Was liest du gerade? Ein Podcast über Bücher und was sie über die Welt erzählen. Hallo und herzlich willkommen zu Was liest du gerade? Dem Bücher-Podcast der ZEIT und zur Sachbuchausgabe dieses Podcasts. Und deswegen sitzen hier Alexander Kammern, Sachbuchredakteur der ZEIT. Und Maja Beckers, Sachbuchredakteurin bei ZEIT online. Schön, dass Sie dabei sind. Ja, wir sprechen hier jedes Mal über zwei Neuerscheinungen, die wir diskussionswürdig, interessant, herausragend finden. Und am Ende über einen Klassiker.
Und Alexander, welche Bücher sind das heute? Einmal sprechen wir über Dieter Thome. Der hat ein Buch geschrieben mit dem schönen Titel Post, Nachrufe auf eine Vorsilbe. Erschienen im Surkamm Verlag. So, dann sprechen wir über Patricia und Hertha Lueger. Die haben ein Buch mit dem verheißungsvollen Titel geschrieben Bardame gesucht, Zimmer vorhanden. Erschienen bei Mattes & Seitz. Und unser Klassiker stammt heute von Susan Fenimore Cooper.
Stunden auf dem Land, erschienen ebenfalls bei Matheson Science. Ja, anfangen tun wir aber mit unserer Rubrik Der erste Satz. Und der stammt diesmal von Douglas Rushkoff aus dem Buch Survival of the Richest, warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind, erschienen bei Surkamp. Der erste Satz.
Knackiges Zitat, wenn man so will. Es zielt natürlich auf die Tech-Milliardäre, auf die ja schon im
Untertitel anstellt, der Douglas Rushkoff. Rushkoff, das ist Medienteoretiker, der lehrt an der New York University, er ist Jahrgang 1961 und tatsächlich ist er Autor, Dozent und vor allen Dingen seit der Frühzeit des Internets schon ein enorm kundiger Begleiter, Analytiker und Beobachter. Er hat wahnsinnig viele Bücher geschrieben über Netzphänomene und sehr früh dabei, sehr engagiert auch.
So renommiert, dass ihn auch die Tech-Milliardäre gerne anhören wollen. So ist es, genau. Die ist ein wichtiger Typ, obwohl sie holen sich ja mal einen ihrer schärfsten Kritiker dann ins Haus zu Vorträgen und er schreibt in diesem Buch übrigens auch ganz freimütig davon, dass diese Vorträge dann
auch immens gut bezahlt gewesen sind und deswegen er das auch da nicht Nein sagen kann. Ein Drittel seines Jahresgehalts als Professor oder so. Ja, sehr eindrucksvoll. Ja, und dieses Zitat, wenn man so will, trifft ja wirklich ins Herz auch der aktuellen Debatten. Das Buch, muss man sagen, ist von 2022 erschienen. Also er kann die ganz aktuellen Phänomene, also dass Elon Musk jetzt tatsächlich die Regierung in Washington mitsteuert, ganz direkt.
Und all diese Dinge kann er quasi dann noch nicht, hat er ja eigentlich noch nicht einbezogen, aber man muss sagen, die Lektüre ging so, dass man tatsächlich immer das Ganze mitdenkt eigentlich. Also er hat schon tatsächlich prophetische Sachen. Und ich fand hier bei diesem Zitat ist es ja so eindrucksvoll, dass er irgendwie klar macht, dass die Leute an der Spitze, an diese, tatsächlich Multimilliardäre,
Um die es geht, eigentlich etwas tatsächlich, eine eigene Kaste bilden, eine eigene Spezies, was die irgendwie sich mit dem Rest der Gesellschaft eigentlich überhaupt nicht mehr zusammengehörig denkt. Also dieses Weg von allem und tatsächlich dann eben auch mit so einer Geste des
oder ignorierens oder verdrängens auch dessen, was mit ihrer Tech-Revolution, die sie ja ausgelöst haben und von der sie profitiert haben, tatsächlich auch an negativen Phänomenen verbunden ist für viele. Ja, und er merkt, als er da zu dem Treffen fährt, dass die ihn eben, die wollen zu anderen Tech-Sachen gar nicht so viel Einschätzung von ihm, sondern die fragen ihn Alaska oder Neuseeland sozusagen. Wohin kann ich flüchten, wenn das Ereignis eintritt? Das Ereignis ist sozusagen so ein Codewort für...
was auch immer passieren kann. Eine neue Pandemie, die Klimakatastrophe, ein Krieg, sonst wie. Also, dass die sich eben absetzen können. Und von ihm wollten sie jetzt raten, wohin am besten. Und dieser Satz, finde ich, ist so bezeichnend, weil er darin auch sagt,
sie ziehen es möglicherweise vor, sich eine Zukunft auszumalen, in der sie gezwungen sind, sich abzuschotten. Also es ist eine Wahrscheinlichkeit, dass die Klimakatastrophe so eintritt, dass sie sich dann abschotten müssen, sondern sie ziehen es auch vor, sich das so auszumalen. Also es ist nicht nur ein Zwang, der dann entsteht, sondern es gibt auch sozusagen so einen theoretischen Background oder so ein Background in diesem Mindset, so nennt er das, was diese Leute haben, aus dem heraus es ganz logisch ist, dass sie sich abschotten müssen oder abschotten.
Also das Mindset, sagst du, ist der zentrale Begriff. Also tatsächlich diese Mischung aus neuem Denken, Prägung und Erfahrung, die diese Leute mit sich bringen. Dass sie so eine eigenartige Form des Reichtums zugleich mit einer technologischen Revolution einhergehen. Und dann denkt man sich natürlich, oder denken die sich offenbar, ja da muss man eben auf alle möglichen Eventualitäten eben auch vorbereitet sein.
Wenn man es denn sein kann und das kann man, weil sie eben so reich sind. Deswegen können die sich halt irgendwelche Bunkeranlagen irgendwo hinbauen und schon jetzt mit Security-Firmen verhandeln, die sie im Falle eines Falles, du sagst es, Superkatastrophe oder eben Pandemie oder was weiß ich, irgendwelche globalen Krisen oder Kriege, dass sie dann dort eben auch verteidigt werden im Notfall.
Also es ist eine ganz bizarre Konstellation eigentlich, die wir Normalbürger eigentlich gar nicht als Haltung einnehmen können. Ja und dass denen so bewusst ist, dass sie sozusagen fliehen müssen, auch vor der Rache, wie er sagt, der Leute, denen sie vielleicht geschadet haben oder so. Und das war für mich auch neu. Ich hatte glaube ich so ein bisschen das Gefühl immer, die glauben, sie sind ja die Guten sozusagen, sie lösen gesellschaftliche Problematik.
über technische Mittel und so. Aber hier scheint jetzt auch so durch, auch in diesem Satz, dass sie sozusagen denen schon auf eine Art auch bewusst ist, dass sie ein Schlachtfeld hinterlassen. Ja, das ist ein bisschen, glaube ich, vielleicht ein bisschen mit Spin von ihm erzählt, weil ich glaube, es ist immer beides dabei. Also sowas du sagst. Also dieses Gefühl, man macht was Gutes für diesen Planeten, indem man jetzt plötzlich auf den Mars fliegt und da Kolonien gründet. Sei es auch nur erst, wir superreichen dann irgendwann vielleicht auch für andere. Das ist ja dieses typische...
Gleichzeitig sind sie aber so, sagen wir mal, risikobewusst, dass ihnen dann klar ist, naja, das, was wir jetzt erstmal haben, ist eigentlich schon eine, auch wenn wir es gerecht finden, findet der Rest der Menschheit das nicht unbedingt gerecht. Und deswegen müssen die da so seltsam vorbeugend agieren. Also durchgängig in diesem Buch ist es interessant, dass er beschreibt dieses Missverhältnis, und auf das wir ja auch aktuell in Washington andauernd stoßen, dass Demokratie
nicht als Lösung der Probleme, die wir immer so alle Gesellschaften haben, begriffen wird, wie wir alle aus dem Lehrbuch kennen oder jedenfalls viele zumindest, die von der Demokratie überzeugt sind, sondern tatsächlich als störend. Weil man längst über die Demokratie hinaus ist durch technologische Optionen, Erfindungen und Vorstellungen. Und das zieht sich eigentlich so durch dieses ganze Buch hinaus.
dieses seltsame Denken bei diesen superreichen Tech-Leuten, dass eigentlich, ja mein Gott, Demokratie ist halt so eine nervige Angelegenheit. Eine Bremse für alles und auch für Fortschritt und für irgendwas. Und das müsste man eigentlich alles technologisch längst klären. Und das ist, glaube ich, das Problem, was wir natürlich momentan jetzt unter dieser Trump-Regierung auch sehen in Washington und gleichzeitig, ja, was hier in diesem Buch so plastisch gemacht wird. Und dazu wird dann auch
Kommt ja immer Ideologie rein. Er schildert das auch mit was für Denkfiguren die Leute dann so inspirieren, sich von inspirieren lassen und so. Das ist so eine seltsame Mischung. Deswegen auch wenn das Buch schon
zwei, drei Jahre alt ist. Hochaktuell. Hochtaktuell. Ich fand auch für mich interessant nochmal diesen Unterschied zu den, ich meine es gab immer Superreiche, auch in Amerika, sagen wir mal um 1900 die Rockefellers oder die großen Ölmagnaten oder die ersten Elektroriesen oder so. Das sind ja alles superreiche Firmen gewesen, die auch irgendwie Macht und Einfluss hatten und vor denen dann auch immer gewarnt wurde.
Nur das Interessante ist, was mir so einfällt, dass diese Tech-Milliardäre ja auf einer, ihren Profit ja auf einer technischen Revolution aufbauen, die wirklich alles durchdringt, nämlich das Internet als neue Form. Du kannst nicht mehr jenseits dessen irgendwie leben, wenn du jetzt
sagen wir mal, die Milliardäre um 1900 waren immer noch so, klar, Öl war auch verdammt wichtig, also wenn du Öl hattest oder Stahl oder Eisenbahnmagnaten, aber du hast trotzdem nicht diese totale Durchdringung aller Lebensbereiche mit ihren Profiten gehabt. Das hat sich immer noch so ein bisschen aus, also wie soll ich sagen, ausdifferenziert oder du hattest immer was gegen Player. Und das, glaube ich, macht nochmal diesen Unterschied dieser Superreichen klar, dass sie zu einer großen
Geschichte gehören. Ja, da kannst du einen schon mal schütteln, aber es ist auch sehr unterhaltsam geschrieben. Ja. Ja, sehr unterhaltsam ist auch unser erstes Hauptbuch heute. Die Tattoo-Mail Post Nachruf auf eine Vorsilbe, erschienen bei Sokamp.
Dieter Thumme, geboren 59 in Heidelberg als Philosoph, war bis vor drei Jahren Professor an der Universität St. Gallen und hat eine Reihe Bücher geschrieben, die, ich will eigentlich nicht sagen lebensnah, sondern mehr so lebensanalytisch sind vielleicht. Also vom Glück der Moderne hieß eins, welches Glücksversprechen steckt noch in der Moderne oder kann da noch eingelöst werden.
Erzähle dich selbst, Lebensgeschichte als philosophisches Problem hieß ein anderes. Welche Rolle spielt das Erzählen im Leben? Und Puer Robustus, eine Philosophie des Störenfrieds war glaube ich das letzte 2016 auch eine ganz lustige Geschichte sozusagen des Querdenkers vielleicht, bevor der Begriff anders besetzt wurde während der Pandemie.
Ja, ich finde seine Bücher immer unterhaltsam und klug und lese die gerne. Und jetzt hat er eben ein Buch über die Vorsilbe Post geschrieben, die er die erfolgreichste Erfindung der Geistes- und Sozialwissenschaften seit 1945 nennt. Also ich kann ja nur mal so ein paar Begriffe, mit denen das Cover natürlich auch vollgeschrieben ist, nennen. Postindustriell, postmoderne, postmigrantisch, postdemokratie, posthumanismus, postmaterialismus, posthistoire, postfaktisch, posttraumatisch.
Poststrukturalismus, Postfeminismus, endlos. Und ich fand das eine ganz tolle Idee, über diese Silbe zu schreiben. Und er sieht das Ganze natürlich kritisch. Er sagt, es ist ein großer Erfolg, aber nicht jede erfolgreiche Idee ist eben auch eine gute Idee. Und widmet sich vor allem drei Begriffen, und zwar der Posthistoire, der Postmoderne und dem Postkolonialismus. Das sind für ihn die drei großen, die ganz großen Begriffe. Also ich muss auch sagen, ich finde...
Man muss einfach sagen, es ist ein Buch, wo ich dann dachte, Mensch, super Idee, da ist man richtig neidisch. Die Idee hätte man gerne selber gehabt, vor allen Dingen, weil ich meine, du bist für Tornistin, ich bin es auch, wir arbeiten in der Kulturredaktion und wir reden ja oft darüber oder amüsieren uns darüber. Was haben wir schon öfter mal so einfach so angedacht, so Post, ja mein Gott, jetzt schon wieder irgendein lustiger Postbegriff oder so, aber das systematisch zu machen.
Ich glaube, da gab es nicht so viele Artikel. Und er macht das jetzt einfach mal in einem Buch. Das ist schon sehr erhellend und sehr aufschlussreich.
Und er steigt ja tatsächlich jeweils immer sehr tief ein in diese Begriffsgeschichten, also dieser Begriffe auch. Dieser drei zumindest. Dieser drei zumindest, ja. Und die anderen werden dann auch immer mal so gestreift. Und das Ganze, du sagst, ist sehr unterhaltsam. Das heißt also mit sehr launigen Nebenbemerkungen zwischendurch immer wieder, was dann so ein bisschen abgekanzelt wird oder aufgebaut wird. Oder über unsere, ironisch eigentlich die ganze Zeit auch über unser Denken oder auch
Das Denken seiner Zunftgenossen, Philosophen sind es ja auch oft. Also das ist schon sehr kenntnisreich und sehr, sehr... Er hat einfach tolle Begriffe dabei. Ja, diese Spitzen, wo du sie erwähnst. Also er sagt natürlich, offensichtlich ist es irgendwie Trend geworden, sich in die Nachzeit einer Vorzeit zu versetzen. Also dass man sich immer irgendwie als der Nachkommende versteht und aber irgendwie dann doch zu faul ist, sich einen neuen Begriff auszudenken oder irgendwie einfallslos...
Und dann bedauert er das und sagt zum Beispiel beim Sturm auf der Bastille hat jetzt auch keiner gerufen, es lebe das postfeudalistische Zeitalter. Das hätte wahrscheinlich nicht so gut funktioniert. Oder Marx und Engels waren wahrscheinlich klug genug, nicht das Manifest der postkapitalistischen Partei zu schreiben.
Ja, und Luther hat jetzt auch nicht postkatholische Zeitalter aufgerufen. Er hat ja schon einen Punkt, dass das offenbar ein sehr neues Phänomen eigentlich ist insgesamt. Ich fand auch zum Beispiel eine andere Sache, wo ich dachte, endlich sagt es mal einer und das macht er eben ganz knackig. Nebenbei hat er auch an einer lustigen Passage auch mit dem, macht er so einen Durchgang durch andere erfolgreiche Vorsilben bei Begriffen. Also Anti zum Beispiel, aber eben auch
Die schöne Vorsilbe spät und das ist dann auch eine sehr schöne, also spät, er redet dann natürlich vom Spätkapitalismus oder Spätmoderne und dann macht er sich entsprechend auch drüber lustig, dass die gerade bei dieser Zeitlichkeit, die damit immer zum Ausdruck kommt, beim Begriff zum Beispiel Spätkapitalismus, das vor allem von Leuten,
verwendet wird, die offenbar einen sehr sicheren Zugriff auf den Zeitplan der Geschichte haben. Das ist so seine Formulierung. Deswegen kann man nur, wenn man diese Vorstellung hat, dann weiß man eben auch, wann etwas spät ist oder wann etwas früh ist. Und solche Sachen macht er eigentlich
Ziemlich eindrucksvoll fand ich.
hat es sich zum Beispiel zur Aufgabe gemacht, eben an die Gräuel des Kolonialismus zu erinnern. Möchte nicht, dass das so unter den Teppich gekehrt wird im Westen. Und dann ist Post eigentlich der falsche Begriff. Dann sagt er, das müsste eigentlich Leute, die sozusagen an die Gräuel zum Beispiel des Antisemitismus erinnern, die würden ja auch nicht sagen, wir sind irgendwie die postfaschistische Bewegung oder so. Also dazu macht es dann zu sehr den Eindruck, dass man es hinter sich gelassen hat.
Also das ist eben das Problem mit diesem Post. Man tut so, als wäre was vergangen. Man ist ja danach.
und erklärt damit eben auch, es ist vorbei sozusagen, aber man schleppt es gleichzeitig mit sich. Er hat glaube ich so dieses Bild, man fährt in die Zukunft, aber schaut ständig in den Rückspiegel und diese Ambivalenz ist schwierig und die ist eben auch schwierig, wenn du zum Beispiel das Bestreben hast, an vergangene Gräuel zu erinnern, dann ist Post eben, er weckt auch den falschen Eindruck, ist dann nicht ganz der richtige Begriff. Gleichzeitig gibt es noch andere Strömungen im Poststrukturalismus, wo er sagt, die Spuren des Kolonialismus, die sich bis heute vorziehen, zu
zu beseitigen, dann fände er aber zum Beispiel den Begriff Dekolonisierung oder so, Dekolonialismus, also irgendwie besser als Post, weil man ja eben damit auch nicht sagen will, es ist vorbei, sondern es ist eben noch da und wir müssen uns einsetzen, das loszuwerden. Das ist interessant, mir fällt auf, er sagt ja immer, das Zeitalter von Postbegriffen gibt es dann, wenn man nicht mehr so eine richtige Zukunftssicherheit auflöst.
auch hat über das, wie Zukunft wird. Also das ist auch so eine interessante Beschreibung von ihm, dass man in diesen Momenten stark dann eben quasi sich definiert über eine Form von Abgrenzung, Absetzungsbewegung des
Das ist das Vergangene und er sagt immer, dass es steckt ein einfach zu starker Bezug für ihn drin. Das ist ja immer sein Mantra, was er sagt. Ja, ihr lasst euch schon allein in der Begrifflichkeit zu stark dominieren von dem, was mal war. Ja, genau. Also das ist die Frage, warum ist das so? Warum stürzen wir uns? Warum hängt überall ein Post statt ein neuer Begriff? Er sagt, wir schaffen es nicht mehr, unsere Zeit als...
als Abenteuer zu begreifen, als Zeit, die irgendwie gestaltbar ist, die in eine Zukunft geht, die ganz anders sein kann, sodass wir so geistig da immer wieder hin. Ich finde es ein bisschen, da hätte ich dann den Einwand zu sagen, ja mein Gott, das kann ja manchmal einfach auch ein Problem sein, dass man nun einmal sehr riesige, große Epochen oder riesige Begriffe einfach hat.
Und wenn man in einer, wie sagt der Soziologe, reformativen Phase ist oder von was Neuem, dann kann man ja sagen, ist es einfach noch nicht immer so weit, dass man genau weiß, was ist jetzt der richtige Begriff oder so. Und da würde ich jetzt zu Dieter Thumme sagen, ja, vielleicht nicht ganz so streng sein mit den armen Postbegriffen, weil das sind manchmal Übergangsbegriffe, die natürlich sehr stabil sind, gebe ich zu. Also er sagt ja, Postmoderne zum Beispiel ist natürlich ein Begriff, okay.
Da würde ich auch sagen, das ist kein Übergangsbegriff mehr.
Aber ob die Leute in 100 Jahren unsere dann jeweiligen Epochen dann auch noch mit diesen Begriffen umschreiben oder dann nicht doch wieder eigene plausible gefunden haben, glaube ich, das ist dann ja die Frage. Also ich glaube, das ist manchmal auch so eine Behelfskonstruktion, weil man einfach sagt, mein Gott, Kolonialismus war so zentral, so riesig, da brauche ich kein Musik jetzt einfach als Phänomen, da brauche ich jetzt einfach so einen Übergangsbegriff. Oder Feminismus, da kann ich jetzt auch
Postfeministisch heißt ja da auch wieder nicht antifeministisch, sondern einen eigenen Begriff dafür dann nehmen. Das ist auch total schwierig. Das ist aber auch das Schwierige an diesem Post, dass so völlig unklar ist, in welcher Beziehung das zu dem Hauptwort steht. Also hat man das endlich hinter sich gelassen, erleichtert quasi? Ist man jetzt weiter, ist man drüber hinaus? Ist das schade oder so? Also ist das irgendwie ein Verfall wie die Postdemokratie?
das ist ja schrecklich. Er sagt, da geht einem dann auch so die Luft aus, statt das nochmal zu verändern oder so. Man findet sich auch so damit ab. Und das ist bei jedem Begriff irgendwie anders. Ja, ich finde, was er aber super herausarbeitet, ist, dass diese Begriffe
nicht immer so plötzlich auftauchen, die Postbegriffe, sondern es die eigentlich schon total lange gab, dann immer jahrzehntelang. Er sagt dann immer, die gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts irgendwie und dann plötzlich so, also zum Beispiel Postkolonialismus wurde auch schon damals verwendet.
Aber rein deskriptiv für sozusagen die Zeit. Ja, so wie du sagst, rein beschreibend, nicht so richtig kritisch und so weiter. Und die bekommen dann so einen Shift, so eine Umwertung irgendwann. Und das fand ich schon nochmal interessant, weil ich das natürlich, wenn du mich gefragt hättest, seit wann gibt es den Begriff Postkolonial? Oder wann taucht der zum ersten Mal auf? Hätte ich immer gesagt, ja, 50er Jahre oder so. Und dann lernt man da, nee, nee, das sind alles oft Begriffe, die auch schon sehr viel früher da sind. Unter anderem, was ich auch lustig fand, er nennt ja ein...
Von Daniel Bell, dem großen Soziologen, der schon 1971 einen sehr lustigen Aufsatz darüber geschrieben hat über die Vorsilbe Post, die auftauchen würde und jetzt wohl überall eine Renaissance erleben würde, was vorher der Begriff Jenseits Beyond gehabt hätte. Das fand ich aber schön, weil das ist doch so, oder? In jeder...
Wenn du irgendwie in der Ecke der Geisteswissenschaften in der Bibliothek stehst, dann sind eine Weile Bücher aus dem Jahr, aus dieser Zeit, heißen alle mal Jenseits. Jenseits von Gesellschaft, Jenseits von diesem. Jenseits des Kapitalismus, Jenseits der Zukunft und so weiter. Jenseits von Geschlecht. Und das fand ich dann auch interessant, also dieser Aufsatz von Daniel Bell ist von 1971, das heißt also dieser Begriff, also die Kritik des Post, die also...
Und Dieter Thome hier hat auch schon seine Vorgänger und das ist halt so charmant eigentlich, dass man sich da eben auch so einordnen kann. Ja, es lässt einen auf jeden Fall nicht mehr los. Ich glaube, das nächste Mal, dass ich wieder über so einen Begriff stolper, werde ich an dieses Buch denken. Ich glaube, wir werden ihn vielleicht auch ein bisschen vorsichtiger verwenden in Texten oder irgendwelchen Autoren rausstreichen und sagen, bitte vorsichtiger damit oder so.
Ja, jetzt kommen wir zu einem nächsten und sehr anders gelagerten Buch. Das haben Patricia und Hertha Lueger geschrieben. Der Titel ist Bardame gesucht, Zimmer vorhanden, erschienen bei Mattes & Seitz. Hertha Lueger, ja, das ist eine sehr besondere, spannende, ungewöhnliche Frau. Und ihre Tochter, Patricia, sie haben beide zusammen das ganze Buch geschrieben. Und es ist eine Lebensgeschichte, eine österreichisch-deutsche Lebensgeschichte. Hertha Lueger ist 1947 geboren.
geboren im Burgenland nah an der ungarischen Grenze, mit sechs oder sieben Geschwistern, glaube ich, aufgewachsen, ländlicher Raum, 1964 geheiratet, dann die Scheidung Ende der 60er, immer noch von den Zeitgenossen damals als Schande empfunden, schwieriges Aufwachsen eigentlich ein bisschen mit früher Schwangerschaft und so weiter und dann tatsächlich so einer eigenartigen, tja, biografischen Wendung, die auch, glaube ich, nicht
alle damals hatten. Sie geht nämlich nach München auf ein Angebot hin dort tatsächlich und arbeitet dort in Bars und erlebt dort ja vielleicht im weiteren Sinne so eine Emanzipation, sexuelle Befreiung oder wie auch immer eine Modernisierungsgeschichte. Sie ist ja eine junge Mutter, muss ihr Kind auch in Österreich zurücklassen wegen auch der strengen Scheidungs- und Mutterschafts- also Regelungen eigentlich.
Und ja, mir würde jetzt ein Rutsch dann so ins Milieu hinein. Ich glaube, so muss man es klassischerweise sagen. Und diese Geschichte wird in diesem Buch erzählt. Sie wird tatsächlich...
Clubbetreiberin, wird eine extrem erfolgreiche und prominente Domina in München. Sie beginnt quasi tatsächlich Sexarbeiterin und gleichzeitig tatsächlich auch betreibt sie dann so etwas, ja, im Neudeutsch würde man sagen, Callgirling wahrscheinlich für irgendwelche, ja, Begleitung nennt sie das, Begleitservice. Alles quasi im Rahmen von einer, ja, illegalen bis halblegalen Existenz, weil vieles von dem, was sie macht, äh,
Steht ja damals auch noch unter Strafeförderung der Prostitution heißt das Ganze, beziehungsweise auch Zuhälterei als Frage. Sie schildert zusammen, also ich glaube Ihre Tochter hat das, wenn ich das richtig höre, wahrscheinlich mit ihr zusammen so ein bisschen geschrieben oder daraus destilliert. Ist deswegen auch so ein interessantes, letztlich ein interessantes Bild.
wenn auch nicht ausgesprochenes Mutter-Tochter-Projekt, also eine Selbstfindung. Aber in Ich-Perspektive geschrieben, muss man dazu sagen. Ja, in Ich, also von ihr. Genau, so erzählt das Ganze. Und es ist tatsächlich für mich eine sehr faszinierende Geschichte gewesen, weil dieses Buch jenseits von Sex-and-Crime-Stories daherkommt, jenseits von
Tja, so Bekenntnis-Romanstoff oder so autofiktional oder irgendwie, sondern eher sehr real so ein Leben.
Sie ist jetzt Ende 70, in der quasi sich diese Art Rechenschaft einfach genau gegeben wird. Also wie ist das passiert? Wie lebte man damals im Burgenland? Wie war das Aufwachsen? Was für Schwierigkeiten, was für Normen und Werte kamen? Und welche eigenartige Aufbruchstimmung dann auch in den 70ern so ein bisschen dann mit einherging. Bis hin zu einer Selbstanalyse, ja eigentlich auch über Selbstbeschreibung,
Was wollte ich als Frau selbst bewusst, die sie offenbar tatsächlich war. Es gibt viele Szenen in dem Buch, in dem sie das auch beschreibt, wie sie da agierte.
Ja, irgendwann zieht sie in so einer Schlägerei, will sie glaube ich ihren Lebensgefährten schützen und greift sich irgendeinen großen Krug von einer Bar und zieht dem irgendwen über den Schädel. Und ab dann hatte sie irgendwie Respekt unter den anderen Zuhältern an solchen Storys.
enorm Augen öffnen, weil das gleichzeitig so Moralwandel der Gesellschaft zeigt, gleichzeitig auch sie sehr genau beschreibt, was sie davon hatte eigentlich, nämlich Macht. Sie sagt auch selber, ihr gefiel es deswegen, weil sie sich quasi auch
mächtig da empfand, in jeder Hinsicht. Also so anders als ihre Erfahrungen der 60er einfach waren. Ja, das stimmt. Ich hatte, ich muss zugeben, ich war so ein bisschen skeptisch, als du das vorgeschlagen hast, weil ich gefürchtet hatte, jetzt kommt so ein Buch mit so, was so Sexarbeit so romantisiert, als irgendwie Libertinage und als Emanzipationsgeschichte und so. Und das ist es nicht.
Also es ist auch, es ist natürlich für diese Person selber, es ist für sie eine Emanzipationsgeschichte, auch ihre Lebensgeschichte. Aber es wird nicht so romantisiert. Also sie sagt auch immer wieder zwischendurch, ja Freundschaften im Milieu zum Beispiel waren oft nichts wert. Also sie beschönigt das Leben.
da eigentlich nicht. An anderer Stelle dann schon mal so ein bisschen, finde ich, ist es so ein bisschen Milieusprech, so ein bisschen, ja, so ist das halt, so war das eben. Aber wie du sagst, es ist halt keine Färbung oder so eine unbeheimliche moralische Wertung. Sie erzählt einfach, wie ihr Leben da so war und eben auch mit wahnsinnig viel Härten. Ja, die Härten sind klar gleich in den, also von
früh verstorbenem Kind natürlich dann auch solche Geschichten, Lebensgeschichten, ja, Schwierigkeiten mit den Ehemännern sowieso, also jedenfalls eine andere Form natürlich, die man jetzt sicher auch so kennt. Gleichzeitig aber auch sagt sie, die
die dann für sie gearbeitet haben, das waren dann, sagt sie zumindest, waren eben keine aus von die sozialen Abstiegsgeschichten eigentlich. Das war, so wie sie es erlebt hat in den 70ern, waren das andere, ja viele, sind ja auch Bildungsbürger Kids gewesen und so weiter. Ja, da war sie selbst erstaunt drüber. Aber ja, ja, ja, ja. Trotzdem finde ich, klingt dann doch auch
Also eine Härte durch, die sie vielleicht im ersten Satz nicht erwähnt. Dann sagt sie, ach Mensch, ich wollte ein Mädchen aus so gesitteten Häusern. Und dann kommt raus, naja gut, aber sie war halt doch auch sozusagen eben leider drogenabhängig, musste das deswegen machen. So ist es. Und Aids spielte eine große Rolle. Interessant war auch aber ihr anfängliche Naivität. Das heißt, sie schildert ja auch eigentlich sie dahin und wollte mit Nutten, wie sie sagt, nichts zu tun haben oder so weiter. Sie dachte, was soll das denn jetzt eigentlich? Hier war sie ganz...
Wie sie selber dann sagt, so das Mädchen vom Land oder wie auch immer, dass sie es einfach nicht so richtig begriffen hat, worum es da eigentlich in diesem Bar steht. Sie hat in so einer Bar gearbeitet und hat sich dann nur gewundert, warum hier vielleicht so ältere Männer mit sehr viel attraktiveren Frauen abhängen und sagt dann zu einer Freundin, du ich glaube hier sind Nutten und diese Freundin selber geht da anschaffen und sagt, was, woher, wieso denkst du das denn? Und ja, ist ganz naiv und beschreibt, aber interessanterweise fand ich so, dass die Freundin
freier, auch naiver waren als heute. Also sie sagt, es hatte damals, hatte man wenig Ahnung, also sie besonders wenig als Mädchen vom Land, aber sozusagen in der Stadt und dieses ganze Business sozusagen noch weniger...
Ja, klar. Sie sagt auch, die harten Drogen waren nicht im Spiel. Das sagt sie auch. Das sei noch ein Unterschied gewesen. Deswegen weiß man auch eine bestimmte, sagen wir mal, vielleicht ist da ein bisschen Mythos natürlich da mit dabei. Und wenn man jetzt zum Beispiel nach St. Pauli geguckt hätte, zur gleichen Zeit, wer weiß. Also da ist es vielleicht auch noch ein bisschen anders zugegangen als in München. Jedenfalls hier ist aber die Verbindung Kaprizi, die ist dann tatsächlich auch ihr...
Club, den sie da aufgemacht hatte und tatsächlich war das ja dann in München eben so ein typischer Society. Also man wusste das eben auch. Die Journalisten waren hinterher, die Klatschpresse sowieso. Also sie hatten sie schon auch im Blick und alles war so eine Mischung quasi. Deswegen steckt da auch so eine eigenartige Aufstiegsgeschichte ja drin. Das ist ja auch das Interessante. Also wie sie da quasi plötzlich zu einer
irgendwie Figur darin dann wird. Und diese Macht, die sie da hat, wie du schon gesagt hast, sie lebt ja zum Beispiel auch als Domina das aus und zieht direkte Bezüge zu ihrer Vergangenheit im Burgenland, wie sie da unterdrückt wurde. Dass sie sagte, da habe ich jetzt mal rausgelassen, was sozusagen die Gesellschaft an mir vorher rausgelassen hat. Das sagt sie relativ einfach, so schlicht, so fand ich den interessanten Satz eigentlich, wo man...
Das sagt sie auch nur, ja jetzt vielleicht auch nicht mit so einem riesen Furor, den man jetzt quasi in einem Roman irgendwie lesen würde, so eine Heckensgeschichte und so weiter, sondern sie macht das so recht schlicht und ich glaube, das hat mir persönlich an diesem Buch auch so gefallen, dass diese ganze Tonlage sehr darauf aus ist, genau etwas zu beschreiben auch und nicht viel zu…
So aus dem Rückblick heraus hatte ich so den Eindruck. Sondern mit Bemühen darum zu verstehen selber, wie man damals getickt hat, wie die Verhältnisse so waren. Das fand ich schon eine ziemliche Leistung, weil eigentlich, wie gesagt, aus diesem Stoff natürlich eine enorme andere Story hätte machen können. Oder viel reißerischer, viel...
viel dramatischer oder viel wilder oder viel seltsamer. Und das macht sie quasi auf so eine, ist wie so eine Parallelgeschichte letztlich, so eine Mentalitätsgeschichte von so Sexualität, körperliche Sexualität quasi in der Bundesrepublik. Das fand ich so ganz interessant, wie diese Vorstellungen da so liefen. Also hatte ich jedenfalls, und dieser zentrale Satz, ich spürte eine Macht,
die ich nicht für möglich gehalten hätte. Das ist quasi auch so ein interessanter Punkt, den sie dann selber an der Stelle dann erlebt für sich. Also sowohl in der Domina als auch im Chefin-Dasein. Also irgendwie mit den anderen da auf Augenhöhe dann so zu spielen. Ja, und da frage ich mich aber auch, was steht nicht in dem Buch? Also klar, es ist keine totale Romantisierung, aber es werden mit Sicherheit Sachen weggelassen, weil es ist eben eine Macht, die auch auf...
der Ausbeutung dieser Frauen beruht, die für sie arbeiten. Also sie sagt, bei ihr war es angenehmer zu arbeiten. Sie hat zum Beispiel die Frauen sich die Freier aussuchen lassen, was andere nicht haben lassen oder wie auch immer. Also sie versucht sich da abzugrenzen und das nimmt man auch erstmal so hin, ne? Aber...
rosig war das mit Sicherheit auch alles. Ja, das sind die Fragen. Das wären dann die Fragen, über die man dann reden mit ihr müsste oder auch sonst in der Wahrnehmung. Der Ausgangspunkt des Buches ist natürlich eine tragische Geschichte. Also der Ganze von Aline, einer jungen Frau Anfang der 90er, die dann tatsächlich von einem Freier umgebracht wird in einer Konstellation und sie selbst daraufhin ins Visier
und demzufolge auch mit dem Job dann tatsächlich nach einem Bewährungsurteil gegen sie dann auch aufhört. Und das beschreibt sie schon als Geschichte des Loswerdens. Also sie wollte es dann, sie musste damit eigentlich auch brechen an der Stelle, als tatsächlich eines ihrer Mädchen umgebracht wird. Mhm.
Sie sagt dann allerdings, und das fand ich auch so ehrlich, dass sie dann, sie hat weiter als Friseuse oder Visagistin gearbeitet und offenkundig bestimmt sehr erfolgreich oder stadtbekannt. Und sagt dann aber, sie hat oft an das Geld gedacht. Und das fand ich auch so einen schönen, ehrlichen Satz da. Sie hat da aufgestanden und dachte, ah Mensch, jetzt könnte sie anders auf ihre alte Art hätte stattgefunden.
hätte sie noch ein bisschen Geld. Und hat das so ganz ehrlich beschrieben, dass das eben auch so ein eigenartiger Reiz war dabei. Das fand ich an dem Buch auch so interessant. Dass es auf so eine nette Art und Weise einfach nochmal diese seltsamen Motivationen nochmal so zusammen aufdröselt. Ja, da ist sie nicht, also sie schont sich da jetzt nicht im Sinne, dass sie sagt, ja, ja, ich hatte nur...
weil ich wollte mich befreien oder so. Und ich wollte sie schützen, die Mädchen alle so. Genau, sie sagt schon, klar. Und das Geld, ja. Oder es gibt vorher auch eine Szene, wo du sagst, sie ist nach München gegangen, ihr kleiner Sohn musste in Österreich bleiben und sie wollte eigentlich nur ein bisschen Geld verdienen für ihn.
dann, ja, und um sich da ein anderes Leben gemeinsam aufbauen zu können, aber sie kann ihn dann kaum besuchen, er darf aus Österreich nicht ausreisen, ja, und dann hat sie irgendwann mal ein bisschen Geld in der Tasche und will damit ein Ticket nach Österreich kaufen und dann geht sie doch irgendwie, dann kommt irgendwer aus dem Milieu und sagt, komm, wir gehen hier eintrinken und dann verpulvert sie die ganze Kohle in der Nacht
in so einer Sauftour statt nach Österreich zu ihrem Kind zu fahren. Also das beschreibt sie auch einfach so. Ich glaube, das Ganze ist eher eigenartig, weil das so ein Buch ist, was man, dass ich mich darüber gestolpert habe, was man sonst so nicht kennt. Also dieser ganze, schon gar nicht aus diesem Milieu, also es wird oft, glaube ich,
wahrscheinlich von irgendwelchen Ghostwritern wahrscheinlich viel glamouröser oder viel wilder oder viel romantisierender oder noch mehr geschrieben. Und hier ist man eigentlich so dabei bei so einem Leben. Man guckt so dazu und das ist schon sehr eindrucksvoll gemacht, dass man glaube ich so
Da fällt mir jetzt nicht viel ein. Ich habe da keine richtigen deutschsprachigen Vorbilder dafür und schon gar nicht welche jetzt nach 45 oder so. Man sieht sie richtig vor sich sitzen, finde ich, im Gespräch mit der Tochter, wie sie das so erzählt. Ich finde, man sieht sie richtig vor sich, eben weil es nicht perfekt ausgeschliffen, wie ein Ghostwriter das machen würde. Man sieht sie richtig in so einer Küche sitzen oder so. Und das nochmal erzählen, sich und quasi den
den Nachkommen die Bilanz geben. Also wirklich tatsächlich augenöffnende Lektüre für eine ganze Welt, die einem vielleicht nicht so alltäglich so vertraut ist. Werbung
Vor fünf Jahren begann in Deutschland der erste Corona-Lockdown. Zwei Jahre lang waren wir im Ausnahmezustand und das hat Spuren hinterlassen bis heute. Was können wir aus der Zeit lernen? In unserem neuen Podcast WADA WAS? Geschichte einer Pandemie diskutieren wir drüber. Unter anderem mit dem Virologen Christian Drosten, mit dem damaligen Chef des RKI Lothar Wieler und mit der Ethikerin Alena Bück.
Ich bin Maria Mast, Wissensredakteurin bei Zeit Online und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie reinhören. Waderbas hören Sie auf Zeit Online und überall da, wo es Podcasts gibt. Spannend. Der Klassiker. Ja, dann kommen wir zu unserem Klassiker und das ist diesmal ein wirklich zeitloses Buch, finde ich, das man eigentlich jeden Frühling wieder rausholen könnte. So ist es. Susan Fenimore Cooper, Stunden auf dem Land.
Cooper wurde 1813 in einem Dorf im Bundesstaat New York geboren, also es ist wirklich ein älterer Klassiker. Ihr Vater, James Fenimore Cooper, war erfolgreicher Schriftsteller, später Konsul für die USA in Lyon.
Und der Großvater hatte schon eine Siedlung da gegründet, Cooperstown, in der sie da auch gelebt haben. Also sozusagen eine gute Herkunft für Susan, dann eben auch zu studieren, die Literatur und Zoologie und Botanik studiert hat. Und dadurch, dass sie nicht geheiratet hat, wahrscheinlich auch gut ungestört dem dann nachgehen konnte. Es gab zweimal Kandidaten, als sie in Frankreich waren, wo die der Vater abgelehnt hat. Der eine, weil er Franzose war, der andere, weil er zu alt war.
Und ja, dann hat sie eben im Haus der Familie gewohnt in Cooperstown und sich der Literatur und der Zoologie und der Botanik und auch dem Nachlass ihres Vaters gewidmet. Und sie hat eine Weile Tagebuch geführt über die Spaziergänge, die sie da gemacht hat durch die Landschaft.
Und Rural Hours, das ist der Originaltitel, ist sozusagen eine jahreszeitliche Beobachtung. Es ist unterteilt in Frühling, Sommer, Herbst und Winter und war damals schon gleich wahnsinnig erfolgreich. Ich habe es mir extra aufgeschrieben, zwischen 1850 und 1998 zehnmal neu aufgelegt.
Sie gilt als die erste Frau, die von Bedeutung war in diesem Genre des Nature Writings, dem amerikanischen Genre.
Das ist wirklich für mich auch eine enorme Entdeckung gewesen, weil diese Idee, durch das Jahr hindurch zu gehen und ich muss sagen, ich glaube in Tagebuchform erscheint es, hat sie dann zusammen kompiliert aus verschiedenen, also jetzt nicht ein Jahr, was man sich vorstellen kann, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sondern hat sie, glaube ich, aus verschiedenen Jahren zusammen so übernommen, was man da so gesehen hat.
Und das ist aber wirklich eine faszinierende Tätigkeit, die sie da macht. Es ist eine faszinierende Beobachtungsgabe und Beschreibungsgabe, also eine enorme Schriftstelle oder Schribollanz, die sie da drin schickt. Also sie beschreibt Vögel, sie beschreibt die Natur, wie sie erwacht, wie sie im Laufe der Jahre durchgeht, wie die Bäume, die Arten, also mit einem tatsächlich auch wissenschaftlich geschulten oder interessierten Blick darauf,
eigentlich für bestimmte botanische... Es ist fast ein bisschen Lehrbuch, also natürlich überhaupt nicht Lehrbuch geschrieben, es ist wunderbar literarisch geschrieben, aber man lernt ganz viel, weil sie eine Fülle an Arten beschreibt und deren Eigenarten, das ist ganz toll. Also es ist genau der richtige Klassiker jetzt für diesen Frühlingsbeginn, hoffen wir, den wir da uns ausgesucht haben. Aber interessant ist auch, dass sie tatsächlich auch die vor Ort beschreibt, also wie sie zum Beispiel mit dem Volk der Oneida dann Kontakt
aufnimmt und sie beschreibt das ja wie so eine ethnologische Passage eigentlich auch, wie sie das Zusammenleben dort sind, wie die sich
entwickelt haben in den letzten Jahrzehnten. Und das sagt sie mit dieser seltsamen weißen Distanz gleichzeitig. Gleichzeitig doch auch empathisch für das Schicksal. Also eine ganz eingangs changierende Mischung da eigentlich. Ja, und das macht ihre Texte besonders im Nature Writing, dass eben eigentlich viele indigene Traditionen auch drin vorkommen, dass sie sagt, hier diese Quelle wurde früher so und so benutzt. Das taucht immer wieder auf, ja. Mhm.
Interessant, das fand ich auch die Mischung, sie ist extrem belesen, das heißt wir haben gesagt naturwissenschaftlich fundiert, guckt sie auch überall drauf, erklärt den Leuten auch, was sie jetzt mit dem Baum auf sich hat, wo der vorkommt und welche Vögelarten in Europa auftauchen, aber leider nicht hier und so weiter.
baut sie aber auch Dichter ein, also Schriftsteller. Das heißt, dieses Beschreiben der Natur, die Worte für das Dasein in der Natur, kann sie gleichzeitig auch rückkoppeln an literarische Traditionen. Da gibt es auch ganz feine, kleine Passagen drin, Kapitel. Überhaupt nicht aufdränglich oder penetrant, sondern sehr klug, sodass sie sich da auch einordnen in so eine Tradition. Das hat mir auch wahnsinnig gut gefallen. Also wirklich tatsächlich...
traf das natürlich auch in Amerika
Den Zeitgeist damals um 1850. Wir haben ja Thoreau, haben wir auch hier schon besprochen, voller Begeisterung. Das stimmt, an dem muss ich auch schon denken, dass wir das ja im Herbst mit Thoreau gemacht haben. Und ich finde halt so interessant, weil sie sozusagen wie so eine weibliche Gegenfolie gegen Thoreau ist. Er erwähnt sie auch und das Buch, aber sie liefert so eine andere Naturbetrachtung. Also wo er so rustikal ist, die so ein bisschen sanfter, wo er so
ist sie so eher so die Community da, das Gemeinsame in der Natur und in der Stadt oder wo er so, ja, er ist halt so männlich, da ist sie sozusagen wie so das Weibliche. Schön, dass du das jetzt gesagt hast, Maja, genau. Aber jedenfalls, ich hätte auch den Eindruck, dass das Existenz, also dieses seltsame, dieses existenzialistische Moment da bei Thoreau, also so leicht heroisch, ich finde,
alleine und die Natur und so weiter. Dieses Moment ist hier ja gewechselt zu einer tatsächlichen Aneignung, Beschreibung und sie setzt sich ja eigentlich nicht bewusst so dagegen oder macht ja keinen Individualisierungsprozess da irgendwie durch, so als Heldin eines
Naturdramas, in das sie sich bewusst reinbegibt, sondern sie hat tatsächlich Neugier und Empathie dieser Welt gegenüber. Sie will die quasi vermitteln eigentlich. Ja, und was wissenschaftlich ist, dadurch, dass sie Botanik studiert hat zum Beispiel und wo Thoreau so transzendent eher so ist, ist sie eben die Wissenschaftlerin auch.
Ja, genau. Sie hat eine andere Einflugschneise, was jetzt eben ohne diese aufgeladene metaphysische Perspektive. Und du hast es gesagt, es ist wahnsinnig gut geschrieben. Also wirklich ein zauberhaftes Buch. Zauberhaft jetzt auch
Genau, übersetzt und kommentiert. Also wirklich eine perfekte Leseerfahrung für diesen aufbrechenden Frühling, vor dem wir jetzt hoffentlich stehen. Ja, das war es für heute, unsere vier Titel. Und wir freuen uns, wenn Sie uns in vier Wochen wieder hören mögen. Und in zwei Wochen sitzen dann hier unsere Kollegen Iris Radisch und Adam Soboczynski mit der Belletristik.
Und falls Sie uns zwischendurch erreichen wollen, freuen wir uns, wenn Sie uns eine Mail schreiben an bücher.zeit.de, Bücher mit U-E. Ja, vielen Dank fürs Zuhören und hoffentlich sind Sie das nächste Mal auch wieder bei uns. Bis dahin, tschüss.