine Stimme oder ein Windstoß,
genau die richtige Frequenz trifft, gerät der Körper in Resonanz. Die Schwingung wird dabei verstärkt, oft dramatisch. In dieser Folge geht es um die inneren Resonanzen der Dinge, um die natürliche Obertonreihe und um das, was wir modale Resonanzen nennen. Eine Saite zum Beispiel, die in ihrer Länge geteilt schwingt, erzeugt ganzzahlige Vielfache ihrer Grundfrequenz. Eine halbe Saite, eine Oktav,
ein Drittel, eine Quinte, ein Viertel, die nächste Oktav und so weiter. Diese Teildöne bilden die harmonische Reihe, die unserem musikalischen Empfinden und der westlichen Musikstruktur zugrunde liegt. Wir nennen sie auch die natürliche Obertonreihe, weil sie aus der physikalischen Struktur des schwingenden Systems selbst hervorgeht, nicht durch Stimmung oder Technik erzeugt, sondern von Natur aus im Klang enthalten.
Man kann sie hörbar machen, entweder durch Flageoletttöne auf der Gitarre oder durch genaues Hinhören auf die Obertöne eines Klaviertons. Eingangs hörten sie eine kleine Melodie, gespielt auf einem Brückengeländer aus Metall. Kein Instrument im klassischen Sinne, aber ein klingender Körper, bereit sich mitzuteilen. Was da klingt, ist mehr als nur ein einzelner Ton. Es sind die inneren Resonanzen des Materials selbst.
Diese folgen keiner festen mathematischen Ordnung wie die Obertonreihe. Stattdessen entstehen modale Resonanzen, Schwingungsformen, die durch die Wechselwirkung von Material, Form und Randbedingungen bestimmt sind. Randbedingungen beschreiben dabei, wie ein Objekt gelagert, befestigt oder aufgehängt ist, also wie seine Enden oder Berührungspunkte mit der Umwelt beschaffen sind. Ein Rohr klingt anders als ein Brett, Eisen anders als Aluminium,
Dickwandig anders als dünn. Hohl anders als massiv. Die Form, Länge, Durchmesser, Aufhängung bestimmt, wie sich Schwingungen im Inneren ausbreiten. Und jede Berührung, jedes Antippen bringt genau dieses System zum Klingen. Ein Echo aus dem Inneren des Materials. Machen Sie ein kleines Experiment: Spielen Sie mit einem Kieselstein verschiedene Gegenstände in Ihrer Umgebung an.
Hören Sie auf deren Klang und auf das, was dieser Klang über das Objekt erzählt. Diese Klänge folgen oft nicht der harmonischen Obertonreihe, wie wir sie von Saiten oder Luftsäulen kennen. Sie entstehen aus modalen Schwingungen, deren Frequenzen oft unregelmäßig verteilt sind. Und doch: Wir hören darin Tonhöhen, Intervalle, manchmal sogar ganze Skalen.
Wenn wir genau hinhören, erkennen wir: Auch die Welt spricht musikalisch zu uns. Sie hat ihre eigene Ordnung, eine Ordnung, die sich durch Resonanzen offenbart. Hier der Klang eines Lichtmastens in Kobe, Japan, angespielt mit einem Bambusstöckchen. In solchen Momenten, mit einem Geländer, einem Kanaldeckel, einem Lichtmasten, beginnt ein anderes Hören. Ein Hören, das die Welt als Klangkörper begreift.
Die Melodie, die ich spiele, gehört vielleicht mir, aber der Klang, mit dem sie erklingt, gehört dem Objekt. Und jedes Objekt, das klingt, verrät etwas über seine innere Struktur. Es ist, als würde die Welt selbst eine Stimme haben. Nicht gemacht für uns, aber offen für unser Ohr. Zum Abschluss hören wir ein kurzes Stück von O&A, gespielt mit Steinen.