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Die Nacht im Ewigen Licht (2/4): An der Seite Hemingways

2025/5/4
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Transcript

Shownotes Transcript

ARD Ja, und das Foto gibt es nicht. Denn am Ende habe ich das nie gemacht, wie der Captain John mehr oder weniger auf dem Hitler seinen Schreibtisch eingeschlafen war. Das war so nett von ihm. Die Nacht im ewigen Licht von Steffen Kopetzki Hörspiel in vier Teilen Teil 2 an der Seite Hemingways

Das war ein ganz unglaublicher Moment, als ich da aus der Eva Braun ihrer Wanne komme. Und dann hat er da einfach vor mir geschlafen. Und ich hätte ja, mein Gott, ich hätte ja in dem Moment, hätte ja, weiß Gott, was mit dem machen können. Wenn er da auf die Richtige getroffen wäre, die hätte den reingelegt. Die hätte dem in so einer Situation den schweren Briefbeschwerer ins Genick geschlagen. Das habe ich mir kurz so vorgestellt. Und dann ist mir...

Bei mir ist auf einmal Himmelangst geworden um ihn. Weil er so allein war in München. Und er hat ja niemanden gekannt. Außer jetzt den Sgt. Felbing. Aber der war ja selber fremd. Das war ja Schwab aus Biberach. Und mir. Ich konnte irgendwie gar nicht an mich halten. Und dann habe ich ihn einfach über den Kopf streicheln müssen. Und dann habe ich gesehen, dass er da...

eine ganz große Narbe auf der Stirn, so direkt am Haaransatz gehabt hat. Und die war ganz frisch, die Narbe. Und als ich das gesehen habe, das sind mir ehrlich, für den Moment die Tränen kommen. Weil man hat ja in der Zeit überhaupt nicht so viel nachdenken dürfen. Das war so ein Elend gewesen. Und so...

Ja, so eine traurige Geschichte. Die Männer, die alle weg waren im Krieg und dafür überall lauter Fremdarbeiter, die die schwere Arbeit für uns machen haben müssen. Und auf einmal war da dieser junge Amerikaner, der hat mir plötzlich so leid getan, dass der durch so eine Situation hat gehen müssen und so verletzt worden ist. Und nur damit er schließlich jetzt da ist,

Auf dem Hitler-Sein-Münchner-Schreibtisch beinahe hätte er schlagen werden können, wenn ich ja andere gewesen wäre. Und für einen Moment habe ich wirklich daran gedacht, dass ich ein Foto mache von ihm, wie er da so schläft. Aber das habe ich mir dann nicht getraut. Weil er ist auch gerade in dem Moment, wie ich meine Hand von seinem Kopf genommen habe, da ist er aufgewacht. Wie spät? Halb sechs. Halb sechs? Wir müssen los. Christel, kommen Sie, schnell. Ja.

Die Handschuhe denkt, Sie zwei kämen gar nicht mehr runter, Captain. Irgendwas vorgefallen, Felbinger? Nein, war alles ruhig. Bei Ihnen zwei dort oben, ist irgendetwas vorgefallen? Ich habe mit dem Hauptquartier telefoniert. Wir bleiben heute Nacht auf jeden Fall in München.

Aber wohin? Mir wär's lieber, wir würden wieder zurückfahren, wo wir hergekommen sind. Wenn irgendetwas passiert in der Nacht, vielleicht diese Werwölfe oder wie die häuset, dann sind wir schneller wieder draußen. Seht's nur hin, kaum irgendwo brennt das Licht. Es wird zappelduster hier. Fahrt mal lieber wieder zurück an den westlichen Stadtrand. Dieser Vorschlag leuchtete John ein.

Nun, da die Dämmerung begann und er ohne dies kalte letzte Apriltag zu einer noch kälteren Nacht zu werden versprach, brauchten sie ein sicheres Obdach. Für einen winzigen Moment überlegte er, ob sie nicht auch in Hitlers Wohnung übernachten könnten, aber das war natürlich eine unmögliche Idee. Also, in der Nähe vom Stolbenplatz, da weiß ich ja Wirtschaft, selbst wenn ganz München ein Trümmerling dort ist, im ewigen Licht haben sie es mit Sicherheit offen. Stolbenplatz? Ja, ja.

In München sagen wir zu der ganzen Gegend amerikanisches Viertel. Weil ein amerikanischer Investor die Häuser da baut. Das war noch vor dem Hitler. Ja, kann ja kein Zufall sein. Also, Felbinger, auf zum ewigen Licht. Während überall im zerstörten München eine gespenstische Ruhe und nahezu vollkommene Dunkelheit herrschte, brannte dort tatsächlich ein kleines Licht im Fenster. Die Wirtin der Gastwirtschaft war allerdings nicht sonderlich erfreut, als sie begriff, dass die drei gekommen waren.

um über Nacht zu bleiben. Wir sind eine Wirtschaft und kein Hotel. Frau Schmidt, jetzt bitte, jetzt geben Sie einer halt eine Wohnung. Das sind die Amerikaner. Jetzt überlegen Sie sich das doch mal, bitte. Das ist die Befreiung. Es ist vorbei. Die Befreiung? Soll das jetzt die Befreiung sein? Dass wir die amerikanischen Flieger gerade überstanden haben?

und immer noch nicht in unsere Betten schlafen können. John mischte sich nicht ein. Im Hürtgenwald hatte er erlebt, wie eine ganze Division raufgegangen war, um einen Ort namens Schmidt zu erobern. Wie hätte er sich da mit einer Frau ausstreiten können, die ausgerechnet Schmidt hieß? Jetzt, wo der verdammte Krieg gewonnen und vorbei war. Schließlich gab die Wirtin nach. Der Satschen und Felbinger und John Glück holten ihr Marschgebäck aus dem Jeep. Ohne ein Ei, Rosebief.

und eine Flasche Whisky. Sie bleiben doch und essen mit uns, Fräulein Christel, oder? Ja, ich weiß nicht. Also, ich müsste eigentlich ja dem Otto nur die Kamera und die Objektivtasche... Wer ist denn der Otto?

Ihr Verlobter? Nein, der Otto, das ist der Hausmeister von unserer Fotoschule. Ach so, ach so. Der hat mir heute nicht viel die Kamera ausgelegt und jetzt müsste ich es ihm halt eigentlich zurückbringen, ganz dringend. Ja, dann sagen Sie dem Otto doch einfach, dass die amerikanische Armee darauf bestanden hat, dass wir mit dir essen. Ja, das war schon schön. Ich stirbe fast vor Hunger. Ja, aber nicht heute Nacht.

Und Sie? Ich hab' mich schon... Also, er war ein Opa aus Köln, ja, das stimmt. Ja, allerdings. Ein Kölner Waisenknabe. Wer jetzt? Ein Findelkind? Ja, von den Schwestern vom armen Kind Jesu. Bei denen war mein Opa nach seiner Geburt abgegeben worden. Also, bei meinem Großvater Joe dachten die Nonnen vielleicht, er hat Glück gehabt, bei ihnen gelandet zu sein.

Oder werde solches irgendwann finden. Also so bekam er seinen Namen: Josef Maria Glück. Aber später war er ein echter eingewandter Amerikaner. Das sind die Karten, die er mir geschenkt hat, als ich aufs College gekommen bin. Spielkarte? Habe ja noch nie gehört. Mein Opa hat mir eine zerrupfte Bibel hinterlassen. Ja, mein Opa war ziemlich ungewöhnlich. Soll ich euch ein Geheimnis verraten?

Mein Opa war Berufsspieler. Nein. Nein, doch. Geh weiter, das gibt es doch gar nicht. Hier, Christel, ziehen Sie mal eine Karte. Moment. Dann nehme ich... Ich will ja nicht unhöflich wirken, aber ihr werdet langsam müde. Und wenn ich das recht gesehen habe, dann habe ich heute Nacht Zeit. Wer weiß, wie lang frisches Bettzeug und normales Bett. Und da würde ich gerne mal...

hingucken und einmal vorfühlen, wie sich das anfühlt. Ja, natürlich. Gar kein Problem. Das ist in Ordnung. Absolut, ja. Ich meine ja nur, Fräulein Christel, weil wenn Sie heim wollen, dann fahre ich Sie natürlich, aber es müsste halt gleich sein und habe wenig Schlafkehre geslatscht. Sehr nett von Ihnen, Sergeant. Aber machen Sie sich deshalb keinen Kopf.

Ich bringe Fräulein Christel dann in ihre Pension. Na, Ivo, das ist überhaupt nicht nötig. Ich komme ja da aus, ich bin ja da daheim. Also, schlaf uns gut, Herr Felbinger. Wirklich. Wer nicht weit her ist, hat auch nicht weit heim. Gute Nacht, Christel. Hat mich sehr gefreut und vielen Dank. Gute Nacht. In diesem Moment liebte er geradezu diesen skurrilen Biberacher Sergeant, dem nur aufgrund von ein paar glücklichen Umständen

mit einem der letzten Schiffe von Lissabon aus die Flucht gelungen war. Und der nun, wie so viele aus der ungeheuren Masse von deutschen Flüchtlingen in den USA, in Uniform zurückgekehrt war. Also, wie war jetzt das mit dem Opa Joey? War das wirklich ein Berufsspieler? Ja, also meine Mutter hat immer erzählt, dass mein Opa ein kleiner Vertreter gewesen ist. Aber das stimmt ja nicht. Schmarrn.

Also kann sein, dass er sich das Geld für die Schiffspassage, also für sich und seine Frau, schon damals mit Kartenspielen verdient hat. Hier, ziehen Sie mal eine Karte, Christi. Dann nehme ich die da. Apala, was ist jetzt das für eine Karte? Die habe ich noch nie gesehen. Das ist ein König, der auf dem Radl sitzt. Ja, das Blatt heißt Bicycle 808 und deshalb sitzt der Kaiserbauer auf dem Fahrrad.

Ah, das heißt bei uns Jolly. Das ist der Jolly. Das ist der Jolly, genau. Sein Großvater hatte ihm schon als Zweijährigen gezeigt, wie man die Karten hält. Sie spielten deutsche Kinderkartenspiele wie Mau Mau oder amerikanische wie U-Car. Daraus stammt auch der Joker, der wie sein Großvater immer zu sagen pflegte, Kaiserbauer, der höchste Trumpf im ganzen Spiel. Er stand ganz und gar für das, was Amerika für Generationen von Einwanderern war.

Ein Versprechen, eine Hoffnung, eine Möglichkeit, alles zu sein, alles erreichen zu können, was man sich nur vorstellen mochte. Wollen Sie auch noch einen Punsch, Käpt'n? Ja, gern. Ist nett von Ihnen, Christel, danke. Es wird mittlerweile so 10 Uhr gewesen sein. Der Kamera war es jetzt natürlich sowieso schon viel zu spät. Der Otto, der hätte sich gescheit gefreut, wenn ich den noch rausklingelt hätte. Ja, aber...

Natürlich hätte ich eigentlich dem Vorschlag von dem netten Sgt. Felbinger folgen müssen und mich heimfahren lassen. Zurück ins eisige Elend der Pension vom Fräulein Straßköter. Aber ich wollte nicht. Ich wollte überhaupt nicht schlafen. Na, weil ich mich so herrlich gefühlt habe da bei der Wirtin in ihrem Herd stehen. Und den hat es uns extra noch eingeheizt. Und dann noch ein Scheitel auf die Kohlen legen.

und die herrliche Wärme gespürt und zum Trinken haben wir was gehabt und mei, John war ja auch da. Der hat so interessant ausgeschaut hinter seiner Schreibmaschine mit seinem Fleiß und seinem Geheimnis. Und ich hab immer wieder an die Nabi denken müssen. Sagen Sie mal, störe ich Sie jetzt eigentlich bei der Arbeit? Ich hab nur so ein bisschen für mich getippt. Sind Sie ein Schriftsteller? Ja. Ja? Ja, genau. Wissen Sie das? Oh mei, so was sehe ich halt.

Das Licht ist eigentlich furchtbar da drin, aber ich mache trotzdem ein schnelles Foto von Ihnen. An der Schreibmaschine. Also bei der Kamera, da kann ich zum Glück ein bisschen was mit der Belichtungszeit einstellen. Jetzt einmal ganz freundlich und nicht bewegen. Ganz ruhig, ganz stolz sein. Er hat sich hingesetzt, die Hände auf der Tastatur von seiner Erika und dann hat er so getan, als würde er völlig ungestört sein.

Gerade schreibe ich. Ja, das ist wunderbar. Ich habe das ganz genau gesehen. Der hat gewusst, was eine Fotografin braucht. Es war halt ein Zeitungsschreiber. Die Kamera, die habe ich auf dem Stativ stehen gehabt und dann habe ich mir alle Zeit gelassen. Ich habe mir den ganz genau angeschaut. Ein allererster Amerikaner. Der hat auch auf den dritten Blick gut ausgeschaut. Nein, der war vielleicht...

Zwei Jahre älter als ich, aber das war dann auch schon alles. Und trotzdem, der kam mir irgendwie vor, ganz anders als die meisten Leute, die ich gekannt habe. Und auf einmal habe ich gedacht, ja, freilich. Das ist es eben, weil der im Krieg war. Und der Hunger und die vielen Fremdarbeiter überall, die einem so leid getan haben, wie die oft behandelt worden sind. Und die KZs, was man da gehört hat, das...

Das Leben, das war auch für uns schlimm gewesen, aber für die Männer, die im Krieg waren, wo der eine Mensch direkt gegen den anderen kämpft und ihn umbringen will. Na, das war gewesen auch fürchterlicher. Und dann habe ich abgedruckt und dieses Foto hier geschossen, wo er so ganz milde lächelt. Und ich finde, man sieht da, wie gern er seine Schreibmaschine gehabt hat. Das ist wunderbar. Und was schreiben Sie jetzt da so?

Das sind Short-Stories, Kurzgeschichten. So wie, kennen Sie Hemingway? Hemingway, ja, das habe ich schon mal gehört. Der schreibt so Stierkampfgeschichten, oder? Ja, genau, der ist das. Aber auch über den Krieg. Und genau das habe ich mir auch vorgenommen. Also wir müssen darüber berichten, was wir erlebt haben. Sind Sie da?

Verwundet worden im Krieg? Also, ihr habt die Narben gesehen? Ja, nicht so schlimm. Also nicht sehr. Die Verletzung selber, die war gar nicht das Schlimmste. Naja, aber trotzdem, oder? Es schaut schon bäs aus. Also, es entsteht sie jetzt in keinster Weise oder so, aber... Was ist einer denn da genau passiert? Da ist passiert... Ich bin skalpiert worden. Skalpiert? Skalpiert. Von einem Indianer? Ja. In Amerika? Nein, nicht in Amerika.

In Deutschland. Vor einem halben Jahr war das. Na, gebetet schon. Also, jetzt übertreiben wir es aber ein bisschen, oder? Da haben Sie ein wenig zu viel von einem Indianer-Romane gelesen, da, der Tekumsee und so. Würde ich es Ihnen denn erzählen, wenn es gelogen wäre, Kisse? Ja, weißt du nicht, vielleicht ist das auch wieder so eine kleine Short-Story, wie vom Hemingway. Ich habe Hemingway sogar kennengelernt. Frankreich. In Frankreich? Na, Frankreich.

Oh, das hätte ich so gerne mal hin, zum Fotografieren, Alain. Ah, nein, nein, nein, Moment, Moment, Moment. Wieso waren Sie jetzt genau da mit Hemingway? Naja, also, klar, das war natürlich wieder die Idee meines Chefs. Es gibt genügend Idioten, die ihn für einen Kommunisten halten, aber ich will ihn auf der Titelseite. Hemingway!

Ein vorderster Front bei unserem Kampf gegen die Nazis. Die ganzen Hitler-Jungs sollen später mal sagen, hey, gegen diesen großartigen Kerl habe ich gekämpft. Und Sie, mein lieber Junge, Sie werden mir das bringen, John. Weil Sie wissen, wie diese deutschen Hitler-Jungs da drüben ticken. Goethe, Thomas Mann, wir geben Ihnen Hemingway. Es war im August letzten Jahres, sechs Wochen nach der Invasion.

Zu der Zeit befand sich Hemingway in dem Örtchen Rambouillet, westlich von Paris. Gerüchte sagten, er gebe den Anführer einer Gruppe von französischen Resistanzkämpfern. Im einzigen Hotel des Ortes hatten sie ihr Hauptquartier errichtet. Ich bekam das letzte freie Zimmer. Also zum Glück. Also gerade bevor so eine exzentrische Brut amerikanischer Kriegsberichterstatter einfiel. Geh rein! Weg mit dir!

Hey, Kollege, komm mal hier. Hey, Los Angeles Times schickt mich. Und wenn Sie mir kein Zimmer geben, dann sorge ich dafür, dass nie wieder ein einziger amerikanischer Tourist bei Ihnen absteigen wird. Hören Sie! Sagen Sie, die Flasche von hier? Wie haben Sie gesagt, es gäbe nichts mehr?

Die Flasche habe ich gestern Abend einem Messeroffizier in der Nähe von Argentay abgekauft. Ben Morriskill von Pittsburgh Standard, sehr freut's. Und ich bin Kenn dich nicht von Das ist meine Flasche Daily. Willst du Stress oder was? Ja, pass auf. Gegen Abend betrat Hemingway, sein Karabiner geschultert wie das Inbild eines Guerillakämpfers, den Speisesaal. Alle starrten ihn an.

Bevor er noch sein Gewehr abgestellt und seinen Helm abgenommen hatte, stand doppelter Whisky vor ihm. Schaut ihn euch an. Die Wiederkehr Christi ist nichts dagegen, hä? Hey, kann mir jemand einen Brandy geben? Genau. Wie war's? Alles aus?

Aber klar, die letzten Reserven sind nicht für uns kleine Arschlöcher, sondern für General Hemingway. Aber wieso wollt ihr überhaupt was zum Saufen haben, ihr Idioten? Ihr glaubt ja wohl nicht darauf, einen Anspruch zu haben. Nur weil ihr seit 30 Stunden nicht geschlafen habt. Also bitte, gebt ja nicht mal ein scheiß Zimmer in diesem scheiß Hotel. Ja, verdammte Scheiße. Nicht mal eine scheiß Pritsche. Alles belegt für General Hemingway und seine Rekruten.

die irgendwann aus dem Busch gekrochen sind, gut versteckt von den Deutschen, während sie an ihren verlausten Dreckspimmeln herumgespielt haben. Hemingway kippte sein Glaschen unter und drehte sich vom Tresen weg. Schrank von einem Mann, der sich nun plötzlich mit der Schwungkraft einer Abrissbirne auf den Kerl zubewegte. Ich glaubte zu sehen, wie es ihn schauderte, von so vielen Menschen umstellt zu sein, die ihn beneideten und hassten.

In Hemingways Augen der Ausdruck eines Schweins, das schwitzend in die Ecke gedrängt stand. Aber da war auch noch etwas anderes. Selbstmörderische Freude, Entschlossenheit, Furchtlosigkeit und Tierneugier. Ich drängte mich in die vorderste Reihe und nickte Hemingway ermunternd zu.

Er blühtete überrascht, nahm für einen Moment die Feuchte unter, was seinen Gegner ermunterte, dem vorherigen Treffer noch einen weiteren hinzuzufügen. Ja, er war jünger als Hemingway und durchtrainiert. In diesem Augenblick schrie ich ärgerlich an, als ob man mich geschubst hätte, stürzte mit Schwung voraus und brachte den Gegner ins Stolpern. Es sah aus wie ein Versehen, aber Hemingway hatte mein Manöver genau beobachtet.

Er sammelte seine letzte verbliebene Kraft zu einer Aktion, die aussah wie die eines echten Schwergewichtsboxers und wuchtete seinen Gegner einen voll durchgezogenen rechten Aufwärtshaken in den Magen und danach einen Leberschwinger, der ihm den Rest gab. Kommen Sie, Mr. Hemingway, nach draußen! Hab's gesehen. Deine Bewegung. Ja? Verdammt gute Bewegung. Wie heißt du, Junge? Ich bin Lieutenant John Glück. Glück. Ja? Ja.

Das stimmt wohl. Ohne dich hätte der andere mich ausgenuckt. Danke, John. War mir eine Ehre, Mr. Hemingway. Ah, aber nicht doch. Sag Papa zu mir. Er nahm mich in seinen Kreis auf und ich war beinahe Tag und Nacht bei ihm. Zusammen mit seinen Resistanzkämpfern, die ihn vergötterten, befreundeten Autoren und auch Fotografen, so wie Sie, Christel. War eine Menge los. Frauen gab's auch, aber zu der Zeit nur in der Entfernung.

Schließlich habe ich ihm auch gestanden, dass ich über ihn schreiben wollte. Das habe ich mir schon gedacht. Ist in Ordnung, John. Aber versprich, dass du gnädig mit mir sein wirst, wenn ich draufgehe. Sag ihnen, dass ich wie ein Mann gekämpft habe. Wie ein Mann! Papa selbst ging es im Grunde nur um seine Position und seinen Rang als Schriftsteller. Ja, und deshalb suchte er wie verbissen nach dem wahren Stoff dieses Krieges.

Er wollte tatsächlich lieber draufgehen und einen einwandfreien Heldennachruf ernten oder in eine richtig blutige Hölle kommen, über die er endlich hätte schreiben können. Das war seine wahre geheime Tragik. Dann kam der Herbst. Die Tage waren kürzer geworden, das Wetter rauer. Die Fahrten mit dem Jeep härter, aber nicht nur die äußeren Umstände wandelten sich ungemütlich weiter.

die mit Hemingway unterwegs waren, begannen langsam, aber sicher durchzudrehen. Die Abende wurden immer grotesker, wie in dem luxemburgischen Dorf, in dem sie untergebracht waren, im Pfarrhaus, intern Schloss Hemmingstein genannt, ein erdrehten Fachwerkbau mit einem gepflegten Vorgärtchen und einem ebensolchen Weinkeller.

Sie alle hatten dabei sein dürfen, wie Papa in die von ihnen zuvor ausgetrunkenen Weinflaschen piste, sie verkorkte, sie knierte und wieder ins Kellerlegal legte. Es war sehr lustig gewesen. Aber am nächsten Morgen war John Glück mit dem Bewusstsein erwacht, dass es Zeit war zu gehen. Und zwar an genau jenen Frontabschnitt, den das Oberkommando Hurtgen Forest getauft hatte.

Der Hürtgenwald wird das Passrendale dieses Krieges. Wer es schafft, darüber zu schreiben, wird vielleicht den großen amerikanischen Roman über den Krieg abliefern, den die ganze Welt nach dem Sieg haben will. Das war, wonach er bis zuletzt gesucht hatte. Der ganz große, tödliche Fisch. Die wirklich tiefe See. Es war so absurd, dass er ausgerechnet an einem solchen Ort des Todes nach einem Neuanfang suchen wollte. Im Hürtgenwald. Im Hürtgenwald? Ja.

Da vor mir hat noch nie was gehört. Ja, weil eure Propaganda ja nicht darüber berichtet hat. Niemand sollte erfahren, dass wir schon in Deutschland standen. Der Hürtgenwald-Christel, der liegt südlich von Aachen. Ja, aber in den amerikanischen Zeitungen, da war ja auch nichts. Da hat ja wenigstens irgendwas drin stehen lassen. Ja, Himmel-Christel, Christi-Christel, ja, Sie haben ja so recht. Genau das wäre ja meine Aufgabe gewesen.

Aber meine Reportage wurde nicht gedruckt, weil wir dort zum ersten Mal und fürchterlich verloren haben. Der Hürtgenwald war die Schlacht, von der keiner etwas wissen durfte. Ja, und keiner etwas wissen wollte. Jetzt haben Sie mich aber wirklich neugierig gemacht schon. Erzählen Sie es mal. Ja, aber das wird nicht so schnell gehen, fürchte ich. Das macht ja nichts, oder? Ich meine, die Nacht ist ja nur jung. Das stimmt. Und im ewigen Licht, da gibt es keine Sperrstunde. Na gut, ich kann es versuchen.

Die Nacht im ewigen Licht von Steffen Kopetzki

Zweiter von vier Teilen. An der Seite Hemingways. Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2020.