ARD Der Schimmelreiter. Hörspiel in zwei Teilen von Werner Buß. Nach der gleichnamigen Novelle von Theodor Storm. Erster Teil.
An's Haft nun fliegt die Möwe und Dämmerung bricht herein. Über die feuchten Watten spiegelt der Abendschein. Graues Geflügel huschet neben dem Wasser her. Wie Träume liegen die Inseln im Nebel auf dem Meer. Ich höre des Gährenden Schlammes geheimnisvollen Ton, einsames Vogelrufen. So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise und schweigt dann der Wind. Vernehmlich werden die Stimmen, die über der Tiefe sind. Theodor Sturm Das Meer steht auf. Meer, willst du uns alle fressen? Wind, willst du die Wellen treiben gegen den Deich? Übermarsch und gehst? Gott, wo hast du dich versteckt? Ist es nicht deine Welt, die du dem Meer zum Fraß gibst?
Hast du den Menschen in diese Welt gesteckt, dass er darin umkommt? Elend und lange vor der Zeit? Gruß, Leute! Ist ein Platz an eurem Ofen für einen Reisenden? Und ein Becher Punsch wird übrig sein. Diese Nacht wie alle Tage und Nächte. Das ändert auch der Sturm nicht. Woher kommen Sie, Fremder? Ach, von Husum bin ich den ganzen Tag geritten, bis der Sturm mir und dem Pferd die Luft zum Atmen genommen hat. Tja, wer den Nordwest nicht gewohnt ist,
Trinken Sie den Punsch. Der holt Ihnen die Lebensgeister in die Adern zurück. Wie sind Sie gekommen? Welchen Weg? Ich bin über den großen Deich gekommen. Über den großen Deich? Ja, über den großen Deich. Und? Ja, was meinen Sie? Ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen? Woher wissen Sie? Ist also. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.
Was ist? Ruhig, Leute! Erzählen Sie. Ja, also, nicht weit von hier. Ich ritt auf dem Deich, den Kopf gegen den Sturm gesenkt, da war es mir, als käme mir ein Reiter auf einem Schimmel entgegen. Er schien in höllischem Galopp zu reiten. So schnell näherte er sich mir. Als er aber an mir vorüberritt, es musste sich um eine Einbildung gehandelt haben, hörte ich weder Hufschlag noch Atem des Pferdes. Auch als ich mich dann umsah,
war die Erscheinung verschwunden. Merkwürdig nur... Das war er! Es ist immer passiert, wenn ihr unterwegs wart. Gleich meint er nicht uns. Es gibt viele Kogel, die schlimmer dran sind als wir. Das letzte Mal war es auf der anderen Seite. Man sah ihn auch hier. Wir haben im Sommer alles geprüft. Er selbst hätte es nicht besser machen können. Merkwürdig war nur, dass ich die Erscheinung noch einmal gesehen habe. Ich sah schon euer Licht und drehte mich um, weil ich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.
Da stand der Reiter. Mensch und Tier blickten zu mir hinüber. Wir müssen hinaus. Das würde ich euch raten. Er war immer auf dem Deich, wenn Gefahr im Anzug war. Der Lehrer hat recht, Freunde. Lasst uns gehen. Wer ist er? Von wem sprechen Sie? Der Herr Lehrer wird es Ihnen sagen können. Glauben Sie ihm. Aber nicht alles. Hier sind im Winter die Nächte lang.
Was ist die Wahrheit? Was wissen wir von den Zeiten, die so weit zurückliegen? Was können wir glauben von dem, was man uns überliefert hat? Ist es Aberglauben? Ist es Geschehen? Ist es eine Mischung aus Aberglauben und Wahrheit? Wenn es nur gut erzählt ist, ich werde mich schon herausfinden. Oder hinein. Oder hindurch.
Es war also keine Einbildung, wenn es eure Leute bei diesem Wetter aus dem Haus und auf den Deich treibt. Vielleicht. Doch es sind im Grunde genommen gute Leute und man muss sie nur an ihre Pflicht erinnern. Sie erfüllen sie. Lassen wir uns noch einen Punsch einschenken. Und dann hören sie. Glaubst du, was Trine erzählt hat? Dass es die gestrandeten norwegischen Matrosen sind, die nachts kommen, wenn Sturm ist?
Und sie holen Vieh und Kinder und was nicht nid- und nagelfest ist. Glaubst du das? Warum sollten sie Vieh und Kinder holen? Weil sie sich rächen müssen. Wofür müssen sie sich rächen? Dafür, dass wir keine Lichter aufgestellt haben in den Sturmnächten. Oder sie haben ausgehen lassen. Aber die Toten können sich doch nicht mehr rächen. Die Rache gehört den Lebenden. Es sind die Toten, sagt Rene Jans. Es sind die Geister der Leichen, die im Frühjahr an den Strand gespült wurden. Der Herr Pfarrer hat die Toten begraben lassen bei uns auf dem Kirchhof.
Begraben werden nur die seelenlosen Körper. Die Seelen aber geistern so lange herum, bis sie erlöst werden, bis Gott sie zu sich nimmt. Warum sollen sie sich aber das Vieh und kleine Kinder holen?
Schuld waren doch höchstens die Männer, die nicht genügend auf die Signalfeuer geachtet haben. Warum haben sie die nicht geholt? Weil sie ihnen mehr schaden können, wenn sie die Kinder treffen und das Vieh. Und welches Kind haben sie geholt im letzten Jahr? Die Marike Mannersohn und den Piet van Oosen, das weißt du doch. Die sind zu weit ins Watt gegangen, sagt mein Vater. Und dort haben sie dann die norwegischen Matrosen geholt. Hast du die Kuh versorgt, Hauke? Ja. Was ist das für ein Buch?
Ich weiß nicht, Vater. Es ist eine Sprache, die ich nicht lesen kann. Und warum hast du es in der Hand, wenn du es nicht lesen kannst? Ich habe oft gesehen, wie du darin gelesen hast, zu Zeiten, als ich noch ganz klein war. Es ist Euclid. Wer ist Euclid? Er hat vor vielen Jahren gelebt und die Welt berechnet. Die Welt berechnet? Du siehst so interessiert in das Buch und verstehst es doch nicht. Was siehst du? Siehst du diese beiden Dreiecke? Ja.
Ich weiß noch nicht, Vater. Mir ist, als würden sie einmal mein Leben bestimmen. Eine fremde Sprache kann man doch lernen. Gewiss. Es ist holländisch. Vielleicht hat der Lehrer ein Buch zum holländisch lernen oder der Pfarrer. Was willst du hier? Ich will den Teil meines Vaters arbeiten. Die Arbeit hier auf dem Deich ist hart. Ich bin alt genug. Wer alt genug ist, im Sommer hier zu arbeiten, muss im Winter auch auf Deichwacht gehen. Da braucht ihr keine Angst zu haben.
Eine Schippe für den Deichgrafen, eine Karre für die Geldsäcke. Der Teufel scheißt immer auf den großen Haufen. Und wir halten die Lampe. Wer viel hat, muss nicht selbst Hand anlegen. Seit Mittag arbeite ich für Harder. Und ich für Manners. Was bleibt uns anderes übrig? Arbeit für andere macht man mit linker Hand und halbem Herzen. Ja, aber die Zeit vergeht nur langsam.
Der Junge hört zu. Das ist Tederhains Sohn. Die haben auch nichts. Ich bin kein Junge mehr. Darf ich dich etwas fragen, Vater? Frag Hauke. Was ist mit den Marschen, Vater? Wem gehören die? Denen, die sie eingedeicht haben. Also allen? So wäre es. So wäre es? Wer kein Vieh hat, das er auf die Marschen treiben kann, was will der mit dem Land? Der gibt seinen Anteil ab und erhält dafür ein paar Schafe.
Und die genug Vieh haben, erhalten so viel Marschland. Wer hat bei uns am meisten? Volkotz, der Deichgraf. Ich kann dir jetzt nicht mehr viel Sinnvolles beibringen, Haukehaien. In der Mathematik könntest du's weit bringen, brächte dein Vater das Geld auf dich in die Stadt schicken zu können. Und was willst du hier mit Latein? Der Herrgott versteht doch Friesisch.
du hast mich nach einem buch zum holländisch lernen gefragt hier ist eins und ich wünsche dir glück das ist das letzte das ich dir geben kann ist das deine erste wache ja für mich ist es schon der dritte winter habt ihr land in den marschen ein flecken und ihr wir haben eine kuh und fünf schafe da reicht das gestland hinter dem haus die marsch gibt saftigeres gras denkst du ich weiß das nicht
Ich weiß auch, dass du der Großknecht vom Volkerts bist, vom Deichgrafen. Jetzt bin ich Großknecht und Kleinknecht in einem. Der Kleinknecht ist weggegangen, zurück auf den Hof seines Vaters. Weißt du nicht einen, der zu uns kommen würde? Nein. Was starrst du in die Flut? Siehst du, wie sie am Deich frisst? Das ist schon, solange Gott die Erde geschaffen hat aus Flut und Ebbe. Die Flut reißt den Deich auf und die Ebbe trägt ihn ab. Das muss nicht sein. Hahaha.
Du bist wie einer. Man muss doch das Meer bändigen können. Willst du Flut und Ebbe abschaffen? Eines Tages wird der Mensch sich Flut und Ebbe zu Knechten machen. Ja, ja, nach dem jüngsten Gericht. Es gibt von Eiters her nur eine Möglichkeit, einen Deich gegen die Flut des Herbstes und des Winters zu sichern. Es muss beim Bau etwas Lebendes mit reingeschüttet werden, das sagen dir hier alle. Und...
In diesem Teich ist nichts Lebendes. Deswegen müssen wir damit rechnen, dass er bricht und ihn in jedem Jahr neu stopfen. Etwas Lebendes hinein? Da. Was bringst du, Drüne? Was ist in dem Sack? Es muss dir was wert sein, Tedehain. Unser einer hat nicht viel, was er geben kann.
und jede Ausgabe muss gut überlegt und am besten dreimal überschlafen sein. Es soll dich nicht reuen, wenn du mir einen Silbertaler gibst. Ich kaufe keine Katze im Sack. Es soll wohl sein. Ach, Tedehain, mein Angorakater, dein Sohn, der Hauke, hat ihn totgeschlagen.
Er hat mir die Wasserhexen vom Haus gehalten. Er hat meine Geschichten gehört und alle gewusst. Wen habe ich nun, Ted? Wen? Er hat mir die Füße gewärmt, nachts, wenn nicht genügend Torf im Haus war. Und das kommt oft vor bei mir. Es ist der Nordwest, der durch die Ritzen in die Mauern kriecht. Er kommt von meinem Jungen, den die norwegischen Matrosen geholt haben. Und jetzt?
Hat dein Junge meinen Kater erschlagen? Soll mir gar nichts bleiben im Leben oder gibst du mir einen Silbertaler? Ruke, hat ihn erschlagen? Ja. Kauf dir davon ein Fell für deine Beine, Trine. Da ist er, der Mörder. Du sollst verflucht sein.
Du hast ihn totgeschlagen, du Nichtsnutz. Du bist mit den Toten im Bunde. Deswegen seist du verflucht. Du hast deinen Taler gekriegt. Und wenn dir das nicht reicht, dann kannst du dir vom nächsten Wurf ein Junges holen. Jetzt aber geh. Ich habe mit meinem Sohn zu sprechen. Und hier, nimm deinen toten Kater mit. Warum hast du das gemacht?
Er ging auf eine kranke Möwe und dann auf mich, als ich ihn hindern wollte. Sie hat Geld gekriegt und wir haben nicht viel davon. Du bist alt genug, Hauke, du musst dir Arbeit suchen. Die Karte ist zu klein für uns beide. Jetzt, wo du einen eigenen Kopf bekommst. Ja, der Kopf platzt einem aus den Nähten, wenn man nichts Rechtes zu tun hat. Auf Katzentiere losgehen. Wann erst auf Menschen? Dem Deichgrafen fehlt ein Kleinknecht und mit dem Großknecht, den er hat, vertrage ich mich schon. Sch!
»Zu dem vollgefressenen Dummkopf Volkerts willst du? Den Deichgrafen hat er geerbt. Die, die es werden könnten, waren zu faul, und die, die es werden wollten, hatten nicht genügend Land und Vieh. So ist es Volkerts geblieben, und er wird es bleiben, bis er stirbt. Und er hat nur eine Tochter. Also wird sein Schwiegersohn den Deichgrafen erben, wenn nicht ein anderer auf den Kogen in der Umgebung sich mal ein Herz fasst. Du musst nur sehen, wie er die Deichrechnungen fertig macht.«
Da füttert er deinen Schulmeister mit Gans und Wein und sitzt daneben, wenn der rechnet, und schaut selbstgefällig zu. Ja, so einer ist das. Er würde einen Blutsturz kriegen, sollte er sein Mal selbst ausrechnen. Die Augen treten ihm über, und es wäre aus mit ihm. Und du hast den Euklid gelernt? Und das Holländisch.
Denn dort leben Menschen, hat der Schulmeister gesagt. Die können besser rechnen als du und sogar er selbst. Und du denkst, nun wird er dich mitrechnen lassen? Es wäre nichts ein Schaden. Meinetwegen, versuch dein Glück in der drei Teufel nahmen. Namt Elke. Namt Hauke. Was stehst du draußen bei diesem Wetter? Ich lass mir die Luft in die Nase wehen. Drin ist mir zu dösig. Ja, sicher. Was willst du, Hauke? Du warst noch nie hier. Es hat sich nie ergeben.
Und, was hat sich jetzt ergeben? Der Vater will mich aus dem Haus. Will mich woanders in Brot und Verdienst haben. Ja, ihr habt nicht viel, nicht wahr? Nein, Elke. Das hatten wir nie. Mein Großvater hatte nicht mehr und dessen Vater auch nicht. Und wirst du mehr haben, Hauke? Mir steht nicht der Sinn, danach mehr zu haben, als ich zum Leben brauchen werde, ich und meine Familie. Du denkst schon an eine Familie? Jeder hat eine Familie, wenn er erwachsen ist. Und jetzt willst du bei uns in den Dienst?
Ich habe gehört, euer Kleinknecht ist wieder fort. Der Kleinknecht hat den Stall zu machen. Du siehst nach anderer Arbeit aus, Hauke. Es ist wahr, ich brauche einen Kleinknecht. Es ist wahr, ich bin mit deinem Sohn handelseinig geworden. Und es ist auch wahr, dass ich mit dir reden wollte. Wenn du einig geworden bist mit ihm, was ist da noch zu reden? Er ist manns genug.
allein mit dir den Vertrag auszuhandeln. Der vorige Kleinknecht war freitags bis mittwochs betrunken und ich bin nicht unglücklich, dass es ihn nicht gehalten hat bei mir. Da ist bei meinem Sohn keine Gefahr. Ich habe mit dem Schulmeister gesprochen. Er ist ganz angetan von seinen Rechenkünsten.
Man hört, du redest so allerlei Zeug, wenn der Tag lang ist. Vom Rechnen und davon, dass ich den Schulmeister ab und zu gegen anständiges Geld habe für mich die Abrechnungen machen lassen, wenn ich keine Zeit hatte. Das Gerede geht um. Du sollst nicht so viel auf die Weiber hören, wenn sie die Wäsche aufhängen. Sie sprechen so laut, dass man nicht vorbeihören kann.
Und ich mache mir auch nichts aus all dem Gerede. Umso besser. Hauke wird also allerhand lernen, was er vielleicht gebrauchen kann später. Gut. Du hast also nichts dagegen? Wogegen sollte ich etwas haben? Na, ich dachte, vielleicht wäre es dir nicht recht. Was? Wenn er mir nicht nur im Hof und im Stall zur Hand geht. Das schon.
muss er selbst entscheiden. Der dicke Nist, der hat ein ganzes Meer anpacken können, auch wenn er ein Fass Aquavit im Bauch hatte. Du bist nur ein Hemd. Unverständlich, dass dich der Vollgott's genommen hat. Oder hat er etwas mit dir vor?
Warum bist du so missgünstig, Ole? Wir sind uns doch gut. Ich nehme dir doch nichts weg. Nein, ich muss genauso arbeiten, als wärst du nicht da. Das stimmt nicht. Wenn ich dir das sage, du stachst wie wunderlich in die Landschaft und was du machen musst, wenn man dir es nicht sagt, von selbst siehst du es nicht. Wohin siehst du, Hauke Hain? Du sollst zu meinem Vater kommen, Hauke Hain. Ich muss das Jungvieh füttern. Lass Ole mitmachen. Du musst rechnen, Hauke.
Wozu haben wir einen kleinen Knecht eingestellt, wenn ich doch alles machen muss? Mein Vater stellt hier ein, Ole Peters, nicht wir. Schon gar nicht du. Hörst du das mehr, Hauke? Ich höre das mehr, auch wenn es ganz still ist. Wenn er nicht gerade ist, schläft er. Lang wird er es nicht mehr machen. Er bewegt sich zu wenig. Ich muss mit ihm reden. Du musst es selbst machen. Darum geht es nicht. Das kann ich auch.
Aber er muss mit den Bevollmächtigten reden. Es muss Ordnung in das Leben an den Deichen. Die Leute sorgen sich zu wenig. Rede du mit ihnen. Graf, mich werden sie nicht hören. Er ist der Deichgraf. Was? Deichgraf? Wer will mich sprechen? Ich, Herr Volkerts. Bist du fertig mit der Abrechnung? Die ist bald gemacht. Aber...
die Bevollmächtigten. Sie sehen nicht auf die Ordnung am Deich. Wer sich mit ihnen gut stellt, der kann machen, was er will. Der Peter Jansen hat sein Unkraut nicht gebuscht. Im Sommer werden die Stieglitze nisten. Dann gehen die Kinder rein und nehmen die Nester aus. Und bald besteht der Deich da nur noch aus Trampelpfaden. Die Grasnarbe leidet und im Herbst wird die Flut da Löcher fressen. Und
Dann bist du noch nicht fertig? Vom Bevollmächtigten Harder. Die Tochter. Sie reitet den Deich hinauf, wo sie will. Sie kümmert sich nicht um den festgelegten Aufgang. Und gerade ihr Vater müsste darauf achten. Das Mädel hat mir im letzten Jahr die besten Rebhühner weggefangen. Die braucht einen Dämmzettel. Nicht Sie, Herr Volkerts. Ihr Vater. Mit dem müssen Sie reden. Ich will keinen Streit.
Wer lässt sich schon zum Bevollmächtigten machen? Für ein paar Taler. Der Deich. Es geht um den Deich. Wenn nun Hochwasser kommt. Wir haben bisher alles überstanden. Noch steht der Deich. Aber wie lange wird er halten, wenn so Raubbau betrieben wird? Es ist gut, Junge. Mach die Abrechnung. Ole! Treib die jungen Männer zusammen!
Wir müssen Sandsäcke auffüllen und auf den Deich bringen. Wir müssen gerüstet sein, wenn die Flut weiter steigt. Es gibt Stellen, da wird der Deich nicht mehr lange halten.
Ich krieg meine Befehle von Volkers, von niemandem sonst. Dem ist das Wetter in die Knochen gefahren, er kann nicht aus dem Haus. Dann sollen sich die Bevollmächtigten kümmern. Denkt an euer Land in der Marsch. Andere haben mehr, wer mehr hat, soll auch mehr arbeiten. Geht zu denen! Ich meiner Tochter das Reiten verbieten.
So kann nur einer reden, der keine Pferde hat. Wir haben die vorgeschriebenen Arbeiten gemacht am Deich, wie jedes Jahr. Nun sind wir auf Gott angewiesen. Wem er gnädig ist, den verschont er. Bei Heide ist der Deich im letzten Jahr sechsmal gebrochen. Dort haben sie mit Ungläubigen gemeinsame Sache gemacht. Ist gerecht. Uns schuldig.
Wird er verschonen? Hat Gott den Menschen geschaffen, dass er ohnmächtig auf das Hochwasser wartet? Hat Gott seiner Schöpfung nur gestattet, zu ertragen und immer wieder nur zu ertragen und ihr nicht gestattet, sich zu schützen? Zu unserem Schutz hat uns der Herr den Deich bauen lassen. Was ist ein Deich wert, den keiner achtet, solange das Wasser nicht gefährlich ist? Die Menschen sind nicht gleich, Hauke Heim.
Die einen leben vom Tag. Die anderen sehen die Zeichen des Künftigen. Volkerts hat die Pferde im Stall stehen. Harnam, Petersen, alle haben sie Pferde.
Und du willst unsere einzige Kuh? Sie helfen nicht, Vater. Sie sitzen in ihren Stuben und bestenfalls beten sie. Aber der Deich übersteht es nicht. Und du musst ihn retten. Nicht den Deich, Vater. Uns alle, die Marschen, das Vieh. Sie wird es nicht aushalten, wenn du sie durch den Sturm treibst. Das Mindeste wird sein, dass sie keine Milch gibt die nächsten Tage. Was soll ich machen, Vater? Schämst dich ab.
Quäle dir die Seele aus, Schlemmlein, was das Zeug hält. Hier denkt jeder nur an sich selbst. Ich würde dir helfen. Du hast meinen Katertumel geschlagen. Es steht im Wind geschrieben, nur wer sich selbst und Weib und Kind in den Deich einbringt,
Wird ihn haltbar machen. Schlepp dich über die Zeit. Hauke ein. Gegen das große Meer bist du ein kleiner Mensch. Du kannst Gott bei der Hand nehmen. Der Nordweststurm wird euch aus sein Land... Halt den Mund, Vettel. Sie sitzen bei meinem Vater drin. Der Oberdeichgraf. Der Pfarrer, der Schulmeister und noch ein paar Männer aus der Stadt.
Hader und Manners von den Bevollmächtigen. Der Deich zur Stadt zu ist wieder mehrmals gebrochen, aber unserer nicht. Gut so. Sie loben den Deichgraf. Gut so. Das muss dich freuen, Elke. Dich nicht? Mich freut es auch, wenn sie deinen Vater loben. Ich meine nicht, dass sie meinen Vater loben, wenn sie den Deichgraf meinen. Aber sie meinen deinen Vater, wenn sie den Deichgraf loben. Doch wir beide, wir wissen es besser. Du hast ihm doch auch bei den Rechnungen geholfen. Ja, bei den Rechnungen, aber nicht auf dem Deich. Da hast du deine Augen.
Und was du denkst, ist immer der Deich. Dann nochmal der Deich und erst viel später kommt alles andere. Es ist, als ob du auf diese Welt gekommen bist, nur des Deiches wegen. Ja? Du sagst nichts, Hauke Hain. Es ist alles gesagt, Elke Volkerts. Ist wirklich alles gesagt? Was könnte noch gesagt werden, was noch nicht gesagt worden ist? Vielleicht solltest du den Anfang machen, Hauke Hain. Womit?
Mit einer Kuh und ein paar Schafen, die mein Erbteil sind, und ein paar demart Land hinterm Haus? Wenn du das so siehst.
Das ist von Alters her so, dass der Deichgraf begütert sein muss, damit er das Amt nicht des Verdienstes wegen nötig hat. Ach, der Deich, der Deich, wieder der Deich, nochmal der Deich und dann lange nichts. Bevor überhaupt etwas anderes kommt, immer noch dreimal der Deich. Geh mir weg, Hauke Hein! Wie kann einer so verbohrt sein? Der Deich ist das Einzige, was ich habe. Dass ich nicht lache, das Einzige. Und den Deich hast du doch gar nicht. Den wirst du auch nicht kriegen, nicht so. Ja, das weiß ich.
Sie reden dir so jung du auch bist nach, dass du etwas mehr als ausgedroschenes Stroh im Kopf hast. Da ertäuschen sie sich aber alle. Das sagst du. Ja, das sage ich und ich habe ein Recht darauf. Es ist das Gesetz der Väter, dass wir Frauen nicht sagen sollen, was wir denken. Schon das Denken sollen wir den Männern überlassen. Auch in den Fragen, die des Herzens sind, dass wir uns hüten sollen, auf der Zunge zu tragen. Es ist ein großes Schweigen zwischen Mann und Frau, wer nicht gesagt werden kann, was uns weiterbringt in die Zeit.
Das Tagwerk teilen wir uns, das Schwielen macht, und die Seelen sollen wir nicht zusammenlegen dürfen, bevor Ketten aus Verträgen gemacht sind. So wie die Frau mehr ist als ein Streicheln über ermüdete Männerkörper, kann auch der Mann nicht enden im Werk seiner Hände. Drei Jahre ist mein Sohn jetzt bei dir Großknecht. Ja. Hat er Anlass zu Klagen gegeben? Nein.
Nicht mehr als junge menschen anlass zu geben pflegen und das war schon immer so Ja du hast keinen sohn nein peters Nur eine tochter aber die ist gerade das meinen wir auch freut mich ich habe also einen sohn Und du hast eine tochter Wohin geht deine rede wir haben einen anständigen flecken marschland
Dazu die Konzession für den Binnenweg. Vieh? Mehreres Stück. Wir haben auch nicht wenig. Das weiß hier jeder. Du bist der Reichste hier. Wo viel ist, sollte mehr hin. Ich verstehe. Das freut mich. Harder hat mehr als wir natürlich. Er hat auch nur eine Tochter. Du willst also, dass ich deinem Sohn meine Tochter gebe? Es wäre zum Nutzen.
Elkes Mutter ist gestorben. Seitdem ist Elke nicht nur meine Tochter allein, sondern auch die Frau auf meinem Hof. Sie kann hier nicht weg, solange ich lebe. Ein Mann auf deinem Hof könnte auch nicht schaden, so groß wie dein Anwesen ist. Zwei Herren auf einem Hof sind einer zu viel. Als Großknecht...
Ist er mir reicht. Wir müssen an die Zukunft denken, Volkers, gerade wenn sich unser Leben neigt. Als Großknecht muss er nicht bleiben über das dritte Jahr hinaus. Das alles will überlegt sein, Peters. Zu diesen Überlegungen wollte ich Beitrag. Dafür danke ich dir. Du kannst der Großknecht werden, Hauke, wenn ich hier Herr im Haus bin. Du willst? Der Vertrag ist bald gemacht.
Und Elke? Was? Was hat sie gesagt? Der Alte war sehr zustimmend zu meinem Vater. Und Elke? Wir haben oft miteinander getanzt, zum Eisböseln oder zum Erntedank. Willst du Großknecht werden? Und dann wirst du Deichgraf. Dann werde ich sicher auch Deichgraf. Du weißt es doch am besten von allen hier auf dem Kog. Der Deich macht jedes Jahr mehr Arbeit. Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was man dafür kriegt. Und beliebt macht man sich auch nicht.
Willst du Großknecht werden? Setz dich, ich muss mit dir reden. Lass mich stehen bleiben dabei. Du kommst in ein Alter, Elke. In was für ein Alter? Du weißt, du bist mir mehr als meine Tochter nur. Du ersetzt deine Mutter und noch so manche Kraft im Haus. Aber jetzt kommst du in ein Alter...
Da drehen die Burschen ihre Köpfe nach dir. Lass sie doch. Was hältst du von Ole? Du kannst offen mit mir reden. Wie kommst du auf den? Das sind keine Hungerleider. Wir haben selbst reichlich. Besitz soll man mehren. Ist es für dich schon beschlossene Sache? Wenn du mir nur Tochter wärst, du hast ein Recht darauf, gefragt zu werden. Dann gib mir Zeit, Vater. Ich bin noch nicht so weit.
Es wäre aber nicht recht, wenn du etwas hinter meinem Rücken treibst. Es wird hier bald Veränderungen geben, hört man? So, dann hört man richtig. Sehr schön. Du sollst Großknecht werden. Wer will das? Mein Vater will das. Dein Vater? Ich will es auch. Ole Peters will es auch. Dem kann es doch egal sein.
Dem neuen Herrn hier wird es wohl nicht egal sein. Wer hier der neue Herr wird einmal, das ist noch nicht raus. Aber Ole sagt, der Vertrag sei bald gemacht. Zwischen seinem Vater und dem alten Harder. Der Ole hatte keine Zeit zu warten. Und wenn er Zeit gehabt hätte zum Warten? Wie lange soll ich warten, Hauke Hain? Ich werde auch älter. Und eine Frau muss in den Jahren geheiratet werden, sonst bleibt sie sitzen auf ihrer Aussteuer. Vater, was ist?
»Es ist nichts weiter als der Weg allen Fleisches am Ende. Der dunkle Engel des Herrn ruft mich.« »Vater.« »Schließlich ist es nichts anderes, als sich beim Schlaf auf die andere Seite drehen.« »Dann sag, was noch zu sagen ist, Vater.« »Willst du noch Deichgraf werden?« »Sprich nicht davon, Vater, du weißt...« »Willst du oder willst du nicht?« »Ich tät wollen, aber...« »Als du zu mir kamst in der Nacht, als der Sturm war, um die Kuh zu holen, da dachte ich mir...
Du sollst es werden. Und damit dir keiner am Zeuge fliegen kann bei der nächsten Wahl, habe ich mir vom Munde abgespart die letzten Jahre, was nur abzusparen ging. Dafür habe ich der Antje Wohlert, die auch nicht mehr kann und nur noch auf den Ruf des Herrn wartet, das ganze Land abgekauft. Wenn sie tot ist, brauchst du nicht weiter zu zahlen. Der Vertrag geht nur zu Zahlungen auf Lebenszeit. Jetzt hast du mehr, als wir immer hatten, mein Sohn. Ich danke dir, Vater.
Geh jetzt hinaus, Junge. Und lass mich allein. Er kommt, der dunkle Engel Desirne. Hab keine Angst. Ich danke dir, Vater. Ich danke dir für alles. Was ich bin, bin ich durch dich. Was ich werde, werde ich durch dich geworden sein. Geh jetzt. Ich habe dich als Sohn nicht bereut. Jetzt aber muss ich allein sein. Auch er sagt es. Und ich will es schon lange.
und hatte nie Aussicht. Auch mit dem Marschstück der Antje Wohlerz wird es nicht reichen. Aber es ist ein Schritt auf dem Weg und ich darf da nicht nachlassen. Wer anders als ich ist für den Deich berufen, wenn ich der Trine Jans die Konzession für den Binnenweg abkaufen könnte. Aber die Frau verzeiht mir den toten Angorakater nie. Die verflucht mich, solange sie lebt. Ole Peters ist jetzt soweit.
Mit Harders Aussteuer ist er von uns Jungen der Reichste. Den Euklid habe ich begriffen nun. Das Entscheidende ist der Winkel, mit dem die Kraft auf den Teich einfällt. Der Winkel! Den zu verändern, das hat noch keiner gemacht in ganz Friesland, bis runter nach Holland. Und die Holländer müssen den Euklid gelesen haben. Die haben ihn doch gedruckt. Ich glaube, ich schaffe ein bisschen Ordnung bei dir, Hauke Heine. Du hast dich lange nicht sehen lassen.
es ist viel Staub hier dein Vater hat zu viel über den Büchern gesessen zum Schluss auch das nicht mehr Licht und Luft muss herein und der Geruch des Todes heraus es ist so dass ich nicht mehr bei deinem Vater arbeiten kann Elke ja aber kommen sollst du ab und zu mal auch mein Vater will dich hin und wieder mal sehen wenn nicht als Großknecht dann doch als Gast zum Essen ich soll ihm die Rechnungen machen die stehen wieder an das sicher auch
Willst du nicht mehr kommen? Ich will nicht nur wegen deines Vaters kommen, nicht nur der Rechnung wegen, Elke. Sondern? Wenn du es nicht errätst. Du musst es laut sagen. Hier ist der Ring meiner Mutter. Willst du ihn tragen, Elke? Kannst du warten, Hauke? Worauf nun schon wieder? Du weißt es doch. Wenn es nicht zu lange dauert. Sprich nicht so, es wird bald sein. Lange macht es mein Vater nicht mehr. Er wird dem Deinen bald folgen.
Bis dahin trage ich deinen Ring am Herzen. Solange ich lebe, kriegst du ihn nicht zurück. Ja, ja. Der Sturm scheint noch stärker geworden. Er wird erst gegen Mitternacht zurückgehen. Niemals. Es schlug die Stirn zu weisen. Der Schimmelreiter hat sich vor meinen Augen in den Sielander Schleuse gestürzt. Wie oft habt ihr ihn gesehen? Wie oft ich aufgeschaut habe, war er da. Man hatte den Eindruck, er wäre überall gleichzeitig. Der Wind ist stärker geworden. Man muss wirklich Angst haben um den Deich. Lasst euch einen Punsch geben.
Aber geht dann wieder hinaus. Der Deich wird halten, solange ihr wachsam seid. Mehr will er uns nicht sagen. Sie hörten Der Schimmelreiter. Hörspiel von Werner Buß nach der gleichnamigen Novelle von Theodor Storm. Erster Teil. Dramaturgie Helga Pfaff. Musik Wolfram Bodack. Es spielten Hauke Hain, Michael Schweighöfer.
In weiteren Rollen hörten sie Arno Wischniewski, Hans-Joachim Hegewald, Jan Spitzer, Wolfgang Brunecker, Günther Margo und andere. Schnitt Monika Brummund, Ton Eva Lau,
Regieassistenz Irene Fischer, Regie Werner Buß