We're sunsetting PodQuest on 2025-07-28. Thank you for your support!
Export Podcast Subscriptions
cover of episode Die Sprache der Liebe

Die Sprache der Liebe

2025/2/8
logo of podcast Was liest du gerade?

Was liest du gerade?

Transcript

Shownotes Transcript

Was liest du gerade? Ein Podcast über Bücher und was sie über die Welt erzählen. Herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Zeitbuch-Podcasts Was liest du gerade?

Und wie immer sind dabei ich, Iris Radisch und mein geschätzter Kollege Adam Sobischinski. Hallo. Ja, hallo, guten Tag. Wir machen das wie immer. Wir fangen mit unserem sogenannten Zitat des Monats an. Das ist ein Zitat, was wir aus einer aktuellen Neuerscheinung entnommen haben. Aber wir sagen nicht sofort, das ist so.

Der kleine Spannungsmoment, aus welchem Buch dieses Zitat kommt, aber wir werden das natürlich am Ende auflösen. Das sind immer Zitate, die wir uns da aussuchen, die eigentlich auch jenseits des Buches irgendwie eine wichtige Frage des Denkens oder des Lebens behandeln. Und diesmal, bei dieser Folge, heißt unser Zitat so. Konnte man vielleicht den Preis der Freiheit berechnen,

Konnte man mit mathematischer Genauigkeit sagen, wie viel sie kostet? Und wenn diese Summe erst einmal ermittelt und öffentlich zugänglich wäre, würden dann massenweise Menschen aus ihrem Leben ausbrechen?

Also Adam, würden dann massenweise Menschen aus ihrem Leben ausbrechen, wenn sie nur wüssten, wie viel Geld sie für ihre Freiheit brauchen? Hältst du das für ein mögliches Szenario? Ich weiß gar nicht, ob es um Geld geht. Preis ist ja ein metaphorischer Begriff. Freiheit hat immer einen Preis, wenn es darum geht, sein Leben zu ändern. Darum geht es ja in diesem Zitat, glaube ich. Also man lässt irgendetwas hinter sich, eine Freiheit.

die vielleicht nicht funktioniert. Ein Land, in dem man sich nicht wohlfühlt. Eine neue Stadt. Ja, rein theoretisch, wenn man vorher wüsste, was der Preis ist, dann könnte man natürlich eher sich bereit erklären, zu gehen oder nicht zu gehen. Das ist klar, aber das ist natürlich ein

Ein etwas leeres Zitat, könnte man sagen, weil der Fall wird nicht eintreten, dass wir die Zukunft vorhersagen können. Denn nur über die Zukunft können wir den Preis wiederum ermitteln, ob es wert gewesen ist oder nicht. Also was dahinter so steckt, ist so ein Denken von Verlust und Gewinnrechnung irgendwie. Also wenn ich mir dann, also sagen wir mal, ich muss eine wichtige Lebensentscheidung treffen, wie du sagst, verlasse ich meinen Partner, ziehe ich in eine andere Stadt, ziehe ich aufs Land, bleibe ich in der Stadt, gehöre ich in die andere Stadt.

Völlig egal, was auch immer. Dann kann ich mir so machen, ja, was verliere ich, was gewinne ich unter Umständen und dann kann ich das so gegeneinander aufrechnen. Das ist natürlich ganz schwer, weil man weder so genau weiß, was man an dem hat, was man hat, weil das weiß man ja oft erst, wenn man es verloren hat. Ja klar, natürlich. Und man weiß nicht, was man kriegt. Aber jetzt sag mal ganz ehrlich, meine Vermutung ist, dass der Autor, so viel können wir jetzt ja vielleicht schon voran, dass ein Mann das geschrieben hat,

wirklich an Geld gedacht hat. Das entnehme ich jetzt natürlich dem Romankontext. Das kann jetzt nicht jeder wissen. Ich glaube, er denkt richtig an Geld. Ach so, ja. Ich glaube, er denkt daran, wie viel Geld brauche ich, um aus dem auszusteigen, was mir vielleicht nicht passt. Also jetzt das Beispiel, was weiß ich. Ich mache einen Job, der mir keinen Spaß macht. Und dann brauche ich natürlich jede Menge Geld, um aus dem Job auszusteigen und vielleicht ein Leben als ...

Freiberufler oder ich weiß nicht was. Keine Ahnung. Ich glaube, er denkt eher an die materialistische Basis unseres Lebens. Also auch da eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Wie viel Geld brauche ich, um mir Freiheit kaufen zu können? Ja sicher, es fehlt ja immer ein bisschen was. Außer vielleicht in der Klasse der Superreichen, die nicht mehr zählen müssen. Die gibt es natürlich, das ist klar. Da spielt Geld dann gar keine Rolle. Werden dann auch viele depressiv, gerade weil es nur noch Handlungsmöglichkeiten

Das ist ja natürlich das Allerschlimmste, was es gibt in Wahrheit. Das wissen nicht viele, aber ist natürlich das Allerschlimmste. Weil man keine Träume mehr hat und dann ist man ganz zurückgeworfen auf seine existenzielle Bedürftigkeit, die viel größer ist als Handlungsoptionen zu haben oder nicht zu haben.

Ja, okay. Wüsste man, wie teuer es ist, dann würden vielleicht mehr, weil dann natürlich ist eine Quantifizierbarkeit von bestimmten Entscheidungen, lindert ja Ängste. Dann weiß man ja, okay, kann ich einen Kredit aufnehmen von so und so viel Geld und dann kann ich, ich meine diese Ausklammerung aller emotionalen Gesichtspunkten,

von großen Entscheidungen ist natürlich ein sehr zwiespältiger Gedanke. Also vielleicht, ich sag jetzt schon mal einfach, von wem das Zitat ist, das ist von Edouard Louis, also dem Autor, der sehr viele Bücher bereits über seine arme proletarische Familie im Norden Frankreich...

geschrieben hat. Er ist ganz bekannt geworden mit das Ende von Eddie. Eddie war er selbst. Also wie ist er aus dieser Arbeiterfamilie mit einem trinkenden, gewalttätigen Vater, wie ist er da rausgekommen? Jetzt gibt es ein neues Buch. Das ist das zweite Buch, das er schon über seine Mutter geschrieben hat. Monique bricht aus. Ins Deutsche übersetzt von Sonja Fink. Und

Deswegen sage ich, hier geht es ganz wahrscheinlich um Geld, weil er einfach vorrechnet, wie viel Geld seine Mutter braucht,

um aus einer gewalttätigen, schrecklichen, neuen Beziehung mit einem neuen Mann auszubrechen. Das ist das Vorbuch über die Mutter von dem Vater bereits getrennt, das hat sie geschafft. Aber immer diese Wiederholungsfalle im Leben, nicht immer, aber häufig passiert es ja, dass man nochmal in dieselben Muster gerät. Sie gerät also wieder an einen Mann, der trinkt, wieder an einen Mann,

Der aggressiv ist, der sie beschimpft, der sie erniedrigt und auch aus dieser Beziehung muss sie wieder ausbrechen und das erweist sich vor allen Dingen, dass sie nicht genug Geld hat, um aus dieser Beziehung auszubrechen. Und das Wunder, der Sohn ist ja durch diese Bücher über seine arme Familie reich geworden und kann ihr nun ermöglichen, auch aus dieser zweiten Beziehung...

Und er hatte ursprünglich, das schreibt er auch wirklich, die Idee, Zahlenkolonnen in dem Buch aufzuführen. Was kostet die Freiheit? Also er zahlt, was kostet die Kaution für das neue Häuschen auf dem Land? Was kosten die Möbel, die er der Mutter anschaffen muss? Was braucht die Mutter, um selbstständig zu werden? Und er bezieht sich da auch auf Virginia Woolf, die in ihrem schönen Buch einschreibt,

ein Zimmer für sich allein eben auch wirklich in Zahlen genannt hat. Wie viel braucht eine Frau, um freischreiben zu können? Wie viel braucht sie im Monat, um unabhängig zu sein? Also eine sehr materialistische Rechnung. Kosten-Nutzen-Rechnung in dem Fall auch, die ja nicht ganz blöd ist, weil das ist ja wahr. Nein, das ist ja nur völlig klar. Freiheit ohne, also so eine Freiheit von gewalttätigen Männern oder auch Freiheit von

Arbeit, die einem vielleicht nicht liegt, die kriegt man natürlich nur, wenn man sich das leisten kann. Insofern ist das nicht ganz falsch, aber deswegen, das macht das Buch von Edouard Louis noch nicht wirklich zu einem überzeugenden Buch, würde ich sagen. Naja, es spielte ja schon eine gewaltige Rolle. Vor zehn Jahren hat er

sein Buch geschrieben, Das Ende von Eddie heißt das. Und da beschreibt er, wie er ausbricht, auch als schwuler Junge, ist jetzt 32, vor zehn Jahren war er 22 gewesen und beschreibt wirklich diese Ursprungsbrutalität, die es gibt auf dem Land. Und das war schon zu dem Zeitpunkt auch literarisch eine große Befreiung, wurde ja auch sehr stark rezipiert.

Er hat dann danach mehrere Bücher geschrieben, in denen Familienmitglieder vorgekommen sind über seinen Vater, schon einmal über seine Mutter, die Freiheit einer Frau.

Und so setzt sich das ein bisschen fort. Und es wäre natürlich schön zu wissen, ob auch vielleicht ein Werk außerhalb dieser Autofiktion mal zu lesen sein würde. Wäre ja interessant. Das ist halt seine Mission auch. Und was diese Bücher so berührend, sie einerseits sind, weil das natürlich, da hast du völlig recht, ja nicht so oft ist, dass man...

Das Klassenwechsel. Ja, genau.

Sie ist das Vorbild, aber sie hat ja nicht so radikal einen Klassenwechsel vollzogen wie Eribon und Louis. Sie hat immer gesagt, ich fühle mich in dieser Pariser Kulturelite nicht wirklich, das ist nicht meine Welt. Sie ist auch nie nach Paris gezogen. Die beiden wohl und die wollen sich da auch so integrieren. Die wollen Teil dieser Kulturelite sein, wollen diesen Lebensstil unbedingt für sich völlig zurecht, selbstverständlich. Aber

Mir kommt das immer vor, dass das auch sehr zwanghaft ist, immer wieder über die Eltern schreiben zu müssen, davon gar nicht loszukommen und dann auch immer wieder die eigene Familie zum Exempel.

für soziologische Befunde zu machen. Weil alle drei sind ja Schüler von Bourdieu. Du meinst noch Lagasnerie? Nein, also Annie Ernaux ist jetzt keine Schülerin von Pierre Bourdieu, aber sie bezieht sich natürlich in ihren Aussassungen und in Interviews

immer wieder auf den Soziologen. Es ist ja für Literatur zu monokausal auf diese materialistische Phase. Ja, es ist ja eben ganz wichtig, dass das keine individuelle Geschichte, sondern dass das prototypische Arbeiterschichtsgeschichten sind. Dann gibt es ja auch immer Schuldige. Dann ist entweder Macron am Schicksal des Vaters schuld oder irgendwelche. Es ist eine sehr monokausale Aufschlüsselung.

Dieser Familienschicksale, wo eben natürlich auch nie Eigenverantwortung im Spiel ist, sondern man ist immer das Opfer der... Der Gesellschaft oder des Kapitalismus oder der Strukturen, die einen umgeben. Das ist ja auch nicht falsch. Also ich will nicht sagen, dass es das nicht gibt, aber...

Kommen wir vielleicht zum nächsten Buch, zu Michael Kölmeier, ein österreichischer Autor, etwas älter als Louis, 75. Im Hansa Verlag erschien ein Buch mit dem Namen Die Verdorbenen. Wie so häufig ein eher dünnes Buch, ganz schlank.

Was mir ziemlich gefallen hat, um es gleich vorweg zu sagen, ich fand es ziemlich wahnsinnig stark. Es geht um einen Germanistikstudenten Johann in den 70er Jahren, der arbeitet so als Tutor, also als etwas älterer Student, der jüngeren Studenten sozusagen irgendetwas beibringt und Studentinnen natürlich auch.

Gab es ja so an den Unis und ja, dieses Leben wird beschrieben von wenigen Wochen, Monaten würde ich sagen, dass es umfasst. Und es fängt ganz harmlos an, er beschreibt so ein bisschen dieses Leben in Marburg, wo er studierte, bekanntermaßen eine besonders politisierte, besonders linke Universität.

wo die Studentenbewegung auch bis in die Institutionen hinein sozusagen sehr wirkmächtig gewesen ist, auch viele linke Professoren, ein entsprechendes Submilieu-

Und man fängt dieses Buch an zu lesen und denkt so am Anfang, naja, das ist so eine dieser Lebensgeschichten, wo so ein bisschen vor sich hingelebt wird. Und naja, es gibt so ein paar Radikalisierungen und die Leute finden wieder zurück in ihr normales Leben. Also etwas, was man vielleicht schon öfters gelesen hat. Das passiert aber hier überhaupt nicht. Sondern es ist ein Buch, das eigentlich um einen Gedanken kreist, nämlich um Mord.

Diese Hauptfigur, dieser Johann, wird einmal von seinem Vater gefragt, als Junge schon, was ist eigentlich das, was du im Leben einmal machen willst, einmal erreichen willst und er sagt dann nicht, aber er denkt sich das, einmal im Leben möchte ich einen Mann töten und so entfaltet sich in diesen 70er Jahren, wo er schon ein junger Mann ist,

auf einmal seltsamerweise eine mörderische Situation. Er gerät in eine Dreiecksbeziehung, die fatal endet. Und er gerät auf eine Reise, wo er in ein Handgemenge gerät, wo auch Schreckliches passiert. Es zerfällt. Ich hatte so ein bisschen das Gefühl, wir können ja eigentlich noch etwas näher in den Inhalt gehen. Da hast du vielleicht noch ein paar Aspekte. Ich hatte beim Lesen zwischendurch das Gefühl gehabt, irgendwann, und zwar ziemlich schnell, dreht dieses Buch so ein bisschen durch und wird so etwas wie ein

Film noir. Diese Filme, diese französischen Filme, die irgendwann aufgekommen sind, die so diese starke Kälte haben. Rätselhaftigkeit auch. Rätselhaftigkeit, aber auch immer um ein Verbrechen ganz häufig kreisen. Und vor allem eins, was man nicht wirklich versteht. Es bleibt so unheimlich. Ja, das ist ja das nächste Thema. Es geht nicht nur um Mord, es geht um das Böse. Und

Und er sagt an einer Stelle, ziemlich unvermittelt kommen tolle Sätze. In diesem Buch überhaupt sind da ganz viele tolle Sätze drin. Ich finde es wunderbar geschrieben.

Das Böse hat Lust auf sich selbst, heißt es darum. Darum kommt es nicht selten zweimal und gleich schnell hintereinander. Was man kennt, also zwei Schläge. Einer reicht nicht. Es gibt ja auch, um das gleich zu sagen, es gibt auch zwei Tote in diesem Buch. Das passt auch dazu. Nein, ich finde es auch ein ganz wunderbares Buch. Ich habe es unglaublich gerne gelesen.

Ja, ich gebe dir recht, das hat diese unheimlichen Aspekte und vor allen Dingen dieses, ja, was ist das für ein Lebensmotto? Ich möchte einen Mann töten. Keine Ahnung, wie das in so einer behüteten Marburger Germanistik-Studentenexistenz eigentlich aufkommt. Es wird ja auch ein bisschen die Herkunft dieses Erzählers beschrieben aus ganz...

bildungsbürgerlichen österreichischen Verhältnissen. Der Vater ist Feuilleton, Redakteur einer Provinzzeitung. Ein offenbar sehr liebenswerter, sehr belesener Mann. Die Mutter eine Britin, eine sehr liebenswerte, sehr belesene Frau. Die Eltern eine, wie er sagt, wunderbar warm backende Liebe. Auch ein herrlicher Ausdruck. Also eigentlich alles im Lot. Wie kommt er, und dann erst mal zu dieser Fantasie, und dann aber auch, wie kommt er in eine

vollkommen abgedrehte Liebesgeschichte, weil das ist eigentlich so das zweite Standbein, würde ich sagen, dieses kurzen Romans. Das ist ja eine Liebesgeschichte, eine Dreiecksgeschichte mit einer anderen Studentin.

Also wie sie, glaube ich selbst, in den sehr durchgeknallten 70er Jahren, an die ich mich ja nun doch aufgrund meines Alters ein bisschen noch erinnere, das waren durchgeknallte Zeiten, was Libys Experimente anging. Aber dieses, was die hier machen, das ist schon sehr weitgehend.

Es gibt eben hier eine Christiane und einen Tommy, die sich bereits lieben, seit sie im Kindergarten waren. Die, glaube ich, mit neun zum ersten Mal Sex miteinander hatten und das seitdem immer weiter. Also wie so verschwisterte, so eine völlige Symbiose zwischen den beiden. Aber die kommen weder voneinander los, noch scheint das glücklich zu sein, weil Christiane wirft sich eben diesem Erzähler ziemlich umstandslos an den Hals. Also

Und das ist schon so eine Umstandslosigkeit, die mich schon so ein bisschen an die 70er Jahre erinnert hat. Ich kenne es eher aus den 80ern, um es nun ganz genau zu sagen. Aber es war vielleicht, wo man in der U-Bahn unmittelbar gefragt wurde, willst du nicht mit mir ins Bett? Also es war einfach, man wollte ja alle Hemmungen loswerden.

Ja, das waren Befreiungstheorien. Es waren diese ganzen Befreiungstheorien mit Wilhelm Reich, wir müssen irgendwie diese sexuelle Unterdrückung loswerden. Und ich erinnere mich auch an Wohngemeinschaften, die eben wirklich nur ein Schlafzimmer hatten. Die kannte ich, das war so, das war gar nichts Außergewöhnliches. Das waren eben diese Experimente.

wir müssen diese Zweierbeziehung knacken, da kommt das ganze Unglück der Menschheit her, dass immer Mann und Frau nur so eng aufeinander hocken, das muss alles viel größeres Durcheinander sein und davon hat das was, also die leben dann eben zu dritt, sehr schnell, schlafen auch in einem Bett und

Also das ist eine sehr aufgeladene und eigentlich so für unsere heutigen Liebes- und Leseverhältnisse auch sehr absurde Situation. Ja, klar. Aber ich glaube, er greift da auch so ein bisschen die Stimmung dieser experimentierfreudigen Zeit auf. Das stimmt. Es hat natürlich trotzdem etwas...

Das bleibt da drin. Es bleibt depressiv alles. Von der ersten bis zur letzten Zeit. Also auf angenehme Weise. Man liest es wahnsinnig gerne. Das Depressive ist ja nicht zwingend abstoßend. Es ist auch komisch. Es hat auch was Komisches. Genau. Und man folgt dem auch sehr faszinierend. Und man weiß schon, dass unterschwellig da die Gewalt auch lauert. Weil diese Enge dieses Paares, dass er aufknackt. Er wird ja

Unfreiwillig schuldig natürlich auch. Es ist ja so ein Paradox, dieser Typ, der hier dargestellt wird, ist durch und durch verdorben. So wird er auch immer wieder klassifiziert an einer Stelle ganz besonders. Und dennoch unschuldig. So fängt das Buch ja auch an, gleich mit dem Satz, wir sind unschuldig gewesen.

Wobei die Unschuld darin bestünde, nicht zu wissen, was man anderen antut. So fängt das gleich an. Einerseits dieser Erzähler, wo man das Gefühl hat, der hat eigentlich von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und dann aber einer, der in eine solche Schuld auch reinrasselt. Also unschuldig schuldig geworden. Und dann finde ich auch sehr schön...

diese ganzen Überlegungen über die Liebe und die Ratlosigkeit. Also einerseits diese absolute Entschiedenheit, also es werden diese ja schon beschriebenen, waghalsigen Liebesexperimente durchgezogen. Und andererseits aber überhaupt keine Sprache für die Liebe zu haben. Letztlich gar nicht zu wissen...

was Liebe sein könnte. Er sagt dann immer wieder, naja, wir reden ja hier im Bett miteinander, wie wir es in Filmen oder wie wir uns vorstellen, dass Zuhälter reden. Wie man so verschiedene Liebescodes ausprobiert. Eigentlich sind die da schon völlig medial versaut. Diese Leute, das ist so nicht. Wenn er zu dieser Christiane...

diese neue Liebe spricht, dann denkt er, dann versucht er sich so, okay, das ist jetzt also melodramatisches Sprechen. Er probiert es fast schon aus. Er steht die ganze Zeit schon so neben sich. Hinter allem ist schon ein Klischee eingeschrieben. Das ist eine unmittelbar popkulturelle Folge, dass wir immer schon wissen...

dass es schon vorgeprägt ist, wir sind eigentlich nur Figuren der Kulturindustrie und wenn wir reden und sprechen und unterhalten und vor allen Dingen der Liebesdiskurs ist vollständig verseucht von Filmen, von allem möglichen. Auch von Büchern. Es wird hier zum Beispiel auch von Anna Karenina geredet und er sagt dann ja, warum haben wir nicht diese Intensität der Liebesgefühle? Also jemand, der so

wie Anna Karinina so verrückt wird und sein ganzes Leben wegschmeißt für dieses heftige Gefühl. Warum kennen wir das nicht? Und man sagt, naja, sagt er dann, ich tappe hier rum wie ein Literaturtourist, wenn ich von solchen Gefühlen spreche. Sie wissen eigentlich gar nicht, was sie fühlen und wie eine Verbindung von Gefühl und Wort dann überhaupt aussehen konnte. Sie haben keine Worte und eigentlich auch keine wirklichen Gefühle, über die sie sich sicher wären. Es ist

Ein wahnsinniges Herumtasten in einem Leben, das sie eigentlich nicht kennen. Und deswegen vielleicht auch dieses Film-Noir-Gefühl. Alles ist so rätselhaft. Man weiß überhaupt nicht, wo man steht, wo man lang geht. Es gibt aber eine Stelle, die ich sehr verräterisch fand.

Und das ist natürlich auch Kölmeier, du sagst ja, es ist schon etwas älteres Semester. Und da ist natürlich dieses große Problem des Schweigens der Eltern. Und dass man über den Krieg nicht gesprochen hat. Ja, das kommt hier ja auch gar nicht vor. Ja, das wollte ich gerade sagen. Es gibt eben diese eine verräterische Stelle. Und er hatte viele getötet. Genau, er sagt eben...

auch sehr lustig formuliert fast, dass sein Vater ausgiebig getötet haben muss und das entnimmt er der Tatsache, dass er darüber nicht spricht. Das ist natürlich etwas, was ich auch gut nachvollziehen kann und auch noch kenne, dass natürlich die Väter, die im Krieg waren,

nicht gesprochen haben. Das ist ja fast in allen Familien so. Offenbar nicht nur in den Deutschen, auch in den Österreichischen war es so, dass man darüber eben nicht sprach. Und dass das aber sozusagen weitergegeben wurde wie ein stummes Erbe.

An die nächste Generation. Davon hat das hier viel, finde ich. Ohne dass das ausgesprochen wird, ist das eigentlich so ein dröhnendes Schweigen, was in dem Buch zu spüren ist. Einfach durch diesen einen verräterischen Satz. Das kann sein. Wobei es geht ja schon um eine Neuerfindung. Das versuchen die schon alles in irgendeiner Weise.

Ja, und deswegen auch das Böse natürlich, was sich auch von mir aus fortpflanzt, so könnte man es. Gut, gute Romane haben die große Fähigkeit dazu, sich widersprechende Interpretationen und Deutungen anzulegen. Man könnte genau umgekehrt sagen, dass das eine Generation ist, die so unbeschrieben ist, weil sie gar keinen Bezug mehr hat zur Vergangenheit, dass sie dementsprechend

sozusagen so in die Welt hinein. Das ist die Spiegelung davon. Ja, das ist die Spiegelung davon. Diese völlige Orientierungslosigkeit, die Sprachlosigkeit, die natürlich ein bisschen auch die Sprachlosigkeit dieser Eltern verursacht.

Man muss nicht sagen fortsetzt, aber spiegelt, weil das ist ja eine riesen Leerstelle. Und diese Leerstelle, die ist eben auch im Leben der Kinder, also der nächsten Generation spürbar. Nun ist das auch noch ein spezieller Charakter, der so ein bisschen besonders orientierungslos ist und in die Dinge so irgendwie hineingerät. Ja, ja.

Seine ganzen Entscheidungen, die er trifft, sind ja so keine richtigen Entscheidungen, sind immer so Zeichen von so einer punktuellen Unausgeglichenheit. Dann fährt er mal weg, dann kommt er mal wieder zurück. Das heißt, er lässt Dinge passieren. Er lässt die ganze Zeit Dinge passieren. Und das heißt, er ist jemand, der zur Entscheidung letztlich unfähig ist. Aber er fragt sich das immer wieder. Es gibt wirklich eine schöne Stelle, wo er selber sich fragt,

Und zwar nicht nur bezogen auf sich, sondern eben generalisierend. Wie landen die Menschen dort, wo sie mit 25, 40, 60 sind? Also wie kommen eigentlich Weichenstellungen zustande? Warum haben wir Entscheidungen getroffen und sind dann mit 60? Hocken in den Dingen, die wir kaum noch ändern können? Wie ist es eigentlich passiert? Und er versteht es nicht. Mhm.

Er versteht nicht, wie diese Entscheidungen überhaupt getroffen werden. Also da sind wir vielleicht sogar ein bisschen wieder bei unserem Eingangsmotto. Warum trifft man Entscheidungen und man weiß es nicht? Und plötzlich ist man drin und weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Und wenn man Entscheidungen trifft, wird man ja...

immer automatisch, weil man sortiert irgendwen aus und nimmt jemand anderes zum Beispiel. Das ist eine Entscheidung. Man lädt irgendwie die ganze Zeit immer irgendwie so ein klitzekleines bisschen Schuld auf sich in dem Moment, wo man handelt. Das geht gar nicht anders. Und es gibt eine Stelle, da sagt ihm jemand, ist jetzt egal wer, weil das würde jetzt zu viel verraten,

sinngemäß, du bist für immer und ewig unschuldig. Und das ist das Widerlichste. Das ist das Widerlichste. Weil er so handlungsarm ist. So unbeschriebenes Blatt dann eigentlich. Und deswegen ist er verdorben. Weil ihm fehlt letztlich ein

Das ist das, was da so an Gedankenfiguren in diesem feinen und trotzdem so dichten und schönen Roman. Und dann aber die Schlusspointe, dass er sagt, und wenn ich dann aber in der Lage war, das alles zu erzählen, dann bin ich vielleicht an einem Ausgangspunkt angekommen, wo ich wirklich wieder frei bin und nochmal unschuldig handeln kann. Also auch diese Fantasie, dass man vielleicht doch nochmal einen Punkt im Leben findet,

der wieder ein Unschuldiger wäre, wenn man nämlich alles erzählt hat, was einen bis dahin gebracht hat. Also auch eigentlich wieder so eine schöne Autorenfantasie, dass Dinge auch durch Erzählen zu bewältigen werden. Also sowieso Michael Kühlmeier, ein ganz großartiger Autor und dieses Buch unbedingt lesenswert. Die Verdommene, ganz toll. Kommen wir zum nächsten. Mit dem Roman hast du dich sehr auseinandergesetzt. Ja, genau. Jonas Lüscher.

Der hat einen neuen, wirklich sehr langen, über 300 Seiten, sehr komplizierten Roman vorgelegt mit einem auch sehr komplizierten Titel. Verzauberte Vorbestimmung. Jonas Lüscher ist ein sehr erfolgreicher Autor.

Bisher gewesen und so nach den ersten Kritiken, die zu dem Buch erschienen sind, kann man sagen, vielleicht bleibt er es auch. Wird also bisher schon sehr gefeiert, dieser neue Roman. Sein Debüt war eine schöne Novelle, Frühling der Barbaren. Dann kam ein Campus-Roman aus dem Silicon Valley, Kraft. Das war alles sehr gut lesbar, sehr, sehr schön geschrieben, bisschen parodistisch, immer auch sehr bezogen auf Auseinandersetzungen mit ganz aktueller Gegenwart.

Jetzt, das ist ein etwas komplizierterer Roman, das ist ein Roman, das muss man schon sagen, der sehr viele Handlungsfäden hat, sehr viele Episoden auch sehr klar auserzählt, aber diese Episoden sind oft nur sehr vage, manchmal auch gar nicht miteinander verlinkt. Manchmal findet er noch einen kleinen Link, manchmal aber auch gar nicht, es ist ihm aber auch nicht wichtig.

Das ist auch interessant. Er ist natürlich jemand, der sich auch sehr mit der Theorie des Erzählens auseinandersetzt. Er hat nämlich Poetikvorlesungen vorgelegt, die heißen »Ins Erzählen flüchten«, wo er auch seine Theorie eines narrativen Netzes nennt. Also ein Erzählen, was eben nicht linear eine Geschichte folgt auf die andere und irgendwie kann man dann die Handlung erzählen, sondern...

sondern wo sich sozusagen viele Episoden netzartig aufeinander beziehen. Und hier ist es ganz klar, es gibt sozusagen ein tertium comparationis, also etwas, was diese vielen unterschiedlichen Geschichten zusammenhält. Und das ist die Auseinandersetzung daraus.

mit Bauwerken und mit Maschinen. Also um Technik. Es geht auch sehr viel ums Bauen. Es wird zum Beispiel am Ende des Buches eine in der Nähe von Kairo ganz aus dem Boden gestampfte neue administrative Hauptstadt, die es ja auch gibt, ganz genau, die wird liebevollst beschrieben, also wie die gebaut ist, wie es da aussieht. Es wird ein Bauwerk

des Briefträgers Ferdinand Cheval, der sich in Eau de Rive in der Nähe von Lyon in Frankreich im Lauf seines Landbriefträger-Lebens Feldsteine mit nach Hause gebracht hat. Er hat sich aus diesen Feldsteinen ein unglaubliches Bauwerk errichtet. Das hat der Erzähler besichtigt. Das beschreibt er mit einer Akkuratesse und einer Fantasie, die wirklich ...

Er ist überhaupt ein toller Stilist. Ganz besonders, wenn er solche Maschinen oder Bauwerke beschreibt. Da ist er von einem Einfallsreichtum und einer Liebe zum Detail. Es werden eben auch sehr ausführlich beschrieben,

Maschinen beschrieben. Es gibt eine lange Episode, wo es um den sogenannten Weber-Aufstand, also einen, es gab ja viele Weber-Aufstände hier im 19. Jahrhundert. Während der industriellen Revolution. Eine hier, die spielt in Warnsdorf, in Nordböhmen, wo auch eben diese elektronischen oder mechanischen Webstühle zum ersten Mal zum Einsatz kamen und eben die Weber mit allem, was sie konnten, mit ihren tollen Webtechniken, mit

Die wurden dann überflüssig. Und auch da werden Maschinen sehr liebevoll beschrieben. Und auch die Maschinenstürmer.

Manches wird zusammengehalten dadurch, dass der Erzähler, nicht alles, aber manches wird zusammengehalten dadurch, dass der Erzähler auf den Spuren des Schriftstellers, Filmemachers und Malers Peter Weiss ist. Peter Weiss hat eben zum Beispiel in seiner Jugend eine Weile in Warnsdorf gelebt. Peter Weiss hat einen Essay über diesen Landbriefträger Ferdinand Cheval geschrieben. Das sind so Klammern, die dann durch die Literatur kommen.

Anderes ist mit dem vorhergehenden gar nicht verknüpft, nämlich der lange Reiseteil aus Ägypten. Da fliegt der Erzähler dann eben einfach mal hin. Was ich noch unbedingt einführen muss als verbindendes Element, weil auch das mit Maschinen zu tun hat,

ist die schwere Corona-Erkrankung des Ich-Erzählers, der ganz genau wie Jonas Lüscher selbst, überhaupt mal Klammer auf, Klammer zu, ähnelt der Ich-Erzähler Jonas Lüscher natürlich sehr, der also ähnlich wie Jonas Lüscher eine ganz schwere Covid-Erkrankung hatte und im Krankenhaus sieben Wochen lang im Koma an Maschinen angeschlossen war. Und eben, das ist, glaube ich, wichtig für das Buch, sein Überleben zu

dann auch dem Funktionieren solcher hochtechnisierten Maschinen verdankt. Also das...

Das thematisiert ja auch. Ist ein Todesmotiv, was im ganzen Buch ist, was eigentlich auch von Anfang an so ein bisschen das Buch mit einer existenziellen Stimmung auflädt. Jetzt bist du dran. Ja, also ich würde dieses Unzusammenhängende wird schon durch die Erzählerstimme zusammengehalten und durch im Prinzip die Interessen desjenigen, der schreibt. Ganz einfach. Und

Und das ist eben ein Netz aus einem Bündel. Es geht auch um den Ersten Weltkrieg, um einen algerischen Soldaten, der für die Franzosen dann im Ersten Weltkrieg kämpft. Du sagtest es schon mit Kairo auch und ganz vielen Schauplätzen. Was ich interessant finde, ist, dass es ist auch letztlich so etwas wie ein Reisebuchkönigreich.

könnte man vielleicht sogar sagen. Denn durch dieses Reisemotiv wird es auch zusammengehalten. Zum Teil. Er fährt ja den Schauplätzen hinterher. So wie er dem Schriftsteller Peter Weiß ja hinterherreist. Ja, aber es hilft nicht für alles. Weil das so vielfältig ist. Ich habe leider vergessen zu sagen...

dass ein großer Teil auch in der Zukunft spielt. Das ist natürlich durch die Reise nicht gedeckt, genauso wie natürlich der Ausflug in die industrielle Revolution durch die Reise nicht mehr gedeckt ist. Aber das sind dann eben Teile, die einfach irgendwie integriert werden in die Erzählung. Ja, klar. Werbung. Schadenswürdig.

Ich bin Shedda Saad. In Tausend und eine Nacht erzähle ich euch in jeder Folge eine andere Geschichte. Damit der König mich im Leben lässt, muss jede Geschichte spannender sein als die davor. Wir treffen auf Genies, auf Kaufmänner, Fischer, aber vor allem geht es um die kämpferischen Frauen. Es geht um Liebe, Abenteuer, Verführung, Angst. Es geht um Tausend und eine Nacht, der Hörspiel-Podcast. Am besten in der kostenlosen Deutschlandfunk-App.

Ich bewundere seine Schreibkunst, sein literarisches Geschick, auch Dinge manchmal zusammenzubünden. Ich finde auch manche Perspektive und auch Themenwechsel, die Schroff einsetzen, entfalten an manchen Stellen auch so etwas wie einen analytischen Sog. Man fragt sich, was hat das damit zu tun und manchmal erschließt es sich auch, nicht immer, manchmal erschließt es sich auch.

Wenn wir sagen, das ganze Buch handelt vom Verhältnis von Mensch und Technik, dann bleibt das Ganze natürlich trotzdem extrem ambivalent. Ich glaube, was im Hintergrund steht, ist natürlich schon diese gewaltige

Kapitalistische Transformation der Welt, die vor allen Dingen im 19. Jahrhundert eingesetzt hat durch eine Technisierung von allem. Negative Aspekte wie natürlich auch die Kriegswirtschaft, allerdings auch die Verluste, die einfach durch Technisierung stattfinden, wo so eine Entmenschlichung stattfindet, wie bei den Webern, die einfach so ihren Beruf verlieren, so wie der Mensch am Ende des Tages verliert.

von der KI, von der künstlichen Intelligenz abgelöst wird. Jedenfalls werden seine Fähigkeiten in mancherlei Hinsicht übersteigert durch Digitalisierung, also übertrumpft durch Digitalisierung. Das ist im Übrigen auch der

gelesen, wusste ich jetzt nicht. Verzauberte Vorbestimmung ist offenbar ein Begriff auch aus der kritischen KI-Forschung. Ja, heißt eigentlich englisch Enchanted Determinismen. Hat er einfach ins Deutsche übersetzt. Was schon andeutet, es ist ja ein Widerspruch in sich, Vorbestimmung

ist ja sozusagen reiner Determinismus, aber der wäre ja nicht verzaubert. Das heißt, es gibt trotzdem in dieser Vorbestimmung trotzdem immer noch etwas Überraschendes, was dann offenbar immer noch eine Rätselhaftigkeit mit sich bringt. Das spielt noch irgendwie eine ganz große Rolle und

Peter, trotzdem fragt man sich hier an manchen Stellen, weshalb? Vor- und Nachteile der Technisierung aufzuzeigen, einmal als rettendes, das ist ja auch so ein Motto, nicht?

Dieses Buch ist und die Technik kann uns auch retten. Ja, oder hat ja auch den Ich-Erzähler hier natürlich auch gerettet. Aber sie ist auch eine tödliche Bedrohung. Also geht es vor allen Dingen um die Darstellung einer Ambivalenz oder was ist aus deiner Sicht sozusagen so etwas wie so ein Schlüssel zu diesem Roman?

Einen Schlüssel gibt es meiner Ansicht nach eben nicht. Und das soll es auch nicht geben. Also mich hat das fast ein bisschen erinnert an so romantische Romantheorien wie von Clemens Brentano, der eben mit dem Godwi so einen explizit verwilderten Roman schreiben wollte. Also etwas, das ist ja auch im Godwi, sowas einfach abbricht und dann wird ein neuer Erzähler eingesetzt oder eine ganz neue Episode. Und eben auch dieses...

durch Raum und Zeit flirrende, dass er eben in der Lage ist, die Zukunft und dann wird es ja auch ganz wirr, dann ganz am Ende ist man ja in so einer zukünftigen Schattenwelt und dann berührt sich der Schatten des Ich-Erzählers mit dem Schatten der Figuren, die in der Zukunft agieren. Ich muss gestehen, dass mir das alles ein bisschen zuwirrt. Das waren Fieberträume.

Also eigentlich Fieberträume eines vielleicht an die Maschine noch angeschlossenen. Es gibt ja auch eine Passage, wo er eben wirklich von seinen Fieberträumen oder Komaträumen vielleicht präziser berichtet, die er erlebt hat, wo er so das Gefühl hatte, durch alle Maschinen fliegen zu können, also wirklich mit der ganzen Welt vernetzt zu sein.

Und dieses ist eben auch immer schon seine Erzähltheorie gewesen. Also dieses vernetzte Erzählen entspricht dann diesen Komaträumen. Also in den Poetikvorlesungen, die ich schon erwähnt habe, ins Erzählen flüchten, da gibt es eben so eine Passage, das war schon vor seiner Erkrankung, wo er eben sein Erzählideal umrissen hat und sagt eben, dass alle Erzählungen, in die wir uns verstricken,

Jetzt das ist Zitat Lüscher, all die Geschichten, die uns begegnen, zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen. Es sollen Analogien gebildet werden, Unterschiede herausgearbeitet werden und damit ein narratives Netz geknüpft werden. Also eben kein lineares Erzählen, sondern dieses in sich Verschachtelte, aus dem dann natürlich keine Botschaften, weil das Netz ist die Botschaft. Mhm.

Ich muss gestehen, wirklich, dass mir dieses Netz hier zu weitmaschig gestrickt ist.

diese Geschichten, die im Einzelnen sehr überzeugend sind, zum Beispiel diese Briefträger, auch wie Peter Weiß geschildert wird, der dann nachts auf einer Parkbank einer Kellnerin sein Leben erzählt. Das ist schon alles sehr, sehr anrührend. Aber es gibt dann den harten Cut und dann ist man wieder ganz woanders und es wird nicht weiter verfolgt. Und eben die Hoffnung, dass diese Geschichten

auf eine geheime Weise miteinander kommunizieren. Und diese geheime Kommunikation, finde ich, die findet nicht wirklich statt. Und deswegen bin ich am Ende ratlos, muss ich ehrlich sagen, ich war trotz großer Begeisterung für die einzelnen Episoden, trotz großer Begeisterung für dieses Spielszenario,

Sprachliche Durchdringung seiner Erzählgegenstände blieb ich ratlos, was diese doch sehr, wie ich letztlich finde, theoretische und ich finde eigentlich auch pädagogisch-didaktische Komposition des Buches angeht. Weil, das sagt er ja auch in Interviews, er will, dass der Leser da nicht in einen Erzählfluss kommt. Er will immer wieder kaltes Wasser, damit man es bloß nicht zu gemütlich hat in dem Roman.

Das ist mir zu theoretisch. Das wundert mich so ein bisschen, weil du ja immer für die Wildheit plädierst und für das Anarchische in der Literatur und es nicht so gerne brav hast. Kaum hast du es mal nicht brav, passt es dir dann wieder nicht. Ja, das könnte ich aber ausführen, wenn du möchtest. Wenn wir die Zeit noch haben. Wir machen mal einen Schwerpunkt Literaturtheorie.

Aber vielleicht noch einen einzigen Satz dazu. Damit es nicht so ganz so stehen bleibt. Weil es ist ein Unterschied, ob ein Roman sozusagen wirklich wuchert und verwildert aus einer inneren Notwendigkeit. Oder ob er, weil ein Theorem vorgeschaltet ist, hier auch mit Zitaten von Deleuze und Guattari über das Rhizom und so weiter. Also weil ein Theorem vorgeschaltet ist, wird eine Erzählstruktur ausgetüftelt.

Und diese Tüftelei, die geht mir auf den Geist. Naja, er teilt das ja zum Teil ein ganz kleines bisschen mit. Ich finde, du bist ein bisschen zu streng, weil ich finde, ein Roman, in dem sozusagen so tolle Passagen drinstehen, wie du sie erwähnt hast, hat schon per se seinen Eigenwert. Und manches ist ja dann auch tatsächlich ein bisschen, müssen wir fairer sein, auch eine Geschmacksfrage. Ich fand interessant...

Was aber stimmt ist, dass er ziemlich voraussetzungsreich ist, das muss man einfach klar sagen. Man hat erst dann ein Vergnügen, wenn man ein bisschen was von Peter Weiß kennt, um wirklich nachvollziehen zu können, wieso das so einen Reiz hat, dass er ihm nachreist, 1960 zu einem bestimmten Ort.

Wo zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet, jedenfalls glaube ich ein paar Monate später, der Schatten des Körpers des Kutschers erscheint. Den er hier liest, den der Erzähler auch liest. Aber das würde mich interessieren, wieso glaubst du, ist ihm Peter Weiß derartig wichtig?

Ich glaube, dass er ihm wichtig ist, weil sowohl Jonas Lüscher als auch Peter Weiß eine sozialkritische Perspektive durchaus auf die Welt haben, auch eine kapitalismuskritische Perspektive. Und das ist natürlich, Peter Weiß ist ein Autor par excellence, mit seiner Ästhetik des Widerstandes, wo er Widerstandsfiguren auch erzählt in einem riesigen Werk in der Ästhetik des Widerstandes und

Das Interessante, weswegen er, glaube ich, für ihn reizvoll ist, dass Peter Weiß allerdings nicht einfach nur ein Aktivist gewesen ist oder ein aktivistischer Autor gewesen ist, sondern auch einen enormen Kunst- und Literaturanspruch und ästhetischen Anspruch hatte an sein Werk. Diese Verschmelzung, glaube ich, ist für Lüscher, ist meine Vermutung, so etwas wie tatsächlich ein Vorbild und weswegen er ihm auch sehr nahe ist.

Und dann darf man nicht vergessen, dass auch dieser Roman stilistisch zum Teil dem sehr nahe kommt, wie Peter Weiß schreibt. Bis zu einer Art Mimikrie, denke ich manchmal, in der Beschreibung von Einzelheiten anzusehen.

Diese liebevolle Beschreibung von Gegenständen, die fast wie mit der Filmkamera abgegangen werden. Ja, und sehr lange rhythmische Sätze, sehr häufig, in denen man sich auch verliert, die auch so einen gewissen Sog entfalten. Man weiß nicht mehr, wo man ist, kommt dann auf anderen Umwegen wieder drauf zurück. Und Lüscher ist letztlich ein, könnte man sagen, ein...

ein klassischer, moderner Autor. Also jemand wie Peter Weiß. Und vielleicht auch W.G. Sebald, der ja auch ein ähnliches Verfahren hat, dass er auch Figuren manchmal folgt und man weiß nicht, in welche Richtung, wie in den Ringen des Saturn. Also all das, was es so in den 60er, 70er, 80er Jahren gegeben hat, das ist sehr prägend für ihn. Ich empfinde das ja als durchaus sympathisch, dass jemand...

nicht die Welt neu erfindet, sondern sich durchaus einschreibt in eine bestimmte Erzähltradition. Oder sieht, wo man da weitermachen könnte. Also wie man als ein heutiger Peter Weiß weiterarbeiten könnte. Ich glaube schon, dass es dieses Projekt gibt und es darf ja auch mal was Anspruchsvolles sein. Das finde ich jetzt nicht verwerflich, nicht per se.

Nö, wenn es Vergnügen macht oder wenn man etwas von der Lektüre hat, ganz sicher. Also ich denke, die Sprache zieht einen rein. Mich hat aber dieser, ich nenne es wirklich coitus interruptus, der Geschichten schier wahnsinnig gemacht. Das kann ich nicht anders sagen. Dass man gestört wird die ganze Zeit. Das ist natürlich auch letztlich am Ende des Tages...

Ich fand das lehrerhaft. Der Lehrer sagt, mach es dir hier nicht so gemütlich in meinem Buch. Jetzt ist aber Schluss, jetzt kommt das nächste. Nächstes Kapitel aufschlagen und jetzt wird der Stoff nochmal anders durchgenommen. Mir war das wirklich zu lehrerhaft und zu...

Zu prächtig, weil man sich zu sehr identifiziert. So ein didaktisches Erzählen. Und dann ist man eigentlich schon verdorben, wenn man das macht, weil man sich von der bürgerlichen Erzählliteratur hat einwickeln lassen und dann die Welt nicht mehr verändern kann. Das steht im Hintergrund. So ist es ein bisschen. Es ist bloß nicht schön zu finden, ich hätte Lust gehabt über Peter Weiß, dem wäre ich

Ich wäre auch diesem Briefträger gern gefolgt. Ich wäre auch diesem algerischen Soldaten, der fast im Ersten Weltkrieg bei einem deutschen Giftgasangriff umgekommen wäre, auch dem wäre ich, ich wäre eigentlich jeder Geschichte gerne gefolgt.

vielleicht nicht so ganz gerne dieser etwas dann doch sehr todesvogelhaften ägyptischen, das ist übrigens etwas, was man am Schluss vielleicht ruhig noch anmerken kann, dass es hier auch eine merkwürdige Geschlechtertheorie gibt, weil es ist ja so, dass diese ganze Bauwerk- und Maschinenwelt, es ist ja selbstverständlich, dass das eine männliche Welt ist. Es ist ja klar, wer baut die Maschinen und

Und dann kommen aber ganz am Ende, gibt es zwei Protagonistinnen, also zwei ägyptische Frauen. Da wird es dann plötzlich ganz romantisch. Die zertrümmern nämlich ähnlich wie die Weber auch Maschinen.

Aber ganz schlimme Maschinen, da gibt es am Ende nämlich eine Festplatte, auf der die ganze Existenz eines Menschen verzeichnet ist. Also alle Erfahrungen, alle, alle. Sodass eben unter Umständen möglich ist, diese Festplatte auf einen neuen Körper zu überspielen und ewiges Leben. Also so eine transhumanistische Utopie, die aber natürlich auch ganz schrecklich ist und auch als schrecklich geschildert wird. Und diese Frauen, die sich ineinander verlieben,

Die sind mit ihrer Maschinenstürmerei erfolgreich. Die zertrümmern diese Festplatten, weil sie nämlich sagen, wir können uns gar nicht richtig lieben, wenn wir das Gefühl haben, unsere Zeit ist unbegrenzt. Für die Intensität der Liebe brauchen wir das echte Leben. Und also zertrümmern sie die Festplatten, sodass also auch diese Männermaschinenwelt, die geht da ihren maschinellen Gang weiter und die Frauen steigen aus. Also da gibt es auch so ein bisschen, da ist auch ein bisschen so...

Gendernachhilfeunterricht, finde ich. Die Frauen haben vielleicht noch eine Chance, irgendwie aus diesem Techno-Optimismus auszubrechen. Ich glaube, meine Vermutung ist eher, dass wir es mit ganz vielen Ingenieurinnen und auch ganz vielen Programmiererinnen zu tun haben werden. Vielleicht liegt Lüscher da falsch. Aber er hat diesen Strang. Es hört nämlich gut

auf. Obwohl es eigentlich so ein Todesbuch ist und am Ende sitzt ja auch Peter Weiß als Totenvogel auf der Schulter des Erzählers. Es wird ja ganz fantastisch am Schluss und eigentlich auch eben sehr, sehr, sehr traurig. Die Welt ist leer, alles voller Todesboten, aber die Frauen, die Frauen gehen irgendwie einer neuen Zukunft entgegen. Na gut. Also, wir hören ja auf mit etwas ganz Interessantem. Nämlich mit Peter Weiß und der Schatten des Körpers des Kutschers. Einem Buch, was

auch bei Jonas Lüscher eine große Rolle spielt und ja, ich habe den sehr lange nicht mehr gelesen, ich hatte den im Studium mal gelesen, vor wirklich sehr langer Zeit und habe ihn mir jetzt nochmal vorgenommen, es ist eine ganz kurze Erzählung, Mikroroman wurde das auch mal genannt,

Hat sowas wie irgendwie 58 Seiten schon der Titel ist. Nee, nee, nee. Doch, doch. In meinem Buch 100. In meinem 58, aber ich habe so eine große Ausgabe. Okay, okay. Ich habe hier das kleine Edition-Sukkamp-Bändchen. Ja gut, wenn du Mikro-Romane in Mikrobüchern liest, dann kommst du natürlich schnell auf 100 Seiten. Der Schatten des Körpers des Kutschers 1960 veröffentlicht.

ist eine hinreißende Erzählung, finde ich. Er spielt irgendwie auf so einem Bauernhof so ein ländliches Gut. Da gibt es eine Haushälterin und einen Hausknecht. Und es gibt so eine Art Ich-Erzähler, der völlig verrückt ist, weil er manisch alles um sich herum aufzeichnet, was passiert. Also jede Handbewegung fast schon in diesem Landgut aufzeigt und nacherzählt. Und mikroskopisch genau, manisch, völlig verrückt.

Es gibt auf jeden Fall auch sehr seltsame Gäste in diesem ländlichen Gut. Ein Hauptmann, ein Doktor, ein Schneider, ein Herrn Schnee, der immer Steine sammelt. Wie der Briefträger Schwein. Genau, ich erzähle, ja, da weist auch Löscher hin. Das ist interessant, dass diese Steine, dass dieser Besuch sozusagen von Peter Weiß in Frankreich

mit dieser Erzähler. Dann gibt es diesen Ich-Erzähler, der an alles völlig abgekaputte und völlig lädierte Figuren, der Doktor, der ständig an irgendwelchen Wunden laboriert. Alles ist auch so komisch geflickt, eine ziemliche Armut. Und es geht auch sehr burlesk zur Sache. Und es geht viel um Stofflichkeit und um Dreck und um Sauberkeit an den falschen Stellen, nämlich auf dem Fußboden.

aber nicht auf dem Tisch. Und auch nicht auf dem Abort, wo die Erzählung anfängt. Das ist ganz irre. Da sitzt er nämlich auf diesem sogenannten Abort, also eben ohne Wasserspülung, und sagt, er hätte jetzt über dem Schreiben ganz vergessen, die Hose wieder hochzuziehen. Und beschreibt dann auch mit einer Detailverliebtheit, was er da unten im Abort,

in dem Loch alles sieht. Also von einer grotesken Konkretheit aus, die aber auch komisch ist. Sehr komisch, natürlich. Da merkt man auch, dass er, Peter Weiß, eben sehr stark moderne Autoren auch so rezipiert hat. Nämlich auch Kafka spielt eine ganz große Rolle. Aber ich glaube auch die Franzosen. Wollte ich gerade sagen, ich sehe da auch den Nouveau Roman, nämlich speziell Rob Griez, nämlich mit seiner Technik, also ganz frühe Robgriez,

Rob Krieger später hat ja andere Phasen. Aber mit der Technik sozusagen fast... Nur noch perspektivisch. Wie mit einer Kamera alles. Und zwar eine Kamera, die eben nicht auswählt, die nicht hierarchisiert, sondern einfach alles abfilmt, erzählend. Von der Technik ist hier viel drin. Und dann habe ich, wenn ich jetzt schon gerade dran bin, eine Stelle gefunden in dem kleinen Buch von Peter Weiß, wo ich dachte, äh, beschreibt der denn hier, wie Jonas Lüscher schreibt? Da heißt es nämlich...

Man liest die Beschreibung des Schauplatzes einer Handlung und gleitet dann zum Schauplatz einer anderen Handlung über. Man vernimmt etwas, das auf dem nächsten Stückchen widerrufen wird und sich auf dem darauf folgenden doch wieder als vorhanden erweist und so weiter. Also dieses völlige hüpfende Erzählen und das...

Das nimmt er hier daher, dass man Reste von Zeitungen, also so durcheinandergewürfelte Reste von Zeitungen und eben so eine Art von Lektüre, man hat hier einen kleinen Zeitungsrest und da, so wie man eben auf dem Klo nur rausgerissene Zeitungen als Klopapier hat und liest das erstmal und so wie sich die Welt dann in diesen Bruchstücken zusammensetzt.

Das beschreibt er hier und ist natürlich auch ein bisschen seine Erzähltechnik, weil er springt ja auch sehr schnell von einer Beobachtung zur anderen, von einem Gast zum nächsten. Aber trotzdem wird das hier natürlich alles durch den Ort wenigstens zusammengehalten und durch das Personal. Durch das Personal, ja, es gibt keine Parallelerzählung, es ist ja klaustrophobisch eng, es bleibt ja klaustrophobisch.

bis dieser Kutscher ganz am Ende auftritt. Ich finde, wir sollten das nicht verraten, weil das auch durchaus ein Spannungsbogen ist. Nee, das will ich nicht verraten, aber auch hier habe ich etwas gefunden, was sich auch bei Lüscher wieder, ich glaube einfach erarbeitet mit Motiven dieser Erzählung, nämlich die Berührung zweier Schatten. Ich will das gar nicht unbedingt auserzählen, also ich kann nur sagen, es berühren sich Schatten in dem

Die Fantasie ist Tür und Tor geöffnet. Und auf eine andere Weise gibt es eben auch bei Lüscher am Ende diese Berührung zweier Schatten, nämlich das Schatten des Ich-Erzählers und Schatten einer dieser Frau, das habe ich ja erwähnt. Das sind alles Motive, die eben hier auch in dem, also da sieht man auch, wie präzise Lüscher eben mit Elementen von Peter Weiß arbeitet. Das muss man aber alles wissen. Das ist dann Stoff für künftige Doktorarbeiten.

Parallelmotive im Werk von Lüscher. Also ich sehe schon die Doktorarbeit, die motivig von Peter Weiß im Werk von Jonas Lüscher. Das ist schon tricky und setzt wirklich sehr viel Lektüre voraus, um das zu entschlüsseln. Also hat ein bisschen was von literarischem Kreuzworträtsel. Aber gut.

Aber hier bei Peter Weiß war auch für mich eine berauschende Leseerfahrung, weil das ist eben so toll. Es ist ja ein Seerausch, in den der Erzähler hier gerät und man mit ihm mit auf engstem Raum. Also wie sich dieser kleine und, wie du ja sagst, ärmliche und sehr bescheidene Raum befindet.

durch diesen Seerausch des Erzählers, was da eigentlich alles drin ist auf diesem engsten Raum. Das ist irre. Und es ist natürlich völlig klar, dass das, es ist 1960 veröffentlicht worden, Peter Weiß musste aus Deutschland fliehen, sein Vater war Jude.

ist er dann, ich glaube, in Skandinavien gewesen. Ja, also Peter Weiß war in Skandinavien. Ja, sein Vater hat gearbeitet in diesem Warnsdorf, was dann auch bei Peter Lüscher wieder vorkommt. Der hat da in der Textilindustrie, das war ja mal Warnsdorf, das sogenannte Manchester Wormans, war ja eben mal ein Ort der Textilfabrikation. Und da irgendwie in irgendeinem dieser Werke hat der Vater von Warnsdorf

Peter Weiß gearbeitet. Deswegen hat Peter Weiß als junger Mann da eben auch zeitweilig gelebt. Das wird dann für die Doktorarbeit alles wieder verarbeitet werden. Peter Weiß im Werk von Lüscher. Was ich nur sagen wollte, was mich interessiert hat, auch noch war natürlich die Tatsache, dass dieser

dieser kurze, dieser Miniroman, dass der diese gesamte Zeit nach 1945 natürlich diese Erschütterung des Zweiten Weltkriegs natürlich vollständig in sich trägt. Also eine Welt, die so aus den Fugen ist, dass man sich wieder Orientierung suchen muss, einfach durch die Bestandteile

Teil dessen, was direkt vor Augen liegt. Und nur in der minutiösen Nachbeschreibung versucht man wieder, das Zertrümmerte in irgendeiner Weise zusammenzusetzen. Also wie Inventur machen, da gibt es doch auch dieses schöne Gedicht von Günther Eich, Inventur, dies ist meine Mütze, dies ist mein Bleistift. Also ich fange mal wieder bei dem

Ganz einfach an, was ich sehe. Über das ich keine Vermutung haben muss und keine Bedeutung, sondern das, was hier meine Mütze da ist. Mit sowas spielt es, glaube ich, oder spielt es nicht, oder ist das innere Thema, dass es wieder um eine Sprachzusammensetzung geht. So wie...

In dieser fast schon naturalistischen Wiedergabe dessen, was er hört. Immer so diese bruchstückhaften Sätze, die die Leute sprechen. Es geht erst einmal darum, so zu ordnen. Ja genau, das ist ja auch so ein schönes Missverhältnis, die absolute Präzision der visuellen Beschreibung.

Und dieses völlig Abgerissene des Akustischen, also er hört die Leute immer nur, er hört sie sprechen, aber er gibt es nur wieder in so, eigentlich auch wieder in so Sprachfetzen, wie in dem Zitat, was ich vorgelesen habe. Man hat nur Fetzen, die überhaupt keinen Gesamtzusammenhang mehr ergeben und da hast du glaube ich völlig recht, der Gesamtzusammenhang wurde historisch ja auch gerade völlig zerrissen.

Und trotzdem eben diese absolute Präzision im vermeintlich Unpräzisen, nämlich was man alles sieht. Und da aber dann ganz, ganz genau sein. Ja, bis hin zu manchen Seiten, die nur aus einer Bewegungsabfolge von Figuren bestehen. Es gibt eine Stelle, wo...

Zwei Figuren in der Speisekammer und da nicht wieder rauskommen. Und dann muss die irgendwie aufgebrochen werden. Und dann wie die Tür aufbricht und diese Figuren alle nach hinten wanken und dann wieder sich Ordnung wieder einstellt. Das ist sensationell beschrieben. Großartig, großartig.

Okay, soweit, oder? Ganz große Leseempfehlung. Haben wir heute eine richtige Boygroup gehabt? Nächstes Mal wieder anders. Und in zwei Wochen sind Maja Beckers und Alexander Kammern wieder an Bord und sprechen über die grandiosesten Sachbücher. Einen schönen Tag noch. Tschüss zusammen. Was liest du gerade? Ein Podcast von Zeit und Zeit Online. Produziert von Polartis.