ARD Ich glaube an diesen Krieg. Hätte ich das nicht, wäre ich in ein Lager für Kriegsdienst verweigert gegangen und hätte, solange es eben dauert, die Axt gesprungen. Das hatte Johns Freund Holden einmal gesagt. John und Holden kannten sich von einem Literaturkreis an der New York Columbia University und hatten sich im Hürtgenwald wieder getroffen. Holden war ein Sergeant und arbeitete für den Nachrichtendienst der Division.
Er konnte Deutsch und war dafür zuständig, deutsche POW, Prisoners of War, Kriegsgefangene zu verhören. Ich glaube daran, Nazis zu töten, Faschisten und die Japsen, weil es meines Wissens keinen anderen Weg gibt. Allerdings glaube ich auch an die moralische Pflicht aller Männer, die gekämpft haben und noch kämpfen werden, den Mund zu halten, sobald es vorbei ist und nie wieder ein Wort darüber zu verlieren.
Diese moralische Pflicht, auf ewig den Mund über den Krieg zu halten und für alle Zeiten über das zu schweigen, was sie im Krieg der USA gegen das von den deutschen Nazis dominierte faschistische Europa alles anstellten und was mit ihnen angestellt wurde, würde Holden auch schon deshalb leicht fallen, weil er am 10. November 1944 irgendwo an der Hürtgenwaldfront gefallen war. Die Nacht im ewigen Licht von Steffen Kopetzki
Hörspiel in vier Teilen. Teil 3. Der Indianer vom Hürtgenwald. Keiner von denen, die an Johns Seite im Hürtgenwald gestorben waren, hatte es verdient gehabt zu sterben oder irgendetwas falsch gemacht. Die statistische Verteilung von Splittern aller Art, Minenfragmenten und Kugeln war sachlich und objektiv gewesen. Und die Statistik hatte dafür gesorgt, dass jeder Zweite aus der 28. Division draufgegangen war.
John Glück hatte überlebt. Das war aber auch schon alles. Er war einfach nur auf der anderen Seite der Statistik. Und nun, es war die Nacht zum 1. Mai 1945, saß John als einer der ersten amerikanischen Soldaten in München. Die Vorhut der Befreiung. Und in seinem Fall mochte sie vielleicht genau darin bestehen, dass er zum ersten Mal das Gegenteil von dem tat,
was der von einer deutschen Miene zerrissene Holden gefordert hatte. Denn in dieser Nacht in der Neuhausener Wirtschaft zum ewigen Licht hatte er endlich jemanden zum Reden gefunden. Er ahnte, dass dies vielleicht so etwas wie seine eigene Befreiung sein könnte. Der John hat mir ganz genau erzählt, wie das alles für ihn gekommen war. Wir waren an großen Warnschildern für die Truppen vorbeigekommen. You are entering Germany. Ich war unterwegs mit dem Red Ball Express. Der rollte Tag und Nacht.
Ich habe die Lastwagen direkt vor mir gesehen. Reihe an Reihe, einer hinter dem anderen. Wir Deutschen, wir haben Pferdewagen gehabt. Aber die Amerikaner, die hatten Lastwagen und zwar zigtausende. Mit denen haben sie alles von den Schiffen an die Front transportiert. Und mit so einem Lastwagen ist der John eben mitgefahren. Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben, Moon. War mir eine Freude, John. John!
Sehen Sie sich doch um, wie es hier aussieht. Hier an der Siegfriedlinie meine ich. Dieses Gebirge hier. Dieser Wald. Verflucht. Ich fahre den Laster, wie Sie ja wissen, schon eine ganze Weile. Ich weiß, was die von oben hier reinpumpen. Und ich weiß auch, was hier rauskommt. Hab die Särge aus dem Hürtgenwald gesehen. Bald wird es einen eigenen Fliethof geben. John, Sie müssen doch nicht hierbleiben. Keiner kann Sie zwingen. Kommen Sie wieder mit. Dieses Gebirge hier. Dieser Wald. Verflucht.
Das Sterben hat gerade erst begonnen, wenn Sie mich fragen. Das ist genau der Grund, warum ich hier sein muss. Aber danke. Leben Sie wohl schon und Gott beschütze Sie. Auf Wiedersehen, Moon. Wir waren bei Geameter, im Bereich der 28. Division, die abgelöst hatte, was von der 9. Division noch übrig war. Merkwürdigerweise kam die 28. aus Pennsylvania. Ich hab dort Wurzeln.
Meine Mutter ist Pennsylvania-Deutsche. Ah, das hast du doch nicht erzählt. Schon wieder Deutsche. Also Deutsch-Amerikaner wohlgemerkt. Aber der Kompaniechef war Italiener. Aus Philadelphia. Captain Oleandro. Sternenbanner. Was auch immer das heißt. Also, auf jeden Fall. Sie sind ein Schreiberling, Leutnant, richtig? Richtig. Wollen Sie hier Urlaub machen? Haben Sie Einwände? Überhaupt nicht.
Ich ließ mein Gepäck im Zelt des Captains und mischte mich unter die frisch eingetroffenen Männer. Ich stiess auf einen Trupp waschechter Penzelfornier, die drauf und dran waren, in den Wald hineinzugehen. So Männer, die Stunde bleibt dann mal alle schön zusammen, ne?
Die Privates folgten, die Karabiner im Anschlag wie ein Pfadfinder-Fähnlein beim Geländespiel. Diesen Weg war John Glück in Gedanken gleichsam hunderttausende Mal gegangen. Deutschland. Er stand nicht nur mit eigenen Füßen auf deutschem Boden, sondern er ging sogar durch einen deutschen Wald, der ein schroffes, aber nicht allzu hohes Gebirge bedeckte, die Nordeifel südlich von Aachen. Hinter dem finsteren Forst lag der Rhein,
und an diesem die deutsche Stadt, die ihm am meisten bedeutete. Sie liefen in den Wald, bis sie einen Abschnitt mit zerfetzten Bäumen und herausgebombten Schneisen erreichten. Es war schon merklich dunkel. Was hier wenige Tage zuvor geschehen war, überstieg damals noch Johns Vorstellungskraft. Was Granaten anrichten, die hundert Jahre alte Fichten zu einem Splitterregen zerfetzen, der alles niedermäht, was sich unter ihm aufhält,
die Panik, die Baumschafschützen auslösen können oder sorgsam angelegte Tretminenfelder und schließlich der Kampf Mann gegen Mann im dichten Unterholz in einem grotesk unübersichtlichen Kleingebirge. Wer sich hier auskannte, war immer im Vorteil. Dies war der Hütgenwald, ein grimmiger deutscher Wald.
Und es waren die letzten, aber auch die kampfverfahrensten Truppen der Wehrmacht, die entgegen die amerikanische Armee verteidigten. Ich folgte zwei unbekümmerten Privates, die wir alte Freunde würgten. Showalter und Kirschfang. Sie liefen umher wie Kinder, die Schnecken oder Pilze sammeln. Nachdem sie schon das ein oder andere vom Boden aufgelesen hatten, wurden sie plötzlich richtig fündig.
Kaum zu sagen, wie der deutsche Lanzer getötet worden war. Die Ketten eines schweren Fahrzeugs, vielleicht eines Sherman-Panzers, hatten ihn tief in den von Granat- und Mörsereinschlägen aufgewühlten Boden gedrückt. Mit einem Seufzen gab die Erde den Brustkopf und die blutenden Leichnam auf den Rücken. Der Arm des Lanzers fiel mit einem satten Schmatzen in den Schlamm.
Kirschfang zog keuchend eine Taschenlampe hervor. Ihr Lichtschein huschte für einen kurzen Moment über das Gesicht des deutschen Soldaten. Oder was davon übrig war. Unterhalb der Nase war das meiste weg. Kein Kiefer mehr da. Ein paar Zähne standen im hautlosen Knochenfleisch heraus. Jesus Maria, was für ein Mugebatschot haben die Fräs poliert. Da wissen wir gar nicht, was hinten und was vorne ist. Hätte ich dem allen nicht selber beigewohnt?
Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Systematisch schnitt Showalter ein Knopf nach dem anderen vom Mantel. Das ist eine Wiederholungsspangen. Das Abzeichen für die Teilnahme an der Winterschlacht von Kursk. Und da, das ist ein eisernes Kreuz zweiter Klasse. Aber kein Hagekreuz. Das Hagekreuz ist nur auf der Spangen. Das eiserne Kreuz war bisher das wertvollste Stück.
Vermutlich haben sie sich später darüber gestritten, wer es bekommen würde, um es zu Hause der Familie zeigen zu können. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Das kann man gar nicht glauben, dass die Leute sich sowas antun. Und ich meine, gefährlich ist es doch auch gewesen, da mitten im Wald. Wie gesagt, es ist halt blech. Sie bringen mich total durcheinander schon. Das war ich auch. Wir drei waren es. Wie im Märchen. Verirrt im dunklen Wald. Der Hiehweg war anders.
Da war doch vorhin kein Bach. Löschen Sie das Licht. Es war so dunkel, dass John mit den Händen durch das verteuerte Astwerk greifen musste, um einen Weg zu bahnen. Er wollte den Bach in Höhe weiter behalten und bergab gehen. Damit sie, so redete er sich ein, ins Tal kommen und dort irgendwie auf ihre Leute stoßen würden. Immer wieder wischten ihnen bösartige Äste die Herzen ins Gesicht. Halt mal! Was ist denn das so vorne?
Du schwarzer Block! Es war ein mit Steinbrocken verstärkter Bunker, der inmitten des dunklen Waldes wie eine archaische Festung wirkte. Schnee schimmerte auf seinem Dach. Eine Weile verharrten wir, vom schrecklichen Anblick fasziniert. Dann tat sich etwas. Ein Schatten trat aus dem Bauch. Er hustete. Auf keinen Fall schießt er. Ich hörte, wie er seinen Kopf belöste. Etwas fiel auf die Erde. Dann ganz leise schabende Geräusche, die ich mir nicht erklären konnte.
auch die beiden Privates sahen irritiert rein. Der hustende Schatten tauchte nicht mehr auf, was uns noch mehr verwirrte. Aber etwas anderes. Ein Wesen, das sich geradezu auf unheimliche Weise durch die Nacht bewegte. Captain Oleandro schickt mich. Zeit, uns ins Lager zu begeben. Aber seien Sie bitte leise. Seiner Uniform nach war er ein First Sergeant. Er trug keinen Stahlhelm. Sein Schädel war bis auf einen schmalen Streifen in der Mitte kahl rasiert.
Ein Iroquise. Es war dasselbe Waldstück, in dem sie sich verlaufen hat. Doch die Linie, die der Sergeant hindurchfand, war völlig anders. Ganz klar. Es schien, als würden die Bäume plötzlich mithelfen, Platz machen. Er flitzte voraus, sah oder ahnte trotz der Dunkelheit schon vorher, wo es nicht weiterging. Er änderte die Route. Er lief. Wir drei stolperten hinterher. Es war sehr schwer, ihm zu folgen. Er war schnell.
Er hatte einen Karabiner umgeschnallt, aber an seinem Gürtel hing auch ein Beil und ein langes Bowiemesser. Und neben dem Messer wippte etwas auf und ab, das wie ein kleines graues Fell aussah. Ein Eichhörnchenfell vielleicht. So lernte ich First Sergeant Vanseneca kennen. Hier habe ich Minen gefunden. Neue. Da müssten die Deutschen in den letzten 20 Stunden aktiv gewesen sein. Ein vorzüglich angelegtes Minenfeld, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Captain.
Dann fand ich die Spur des vermissten Lieutenant Glück und seiner Begleiter, die sich hier rübergewandt hatten. In einem Wasserlauf in einem schroffen kleinen Tal. Schon wieder einer von diesen Drecksbächen, die Puter, den Sie nicht in der Karte haben. Sie können dem Sergeant danken, Lieutenant Schriftsteller. Ohne ihn wären Sie vermutlich den Deutschen in die Hände gefallen und säßen einem Nazi-Offizier gegenüber, der Ihnen Fingernägel abziehen würde. Jederzeit wieder. Wenn Sie erlauben, Captain...
Was hat das zu bedeuten? Nummer 9?
Bedeutet, dass ich diesen Kerl nächste Woche für einen Silverstar vorschlagen werde und er ihn auch bekommen wird. Neun in knapp einer Woche. Unglaublich. Ja, neun was? War immer so schwer vom Begriff. Denken Sie mal nach, Lieutenant, was das für ein kleines Haarteil war, das der Sergeant bei ihrer Rettungsaktion mit nach Hause gebracht hat. Und Sie wollen damit sagen, dass dieser Indianer war? Und der hat Skalps gesammelt? Im Hürtgenwald? Tja, allerdings. Ach.
aber ein feiner Kerl war. Und Sie haben in Harvard studiert? Ja, als erster Angehöriger einer indianischen Nation. Jura und Philosophie. Wissen Sie, wer mein Lieblingsautor war? Keine Ahnung. Non mortem, Timimus, sed cogitationem mortis. Nicht den Tod fürchten wir, sondern die Vorstellung von ihm. Seneca.
Und jetzt kämpfen Sie als Angehöriger Ihres Stammes hier, oder? Nun, es ist ja evident, dass wir den Krieg der USA gegen die Achsenmächte voll und ganz unterstützen. Völkerrechtlich gesehen befinden wir uns mit Deutschland übrigens schon die ganze Zeit im Kriegszustand. Seit fast 30 Jahren. Wie kann das sein? Die sechs Nationen der Erokesen haben Deutschland schon 1917 den Krieg erklärt, wurden später aber nicht zu den Friedensverhandlungen in Versailles eingeladen.
Wir haben niemals Frieden mit dem Deutschen Reich geschlossen und lagen deshalb auch mit seinem Rechtsnachfolger der ersten deutschen in Weimar gegründeten Republik permanent im Krieg Ich bin gespannt, ob wir diesmal die Gelegenheit haben werden, unseren kommenden Sieg mit einer anständigen Vertragsunterzeichnung zu krönen Werden wir den siegen? – Lieutenant, ich muss mich doch sehr wundern. Sie arbeiten für die Propaganda! Wir können Sie auch nur den leisesten Zweifel äußern Ich, äh, ich verstehe die Frage nicht
Die amerikanische Propaganda ist der Wahrheit verpflichtet. Und was ich hier bisher gesehen habe, ist einfach nur niederschmetternd, all die Toten, es ist ein... Ach so, Sie wissen nicht, wie Sie die Toten des Hürtgenwaldes verkaufen sollen? Ich sage, ich verstehe nicht, was hier passiert. Männer kämpfen gegen den Mann. Und viele von ihnen sterben. Krieg. Die Amerikaner führen wieder einmal Krieg und werden ihn wieder einmal gewinnen. Egal, wie viele amerikanische Soldaten sterben, sie werden niemals aufgeben. Glauben Sie mir.
Was Vanseneca mir zeigte, war die Aufklärungsarbeit hinter den feindlichen Linien, die zu den grundsätzlichen Maßnahmen vor einem Angriff gehört. Porco due. Wenn dieses Wetter weiter so beschissen bleibt, haben wir noch ein paar Tage bis zum Angriff. Sie haben schon zweimal verschoben.
Also, jetzt. Irgendwo hier liegt dieses Dorf namens Gsmite. Sie sprechen es bestimmt richtig aus. Das sollen wir demnächst erobern. Schauen Sie mal, ob Sie was darüber rausfinden. Wir wissen bis jetzt nämlich rein gar nichts darüber. Ich weiß nur, was mir der Kolonel gesagt hat.
Ja, Sir. Habe verstanden. Habt ihr gehört, Leute? Der Kolonel will, dass wir Schmidt erobern. Jawohl! Der Captain will, dass wir Schmidt erobern.
Sie sagten es auf Amerikanisch. Sie sprachen Italienisch, Armenisch, Arabisch und im Falle zweier Typen, die Philippinos aus Bethlehem waren, sprachen sie auch Tagalog. Viele sagten es natürlich auch auf Penzelfornisch. Denn es war eine wunderbar gemischtsprachige Truppe, diese 28. US-Division. Hören Sie mal, Lieutenant. Vor ein paar Tagen haben wir einige deutsche Gefangene gemacht.
Sie sprechen doch fließend Deutsch, richtig? Ja, richtig, das tue ich. Was hielten Sie davon, wenn wir uns deren Uniformen anziehen und als Deutsche verkleiden? Das ist gegen die Regeln von Seneca. Wie Irokesen sagen, dass es im Krieg nur eine einzige Regel gibt. Ja, und welche wäre das? Man darf nicht verlieren. Und so kam es, dass wir einen mit deutschen Uniformen getarnten Spähtrupp bildeten, der hinter die Linien gehen sollte, um den Weg nach Schmidt auszukundschaften.
Ich warte den Käpten, unserem Trupp auch noch Private Kirschfang und seinen Kameraden Showalter mitzugeben. Also, hört genau zu. Wenn wir auf deutsche Truppen stoßen, dann sagt ihr, dass ihr aus der Heidelberger Gegend seid, ja? Vom Land. Und redet ausschließlich Spenselvornisch. Ansonsten stellt ihr euch dumm. Verstanden? Hast gehört. Dumm sollst du stellen. Wie machst du denn das? Als sie aufbrachen, war es noch tiefe Nacht. Der Wald, durch den sie sich langsam nach vorne erarbeiteten, war eine Fichtenplantage von ungeheurem Ausmaß.
Ein Försterwald. Die Bäume standen standengerade und ungeheuer gleichmäßig. Ihre abgestorbenen unteren Äste bildeten dafür ein dichtes Unterholz, das nur sehr schwer zu verdrängen war. Weinzenegger wollte unbedingt die Pfade meiden, die ihn dann ohne dies spärlichen Waldarbeiter wegen Schneisen und Lichtungen entlanggeführt hätten. So arbeiteten sie sich auf schmalsten eigenen Bahnen voran, langsam, aber beharrlich, bergab und steil bergauf,
Kurz vor Sonnenaufgang erreichten sie Schmidt. Da kennst du den Schuss von Ralde Hutzle, Herr. Wir nährten uns dem Dorf mit aller Vorsicht. Aber dann kam der Moment, in dem wir auf einen deutschen Posten zuliefen. Ihm auszuweichen war unmöglich. Bleiben wir ruhig, ich übernehme das Reden. Ich atmete tief ein, drückte das Kreuz durch, setzte einen entschlossenen Blick auf und sah den beiden Posten entgegen. Anstatt uns aufzuhalten, salutierte man uns, wie sich das gehörte.
Heil Hitler! Heil Hitler! Wir gehören zur 89. Division, Fernmeldezug. Wir sollen die Telefonleitung zum Hauptquartier des Oberbefehlshabers kontrollieren. In Ordnung. Wir waren so tief auf deutschem Terrain unterwegs, dass niemand einen Verdacht hegte. Das haben Sie sehr gut gemacht, Herr Oberleutnant. Wir vier schienen unter meinem Kommando eine richtig gute Truppe zu sein. Also zumindest solange, wenn Senecas indianische Gesichtszüge im Dunkeln nicht erkennbar waren. So wurden wir mutiger.
Zumutig.
Wäre doch sehr merkwürdig, wenn die Vögel das vor unseren Kommandeuren wüssten. Wir können reden miteinander. Immer. Sie wissen alles. Sehen Sie mal. Da vorne. Ein Hochplateau. Gott geht das tief runter. Muss tief in Canyon sein. Wir müssen warten, bis die Sonne aufgegangen ist. Wir kauerten uns in der Kälte der Nacht zusammen. Mir war sehr unbehaglich. Ja, noch mehr. Ich fürchtete mich. Die anderen schienen zu schlafen. Aber ich, ich konnte kein Auge zutun.
Was ist das bloß da unten? Ein Fluss? Sieht aus wie ein Meeresarm. Das gibt's doch überhaupt nicht. Erstaunlich. Am Ufer unten rechts, 5 Uhr. Da scheint es mir, als könne man halb eingestürzte Mauern eines ins Wasser gebauten Hauses erkennen. Ah, ein Stausee.
Diese Informationen müssen wir so schnell wie möglich zum Käpt'n bringen. Die Tatsache, dass dieses riesige künstliche Gewässer nicht an unseren Karten auftaucht, ist sehr beunruhigend. Was meinen Sie? Großes Wassertheater, gewaltiger Abgang, drei Vorhänge. Natürlich. Was man angestaut hat, kann man auch wieder ablassen. Die Wehrmacht könnte die ganze Rheinebene unter Wasser setzen. Bestimmer gehen gleich zurück, dass wir am Nachmittag wieder daheim sind. Gell, Herr Leutnant? Was denken Sie, Wensenecker? Wie lange brauchen wir zurück, jetzt bei Tag?
Zu lange für meinen Geschmack. Drei Kilometer vor unseren Linien. Mitten im Feindesland. Jetzt wurde mir erst so richtig deutlich, in welcher Gefahr wir schwebten. So weit vorzustoßen war ein großer Fehler gewesen. Mein Fehler. Andererseits hatten wir eine wichtige Information erhalten, die schlachtentscheidend sein konnte. General Cota muss so schnell wie möglich erfahren, dass hier ein riesiger Stau ist. Damit könnten die Deutschen die Rheinebene auf Wochen unpassierbar machen. Das müssen wir irgendwie ins Hauptquartier melden. Ich weiß.
Aber wir haben einen Denkfehler begangen, John. Ein wirklicher Feind. Das ist jemand, den man spürt, bevor man ihn sieht. Es traf mich wie ein Schlag, als er vollkommen unvermittelt seine Maschinenpistole und die anderen Waffen ablegte, sich die verhasste Wehrmachtsuniform vom Leib riss und den Stahlhelm abnahm. Wir haben keine Wahl. Er tat einen Schritt und suchte mit einer einzigen Bewegung das Messer durch die Kehlen der beiden Privates.
Dann schoss ein rotleuchtender Schädel auf mich zu und verpasste mir einen Kopfstoß, der es mir schwarz vor Augen werden ließ. Unsere Feinde werden gleich hier sein, John. Sie kommen aber nur für mich. Sie wollen Rache für die Männer, denen ich den Skalp genommen habe. Wenn wir uns nicht trennen, dann werden wir beide auch noch sterben. Dann packte er meinen Haarschopf und schnitt mir mit dem Messer an meinem Haarensatz entlang in die Stirn. Alles gut, mein Freund. Du bist ein deutscher Oberleutnant. Wir sehen uns beim Käpt'n. Das Blut lief mir in die Augen.
Er lief auf die Klippe zu, breitete seine Arme aus und sprang mit einem kraftvollen Satz hinab. Ja, dann? Was ist mit dir passiert? Dann sind die Deutschen gekommen. Wenzenecker hatte mir ja die perfekte Tarnung verpasst. Zwei tote Kameraden und ich fast skalpiert. Und in einem unbeobachtet Moment habe ich es dann tatsächlich geschafft, mich davon zu machen. Also zurück zur 28. Division. Oder was noch davon übrig war. Denn da hatte der Angriff auf Schmidt schon angefangen.
Und dein Freund? Der Indianer? Er hatte mich ja vor den Deutschen beschützen können, aber nicht sich selbst. Er muss versucht haben, so schnell wie möglich zu Captain Oleandro vorzudringen. Aber auf dem Weg blieb er in einem Sprengdraht eines Minenfels hängen. Es war nichts mehr von ihm übrig. Das haben mir die Soldaten später in Schmidt erzählt, die es mit angesehen haben. Es war alles umsonst. Auch der Tod der beiden armen Typen. Alles, alles vergebens. Und Schmidt? Habt ihr das dann erobert?
Ja, also für ein paar Stunden war es in unserer Hand. Aber die Deutschen kamen zurück. Unerbittlich ist viel. Wir wurden vernichtet. Schmidt. Es war eine Mausefalle, die wir uns selbst gestellt hatten. Das hätte niemals passieren dürfen. Völlig unsinnig. Grauenvoll. Die Wehrmacht hatte leichtes Spiel mit uns. Ganz lang hat er mir das erzählt. Und wie er so da gesessen ist, da habe ich dann also die Geschichte von seiner Narbe erfahren. Und dass das eigentlich nur ein Kratzer war.
Weil den anderen hat es die Gliedmaßen abgerissen und die sind zerfetzt worden. Und alle sind gestorben um ihn herum, das hat er selber gesagt. Überall die Leichen. Und da ist mir, als ich den John so gesehen habe, mir so weich geworden ums Herz, weil er so viel durchgemacht hat. Und weil er immer noch so gut ausgeschaut hat. Nein, das lasse ich mir nicht ausreden. Das war ein schöner Mann, der John Glück. Und einer, den ich unbedingt in den Arm nehmen wollte.
Und ich wollte auch unbedingt, dass er mich in den Arm nimmt. Und dann habe ich gesagt, jetzt kommt schon. Jetzt lass uns bitte zusammen schlafen gehen.