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cover of episode LdN434 Bundesregierung ignoriert Gericht, Rechtsaußen neuer Präsident Polens (Kornelia Kończal, Uni Bielefeld), Wie Kommunen Akzeptanz von Windrädern steigern, Ungleichheit gefährdet Demokratie (Martyna Linartas, Autorin), Korrektur: Bundeswehr und Google-Cloud

LdN434 Bundesregierung ignoriert Gericht, Rechtsaußen neuer Präsident Polens (Kornelia Kończal, Uni Bielefeld), Wie Kommunen Akzeptanz von Windrädern steigern, Ungleichheit gefährdet Demokratie (Martyna Linartas, Autorin), Korrektur: Bundeswehr und Google-Cloud

2025/6/5
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Lage der Nation - der Politik-Podcast aus Berlin

AI Chapters Transcript

Shownotes Transcript

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 434 vom 5. Juni 2025. Und im Berliner Lage-Studio begrüßen euch wie fast in jeder Woche Ulf Burmeier, das bin ich, Jurist aus Berlin. Und Philipp Banse, ganz herzlich willkommen auch von mir. Wir schreiben Lage Universal Time 11.44 Uhr und haben euch natürlich erstmal zu danken für die ganzen vielen tollen Vorschläge für potenzielle Interviews.

Gäste und Gästinnen. Wir sind jetzt, haben wir gerade mal durchgezählt, bis 2040 versorgt. Also da...

Könnt ihr euch weitere Vorschläge bis auf weiteres ersparen. Nein, wirklich super cool, war super inspirierend und haben auch die Fäden den Ball mal aufgenommen. So sieht es aus. Also super nice von euch, haben uns einfach richtig gefreut über euer Engagement. Auch teilweise wurden sogar Begründungen geliefert, Kontaktdaten recherchiert und so großartig. Und einen Vorschlag haben wir auch gleich umgesetzt, aber der wird noch nicht verraten. Das ist der kleine Cliffhanger. Freut euch auf die Sommerpause der Lage der Nationen. Dieses Jahr so grob im Juli, August.

Es ist eingetütet, wir haben die Züge gebucht, also wir gehen fest davon aus, dass das klappt und dann könnt ihr gleich einen eurer Vorschläge in der Sommerpause hören.

Mit dem Klimaschutz geht es ja viel zu langsam voran und auch die neue Bundesregierung drückt sich, wenn man ehrlich ist, vor den notwendigen Veränderungen. Ja, will die Energiewende sogar bremsen. Dabei kann CO2-Einsparung so einfach sein mit echter grüner Energie von Naturstrom. Denn bei Naturstrom gibt es nicht nur 100% echten Ökostrom aus Windenergieanlagen, Solarparks und Wasserkraftwerken hier in Deutschland, sondern auch aus Windenergieanlagen.

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Diese Woche war, glaube ich, kann man jetzt schon sagen, für den deutschen Rechtsstaat durchaus eine historische. So oft hat es sowas noch nicht gegeben, was wir diese Woche hatten.

erleben durften und auch weiterhin leider erleben dürfen. Ja, man muss schon ehrlich sagen, es war so wahrscheinlich die Woche, wo Deutschland am nächsten an das System von Donald Trump herangerückt ist, wo also Gerichtsentscheidungen versucht wurden, massiv zu delegitimieren. Und zu ignorieren. Und zu ignorieren. Also genau, beides. Ignorieren und damit das nicht ganz so schlimm wirkt, zu delegitimieren, so zu tun, als müsse man sie nicht ernst nehmen. Das sind Entwicklungen, wie wir sie eigentlich aus einem Rechtsstaat

nicht gewöhnt sind, wie man sie sich nicht wünschen kann. Aber wir schauen da jetzt erst mal genau hin. Worum geht es? Worum geht es? Also es geht um die schon viel beschriebenen, viel kritisierten Grenzkontrollen und vor allen Dingen die Zurückweisung an deutschen Grenzen ohne Anhörung, ohne Verfahren von Leuten, die aus zum Beispiel Polen kommen und sagen, wir hätten gern Asyl in Deutschland. Da hatte Merz ja im Wahlkampf versprochen und auch die Union ab Tag 1 unser Regierungsübernahme-

wird zurückgewiesen und den Auftrag hat bekommen, Alexander Dobrindt, Innenminister von der CSU. Alexander Dobrindt hat das auch in seinem ersten Tag im Amt des Bundesinnenministers umgesetzt, hat eine neue Weisung an die Bundespolizei rausgegeben. Man kann schon fast sagen, auf Wunsch auch des Bundespolizeipräsidenten. Herr Rohmann geht auch seit Jahren durch die Gegend und erzählt allen, wir würden ja so wahnsinnig gerne zurückweisen. Auf der anderen Seite gab es immer große Zweifel daran, ob diese Zurückweisung von Menschen, die einen Asylantrag stellen,

ob die überhaupt europarechtlich zulässig ist. Und um das zu verstehen, worum dieser Streit kreist, muss man sich einmal noch diese Logik dieser rechtlichen Konstruktion vor Augen führen. Wir haben die vor ein, zwei Wochen erst erläutert. Aber wir machen das nochmal, weil man sonst im Grunde die ganze Sendung nicht versteht. Genau, und das kann man einfach auch nicht oft genug machen. Auch ich habe das gemerkt, das muss man sich immer nochmal wieder vor Augen halten. Also, es gibt auf der einen Seite das deutsche Asylrecht. Konkret geht es um den Paragrafen 18 des Asylgesetzes.

Und dieses deutsche Asylrecht, das erlaubt Zurückweisung an der deutschen Grenze, wenn die Leute aus einem sicheren Drittstaat kommen. Zum Beispiel Polen, zum Beispiel Österreich, zum Beispiel Frankreich. Aber dieses deutsche Recht wird überlagert vom europäischen Recht. Das wiederum sagt, der Schutzanspruch von Geflüchteten muss normalerweise in dem Land geprüft werden, in dem sie das erste Mal die EU

Da gibt es kleine Ausnahmen, aber wenn die Leute an die deutsche Grenze kommen, dann muss eben geprüft werden, wo sind sie in die EU gekommen, in welches Land müssten sie eventuell zurückgehen. Sie haben dann irgendwie ein Recht auf ein Verfahren, vielleicht dürfen sie aber auch in Deutschland bleiben, weil es eben Ausnahmen gibt. Das ist das sogenannte Dublin-3-Verfahren.

Und damit ist eigentlich klar, dieser § 18 Absatz 2 des deutschen Asylgesetzes ist sogenanntes totes Recht. Es ist einfach nicht anwendbar, weil es überlagert wird vom europäischen Recht. Und um die Norm überhaupt anwenden zu können, also diese deutsche Norm, es darf zurückgewiesen werden, muss dieses EU-Recht irgendwie weg.

Und dafür gibt es einen sehr, sehr schmalen Pfad. Den gibt es, aber der ist eben sehr, sehr schmal. Und steinig. Und dieser sehr schmale und steinige Pfad, der lautet da nationale Notlage. Nur dann erlaubt Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausnahmsweise und zeitlich begrenzt, dass wieder nationales Recht angewendet wird.

Also, dass Leute aus einem sicheren Drittland ohne Prüfung, ohne Anhörung einfach wieder zurückgeschoben werden. Und darum kreist nun seit Monaten der Streit. Liegen die Voraussetzungen dieses Artikel 72a EUV vor? Darf Deutschland also quasi das Europarecht einfach unangewendet lassen? Darf Deutschland sich wieder auf das deutsche Asylgesetz berufen und ohne Prüfung zurückweisen? Richtig.

Und das hat das Verwaltungsgericht Berlin nun am Montag entschieden.

Deutschland darf das zumindest in einem konkreten Fall, um den es da ging, nicht. Da ging es um drei Asylsuchende, die hatten geklagt, die waren in Frankfurt oder aus dem Zug gezogen worden, hatten das Wort Asyl gesagt, wir wollen hier Asyl beantragen und die Bundespolizei hat gesagt, nein, wir weisen euch ohne Prüfung zurück, bitte geht wieder nach Polen. Und dazu sagt nun das Verwaltungsgericht Berlin mit der Entscheidung vom 2. Juni, das war schrecklich.

Höchstwahrscheinlich nicht rechtmäßig. Es ist eine Entscheidung in einem Eilverfahren. Deswegen höchstwahrscheinlich und nicht hundertprozentig. Das Verwaltungsgericht sagt, die drei Somalier haben einen Anspruch auf eine ordentliche Prüfung, welcher EU-Staat zuständig ist. Auf dieses Dublin-III-Verfahren. Deutschland durfte sie nicht zurückweisen, muss sie wieder ins Land lassen und ein solches Dublin-III-Verfahren durchführen.

Okay, diese drei Somalier müssen also ins Land gelassen werden. Aber was bedeutet denn das jetzt für Zurückweisungen? Generell gibt es ja ein paar Hundert von der Sorte. Alexander Dobrindt, Innenminister, sagt, Leute, hier ging es um einen Einzelfall von diesen drei Somaliern. Der wurde so entschieden, zumal in einem Eilverfahren. Die Hauptsache, die Entscheidung in der Hauptsache, die kommt noch. Daher ist das ohne Bedeutung für die generelle deutsche Politik der Zurückweisung an deutschen Grenzen. Die Zurückweisungen werden weitergehen.

Man müsse nur demnächst besser erklären, worin denn nun genau diese Notlage besteht, um Europarecht eben beiseite wischen zu können und sich auf deutsches Recht berufen zu können. Also Einzelfall und Eilentscheidung, Hauptsache Kontrolle.

kommt noch. Deswegen geht es weiter. Und da muss man einfach sagen, das ist in jeder Hinsicht Kokolores. Dobrindts Position ist rechtlich nicht haltbar. Herr Dobrindt ist ja auch selber kein Jurist, hat sich aber hoffentlich von seinem Ministerium beraten lassen. Hat er auch, das hat wohl sehr lange gedauert, bis sie da eine Sprachformulierung gefunden haben und die erst geschrieben haben. Aber wie gesagt, wir haben es gerade schon gespoilert, das ist rechtlich in jeder Hinsicht unhaltbar und warum das so ist, das schauen wir uns jetzt der Reihe nach an und wollen euch das Schritt für Schritt erklären.

Punkt 1, ja, es war tatsächlich nur eine einstweilige Anordnung, aber gegen die gibt es kein Rechtsmittel mehr. Das heißt also in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist es die endgültige rechtskräftige Entscheidung. Das schreibt auch das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Beschluss. Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Okay, aber eine einstweilige Anordnung heißt ja, Dobrindt sagt, da kommt dann noch eine Hauptsache. Kommt die denn jetzt noch?

Die war zunächst mal anhängig gemacht worden, aber sehr wahrscheinlich wird diese Hauptsache gar nicht mehr zu einer Entscheidung führen oder man kann sagen fast hundertprozentig nicht mehr. Denn die Somalier dürfen ja nun einreisen aufgrund der einstweiligen Anordnung. Daher wird sich die Hauptsache erledigen, wie man da in der juristischen Fachsprache sagt. Das heißt, es wird...

auf diese Hauptsache gar nicht mehr ankommen. Dann werden die KlägerInnen in diesem Fall einfach die Hauptsache für erledigt erklären. Und dann gibt es überhaupt keine gesonderte Entscheidung mehr in der Hauptsache. Das ist der absolute Regelfall in diesen Fällen. Also das klingt jetzt so wie so ein merkwürdiger Ausnahmefall. Aber es gibt ganz viele Verfahrenskonstellationen vor den Verwaltungsgerichten, wo das Verfahren eigentlich nur im einstweiligen Rechtsschutz stattfindet und dann die Hauptsache quasi vorweggenommen wird.

Weil die Kläger sagen, okay, hat sich erledigt, wir haben die Prüfung bekommen und so weiter, wir lassen das sein.

Ist eigentlich was, was man vermeiden will. Das macht man nur, wenn sonst eben besonders erhebliche Nachteile drohen. Aber so ist es hier natürlich, wenn die Leute erstmal in Polen sitzen und dann da drei Jahre warten müssen, bis sie irgendwann vom Verwaltungsgericht Berlin hören, ja, ihr dürft in Deutschland euer Dablin-III-Verfahren bekommen. Dann sind da einfach drei Jahre ins Land gegangen. Das ist unzumutbar unvermeidbar.

Und deswegen hat das Verwaltungsgericht hier ausnahmsweise gesagt, doch, wir können im Eilverfahren quasi das schon endgültig entscheiden, obwohl wir damit die Hauptsache der Sache nach vorwegnehmen. Also das Argument, die Hauptsache kommt ja noch, warten wir doch mal ab, das ist ja noch gar nicht durch, das ist tot, das wird es nicht geben, das zieht nicht. Das zweite Argument ist, ja, hier geht es doch nur um einen Einzelfall. Das Verwaltungsgericht hat doch nur den Fall dieser drei Somalier und Somalierinnen entschieden.

Und da muss man sagen, formal ist das richtig. Die Entscheidung gilt dem Tenor nach nur für diese drei Menschen, die geklagt haben. Aber nichts an diesen drei Leuten ist so spezifisch und so besonders, dass nicht alle anderen Geflüchteten auch so behandelt werden müssten wie diese drei Somalier.

Es ist einfach kein Fall von Geflüchteten dem Gericht vorstellbar, bei dem das Gericht nicht ganz genauso entschieden hätte wie hier bei diesen drei Somaliern. Genau und das liegt einfach daran, dass diese Entscheidung maßgeblich auf rechtlichen Erwägungen beruht, nämlich dieser europarechtlichen Konstellation und gerade nicht auf besonderen...

tatsächlichen Umständen des Einzelfalls. Also ja, formal ein Einzelfall. Aber weil die Entscheidung ausschließlich beruht auf rechtlichen Erwägungen, sind diese rechtlichen Erwägungen eben übertragbar auf alle Konstellationen von Zurückweisung an den deutschen Außengrenzen. Jedenfalls, soweit es auf der anderen Seite der Grenze um einen sicheren Drittstaat geht. Und das ist nun mal überall rund um Deutschland der Fall. Und das fand ich ganz interessant. Das heißt, diese Entscheidung ist zwar formal rechtlich bindend nur für die Beteiligten.

Aber das Gericht hat jetzt mal, würde ich das mal formulieren,

eindeutig diesen Rechtsrahmen definiert, in dem sich deutsche Politik bewegen muss. Und diese gerichtlich definierte Rechtslage, die gilt nun einfach bundesweit an allen Grenzen. Genau, das Recht galt natürlich auch vorher schon, aber das Verwaltungsgericht Berlin hat sich jetzt mal die Mühe gemacht, das ausführlich aufzuschreiben und so ein bisschen aufzuräumen mit dieser, sag ich jetzt mal, Nebelkerzendiskussion, um

die Notlage nach Artikel 72 AEUV. Das Verwaltungsgericht hat zunächst mal ausgesprochen, worüber sich im Grunde alle Expertinnen und Experten einig sind, was sie in der Lage schon häufiger erklärt haben. Ohne eine Notlage kann Europarecht nicht einfach ignoriert und deutsches Recht angewendet werden, sprichwörtlich.

Sprich, ohne Notlage geht das mit den Zurückweisungen auf keinen Fall. Das sagt auch die Union nicht an. Richtig. Jetzt hat also dieses Gericht diesen Rechtsrahmen definiert. Ohne Notlage, keine Zurückweisung und so weiter. Und nun würde man ja nun erwarten, da das Gericht diesen Rechtsrahmen ganz klar und eindeutig entschieden hat, dass sich die Verwaltung auch daran hält. Verwaltung ist ja an das Recht gebunden.

Nun sagt aber der Innenminister, Alexandra Dobrindt, nö, wir weisen weiter zurück. Wir halten das hier für vorläufig, das ist ja ein Einzelfall, wir fühlen uns nicht zurück.

an diesen neuen Rechtsrahmen gebunden. Also wird es dann wieder Klagen geben von Menschen, die zurückgewiesen wurden. Wieder wird die Bundesregierung dann vor dem Berliner oder einem anderen Verwaltungsgericht begründen müssen, wir haben eine Notlage. Und das hat ja Dobrindt auch gesagt, wir werden das besser begründen müssen. Da kann man sich natürlich fragen, wieso habt ihr das denn jetzt hier nicht gemacht? Was soll euch denn da jetzt noch einfallen? Also ehrlich gesagt haben sie das ja schon im Berliner Verfahren versucht.

Aber da ist ihnen tatsächlich sehr wenig eingefallen. Wenig überraschend, weil ja auch alle Expertinnen und Experten sagen, was mit der Notlage ist eine Quatschidee. Sie haben im Grunde nur ein paar Zahlen zu den Asylanträgen in Deutschland referiert und dann behauptet, daraus ergebe sich eine Notlage. Das Gericht hat aber da gesagt, das reicht uns bei weitem nicht. Wo bitte sollen diese Zahlen eine Notlage darlegen?

Ja, und wenn ihr diese Zahlen liefert, dann müsst ihr mindestens auch die Auswirkung dieser Zahlen mal darlegen. Also selbst wenn die jetzt steigen würden, was sie nicht tun, wie entsteht denn dadurch eine Notlage, die die öffentliche Sicherheit in Deutschland gefährdet? Und diese Notlage, hat das Gericht ganz klar gesagt, die ist nicht dargelegt. Auf Deutsch, das Bundesinnenministerium und die Bundespolizei reden zwar immer von einer Notlage, auch in diesem Verfahren, sie können diese aber nicht stichhaltig und überzeugend begründen. Sie haben nur gesagt, es kommen so und so viele Flüchtlinge, das ist zu viel.

das Gericht sagt, das mögt ihr so sehen, eine Notlage können wir da nicht erkennen. Tja, aber man darf eben auf der Grundlage dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin davon ausgehen, dass die Bundesregierung auch in den anderen Verfahren, die jetzt kommen werden, die Notlage kaum wird begründen können. Denn, und das ist quasi das Novum, das Gericht in Berlin hat jetzt so deutlich und konkret wie noch nie erklärt, was sind denn eigentlich die Kriterien,

für eine solche Notlage, die es möglicherweise erlauben würde, das europäische Recht nicht anzuwenden, zu deutschem Recht zurückzukehren und zurückzuweisen. Und da würde ich sagen, das ist der wesentliche Fortschritt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, das einfach mal aufzuschreiben. Und da muss man dazu sagen, das haben sie sich nicht ausgedacht, sondern das ist im Prinzip vor allem eine juristisch sehr präzise Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Das ist ganz wichtig dabei, dass es nicht deren eigene Identität

Da könnte man noch sagen, Verwaltungsgericht Berlin, schön, da gibt es ja noch ein paar höhere Gerichte. Aber hier ist es letzten Endes einfach nur eine Ausarbeitung, was der Europäische Gerichtshof dazu schon gesagt hat. Ja, und sie waren sich ihrer Analyse und sind sich ihrer Analyse sehr, sehr sicher. Denn sonst hätten sie noch mal gesagt, hier, Europäischer Gerichtshof, guck doch noch mal, wir verstehen das so und so, siehst du das auch so. Das ist der normale Weg, wenn man so europarechtliche Fragen entscheidet, bei denen sich das Gericht nicht so ganz sicher ist. Hier, was sich das Berliner Verwaltungsgericht entscheidet,

sehr sicher. Und sie haben diese Kriterien wie folgt aufgedröselt. Im Prinzip

kann man nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU ausnahmsweise Europarecht beiseite schieben und nationales Recht wieder zur Anwendung bringen. Aber diese rechtliche Möglichkeit muss sehr eng ausgelegt werden, damit Mitgliedstaaten nicht pauschal unter Berufung auf die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit davon abrücken, das Europarecht einzuhalten. Das ist so ein bisschen so quasi die Dauerpanik des Europäischen Gerichtshofs, dass irgendein Mitgliedstaat,

einfach nicht mitspielt. Denn das kann man sich vorstellen, bei einer EU mit 27 Mitgliedstaaten findet sich immer irgendwer, wo gerade ein Populist an der Macht ist, der einfach nicht mitspielen will, weil er, keine Ahnung, seinen Wählerinnen und Wählern irgendwas versprochen hat. So wie jetzt zum Beispiel Friedrich Merz. Und deswegen setzt der Europäische Gerichtshof bei solchen Ausnahmeklauseln grundsätzlich auf eine enge Aussage.

Auslegen. Und diese Kriterien, die nennt dann das Verwaltungsgericht Berlin auch nochmal ganz konkret. Es braucht erstens für so eine Notlage konkrete Gründe, dass eine Situation besteht, die für die deutschen Behörden nicht zu bewältigen wäre.

Und aufgrund derer die Funktionsfähigkeit staatlicher Systeme und Einrichtungen akut gefährdet werden. Das ist das erste Kriterium. Also keine Ahnung, marodierende Banden, hunderttausende Kampieren in Parks. Also meine persönliche Vorstellung wäre, so Zustände wie auf einer dieser griechischen Inseln, Moria oder so.

Wo man wirklich sagen kann, humanitäre Katastrophe, jederzeit können Seuchen ausbrechen. Also wenn sowas dargelegt wäre, könnte man sagen, okay, dann ist vielleicht tatsächlich mal ein Problem. Zweitens muss der Mitgliedstaat erstmal die Mittel des Europarechts ausschöpfen.

Das ist nun das zweite Kriterium. Und drittens muss die Abweichung vom Europarecht verhältnismäßig sein. Also sie muss A, geeignet sein, diesen Notstand zu beheben oder zu bekämpfen. Sie muss B, erforderlich sein. Es darf also kein milderes, kein anderes ebenso wirksames Mittel geben,

Und es muss eben angemessen sein. Das sind die Hürden. Wie gesagt, hat sich das VG nicht ausgedacht, sondern die stammen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Und dann prüft das Verwaltungsgericht Berlin mal sauber durch, was die Bundesregierung so vorgetragen hat und hält diese Kriterien dagegen. Und da muss man sagen, dann wird es schon echt peinlich für Dobrindt, weil immer wieder nur kommt, nicht vorgetragen, nicht dargelegt, nicht dargelegt.

Fangen wir oben an. Ja, also die Bundesregierung hat nur Zahlen genannt. Das Verwaltungsgericht sagt, Zitat, es bleibt offen, was aus diesen Zahlen genau für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik folgt. Auf Deutsch, wir finden das zu viel, ist noch keine Krise. Mittel des Europarechts ausgeschöpft.

Wieder nicht sauber vorgetragen von der Bundesregierung. Laut Europäischem Gerichtshof zum Beispiel könnte man bei einem Massenansturm Camps an der Grenze einrichten und dort prüfen. Das ergibt sich wohl aus Artikel 43 Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie. Das hat die Bundesregierung aber nicht mal versucht. Es gibt einfach schlicht keine solchen Lager oder Hotels. Aber was man sich da vorstellen kann für solche Dublin-III-Verfahren in Grenznähe, könnte man machen, sagt das Verwaltungsgericht auch noch mal. Hat die Bundesregierung nicht mal versucht.

Und sowas müsste man aber erstmal erfolglos ausgeschöpft haben, bevor man an eine Notlage überhaupt denken kann. Und selbst wenn sie das alles gemacht hätten, selbst wenn diese Notlage dargelegt worden wäre, wenn sie diese Camps versucht hätten, selbst dann, dann müssten diese Zurückweisungen immer noch wenigstens geeignet sein, diese angebliche Krise zu beenden.

Aber selbst das sind ja die Zurückweisungen ganz offensichtlich nicht, denn wer zurückgewiesen wird, der versucht es halt einfach woanders noch einmal. Beispiel die drei klagenden Somalier, die waren nämlich vorher schon, ich glaube zweimal irgendwo anders zurückgewiesen worden und dieser Versuch, um den es jetzt vor dem Verwaltungsgericht Berlin ging, war der dritte Versuch. Mit anderen Worten, die zwei vorherigen Zurückweisungen haben schlicht und ergreifend gar nichts gebracht.

Und deswegen sind auch Zurückweisungen schon strukturell nicht geeignet, eine angebliche Krise wegen zu starker Migration zu beheben. Aber selbst wenn man nun unterstellt, die Zurückweisungen wären wirksam, dann müssten sie auch noch das letzte Mittel sein. Das heißt, die Bundesregierung muss, bevor sie das Europarecht beiseite schieben kann, vorher alle anderen ihr zu Gebote stehenden Mittel ausschöpfen.

Ja, und es ist natürlich schwer zu sagen, wie das aussehen könnte, weil ja gar nicht klar ist, worin überhaupt eine Krise bestehen soll. Viele Kommunen klagen und unter Belastung, viele kommen aber auch gut klar. Das haben wir ja auch mal gemacht. Die haben dann halt irgendwie Strukturen aufbewahrt, haben sich vorbereitet, ist schon ein paar Monate her. Also natürlich gibt es Kommunen, die stöhnen, das ist ja auch gar keine Frage. Aber es gibt eben auch viele Kommunen, die mit den Migranten gut klarkommen, sie gut integriert kriegen, gut untergebracht kriegen.

Aber klar, es gibt eben viele Kommunen, die seien am Limit und da könnte der Bund beispielsweise konsequent einfach sämtliche Kosten der Migration ersetzen und ihnen so helfen. Oder die Menschen anders verteilen. Also man kann sich eine ganze Menge an Möglichkeiten vorstellen, wie man die punktuelle Überlastung einzelner Kommunen mit anderen Mitteln bekämpfen könnte, als mit einem Bruch des Europarechts. Zum Beispiel in einer engeren Kooperation mit Frankreich. Frankreich hat...

ungefähr so viele Menschen aus der Ukraine aufgenommen wie Baden-Württemberg. Muss ich mal überlegen. Irgendwie 170.000, 200.000. Deutschland ist bei über einer Million. Da könnte man natürlich mit Frankreich mal reden. Wollen wir das nicht irgendwie ein bisschen anders aufteilen? Ja, das macht auch deswegen Sinn, weil ja die französische Botschaft zum Beispiel schon offiziell bei der Bundesregierung protestiert hat gegen die Grenzkontrollen. Also jetzt gar nicht gegen die Zurückweisung, sondern schon gegen die Aussetzung der Schengen-Regeln an der deutsch-französischen Grenze.

Und da hätte man natürlich wunderbar mit Frankreich reden können, ja, verstehen wir, finden wir auch blöd, vielleicht finden wir da ja eine Lösung, vielleicht nehmt ihr einfach ein paar Leute von uns auf und dafür verzichten wir auf Grenzkontakt.

Wir können natürlich jetzt nicht sagen, ob das auch Erfolg gehabt hätte. Auch in Frankreich gibt es natürlich ein massives Problem mit Rechtspopulismus. Wäre sicherlich für die Regierung Macron nicht leicht gewesen, einem solchen Deal zuzustimmen. Aber unser Punkt war an dieser Stelle und damit geben wir ja auch nur wieder, was das Verwaltungsgericht Berlin da analysiert hat. Die Bundesregierung beruft sich auf eine Notlage und sie hat aber auf ganz vielen Ebenen überhaupt nicht zugesagt.

quasi die Schritte eingehalten, die rechtlich geboten wären, um sich überhaupt auf diese absolute Ausnahmeklausel nach Europarecht berufen zu können. Und wenn man diese Maßstäbe eben anlegt, Philipp, ist, glaube ich, eins klar. Von einer Notlage in Deutschland ist keine Spur. Die konnte nicht nachgewiesen werden, nicht vom BMI. Und also muss das EU-Recht angewendet werden. Sie können nicht sagen, das gilt nicht, wir wenden das deutsche Asylgesetz an. Das funktioniert einfach nicht.

Wir hören nun aus der Justiz, das wusste auch die Bundespolizei ziemlich genau, dass die Lage so ist, wie es das Verwaltungsgericht jetzt nochmal klargezerrt hat und man muss sich klar machen, ne.

Dann war klar, dass sie dieses Verfahren verlieren würden.

Das Bundesinnenministerium hat nur mit einem nicht gerechnet, nämlich dass die gerichtliche Entscheidung so schnell kommen würde. Die Hoffnung war wohl im Innenministerium, dass man mit diesen Zurückweisungen wenigstens ein paar Monate weitermachen kann. Aber nun ist die Aktion Zurückweisung schon nach vier Wochen gescheitert.

Ja und jetzt könnte man natürlich sagen, gut, Gericht entschieden, Regierung sieht es ein, stoppt die Zurückweisung, weil offensichtlich es dafür keine Grundlage gibt. Allerdings sind die Reaktionen von Alexander Dobrindt, dem Innenminister und vor allen Dingen von Friedrich Merz, dem Bundeskanzler,

Wie soll man sagen, etwas besorgniserregend. Also Merz hat gesagt, ja okay, nehmen wir zur Kenntnis dieses Urteil, Zitat, die Spielräume für Zurückweisung sind kleiner geworden. Aber wir wissen, dass es noch Spielräume gibt. Und da muss man einfach sagen, lieber Herr Bundeskanzler, nein. Es gab hier noch nie einen rechtlichen Spielraum.

Und das haben sie jetzt halt auch schriftlich. Und es ist aber wirklich besorgniserregend, wenn sie kontrafaktisch in der Öffentlichkeit behaupten, es gebe hier noch Spielordner. Und Alexander Dobitz sagt, es gibt keinen Grund aufgrund einer Gerichtsentscheidung, die heute hier erfolgt ist, in diesem Einzelfall.

Unsere Praxis zu ändern, er hat dann später jetzt bei Maischberger glaube ich noch gesagt, ja, ja, wir müssen halt das nächste Mal genauer darlegen, worin denn diese Notlage besteht. Haben wir oben analysiert. Haben wir oben analysiert, da fragt man sich, also warum habt ihr das nicht gleich gemacht? Weil es es natürlich nicht geht. Wir haben die Kriterien ja oben durchgepiniert. Da hat sich jetzt nichts, in den nächsten zwei Wochen wird sich da nichts ändern und hat sich in der letzten Woche auch nicht geändert. Also die...

Die Notlage, wenn es die gibt und wenn ihr die hättet nachweisen können, dann hättet ihr das sicherlich in diesem Verwaltungsgerichtsverfahren gemacht. Wir haben ja eben auch gesagt, vor allem müsste Deutschland zunächst mal mit Grenzverfahren versuchen und dann müsste es Deutschland versuchen mit allen möglichen Mitteln, mit allem was nationalstaatlich geht, eine etwaige Notlage zu beheben.

Kosten den Kommunen ersetzen, an Leute anders verteilen. Mit Frankreich leben. All das müsste erfolglos versucht worden sein. Mit anderen Worten, das ist schon deswegen nicht kurzfristig nachzuweisen, weil man es ja noch nicht mal versucht hat. Also Bianca Schwarz, AD Hauptstadtstudio, kommentiert, in einem Rechtsstaat sollte nicht das persönliche Rechtsverständnis eines Ministers oder seiner Partei entscheidend sein, sondern das geschriebene Gesetz und die Auslegung durch die unabhängige Justiz. Und wenn ein Innenminister, also der Mann, der auch die Polizei verantwortet,

öffentlich erklärt, sich von Gerichtsentscheidungen nicht beeindrucken zu lassen, dann signalisiert er, Recht gilt nur, wenn es mir passt. Das ist besorgniserregend und gruselig. Und bei einem Seitenblick in Richtung USA stellt sich da wirklich die Frage, wollen wir da hin?

Ja, Alexander Dobins nächstes Argument ist dann natürlich diese Dublin-Regeln, auf die sich auch das Verwaltungsgericht Berlin jetzt berufen hat, die funktionieren doch nicht, also müssen wir uns auch nicht dran halten. Ja, also er meint natürlich, dass es häufig schwer ist rauszufinden, wo haben die Leute das erste Mal EU-Boden betreten, dann ist es schwer…

Wenn wir das rausfinden, diese Leute oft dorthin zu bringen, wo sie eben erst einmal EU betreten haben und wo eigentlich ihr Asylverfahren betreut werden müsste und durchgeführt werden müsste, sprich Griechenland, Italien. Prima Daumen sind das so knapp 10 Prozent Asylverfahren.

der Leute, die eigentlich zurückgehen müssten in dieses Land des ersten Betritts, die dann auch wirklich zurückgeführt würden. Daher kommt dieses Argument, es funktioniert in der Praxis einfach nicht, so wie es vorgeschrieben ist. Und da muss man sagen, selbst wenn das so ist, selbst wenn man das mal kauft, dass Dublin nicht funktioniert, wofür es Gründe gibt,

Da muss man sich fragen, was denn das für ein Argument. Also wenn das Recht von anderen nicht angewendet wird, dann muss man das entweder besser durchsetzen oder man muss die Rechtslage ändern. Aber es ist jedenfalls keine Lösung, einfach selber die Rechtslage zu ignorieren. Nur weil man sagt, andere halten sich an anderer Stelle auch nicht ans Recht. Und ganz ehrlich ...

Die EU-Staaten haben sich ja gerade auf eine Änderung des Grenzregimes geändert, Stichwort Gers-Reform. Aber die EU-Staaten sind eben gehalten, bei Problemen zusammenzuarbeiten und Lösungen zu finden. Sie können nicht einfach quasi wie ein kleines Kind um sich schlagen, alles auf den Boden werfen, den Tisch abräumen und einen Notstand erfinden und so quasi in so eine Art Ego-Modus schalten.

Also das ist einfach nicht sinnvoll. Und wir haben ja vor einigen Wochen auch schon analysiert, wie sehr dieser nationale Ego-Trip Friedrich Merz auf der außenpolitischen Bühne auch schon auf die Füße gefallen ist. Weil nämlich die Polen alles andere als amüsiert sind und Sam Österreich, Schweiz, Frankreich. Also natürlich hat dieses Dublin-System seine Probleme, deswegen wurde ja auch diese Geass-Reform angeschoben, beziehungsweise.

Aber es gäbe eben noch viel mehr, was gemacht werden müsste, bevor man, ich weiß nicht, ob man überhaupt jemals an den Punkt kommen kann, wo man sagt, die Regel funktioniert nicht, ich halte mich nicht mehr. Also das finde ich, in einem Rechtsraum ist das natürlich nicht möglich. Dann bewegen wir uns quasi außerhalb eines rechtlich geordneten Verfahrens. Es gibt ja ein rechtlich geordnetes Verfahren für Notlagen, das haben wir oben durchdekliniert.

Aber da hat die Bundesregierung auf ganz vielen Ebenen schon nicht die Voraussetzungen erfüllt, um diese Notlage annehmen zu können. Und dann einfach zu sagen, wir beachten quasi nicht mal mehr die Voraussetzung einer Notlage und spielen einfach nur wilde Sau. Ich sag, wo sind wir denn hier? Ich dachte, die CDU ist eine Partei der Rechtsstaatlichkeiten.

Dann gibt es noch diese Kritik oder diese Frage, wieso kann eigentlich ein kleines Berliner Verwaltungsgericht entscheiden, was an allen deutschen Grenzen passiert? Das fragt zum Beispiel die FAZ konkret Reinhard Müller. Er meint, die Zurückweisungen müssten weitergehen, denn Zitat

Kein Verwaltungsgericht bestimmt die Regierungspolitik, auch nicht das in Berlin. Die Regierung muss bei ihrer Migrationspolitik bleiben. Ja und da muss man, da habe ich den Kollegen Müller mal an dieses Rechtsstaatprinzip erinnern. Natürlich bestimmt Gerichte die Politik, wenn die Politik sich nicht an Gesetze hält, an die Regeln hält.

Dann grätschen natürlich Gerichte rein. Das ist auch ein totaler Standard. Und verändern diese Praxis, die sich offensichtlich nicht an Recht und Gesetz hält. Denn jedes deutsche Gericht muss EU-Recht durchsetzen. Ebenso wie jede deutsche Behörde. Und wenn unklar ist, was die Rechtslage ist, fragt man halt den Europäischen Gerichtshof. Hier aber ist die Rechtslage halt völlig klar. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich die EuGH-Rechtsprechung analysiert. Deswegen haben sie auch gleich durchentschieden und gar nicht mehr in Luxemburg nachgefragt.

Ja und ich würde sagen Philipp, ich finde das ausgesprochen besorgniserregend, was hier gerade passiert. Dobrins Position ist aus meiner Sicht rechtsstaatlich schlicht nicht hinzunehmen. Clara Bünger von den Linken fordert schon seinen Rücktritt, wird er natürlich nicht tun, nachdem er ein paar Wochen im Amt ist. Aber das, was mir so große Sorgen macht, ich weiß nicht, wie du das wahrnimmst.

Das sind diese deutlichen Anzeichen quasi für eine Trumpisierung, jedenfalls von Teilen der christlich-demokratischen oder in diesem Fall der christlich-sozialen Union. Ja, ja, lass das Gericht mal machen, sollen sie doch sehen, wie sie uns bremsen. Ja, also darauf läuft es jetzt so ein bisschen raus. Die Rechtslage ist völlig klar, sie setzen jetzt darauf, dass es weitere Klagen geht. Sie werden immer wieder sagen, ja, ist doch ein Einzelfall, ist doch ein Einzelfall. Sie werden immer wieder verlieren. Sie werden immer wieder verlieren und sie werden weitermachen mit ihren Zurückweisungen und immer fußend auf...

der Behauptung, es gäbe eine Notlage, deren Kriterien sie nicht annähernd erfüllen können. Auf ganz vielen Ebenen. Das ist ja so eine mehrstufige Prüfung. Und da steigt man in Deutschland schon ganz vorne aus. Das ist wirklich bitter. Da muss ich ganz ehrlich sagen ...

Das gibt mir wirklich zu denken, dass die Union hier an dieser Stelle sich so offen weigert, die Rechtslage als für sich verbindlich anzuerkennen. Und es ist dieselbe Partei, die auf anderen Politikfeldern, innere Sicherheit, Kriminalität, Cannabis und so immer den Rechtsstaat hochhält.

Und immer sagt, die Kriminellen, dies, jenes. Und jetzt verhält sich Dobrindt kriminell. Aber er sitzt halt im Bundesinnenministerium. Und man muss halt sagen, das Verwaltungsgericht Berlin hat halt keine Divisionen zur Verfügung und keine Polizei, die es unmittelbar losschicken kann. Deswegen unsere Sorge Trumpisierung. Da entscheiden Gerichte und die Union ignoriert das einfach. Ja, und so Leute wie Reinhard Müller, die stoßen ja an selbe Horn, wie auch J.D. Vance geschrieben hat. Kein Gericht kann irgendwie die Politik des Präsidenten.

Da muss man sich überlegen. Merz und Dobrindt werden, das ist die gute Nachricht der Woche, in der deutschen Presse, auch in eher konservativen Publikationen, fast überall sehr scharf kritisiert. Aber der rechtspolitische Korrespondent der FAZ, das ist nicht ein kleiner Prakti, sondern der ist schon maßgeblicher Redakteur, der verlässt den Boden der Rechtsstaatlichkeit. Was der da macht, das ist Breitbart-News. Das sollte in einer seriösen Zeitung wie der FAZ nicht passieren. Man muss auch Reinhard Müller sagen, Rechtsstaat lebt vom Mitmachen, Herr Kollege.

Ja, wie geht es jetzt weiter? Also wenn sich die Position der Bundesregierung von Dobrindt und Merz nicht ändert, dann wird es halt weitere Zurückweisungen geben. Es wird weitere Klagen gegen diese Zurückweisungen geben ohne Prüfung. Die Entscheidungen werden, also man weiß natürlich nie, was vor Gericht passiert, aber es ist schwer vorzustellen, dass ein anderes Gericht anders entscheidet. Also...

Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, weil, wie gesagt, das ja nicht eine Rechtsfrage ist, sondern es ist ja eine ganze Serie von Prüfungsschritten, wo die Bundesregierung auf jeder einzelnen Prüfungsstufe rausfliegt. Wir haben es oben durchgekliniert, mindestens drei verschiedene Stufen. Man hätte Grenzverfahren durchführen können, man kann überhaupt nicht ernsthaft behaupten, dass der Bund alles getan hat, um den Kommunen zu helfen. Das ist eine total absurde Idee.

Und deswegen kommt auch die neue Richtervereinigung in so einer Pressemitteilung zu dem Schluss und zeigt sich erschüttert, Zitat, über die fehlende Rechtstreue des neuen Innenministers.

Also ich würde wirklich sagen, Philipp, was wie du, dass diese Politik des kalkulierten Rechtsbruchs, um irgendwie, wie man ja offensichtlich glaubt, der AfD zu gefallen oder den Menschen zu gefallen, die AfD gewählt haben. Diese Politik des kalkulierten Rechtsbruchs, die muss ein Ende haben. Die Union muss halt von ihrem Baum mal runterklettern, auf den sie jetzt in den letzten Wochen rauf ist. Irgendwie scheißegal Migration eindämmen zu wollen, notfalls auch rechtswidrig.

Denn man sieht, es funktioniert in der Praxis nicht. Siehe den Fall der drei Somalier. Wie gesagt, das ist der dritte Versuch gewesen. Und irgendwann werden sie schon ins Land kommen. Und es funktioniert eben auch rechtlich nicht. Also ich verzweifle da wirklich angesichts dieser kompletten Realitätsverweigerung. Ja, zumindest mit nationalen Gesetzen kommt es doch nicht rein.

Wenn du wirklich Europa dicht machen willst, dann musst du das über europäische Grunderzählungen machen. Und das ist kompliziert. Das geht. Die haben ja die GAS-Reform gerade durchgeführt. Das war halt zäh und schwer und mühsam. Und du musst dann irgendwie alle Länder an Bord kriegen oder die meisten Länder an Bord kriegen und so weiter. Das ist natürlich viel, viel mühsamer, als einfach seinem Innenminister zu sagen, du, ab heute wird zurückgewiesen. Und dann aber natürlich festzustellen, dass das gar nichts bringt. Die Zahlen gehen auch nicht runter. Naja.

Also ich glaube, das eigentliche Kernproblem haben wir schon oft diskutiert. Das wollen wir nicht nochmal begründen, sondern nur nochmal nennen. Das Problem ist, wenn du Migration als solche, als Problem definierst, dann läufst du halt in tausend praktische Probleme. Der Bund sollte einfach mal anfangen, die Probleme mit Migration zu lösen. Zum Beispiel, indem man die Kommunen besser unterstützt und indem man dafür sorgt, dass Migration für Deutschland Vorteil hat. Stichwort Zugang zum Arbeitsmarkt. Werbung.

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Wichtige Antworten würde ich mal sagen auf die Frage, kann man Autokraten eigentlich wieder abwählen, wenn sie einmal in der Macht waren? Acht Jahre lang war ja in Polen die autokratisch-populistische, sehr rechte Partei PiS an der Macht. Sie hat die Gewaltenteilung in Polen jedenfalls weitgehend geschreddert, die Justiz weitgehend gleichgeschaltet.

Medien gleichgeschaltet, insbesondere das staatliche Fernsehen in Polen. Und dann aber wurde vor 18 Monaten die liberale und vor allem proeuropäische Bürgerunion an die Macht gewählt unter dem Ministerpräsident Donald Tusk und die wiederum versprach, wir bringen Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung zurück. Ja und das hat leider, muss man wahrscheinlich sagen, nur sehr teilweise geklappt. Das haben wir ja zuletzt auch in einem Interview ausführlich ausgebreitet.

Denn der Präsident in Polen ist sehr mächtig durch die Verfassung und war eben bis zuletzt von der PiS und blockierte dieses, würde ich mal sagen, demokratische Rollback. Also diese Wiederinstallation von Gewaltenteilung und dergleichen. Ja und deswegen wurden die Präsidentschaftswahlen an diesem Wochenende, an diesem Sonntag, also kommende,

Die zweite Runde genau genommen, die Stichwahl mit solcher Spannung erwartet. Wählt Polen nun einen Präsidenten, der für die Rückkehr zu Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung steht? Oder wählen die Menschen in Polen einen Präsidenten, der die Blockade mutmaßlich weiterführen wird und schließt?

schlimmstenfalls sogar die Rückkehr der PiS auch ins Parlament oder in die Parlamentsmehrheit vorbereitet? Oder wird die Bürgerplattform gewinnen bei dieser Präsidentschaftswahl und dann möglicherweise mit Mehrheit auch im Parlament durchregiert? Ja, wir kennen jetzt seit Sonntag Polens Antwort und die stimmt leider nicht sehr optimistisch. Der autokratische Kandidat der PiS, also nicht Mitglied der PiS, aber von der PiS ins Rennen geschickt, der hat diese Wahl gewonnen. Knapp, aber

Aber er hat sie gewonnen. 51 Prozent zu 49 Prozent. Mehrheit ist Mehrheit. Das muss man leider so sagen. Und damit wird auf den Blockadepräsidenten Duda ein unerfahrener Polit-Newcomer folgen. Und die Blockaden dürften, damit rechnen jedenfalls eigentlich alle,

Donald Tusk, der Ministerpräsident von der Bürgerplattform, stellte bereits die Vertrauensfrage. Er will sich vom Parlament das Vertrauen aussprechen lassen. Aber den Knoten dürfte auch das nicht auflösen. Selbst wenn er diese Wahlen gewinnt, gibt es zwei Blöcke im Präsidentenpalast und im Parlament. Wie es zu diesem Ausgang der Präsidentschaftswahl kommen konnte, was das für Polen, für Deutschland, für die EU bedeutet ...

Das wollen wir jetzt nochmal genau analysieren. Ja, und zwar haben wir uns eingeladen und freuen uns, dass sie in der Sendung ist, Cornelia Konschall. Sie ist Juniorprofessorin für Public History an der Universität in Bielefeld. Ganz herzlich willkommen in der Lage der Nation, Frau Professor Konschall. Hallo, danke für die Einladung. Vielleicht fangen wir mal an. Der Name ist oft gefallen. Karol Nawrocki haben viele schon mal gehört. Der wird jetzt Präsident in Polen. Sagen Sie mal, wer ist dieser Mann?

Ja, eine sehr gute Frage. Karol Noworowski ist vor allem ein politischer Neuling. Das heißt, wir wissen nicht so richtig, was seine Positionen sind zu vielen Fragen, denn er hat sich auch sehr bedeckt gegeben und hat viele grundlegende Fragen in der Wahlkampagne nicht beantwortet. Das heißt, mit Blick auf viele Bereiche kann man nur rätseln, was er denkt, wie er handeln wird. Was auf jeden Fall feststeht ist,

Nawrotski ist ein self-made man, jemand, der aus einfachen Verhältnissen kommt und sich hochgearbeitet hat. Er ist ein Historiker, ein promovierter Historiker, ansonsten aber auch ein Mensch mit einer fragwürdigen Biografie.

und mit einer nicht sonderlich ausgeprägten intellektuellen Brillanz. Was heißt denn diese schwierige Biografie? Können Sie da nochmal so ein bisschen genauer werden? Was wird ihm vorgeworfen? Ja, die investigativen Journalisten konnten in den vergangenen Tagen und Wochen aufdecken und dokumentieren, was Nawrozki alles in seiner Jugend angestellt hat, seine Bekanntschaften und Freundschaften bis heute gepflegt hat,

Soviel man sagen kann, mit Neonazis und mit der Unterwelt sind gut bekannt. Es ist auch bekannt, dass er in den Funktionen, die er in den letzten Jahren hatte, die öffentlichen Gelder missbraucht hat. Fälle von Erpressung und Machtmissbrauch sind ebenfalls bekannt.

Er war nicht nur Fußballfan, sondern auch ein Hooligan, der sich beispielsweise an Schlägereien beteiligt hat, die sehr gewaltvoll waren in den späten 90er und 2000er Jahren. Und das könnte man alles abtun als Sünden der Jugend. Das Problem ist nur, dass viele der Bekanntschaften, die er damals pflegte, eigentlich bis heute andauern. Und für mich als Historikerin

sind insbesondere seine Bekanntschaften und Freundschaften mit den Nonazis und mit der Unterwelt ein Problem. Ja, nach allem, was wir wissen, Stand heute waren die Wahlen ja frei und fair. Die PiS hat das Wahlsystem nicht so umgebaut, dass ein Wechsel, ein demokratischer Wechsel nicht mehr möglich ist. Die Polen und Polinnen haben sich also freiwillig in ihrer Mehrheit wieder mal für einen autokratischen Präsidenten mit einer sehr,

Die kurze Antwort auf diese Frage wäre, weil Polen ein sehr polarisiertes Land ist, vergleichbar mit den USA. Das heißt im Grunde genommen hat es keine Rolle gespielt, wen konkret die Partei Recht und Gerechtigkeit aufgestellt und unterstützt hat. Es gibt ein Running Gag in Polen.

Ein Witz, der sagt auch, wenn Kaczynski seine Katze aufgestellt hat, man würde die Katze wählen. Wirklich die eigentlichen PiS-Anhänger würden für die Katze stimmen. Mit anderen Worten, es spielt ja nicht so wirklich eine Rolle, wen konkret die Partei aufgestellt hat. Es spielt auch nicht so richtig eine Rolle für die PiS-Anhänger, was Nawrocki alles in seiner Jugend angestellt hat. Hauptsache, er war der Kandidat dieser Partei.

Und die polnische Gesellschaft ist stark polarisiert. Das übersetzt sich in politische Begriffe in die Situation, dass seit 20 Jahren, seit 2005 ein Duopol in Polen herrscht. Das heißt...

Auf der einen Seite die Partei Rechten und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski und auf der anderen Seite die Bürgerplattform von Donald Tusk. Einige haben jetzt den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in die Richtung gedeutet, dass dieses Duopol jetzt bröckelt, denn andere Parteien sind viel besser abgeschnitten, als man es erwartet hat. Leider waren das rechtsextreme Parteien.

Nur zeigt der Ausgang des zweiten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen, dass das Duopol weiter herrscht. Das heißt, die kurze Antwort auf die Frage ist, Nawrocki hat gewonnen, weil er der Kandidat der Parteirechtengerechtigkeit war. Der andere Grund ist auch, dass Nawrocki kein Berufspolitiker ist. Also er konnte sehr leicht das klassische populistische Argument bedienen, jemand zu sein, der nicht aus dem Establishment kommt, nicht aus der Elite kommt. Und nicht zuletzt gehört,

Gibt es noch einen politischen Faktor, der vielleicht nicht so leicht greifbar ist und den man auf jeden Fall nicht messen kann, aber in den acht Jahren der PiS-Regierung zwischen 2015 und 2023?

wurden die politischen Standards in Polen nachhaltig gesenkt, denn sehr viele wichtige Ämter wurden von inkompetenten und zum Teil diskreditierten Menschen besetzt. Somit wurde die Unterqualifizierung, Unterdurchschnittlichkeit gewissermaßen normalisiert und deswegen schockiert viele Menschen in Polen das, was Nawrocki alles gemacht hat in seinem Leben gar nicht mehr.

Ich glaube, ich würde gerne noch ein bisschen besser verstehen, wie diese polnische Spaltung, wie Sie das beschrieben haben, dieses Duopol eigentlich zustande kommt. Also Sie haben ja eben gerade schon den Vergleich mit den Vereinigten Staaten gezogen. Da kennt man diese MAGA-Bewegung, Make America Great Again von Donald Trump, wo ja dann tatsächlich Qualifikation oder Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit auch überhaupt gar keine Rolle mehr spielt. Können Sie uns noch so ein bisschen beschreiben, wie diese Polarisierung in Polen aussieht und vor allem, wie die zustande kommt?

Ich warte eigentlich bis heute auf ein richtiges Buch zum Thema, das diese Polarisierung so gut erklären würde, wie das Didier Ribon für Frankreich gemacht hat in dem tollen Buch Die Rückkehr nach Reims. Sein Buch gibt es für Polen noch nicht. Aber die drei wichtigsten Elemente der Analyse wären, diese Polarisierung kam zustande, weil es einen großen Kampf gibt um die Deutung der 90er Jahre.

Bis 2004, also bis zum Mai zu der Polen-Europäischen Union, herrscht im Grunde Konsens, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickelt. Und der Beizug zur Europäischen Union war die große Vision, der große Motivator für die große gesellschaftliche und politische Anstrengung. Aber es ist kein Zufall, dass schon kurz danach, 2005, die Partei Recht und Gerechtigkeit die Wahlen gewonnen hat.

Und nachdem das große Ziel erreicht wurde 2004 mit dem Beitritt pro Europäischen Union, kam es dann zur Spaltung, also zu Zweifeln und zu Spaltung mit Blick auf die Frage, hat sich das alles, diese große Anstrengung, diese harte Transformation der 90er Jahre gelohnt?

Haben wir mehr gewonnen? Haben wir mehr verloren? Und neben der realen, faktenbasierten Debatte gab es noch sehr viel populistische Deutung. Und davon profitiert auf jeden Fall die Parteirecht und Gerechtigkeit, weil sie sehr geschickt mit den Ängsten, mit den Emotionen, auch mit den Verlustängsten der Menschen umgeht. Und vielleicht noch eine kleine Fußnote dazu. Das ist ein Phänomen, das auch in Deutschland nicht unbekannt ist. Denn

Ich durfte vor ein paar Jahren für ein Jahr lang in Sachsen leben und arbeiten und habe mich dort sehr intensiv mit dem Sachsenmonitor beschäftigt. Das ist eine repräsentative Umfrage, die jedes Jahr in Sachsen durchgeführt wird. Und sie gibt einige Rätsel auf. Und das zentrale Rätsel ist, wieso Sprachfragen

sprechen so viele Leute darüber, individuell einzeln, dass es denen gut geht, ihnen individuell und ihren Familien gut geht. Und wieso denken zugleich so viele Menschen, dass es der Gesellschaft als Ganzes schlecht geht? Das kann man aus dem Sachsenmonitor ganz genau herauslesen. Und ein ähnliches Phänomen gibt es auch in der polnischen Gesellschaft. Also sehr viele soziologische Umfragen,

Wir deuten darauf hin, dass es objektiv betrachtet der Mehrheit der Gesellschaft viel besser geht als in der Vergangenheit. Also es gibt einen Fortschritt, ein Wachstum. Und trotzdem ist die große Mehrheit davon überzeugt, dass es der Gesellschaft als Ganzes schlechter geht. Und der polnischen Nation. Da gibt es ja auch ganz stark so ein Anti-EU-Sentiment. Richtig, das wäre jetzt auch noch mein Punkt gewesen. Wir reden ja hier nicht nur über einen populistischen Präsidenten, sondern der wurde ja auch gestützt.

von richtigen Antisemiten und harten Nationalisten und auch Leuten, die wirklich auch gegen diesen Ukraine-Krieg und gegen die Unterstützung sind. Wohin steuert da jetzt Polen? Ja, das ist neu. Diese starke offensichtliche politische Unterstützung für offensichtlich antiukrainische und antisemitische Politiker, das ist neu. Und das hat auch niemand erwartet von dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen.

Woher das kommt, auf jeden Fall hat die Kriegende Ukraine auch einen verheerenden Einfluss auf das politische Leben in Polen gehabt. Es gab am Anfang, also kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, eine große Welle der Solidarität, aber man konnte schon damals sehen, dass die Solidarität nicht lange halten wird. Denn es gibt in der polnischen Gesellschaft tief in der Vergangenheit verankerte antiukrainische Gefühle.

Und zum anderen gibt es auch im Alltag eine Konkurrenz um Ressourcen, die knapp sind. Denn in Polen gibt es sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine. Das heißt, man kann mit diesen Mikrointeraktionen im Alltag, mit diesen Spannungen und mit den alten antiukrainischen Gefühlen sehr ungeschickt politisch umgehen und daraus politisches Kapital schlagen. Neu und erschreckend ist tatsächlich der Erfolg des Antisemitismus. Inwieweit das mit den Ereignissen im Nahen Osten zusammenhängt, schwer zu sagen.

Ein wichtiger politischer Faktor sind auf jeden Fall die sozialen Netzwerke, denn die Rechtsextremisten haben sich extrem professionell in den Social Media verhalten. Viel professioneller, viel effektiver als die Bürgerplattform. Und das ist laut mancher Analytiker der Schlüssel zur Erklärung des Wahlerfolgs der Rechtspopulisten und der Rechtsextremisten in Polen.

Ja genau, ich wollte nämlich nochmal so ein bisschen anknüpfen an das, was Sie gerade eben gesagt haben. Sie haben den Sachsenmonitor quasi so als Vergleichsmaßstab in Deutschland herangezogen. Was sind denn da so die zentralen Erklärungsmuster? Wieso so weit auseinander fällt die Wahrnehmung der persönlichen Situation, die eben tendenziell gut ist, und die Wahrnehmung der Situation so der polnischen Nation, des Landes, der politischen Situation? Können Sie das nochmal erläutern? Ja, das ist ein Rätsel. Da gibt es, soviel ich weiß, in der Soziologie keine Rätsel.

keine richtige Erklärung dafür, denn logisch betrachtet macht es keinen Sinn. Denn wenn es den einzelnen Menschen, so vielen einzelnen Menschen und einzelnen Familien besser geht, objektiv betrachtet, und dafür gibt es auch wirtschaftliche Indikatoren, dann wieso geht es auf einmal oder wieso soll es auf einmal der Gesellschaft oder der Nation immer schlechter gehen? Dafür gibt es keine logische Erklärung.

Es kann sein, dass gewisse katastrophische Weltvorstellungen dahinterstehen. Das kann ich tatsächlich nicht so richtig erklären. Ich müsste da leider spekulieren. Sie haben das eben schon angedeutet, dass so diese anti-ukrainische Stoßrichtung in Polen neu ist. Was bedeutet das denn jetzt? Ich meine, Europa sammelt sich gerade, versucht sich...

Unabhängiger zu machen von den USA, sich gegen Putin mit einer Stimme zu positionieren, da ist Deutschland natürlich ganz zentral, aber natürlich auch ganz zentral Polen. Wie wird sich denn Polen jetzt demnächst da in der EU verhalten?

Ja, höchstwahrscheinlich wird es keine einzige einheitliche Stimme aus Warschau geben. Höchstwahrscheinlich wird die Regierung anders kommunizieren auf der europäischen Bühne und mit Blick auf die Ukraine als der Staatspräsident. Und das hat ein enormes Sprengpotenzial, denn dadurch kann innenpolitisch

sehr effektiv für die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten ausgeschlachtet werden. Aber das wird nicht nur innenpolitische Folgen haben, sondern das wird auch die polnische Außenpolitik insgesamt beeinflussen. Und das wird die Rolle Polens in Radop auf jeden Fall schwächen. Das wird auch bedeuten, dass die Hoffnungen so vieler auf die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks

dass diese Hoffnungen leider nicht erfüllt werden können. Nun steht ja am 11. Juni eine Vertrauensfrage auf der Agenda. Donald Tusk möchte sich vom polnischen Parlament nochmal das Vertrauen aussprechen lassen, wo er ja im Prinzip dank seiner Koalition über eine Mehrheit verfügt. Wie sehen Sie die Chancen der Regierung Tusk und wie schätzen Sie ein, wird sich dann weiterhin diese Polarität zwischen Präsidenten und Ministerpräsidenten praktisch auswirken in der polnischen Politik?

Donald Tusk ist ein erfahrener Politiker und hat selbst die Vertrauensfrage in der Vergangenheit, als er Ministerpräsident war, schon zweimal gestellt und beide Male mit Erfolg. Und dennoch ist seine Entscheidung, die Vertrauensfrage jetzt zu stellen, höchst riskant.

Also auf jeden Fall viel riskanter als in der Vergangenheit. Denn er steht an der Spitze einer Koalition, die aus sehr unterschiedlichen Parteien besteht. Parteien, die zwar der Wille eint, das Land zu redemokratisieren nach der verheerenden Peace-Herrschaft in den Jahren 2015, 23. Aber in vielen speziellen, spezifischen, kleineren Bereichen herrscht in der Koalition viel Dissens. Das heißt, wenn Tusk keinen Erfolg hat mit der Vertrauensfrage,

kann es im schlimmsten Fall zur Auflösung des Parlaments kommen. Und der zentrale Punkt ist jetzt, was wird alles noch passieren in den nächsten Tagen? Wir haben jetzt ungefähr noch eine Woche bis zur Vertrauensfrage. Was kann jetzt noch politisch passieren? Die Parteirecht und Gerechtigkeit ist dafür bekannt, dass die Politiker andere Lage kaufen können. Und die Frage ist jetzt, wie geschickt wird Jaroslaw Kaczynski damit sein, mit den Versuchen sein,

Leute zu kaufen aus der Koalition von Donald Tusk. Darüber kann man tatsächlich auch nur spekulieren. Aber wir stehen vor so einer ähnlichen Situation wie eigentlich nach der Niederlage von Donald Trump in den USA, wo alle dachten, so das war es jetzt. Donald Trump ist Geschichte, jetzt ist Joe Biden da und die Demokratie ist gerettet. Tata vier Jahre später war er wieder da und das scheint ja mit der Peace ähnlich am Horizont zu stehen. Dass alle dachten, jetzt ist sie nach acht Jahren abgewählt.

Und jetzt ist der Präsident von der PiS gewählt, jetzt gibt es die Vertrauensfrage, in zwei Jahren gibt es, glaube ich, knapp wieder Parlamentswahlen und die Chance der PiS zurückzukehren in die Macht, die ist nicht null. Ja, und das mag für manche Zuhörer etwas verwirrend sein, denn genau um dieselbe Frage, um die Zukunft der Demokratie, um die Frage, ob man den Rechtspopulismus abwählen kann, darum ging es schon in der Parlamentswahl im Herbst 2023. Und die Frage wurde damals positiv geantwortet, aber es hat nicht gereicht.

Denn wenn wir uns jetzt etwas genauer die anderthalb Jahre der Regierung von Donald Tusk angucken, dann stellen wir fest, die Regierung hat einiges erreicht auf dem Weg zur Sanierung des Landes. Durch eine gute Personalpolitik, dank kreativer Lösungen, insbesondere mit Blick auf die öffentlich-rechtlichen Medien, dank Verordnungen und ironischerweise auch durch das Nichthandeln, also dank Unterlassung. Denn bestimmte Praktiken wurden einfach nicht mehr ausgeführt.

Das bedeutet zugleich, dass das politische Handeln von Donald Tusk von zwei Faktoren blockiert wurde. Zum einen die Zusammensetzung seiner Koalition, das habe ich schon erwähnt, und zum anderen vom Staatspräsidenten, das haben Sie schon erwähnt.

Und da der Staatspräsident anders als in Deutschland nicht nur repräsentative Aufgaben hat, sondern tatsächlich den Gesetzgebungsprozess blockieren kann, hat das zur Folge, dass die Regierung von Donald Tusk keine Möglichkeit hat, Kraftgesetze, also mit Hilfe der Gesetze, bestimmte Mechanismen abzubauen oder rückgängig zu machen, die durch die PiS zwischen 2015 und 2023 installiert worden sind.

Das hat zur Folge, dass die Regierung von Donald Tusk keine Möglichkeit hat, bestimmte Spitzenämter zu besetzen und sie hat keine Möglichkeit, Gesetze zu verabschieden. Dies hat zur Folge wiederum, dass wenn die Koalition von Donald Tusk in den nächsten Parlamentswahlen 2027 verliert,

Dann werden die Rechtspopulisten von der PiS höchstwahrscheinlich eine Koalition mit den Rechtsextremisten bilden. Und die Zerstörer der Gewaltenteilung werden 2027 fast genau dort ihre Aufbaut wieder aufnehmen können, wo sie schon 2023 waren. Spätestens 2027, denn Sie sagten es ja schon, wenn Donald Tusk jetzt die Vertrauensfrage verliert, dann könnte es ja schon früher Neuwahlen geben. Die Frage, die ich anmerke,

Ehrlich gesagt für mich noch nicht beantworten kann, aber vielleicht kann man die auch nicht beantworten. Warum wollen die Polinnen und Polen diesen Deadlock? Denn es war ja absehbar, dass es weiterhin eine Blockade geben würde, wenn sie einen, ich sag jetzt mal, Peace-Mann zum Präsidenten wählen. Können Sie sich das erklären? Was ist es sonst, was die Peace den Menschen suggeriert? Warum die sich für dieses Konzept entscheiden?

Also die Entscheidung der polnischen Wähler ist nur zum Teil eine Entscheidung für etwas. Denn das Angebot, das Kaczynski den Menschen gibt, ist sehr vage und sehr ungenau. Das ist zum großen Teil eine Entscheidung gegen etwas. In dem konkreten Fall jetzt bei diesen Wahlen gegen die Regierung von Donald Tusk. Denn die Regierung von Donald Tusk hat zwar geliefert, aber nicht genug und nicht schnell genug.

Außerdem gibt es in Polen eine wachsende Spaltung zwischen Stadt und Land. Diese Wahlen haben das sehr deutlich gezeigt.

Und die polnische Gesellschaft ist traditionell eine konservative Gesellschaft. Das kann man auch nicht von einem Tag auf den anderen verändern. Manche sagen, Polen ist ein Swing State, das sich in manchen Momenten der Geschichte für den westlichen Kurs orientiert, in anderen Momenten der Geschichte für einen Schritt nach hinten. Also man kann das tatsächlich wie eine politische Konstante deuten. Das ist tatsächlich ein

ein Schwenken gibt von einer Richtung in die andere Richtung. Aber etwas, was bisher in den Analysen tatsächlich nicht stark genug berücksichtigt wurde, ist die Art, wie diese Kampagne durchgeführt wurde. Diese Wahlkampagne war die erste, wo es nicht primär um politische Inhalte, politische Visionen ging, sondern um Emotionen und zwar um die Fähigkeit, bestimmte Emotionen im digitalen Raum anzusprechen. Und in dieser Hinsicht war die Peace-Kampagne

Partei viel professioneller, hat sich auch tatsächlich professionelle Hilfe geholt, nicht nur im Land, sondern auch im Ausland. Wurde sehr stark beraten von PR-Experten aus den USA ebenfalls. Und davon hat die Regierung von Damaldus keinen Gebrauch gemacht. Sie haben eine klassische politische Kampagne gemacht, wie man sie vor 20 Jahren auch gemacht hat. Und das war ein zentraler politischer Fehler. Cornelia Kontal, Juniorprofessorin für Public History an der Uni Bielefeld. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die Info.

Vielen Dank. Dass die Energiewende zentral ist für den Klimaschutz, das hat sich inzwischen weitgehend rumgesprochen. Aus Kohle und Gas müssen wir raus, gehen wir ja auch schon weitgehend raus. Rein hingegen müssen wir in Photovoltaik und vor allem natürlich auch in die Windkraft. Aber Philipp, Windkraftanlagen bekommen auch heute noch viel Haha-Gegenwind. Ja genau, gerade von der AfD, die hat sich ja dieses Ende der Energiewende auf die Fahnen geschrieben, will Kohle und Atomkraft und

lehnt Windkraft und Windräder ab. Aber es gibt eben auch Gegenwind aus Teilen der Union und der FDP. Also da bekommen Kommunen und Bürgermeister, Bürgermeisterinnen, die halt vor Ort so Windräder aufstellen wollen,

Mitunter ordentlich Ärger und die Akzeptanz ist vielerorts in Gefahr, würde ich mal sagen. Da entstehen dann schnell irgendwelche Bürgerinitiativen, die einen neuen Windpark verhindern wollen. Das muss natürlich nicht das Ende der Planung sein. Insbesondere nach Gesetzesänderung der Ampel sind ja Windkraftanlagen grundsätzlich leichter zu genehmigen.

Aber das nervt natürlich, es verzögert die Sache und das hatte im Grunde auch die Ampel schon als Problem erkannt. Also war schon vor Jahren die Frage, wie schaffen wir das denn eigentlich, dass die Leute Windkraft nicht mehr bekämpfen, sondern eher begrüßen. Ja und die Idee war damals...

Und heute überzeugend, wenn die Windräder einen konkreten Nutzen für die Menschen vor Ort in den Gemeinden haben, wo die Anlagen stehen und sich drehen, dann bekommt man auch die Leute vor Ort besser an Bord. Beispiel die Stadt Rüthen im Kreis Soest in Nordrhein-Westfalen. Die hat so rund 10.000 Einwohner und mittlerweile insgesamt fünf Windparks. Denn?

Die Stadt hat mit den Firmen, die diese Windparks betreiben, Deals geschlossen. In den ersten fünf Jahren geht ein Prozent der Erträge an die Stadt, danach dann zwei Prozent. 2023 hat Rüthen so immerhin 100.000 Euro extra eingenommen. 2024 waren es noch 55.000 Euro. Und dann konnten Vereine Anträge stellen, um an diese Kohle zu kommen, sagte uns der Bürgermeister von Rüthen, Peter Weiken. Da.

Da haben wir zum Beispiel dann die Dorfchronik Unser Menzel unterstützt. Wir haben die Stadtbücherei unterstützt, die Dorfgemeinschaft Drewa hier für Spielgeräte, ein Sonnensegel für ein grünes Klassenzimmer, die Sanierung der Schützenhalle in Drewa haben wir unterstützt. Das Jugendorchester Kallnath hat Noten und Flöten bekommen. Ja, aber hat nicht auch der Förderverein der Nikolausschule Geld für das Radfahrtraining bekommen?

Der Förderverein der Nikolausschule Radfahrtraining. Dann haben wir dem Reiterverein eine Wasserleitung und Futterkosten zukommen lassen. Der Zeitlerei Geld für Klotzbeuten, dem Hegering Östereiden für eine Drohne. Der Bücherei wieder was für Leselustwecken. Dem Zukunftswaldmeister für Nistgästen. Den Kleintierzuchtverein haben wir unterstützt und viele andere Dinge. Ja, das ist ja echt eine Menge. Also das Jugendorchester Karl Naht hat Noten und Flöten bekommen, sagten Sie. Aber wollten Sie...

die die Musikvereine nicht auch noch mehr Pauken haben? Dann haben wir Pauken und Trompeten für die Musikvereine, für die Jugendausbildung, die Bürgerstiftung Rüthen unterstützt. Wir konnten auch hier von dem Geld zweimal die Ansiedlung eines Hausarztes hier in Rüthen unterstützen, was wir ja sonst mit den gebundenen Haushaltsmitteln nicht hätten gekonnt. Also dieses Geld, das kriegen wir schon sehr sinnig und sehr gut ausgegeben.

Ja, und dass die Stadt dieses Geld für ganz konkrete Projekte ausgeben konnte, das merke man inzwischen auch bei der Haltung der Menschen zur Windkraft, meint Bürgermeister Weiken. Ja, dass die Bürgerinnen und Bürger da irgendwo mehr in der Lage sind zu akzeptieren, das spüre ich hier auch schon, wenn sie sich unmittelbar beteiligen können oder wenn sie unmittelbar davon profitieren. Und die Frage ist jetzt nur, wie schaffen es Kommunen, dass die Firmen, die eine Windkraftanlage betreiben, auch tatsächlich umsetzen?

Geld vor Ort in den Topf werfen. Dann gibt es verschiedene Modelle. Scholi Ampel hatte Änderungen bei der Gewerbesteuer beschlossen. Gewerbesteuer fließt seither nicht mehr nur an die Gemeinde, wo eine Firma ihren Sitz hat. Das war typischerweise weit weg vom Windpark. So war es früher. Sondern dieses Geld, diese Gewerbesteuer, fließt zum Teil auch an die Gemeinde, wo ein Windrad steht.

Das allerdings, so Bürgermeister Weiken, das macht den Kohl nicht fett. Weil letztendlich, das weiß auch jeder, wer da einen guten Steuerberater hat und wer da ein starkes Invest hat, da bleibt nicht ganz viel in den Jahren an Gewinnen über in den ersten und an Gewerbesteuer dann auch nicht. Ja, und das Problem ist nämlich, die Gewerbesteuer, die wird ja auf den Gewinn fällig. Aber am Anfang haben Betreiber eben in erster Linie hohe Kosten.

Und später wird dann einfach neu investiert, sodass halt steuerlich kaum Gewinne dann anfallen. Und für die Gemeinden eben dann entsprechend wenig auch abfällt. Genau, die rechnen sich dann eher arm und da kommt eh nicht so ganz viel, wie es nach außen verkauft wird. Es ist sicherlich nicht zu vernachlässigen und ist auch irgendwo ein Argument der Betreiber, die Gewerbesteuer. Aber das ist jetzt nicht das, wo ich sagen würde, das macht uns als Stadt glücklich und zufrieden am Tagesende.

Die Gewerbesteuer war gut gemeint, bringt dann aber letztlich nicht so viel. Ganz anders sieht es aus, wenn die Betreiberfirmen direkt ein paar Zehntel Cent pro Kilowattstunde Windstrom an die Kommune abgeben. Das hat ja auch die Stadt Rüthen gemacht. Das ist ja deren Modell. Die Stadt sagt, der Bürgermeister sei einfach an diese Firma herangetreten, habe einen Vorschlag gemacht. Sie möchten doch, dass ihr Projekt entspannt vorangeht, smooth durch die Verwaltung läuft.

Wie wäre es, wenn Sie da ein bisschen was von Ihrem Gewinn abgeben? Du hast es gesagt, 1% in den ersten 5 Jahren, 2% danach. Denn die Kommune vor Ort muss ja doch einiges in die Wege leiten, damit so ein Windrad Strom liefern kann, erklärt uns Bürgermeister Weignen. Genau, die Anpassung des Flächennutzungsplanes, das ganze positive Begleiten, dass wir halt die öffentlichen Flächenwege zur Verfügung gestellt haben, um Kabel halt zu den Umspannwerken und so weiter zu führen. Und das, was halt, ja,

Also da gibt es so einen Rückenwind von der Gemeinde.

Und weil es da so auf lokaler, kommunaler Ebene so viele gute Erfahrungen gab, haben nun viele Länder nachgezogen. Ja, die haben Gesetze erlassen, nach denen Betreiber von Windkraftanlagen und großen Solaranlagen umliegende, anliegende Kommunen am Gewinn beteiligen sollen und in einigen Ländern auch beteiligen müssen. Auch mit dem Argument natürlich, die AfD zu bekämpfen. Aber Bürgermeister Weiken sieht jetzt bei diesen gesetzlichen Regelungen durchaus auch Herausforderungen.

Natürlich ist das populär, wenn der Förderverein der Nikolausschule Geld fürs Radfahrtraining bekommt oder wenn der Musikverein neue Pauken anschaffen kann. Aber Bürgermeister Weiken hätte das Geld von den Windkraftbetreiberfirmen gerne auch im Haushalt der Stadt gesehen. Dafür aber seien die Menschen nur schwer zu begeistern, so Weiken. Da merke ich jetzt halt, dass die Bürgerinnen und Bürger immer mehr sagen, hör mal Bürgermeister, nicht in die Stadtgasse, in unsere Kasse. Ja, also noch zehn neue Pauken fürs Jugendorchester?

Wir hatten jetzt zum Beispiel zwei neue Windanlagen, die gebaut werden sollten, wo wir dann als Stadt auch gesagt haben, hier, das Geld kommt in den Kernhaushalt, die 1 und 2 Prozent und dann natürlich auch noch die 0,2 Cent nach § 6 EEG.

wo dann die Bürgerinnen und Bürger in den Ortschaften dann gesagt haben, nee, wir haben die Dinger hier vor der Nase und wir sehen gar nicht ein, dass das Geld in den Kernhaushalt kommt und das müssen wir hier irgendwie von partizipieren. Wir müssen die Grundsteuer gesenkt bekommen oder wir müssen das oder das Geld ist nur für unser Dorf und sowas alles da. Da hat es dann schon so ein bisschen so eine Ellenbogenmentalität gegeben. Ja und Rüthen hat dann aber eine kreative Lösung gefunden.

Ich habe dann weiter versucht zu vertreten, dass es doch im Kernhaushalt allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt, weil wir Schulen, Kindergärten, Straßen, Feuerwehr und alles davon finanzieren. Aber das wollten die dann alles nicht hören. Und dann haben wir da mit dem Projektierer, der auch ein Industrieller ist, der eine große Firma da vor den beiden Ortschaften hat und der auch so ein bisschen, seit sich der Bürgerschaft verpflichtet fühlt, dann ausgehandelt, dass das eine Dorf jetzt im Sinne von Bürgerenergiegesetz pro Einwohner 100 Euro per anno bekommt.

Und das andere Dorf dann pro Einwohner 70 Euro pro Anno und pro Bürger bekommt auf Antrag dann. So halt das für die ganze Laufzeit der Anlagen. Und da waren sie dann alle irgendwo mit zufrieden. Also ein Huni im Jahr, so ein paar Euro im Monat, 10 Euro knapp.

Bar auf Tatze ist da offensichtlich die Lösung, aber ich finde dieser O-Ton und dieser Sachverhalt, der deutet schon auf ein Problem auch dieser Beteiligungsregelung für die Bevölkerung hin. Ja, also zum einen hilft das natürlich dem Kernhaushalt zunächst mal nicht und viele Kommunen sind ja einfach total klamm. Ja, vielleicht kann man dann den Kernhaushalt so ein bisschen entlasten, wenn man halt die Pauken aus einem Spezialtopf bezahlen kann.

Aber im Grundsatz bleibt das grundsätzlich Finanzierungsproblem der Kommunen. Aber vor allem schafft Bar auf Tatze direkt Geld oder Projekte für die Bürgerinnen und Bürger. Das schafft natürlich auch neue Begehrlichkeiten und vor allem die Gefahr, dass manche Menschen vor Ort bei ihren Wünschen auch übers Ziel hinausschießen. Ja, wenn die Bürger einfach zu viel fordern, dann ist das natürlich nicht so gut für die Rentabilität so einer Windkraftanlage. Und das könnte sein ...

Wenn da zu hohe Forderungen gestellt werden von Bürgern und Bürgerinnen und Gemeinden, dass das eben dann im konkreten Fall vielleicht auch mal diesen Windkraftausbau abwirkt. Zumal einige Landesgesetze diesen Anteil, den die Bürger Bürgerinnen bekommen sollen von diesem Windkraftgewinnen,

sehr genau vorschreiben und zum Teil, wie zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, auch recht hoch ansetzen. Also dass da im Landesgesetz steht, also wenn ihr eine Windkraftanlage baut, dann muss so und so viel an die Bürger fließen. Und wenn das eben sehr hoch ist, dann kann das auch Windkraftausbau abwürgen, befürchtet.

fürchtet, nicht nur der Bürgermeister von Rüthen. Wenn die dann profimäßig unterwegs sind, diese Projektierer da so richtig, dann zahlen die das halt nicht mehr. Und wir haben halt auch keine Möglichkeit mehr, denen diese ein und zwei Prozent dann, weil die sagen, es ist ja jetzt gesetzlich geregelt. Ton war ein bisschen schlecht, aber die Logik ist...

Wenn solche Gesetze erlassen werden, dann haben halt Bürgermeister wie in Rüthen nicht mehr die Möglichkeit zu sagen, na komm, dann gehen wir ein bisschen runter, kommen euch ein bisschen entgegen. Wenn da steht, so und so viel muss an die Bürger fließen und der Windkraftbetreiber sagt, ja, das mag ja sein, aber da lohnt sich die ganze Nummer nicht mehr für mich, dann ist das unter Umständen auch gegessen. Ja, und dann machen halt alle Verluste. Das Klima kriegt keinen grünen Windstrom, die Kommune kriegt gar nichts, weil die Schwelle des Landes ein bisschen zu hoch liegt.

Insofern würde ich sagen, Philipp, man sieht sehr schön an dieser Diskussion, die wir da mit dem Bürgermeister geführt haben und auch an den Beispielen aus anderen Ländern, das ist im Grundsatz eine super Idee. Wir hatten ja auch in der Lage früher schon mal so andere Beispiele aus Sachsen-Anhalt und aus dem Hunsrück und so. Das ist einfach der Weg, um Akzeptanz zu schaffen vor Ort. Die Menschen in den Dörfern, wo die Windräder sich drehen, die müssen einfach mitkriegen, ja, das bringt uns hier ganz konkret was und es passiert auch eine ganze Menge, aber gut.

Wie so häufig steckt der Teufel im Detail. Da müssen die Länder sich sehr genau überlegen, wie sie das regeln. Und vielleicht ist es eigentlich ideal, wenn das letzte Wort die Kommune hat. Also wenn das Land im Grundsatz sagt, die Kommune kann das machen, aber zum Beispiel dann über eine Satzung regeln, wie viel Kohle wirklich abfällt. Zum Schluss noch der Hinweis, dieses Segment basiert im Wesentlichen auf einem Artikel der Süddeutschen Zeitung, der uns da inspiriert hat und der uns auch auf den Bürgermeister gebracht hat. Werbung

Fliegender Wechsel im Parlament, starke Strukturen im Land. Unsere Arztpraxen stärken Patienten und die Wirtschaft. Liebe neue Regierung, bewahren Sie diese Stärke. Wir niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten stehen Ihnen gern zur Seite. Unsere Nummer 516 8 mal die 0. Denn 51,6 Milliarden Euro Brutto-Wertschöpfung kam 2024 aus Deutschlands Praxen.

Wir wenden uns mal einem Thema zu, was wir auch schon in unserem Buch Baustellen der Nationen ausführlich beleuchtet haben, nämlich dem Thema der wachsenden Ungleichheit, vor allen Dingen bei den Vermögen in Deutschland. Das ist ja ein Problem,

Was glaube ich eher so linke Parteien, linke, aber auch Sozialdemokraten eben als solches beschreiben würden. Als Problem konservative, liberale Parteien sehen das eher nicht so negativ, sondern sehen das durchaus aus einer anderen Perspektive. Aber es gibt eben durchaus wissenschaftliche Argumente, warum man argumentieren kann, zumindest zu große Ungleichheit in der Gesellschaft ist ein Problem.

Ja, so zum Beispiel Martina Linatas. Sie sagt, dass so wie das bei uns in Deutschland läuft, geht es nicht weiter. Sie hat gerade ein Buch über Erben und Erbschaftssteuer insbesondere veröffentlicht unter dem Titel Unverdiente Ungleichheit, wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann. Martina Linatas ist Politikwissenschaftlerin, Gründerin und Leiterin der Wissensplattform ungleichheit.info.

Und hat auch an der FU Berlin promoviert mit einer vergleichenden Studie, nämlich zum Einfluss von Erbschaftssteuer und auch Narrativen rund um Reichtum auf die Vermögensungleichheit in zwei Ländern, die man glaube ich sonst eher selten vergleicht, nämlich Deutschland und Mexiko. Und, das muss man zur Transparenz dazu sagen, sie hat früher auch mal im Bundestagsbüro von Annalena Baerbock gearbeitet. Frau Linathas, ganz herzlich willkommen in der Lage der Nationen.

Vielen Dank für die Einladung.

spaltet und die Wirtschaft bedroht. Ich glaube, das sehen wir in Deutschland ganz gut, wenn man sich zum Beispiel auch einfach anschaut, wie stark mittlerweile die AfD geworden ist.

Und es gibt da einen ganz direkten Zusammenhang, der von zahlreichen Studien aufgezeigt wird. Wenn man einerseits Sparpolitik betreibt, was das andererseits bedeutet, eben halt für die Erstarkung von extremistischen Parteien in Deutschland, eben allen voran der AfD. Also worum es mir auch ganz, ganz stark geht, ist wirklich ganz konkret zu sagen, es ist eine Gefahr für die Demokratie, wenn die Menschen sich von den etablierten Parteien nicht mal repräsentiert fühlen, nicht repräsentiert werden, weil immerzu nach oben geschaut wird auf die Reichen und auf die ganz großen Unternehmen.

Schauen wir doch zunächst mal auf den Befund. Wie schlimm ist denn Ungleichheit aus Ihrer Perspektive in Deutschland? Können Sie uns da mal Zahlen nennen, damit man ein Gefühl dafür bekommt, wie die Vermögensverteilung aussieht? Die ist grotesk. Die ist in Deutschland wirklich obszön.

Also in Deutschland haben nur noch zwei Familien mehr Vermögen als die gesamte ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung, also als 42 Millionen Menschen. Das ist so eine Zahl, die ich ganz gerne ans Feld führe. Eine andere ist, vielleicht ein bisschen wissenschaftlicher klingelnd auch, die des Gini-Koeffizienten. Das ist das bekannteste Ungleichheitsmaß überhaupt. Und da hat man eine Zahl zwischen 0 und 1. 0 würde bedeuten, alle haben gleich viel. 1 heißt, eine Person hat alles.

Und bei Einkommen schafft es Deutschland, ins Mittelfeld der Industrieländer vorzurücken, mit einem G von 0,3 nach Steuer- und Transferleistung. Bei Vermögen sind wir bei 0,83, also schon ganz schön nah an der Eins dran und damit tatsächlich spielen wir auch in derselben Liga wie Länder wie eben Mexiko.

Nun gehen ja viele Menschen in Deutschland davon aus, dass es jeder Mensch hier bei uns zu was bringen kann, wenn er sich nur genug anstrengt. Fühlen Sie hier nicht lediglich eine Neiddebatte auf Kosten der Fleißigen? Also vielleicht haben diese besonders reichen Familien ja einfach besonders viel geleistet und sich das Geld redlich verdient. Ja, es gibt dieses wunderschöne Sprichwort in Deutschland, jeder ist seines Glückes Schmied.

Und was ja auch wirklich krass ist, das haben zum Beispiel Steffen Mauer und andere in Triggerpunkte aufgezeigt, drei Viertel aller Deutschen glauben sogar noch an diese Redewendung daran, dass das jeder selber schaffen kann aus eigener Kraft. Wenn man sich jetzt aber die Statistiken anguckt, dann geben die das einfach nicht her. Also eine ganz wichtige Sache, die man sich angucken kann, ist, wie ist denn Vermögen überhaupt aufgebaut? Weil es geht am Ende des Tages um Vermögen, die Vermögensungleichheit ist krass.

Und Vermögen besteht halt immer aus diesen zwei Faktoren. Einmal, was baue ich mir im Laufe meines eigenen Lebens auf und was erhalte ich unverdientermaßen einfach als Erbschaft oder als Schenkung? Was fällt mir in den Schoß?

Und mittlerweile ist der Anteil von Erbschaften und Schenkungen bei über 50 Prozent. Das heißt, wir sind statistisch gesehen schon jetzt eine Erbengesellschaft. Tendenz steigend. 50 Prozent von was? Also Erben haben Anteil von 50 Prozent an was? Am Gesamtvermögen, am präsaten Gesamtvermögen. Das heißt, man guckt sich dann an, wie ist so ein Gesamtvermögen aufgebaut, das nette Vermögen ganz konkret. Und dann stellt man fest, wie viel bauen die Menschen im Laufe des eigenen Lebens auf. Und was von diesem gesamten Vermögen ist dann am Ende bestehend nur aus Erbschaften und Schenkungen.

Und da sehen wir mittlerweile, dass halt der Großteil aus Erbschaften und Schenkungen besteht. Und je weiter man in der Verteilungskurve nach oben geht, also je größer die Vermögen sind, desto mehr besteht da auch aus Erbschaften und Schenkungen. Das heißt, die allerreichsten Individuen in Deutschland, die überreichen, die haben gar nicht da unbedingt großteils für selber gearbeitet, sondern wie Michael Hartmann, der Elitenforscher,

Ich würde sagen Nummer eins in Deutschland herausgearbeitet hat sie mittlerweile über 80 Prozent aller Milliarden Vermögen nicht selbst erarbeitet. Ich habe das ja am Anfang so ein bisschen angedeutet, dass ja einige argumentieren, so ein gewisses Maß an Ungleichheit ist in so einer freiheitlichen Gesellschaft A nicht zu vermeiden, aber B eben auch wichtig so als Antrieb, als Motor. Ich sehe, was andere erreicht haben, will das selber erreichen, streng mich an.

Wo würden Sie sagen, ist so der Sweet Spot für das Maß an Ungleichheit? Also ganz, nehme ich mal an, unterstelle ich Ihnen mal, alle gleich, das wollen wir vielleicht nicht und werden wir auch nicht hinkriegen. Aber welches Maß an Ungleichheit ist das Richtige? Genau, ich bin keine Gleichmacherin. Also ich schwinge nicht die Kölle des Kommunismus und habe Bock darauf, dass dann plötzlich irgendwie alle immer wieder auf selbe Level zurückgezogen werden. Auf gar keinen Fall. Also ein gewisses Maß an Unterschieden darf es durchaus geben. Aber die Frage ist halt, warum?

Was ist noch vor allem mit Demokratie und was ist auch tatsächlich zum Beispiel auch gut für eine Wirtschaftsnation? Und? Da gibt es jetzt nicht die eine korrekte, genaue Zahl. Was man sich aber zum Beispiel angucken kann, ist tatsächlich, wie wichtig ist dann beispielsweise noch mein eigener Beitrag zur Gesellschaft. Wenn also mittlerweile mehr als die Hälfte aller Vermögen nicht selbst erarbeitet wird, dann geht ja auch die Motivation flöten, einen Beitrag zu leisten, weil man sich denkt, Moment mal, entscheidend ist gar nicht, ob ich...

gute Ausbildung habe oder ein gutes Studium abgeschlossen habe, sondern zunehmend in welche Familie ich hineingeboren werde. Beziehungsweise ich spreche auch ganz bewusst von der Sperma-Lotterie und gar nicht von der Geburten-Lotterie, weil es auch immer mehr auf den Vater drauf ankommt. Also das ist halt auch so eine Sache mit der Motivation, die ist wichtig und deswegen ich betone es auch jedes Mal aufs Neue, ich bin keine Kommunistin, ich habe Bock auf Demokratie.

Ich bin Demokratin, aber das ist eben halt nicht vereinbar einfach mit den Zuständen, wie wir sie haben und wie sie auch immer extremer werden. Aber können Sie das vielleicht nochmal so ein bisschen genauer erläutern, wie jedenfalls nach Ihrer Analyse ja das Maß an Ungleichheit sich inzwischen leistungsfeindlich auswirkt. Also ich meine, es gibt doch auch immer wieder noch Geschichten von Menschen, die es aus relativ kleinen Verhältnissen dann doch zu was gebracht haben.

Klar gibt es die. Und es gibt wunderschöne Anekdoten und wir sind auch alle natürlich große Fans von den Erfolgsgeschichten, aber Statistiken geben das nicht her. Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, in Deutschland ganz, ganz krass, es gibt einen wunderbaren Vergleich von der OECD, die sind ja nun wirklich alles, aber bestimmt kein linker Schuppen, dann brauchen wir mittlerweile sechs Generationen, um es aus der Armut in die Mitte der Gesellschaft zu schaffen.

In anderen Ländern, im Nachbarland Dänemark, sind es zum Beispiel nur zwei Generationen. Also da sehen wir auch, wie stark tatsächlich die Politik auch darauf Einfluss nehmen kann. Und wir sind zum Beispiel auch ein Hochsteuerland für Einkommen.

Das bedeutet, dass Menschen sich immer weniger auch eigenes Vermögen aufbauen können im Laufe ihres Lebens, weil wir halt Einkommen so hoch besteuern. Da ist im OECD-Vergleich nur Belgien noch krasser, aber ein Niedrigsteuerland für Vermögen. Und wenn Vermögen schon mal groß ist, das ist Mathematik 8. Klasse, dann kumuliert es immer weiter nach oben. Das ist dann echt eine exponentielle Gleichung, die wir uns anschauen. Es geht durch die Decke.

Und das ist dann eben halt, wo man schauen muss, wie die Dinge miteinander zusammenspielen. Also es gibt nicht die eine richtige Formel, aber eine Formel, die dann doch ziemlich stark ist, das ist die von Thomas Piketty, R größer G. Wenn die Renditen auf Kapital größer sind als das Wirtschaftswachstum insgesamt, dann geht die Schere immer weiter auseinander, weil Menschen, die große Vermögen haben, einfach sich zurücklehnen können, können beobachten, wie ihre Investitionen einfach immer weiter wachsen. Wohingegen das Wirtschaftswachstum, was für einen Großteil der Bevölkerung von Bedeutung ist...

Die können sich nicht wirklich was aufbauen. Das finde ich ganz interessant, wenn ich Sie richtig verstanden habe, würden Sie gar nicht unbedingt per saldo mehr Steuern fordern, sondern vor allem andere Steuern. Also Sie würden denken, die aktuelle Leistung der Menschen, nämlich zum Beispiel das Einkommen, würden Sie in der Tendenz eher geringer besteuern oder Sozialabgaben senken, weil die ja auch de facto eine Abgabe sind auf die aktuelle Leistung und im Gegenzug dann aber beim Vermögen härter zugreifen. Genau.

Ich bin eine absolute Verfechterin von Steuergerechtigkeit. Also ich würde nicht sagen, pauschal alle Steuern hoch, auf gar keinen Fall. Es ist immer wichtig, wie Steuern gestaltet sind und worauf sie erhoben werden. Und wir sind ein Hochsteuerland für Einkommen, aber da könnte man zum Beispiel die Progression ausbauen, dass man auch sagt, wir machen nicht schon einen Cut bei etwa 280.000 Euro, sondern gehen noch weiter hoch. Ich meine...

So ein Durchschnittsgehalt von einem CEO von einem DAX-Konzern liegt bei über 5 Millionen Euro. Also warum ist dazwischen nichts? Unter Kohl hatten wir noch 56 Prozent. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg hatten wir Spitzensteuersätze von 95 Prozent. Aber was wir gerade nicht machen, ist Vermögen zu besteuern und auch da zum Beispiel progressiv zu besteuern. Länder wie Spanien zum Beispiel kriegen das hin. Die setzen dann einen Freibetrag. In Spanien sind es zum Beispiel 3 Millionen Euro und legen dann los mit 1,7 Prozent und gehen langsam progressiv in die Höhe.

Das könnte man auch machen. Da gibt es ganz, ganz viele tolle Szenarien, unter anderem mit dem World Inequality Report nachzulesen. Hauptsache Vermögen werden endlich besteuert, weil wenn man es hinbekommen möchte, dass auch reiche Menschen, dass auch überreiche Menschen sich beteiligen, eben halt ansteuern, an dem Wohlfahrtsstaat, der ja auch sie und ihre Unternehmen groß gemacht hat, dann muss man einfach direkt an die Vermögen ran.

Also Sie haben ja oben schon skizziert, wie Ihrer Meinung nach Ungleichheit die Demokratie gefährdet, indem halt extreme Parteien wie die AfD nach oben gespült werden. Aber wie gefährdet denn Ungleichheit die Wirtschaft überhaupt?

Da gibt es auch eine ganze Reihe von Sachen. Überhaupt erstmal, dass Ungleichheit die Wirtschaft gefährdet. Es ist total spannend zu sehen, dass das mittlerweile auch dann aufgezeigt wird von Organisationen wie, surprise, surprise, Weltbank oder Internationaler Währungsfonds. Die sagen dann auch einfach, dass dann mittlerweile eben halt ein gewisses Maß an Einkommensungleichheit, das ist in den Studien, dazu auch führt, dass dann Ungleichheit dann die Wirtschaft bremst. Wir nutzen unsere Potenziale nicht im Landesinneren. Die Bindenerfrage, die wird zunehmend geschwächt.

Es gibt so eine Abnutzung von dem, wie man das eigene Einkommen, das eigene Vermögen nutzt. Und an der Spitze wird halt vor allem viel gespart oder eben halt auch ins Ausland hinweg investiert. Aber wir bräuchten eigentlich auch zum Beispiel, das sehen wir auch momentan in der jetzigen Politik, eigentlich was wir stärken müssten, ist halt nicht weiter das Exportmodell, sondern eine stärkere Binnennahfrage.

Und wenn wir jetzt aber sehen, dass die Einkommen sich in den letzten Jahrzehnten so entwickelt haben, dass immer mehr diejenigen, die sowieso schon höhere Einkommen erzielt haben, auch noch höhere Einkommen bekamen, aber untenrum halt, ich sag mal, sich sehr wenig getan hat, also real die Einkommen fast gar nicht gestiegen sind.

Dann sehen wir auch, dass dann auch einfach wirklich die Bindenerfrage immer weiter sinkt. Nun schauen wir doch mal auf den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Werden die Pläne der neuen Bundesregierung, wenn sie so umgesetzt werden, aus ihrer Perspektive die Spalte unserer Gesellschaft in viele arme und sehr wenige, sehr reiche Menschen abmildern? Nö, gar nicht.

Da blieb mir fast die Spucke weg, wenn man sich das anschaut, den Koalitionsvertrag. Mit keinem Wort wird von einer Erbschaftssteuer gesprochen. Eine Vermögenssteuer wird nicht angerührt. Die Versprechungen, die gemacht werden, sind nach neoliberaler Manier einmal mehr für große Unternehmen und für Konzerne. Aber wenn es jetzt dann wirklich darum geht, die Schere weiter zusammenzukriegen, dann wissen wir aus der Wissenschaft, was in der Vergangenheit, in dem letzten Jahrhundert funktioniert hat.

Und das waren hohe und progressive Steuern auf Vermögen. Milliardärssteuer von den G20-Staaten beispielsweise nach vorne gepusht, wird auch gar nicht erwähnt. Also ich sehe einfach überhaupt nicht, dass da irgendein Instrument in die Hand genommen wird, um eben die Spaltung der Gesellschaft auch wirklich zu verhindern.

Was wären denn so Hebel? Den einen haben Sie schon gesagt, Vermögensteuer, den anderen haben Sie jetzt angerissen, die Erbschaftssteuer. Was könnte man denn da bei der Erbschaftssteuer machen? Bei der Erbschaftssteuer, ich glaube, die ist wirklich elementar. 1919, Matthias Erzberger zum Beispiel, als die Demokratie losging, da hat er als allererstes die Erbschaftssteuer sich angeguckt und gesagt, die muss hoch und progressiv gestaltet werden.

damit wir im wahrsten Sinne des Wortes gegen eine Erbengesellschaft ansteuern. Deswegen braucht es eine hohe und progressive Erbschaftssteuer. Die ist aber mittlerweile in Deutschland löchriger als ein Schweizer Käse.

Also mittlerweile ist es einfach derart krass, dass es wirklich zu einer dummen und Bagatellsteuer verkommen ist, wo die allerreichsten Erben des Landes am wenigsten bis gar keine Steuer zahlen, weil sie geschont werden. Wir haben die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung in Deutschland und die führt eben dazu, dass dann die allerreichsten quasi wirklich als bedürftig sich rechnen lassen dürfen.

Weil wir eben seit einigen Jahren, 1997 ging es los, 2009 und 2016 wird das richtig, obszön auch weiter ausgebaut, Betriebsvermögen extrem privilegieren. Und Betriebsvermögen, das muss man dazu wissen, ist eine bestimmte Form von Vermögen, die nochmals ungleicher verteilt ist als Vermögen selbst. Also die oberen 1,5 Prozent in Deutschland, also da, wo die Millionäre und die Milliardäre losgehen, die haben über 86 Prozent aller Betriebsvermögen.

Das bedeutet, wann immer wir Betriebsvermögen privilegiert behandeln, behandeln wir automatisch auch direkt die reichsten Erben des Landes am besten. Und mittlerweile laut Subventionsbericht der Bundesregierung ist die größte aller Subventionen nicht etwa für marode Schulen oder gegen Kinderarmut, sondern sie wird eingesetzt, damit die aller reichsten Erben auch noch am wenigsten Steuern zahlen müssen.

Ich meine, dieses mit der Erbschaftssteuer, das haben wir ja auch schon in der Lage oft besprochen. Da gibt es diverse Löcher, die man stopfen könnte. Auch diese Verschuldungsbedarfsregeln, wo sich eben reiche Erben arm rechnen können, um dann sagen zu können, Erbschaftssteuer müsste ich vielleicht zahlen, kann ich aber nicht, weil ich habe gerade kein Bares auf der Hand. Da gibt es ja viele Ideen, wie man so eine Erbschaftssteuer gestalten könnte, ohne dass Betriebe pleite gehen, weil sie vererbt werden und sofort ihr gesamtes Vermögen quasi verursacht.

dafür aufbringen müssen, um Erbschaftsteuer zu zahlen. Man könnte das stunden und so. Haben wir das ja auch in der Lage schon besprochen. Die Frage ist jetzt an Sie, wenn denn so diese Löcher gestopft würden und diese Erbschaftsteuer scharf gestellt würde, sodass eben große, wirklich große Erben auch ja nicht zu 100 Prozent, sondern 10, 20, 30 Prozent besteuert werden würden,

Gehen dann nicht die Leute, hauen dann nicht die Reichen ab und kehren Deutschland den Rücken? Nein. Warum nicht? Naja, es kommt halt sehr stark darauf an, wie wir die Steuergesetze regeln. Also Steuern fallen ja nicht vom Himmel. Die werden auch von der Politik gestaltet. Und wir sehen das beispielsweise in den USA, da wird die Erbschaftssteuer gar nicht daran gekoppelt, wo habe ich meinen Wohnsitz, sodass ich sagen kann, ich hau ab, Leute, ciao.

sondern es kommt darauf an, was habe ich für einen Pass in der Tasche. Und das hatten wir in Deutschland übrigens auch mal. Und dann wurde seitens konservativer Parteien wieder reingebaut, dass es auf den Wohnsitz ankommen soll und eben nicht auf die Staatsangehörigkeit. Und der Pass ist im Zweifel attraktiver als der Wohnsitz. Den gibt man

nicht so gern ab, wie man vielleicht von München nach Zürich zieht oder so. Ja, Branko Milanovic, der sehr bekannte Ökonom, der spricht dann von einem Premium Citizenship. Also ich glaube, der deutsche Pass ist schon ganz schön viel wert. Und was man auch noch machen kann, und das machen wir in Deutschland, das wissen ja sehr wenig Leute einfach, wir haben ja eine sehr starke Werkzeugbesteuerung. Die wurde 1972 wirklich ausgebaut. Andere Länder nehmen sich ein Beispiel an Deutschland an.

um eben das zu vermeiden. Und wenn dann sehr reiche Menschen sagen, so hey, ich möchte hier nicht mehr wohnen, können die das ja gerne tun, aber trotzdem sollen sie einfach nur ihren fairen Anteil an Steuern bezahlen, bevor sie wegziehen.

Nun muss man ja sagen, Sie selbst haben lange für Annalena Baerbock gearbeitet. Im Bundestagswahlkampf zeigten aber auch die Grünen nur ganz wenig Engagement, um den Reichtum unseres Landes fairer zu verteilen. Warum spielen eigentlich Maßnahmen gegen Ungleichheit so eine geringe Rolle in der politischen Diskussion, während zum Beispiel angeblicher Missbrauch beim Bürgergeld, wo es ja typischerweise wirklich um ein paar Mark 50 geht im Vergleich, ständig Thema in der politischen Debatte ist? Also was ist da los bei uns im Diskurs und woran liegt das?

Genau, vielleicht nochmal eine ganz kleine Ermerkung dazu. Ich glaube, das ist recht wichtig. Ich war immer Pressereferentin für den Bundesvorstand von den Grünen, das war 2017. Aber dann für Annalena, das war quasi parallel zu meiner Doktorarbeit als Generalhilfskraft, also echt nur ein paar Stunden die Woche.

Ja, das mit dem Verhältnis ist sowieso total pervers. Ich check das überhaupt nicht. Wir haben eine Steuerhinterziehung von 125.000 Millionen im Vergleich zu 60 Millionen Bürgergeld oder Hartz-IV-Betrug. Also es ist ein Verhältnis von 1 zu über 2.000. Wir reden aber über die ganz, ganz kleinen Kleckerbeträge. Und ich glaube, das hat auch sehr viel mit der Wissenschaftstheorie dahinter zu tun. Also wirklich noch mit dem Neoliberalismus, der dann halt auch aus der neoklassischen Theorie stammt.

Wo wir sagen, wir müssen es den Reichen und den Unternehmen, also den Menschen an der Spitze leichter machen, damit dann, wenn sie eben weniger Steuern zahlen, mehr Gelder haben, die sie dann investieren können in Arbeitsplätze, in Wirtschaftswachstum. Und dann wird das langsam durchsickern, runtergehen, auch zum Rest der Gesellschaft. Der sogenannte Trickle-Down-Effekt.

Das ist das, woran viele Menschen nach wie vor glauben. Das ist auch das, was der aktuelle Koalitionsvertrag atmet. Aber es ist auch das, was wissenschaftlich mittlerweile als absoluter Bullshit deklariert wurde. Wo wir einfach sehen, es hat nicht gestimmt. Die beste Studie dazu, finde ich, ist die von David Hope und Julian Limburg von der London School of Economics.

Die haben sich 18 OECD-Staaten über 50 Jahre hinweg angeguckt und geschaut, was ist denn passiert, als wir diese krassen Tax Cuts, also diese krassen Steuersenkungen hatten für die Reichen und für die Unternehmen. Ist Wirtschaftswachstum gestiegen? Haben wir Arbeitsplätze geschaffen? Nee, der Unterschied war indistinguishable from zero, also von null nicht zu unterscheiden. Das Einzige, was anhaltend gestiegen ist, ist die Ungleichheit.

Mit anderen Worten, Sie glauben, dass es da eine ganze Menge an Narrativen gibt immer noch in unserer Gesellschaft, aber gibt es denn da auch bestimmte Akteure, die diese Erzählungen quasi am Leben halten? Ich glaube, dass es sehr, sehr viele Narrative gibt und dass man eben aufzeigen muss und zwar wirklich Narrativ für Narrativ, dass wir hier von Anomalien sprechen, also von Erzählungen, die nicht mehr sind als ein Mythos, die einfach empirisch nicht evident sind.

Und wenn wir das dann schaffen, die dann umzukippen, dann können wir auch sagen, so, ciao Neoliberalismus, abwarten, wir schalten auf mit dir. Aber es gibt natürlich auch diejenigen, die ein Interesse am Status Quo, am Erhalt des Status Quo auch haben. Und wir sehen, dass die größte Lobby in Deutschland ist nicht etwa für Automobilbranche oder für Chemie, sondern für Finanzen, die wiederum sehr stark arbeiten an Steuergesetzgebung. Und ich habe mich jetzt eben in meiner

Forschung besonders stark auseinandergesetzt mit der Erbschaftssteuer. Und da ist dann beispielsweise besonders entscheidend die Stiftung Familienunternehmen. Die klingen jetzt so süß, man denkt dann an die Berger von um die Ecke, aber es geht ja wirklich um milliardenschwere große Konzerne in Deutschland, die eben ein Interesse daran haben, dass die Steuern weiter niedrig bleiben oder sogar gesenkt werden. Martina Linatas, Politikwissenschaftlerin und Autorin des Buchs »Unverdiente Ungleichheit – Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann«. Vielen Dank für Ihre Zeit und die Information.

Ich habe zu danken.

Ich glaube, es ist wichtig und sinnvoll, darauf mal hinzuweisen, was so der semantische Trick eigentlich bei diesem Begriff ist.

Der Vorwurf, das ist Neid und nur eine Neiddebatte, soll davon ablenken, dass es um Gerechtigkeit geht. Um eine sehr legitime Gerechtigkeitsdebatte. Oder jedenfalls mal eine sehr legitime Frage. Es geht ja nur um eine Frage. Hinter dieser Diskussion, die wir mit Martina Linatas geführt haben, steht die Frage, wie viel von ihrem Vermögen sollen sehr reiche Menschen eigentlich abgeben für das Gemeinwohl?

Das ist ja die letzte Frage. Und wie viel Reichtum ist zum Beispiel noch mit der Demokratie vereinbar, wenn man sich überlegt, wie reiche Menschen sich möglicherweise auch einen überproportionalen Einfluss auf bestimmte Medienunternehmen erkaufen können. Oder in anderer Weise, wie sie sich Einfluss in einer Demokratie kaufen können. Und deswegen glaube ich, Philipp, liegst du da völlig richtig, wenn du sagst, dieser Begriff Neid, Neiddebatte, Neid, der ja sehr negativ konnotiert ist, der ist im Grunde ein rhetorischer Trick.

um diese völlig legitime Frage nach der Verteilung von Reichtum, Vermögen und Einfluss in einer Demokratie zu delegitimieren. Richtig, denn Neid kann man schlecht rechtfertigen. Neid, das ist keine sehr starke, glaubhafte, legitime Debatte. Wenn du aber sagst, hier geht es um Gerechtigkeit. Ich will über Gerechtigkeit reden und über Gerechtigkeit diskutieren. Ich finde das hier ungerecht,

dann hat das eine ganz andere Legitimität und Gravitationskraft. Und ich würde ehrlich gesagt noch einen Schritt weiter gehen und sagen, möglicherweise ist es auch einfach schon falsch, Neid grundsätzlich als das Negative zu framen. Möglicherweise, das wäre der nächste Schritt. Also natürlich ist so emotional, intuitiv dieser Begriff Neid negativ besetzt. Also gerade Kindern versucht man abzutrainieren, neidisch zu sein auf das, was andere Kinder in der Klasse oder im Kindergarten haben, weil das halt sonst zu Konflikten führt und so. Möglicherweise

Möglicherweise ist aber in einer politischen Diskussion auf einer gesellschaftlichen Ebene Neid ein absolut berechtigtes Gefühl angesichts großer Ungerechtigkeit. Also diesen Gedanken wollte ich auch nochmal gerade loswerden, also Neiddebatte als rhetorischer Trick, aber möglicherweise muss man Neid auch je nach Kontext einfach unterschiedlich verstehen, vielleicht gibt es auf einer politischen Ebene total berechtigten Neid.

Wir haben noch eine Korrektur zum Abschluss zu machen. Dabei geht es um unsere Berichterstattung über die Bemühungen der Bundeswehr, wichtige interne Dienste und Angebote in die Cloud zu verschieben und sich dabei der Dienste von Google zu verändern.

Genau, da hatten wir ja so ein bisschen kritisiert, dass die Bundeswehr da sich eben tatsächlich mutmaßlich in die Abhängigkeit zu einem amerikanischen IT-Unternehmen begibt, was eben für die digitale Souveränität Deutschlands potenziell nicht die beste Idee sein könnte. Und hatten kritisiert, naja Leute, dann baut doch lieber Open-Source-Lösungen auf, es geht doch hier um eine Cloud. Und da haben wir jetzt durch einige sehr engagierte Zuschriften von Hörerinnen und Hörern im Forum erfahrenen,

Ja, es geht schon irgendwie um Cloud, aber eben nicht eine Cloud wie zum Beispiel die Nextcloud nur für Dateien, Kalendereinträge, sondern im Grunde geht es vor allem um Infrastruktur, um ganze Server quasi in der Cloud betreiben zu können. Das ist also mit der Nextcloud, die wir als quasi kleine Cloud-Lösung mal ins Feld geführt hatten, wohl so ohne weiteres nicht vergleichbar, haben uns da ein paar IT-Spezialisten erklärt.

hat mich auch ehrlich gesagt überzeugt, was sie geschrieben haben. Und das Problem ist, so eine quasi Software für eine ganze Cloud-Infrastruktur, also ein ganzes Server virtualisiert werden können. Eine solche Software gibt es wohl nicht so ohne weiteres als Open Source. Also Heise hat geschrieben, OpenStack wäre eigentlich so eine Variante. Das wurde auch da genannt. Die funktioniert dann aber wohl nicht mit den Sachen, Stichwort SAP, die...

die die Bundeswehr braucht, wo jetzt schon ganz viele Prozesse drauflaufen und so. Also trivial ist das sicherlich nicht und mit Nextcloud lässt es sich nicht erschlagen. Das müssen wir einfach an dieser Stelle korrigieren.

Ich würde trotzdem sagen, die politische Forderung bleibt natürlich bestehen, sich möglichst unabhängig zu machen und mit öffentlichem Geld eben tatsächlich möglichst auch öffentlichen Code zu fördern. Mit anderen Worten, wenn also OpenStack tatsächlich nicht geeignet ist, das nehmen wir jetzt mal so hin, das steckt sich nämlich mit dem, was die HörerInnen uns da geschrieben hatten.

Dann wäre natürlich die große Frage, wieso entwickelt man das nicht einfach weiter? Denn jetzt geht die Kohle halt in die Kassen von Google und ist dann verschwunden. Die sehen wir nie wieder. Wenn aber natürlich die Bundeswehr dasselbe Geld investieren würde für die Softwareentwicklung in gerade einer Open-Source-Software, dann hätte die Allgemeinheit was davon. Also da würde ich schon sagen, ja, möglicherweise ist das als Hotfix jetzt unumgänglich, da auf Google zu setzen. Aber das kann ja langfristig nicht die Antwort sein.

Und damit ist die Lage für diese Woche ausführlich und abschließend natürlich erörtert von uns beiden hier in unserem wieder heißer werdenden kleinen Dachstudio in Berlin-Kreuzberg-Treptow. Wir danken für eure Aufmerksamkeit. Vielen Dank für euer Interesse an der Lage. Wir hoffen, es hat euch gefallen. Wir wünschen euch ein schönes Ende dieser Woche, ein schönes Wochenende. Bleibt uns gewogen und bis bald. Bis nächste Woche dann, wenn ihr mögt. Tschüss.