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80 Jahre Mumins - Ein Gespräch mit Tove Janssons Nichte Sophia Jansson

2025/4/19
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Bücher für junge Leser

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Deutschlandfunk, Büchermarkt. Die Mumins werden in diesem Jahr 80 Jahre alt. Die Familie aus weißen, Nilpferdartigen Trollen und ihre vielen schrägen Freunde, wie der Montarmonika spielende Schnupferich und die hütende kleine Müh, sind weltweit bekannt. Erfunden hat sie die finnlandschwedische Künstlerin Tove Jansson.

Sie verfasste neun von ihr selbst reich illustrierte Romane über die Moomins, vier Bilderbücher und zahlreiche Comicgeschichten, die seit den 1950er Jahren in täglichen Comicstrips in Zeitungen gedruckt wurden. Die Bücher werden in über 40 Sprachen veröffentlicht und erhielten über 15 verschiedene Fernsehadaptionen.

Tove Jansson wurde 1914 in Helsinki geboren. In der Familie waren alle Künstler. Die Mutter Illustratorin, der Vater Bildhauer, die beiden Brüder Schriftsteller und Comiczeichner sowie Fotograf. Im Laufe ihres Lebens arbeitete Tove Jansson als Malerin, ihre größte Leidenschaft, wie sie selbst sagte, Illustratorin, Comiczeichnerin, Bühnenbildnerin und Autorin von Kinderbüchern, Theaterstücken und Billettristik für Erwachsene.

Bekannt blieb sie aber vor allem für ihre Mumin-Geschichten. Tove Jansson starb 2001. Ich habe mit ihrer Nichte, Sophia Jansson, der Tochter von Tove Janssons jüngerem Bruder Lars, gesprochen. Sie arbeitete viele Jahre als künstlerische Leiterin des Unternehmens Mumin Characters O.U. Limited, das Tove und ihr Bruder in den 1950er Jahren gegründet haben, um das Urheberrecht der Mumin-Figuren zu sichern.

Weltweit gibt es über 800 Lizenznehmer und der Umsatz mit Moomin-Produkten beträgt jährlich über 650 Millionen Euro. Es gibt zahlreiche Moomin-Läden auf der ganzen Welt und Moomin-Themenparks in Finnland und Japan. Ich habe Sophia Jansson gefragt.

Das ist ja ein immenser Merchandising-Markt. Warum sind die Moomins Ihrer Meinung nach bis heute so beliebt? Ich glaube, die Moomins sind heute deshalb so beliebt, weil sie den Menschen eine Art von Trost bieten. Die Geschichten handeln von sehr grundlegenden menschlichen Werten.

Obwohl die Mumins Fantasiefiguren sind, erinnern sie uns doch sehr an uns selbst.

Tove schreibt in ihren Texten über Dinge, die uns auf einer persönlichen Ebene, aber auch auf einer universellen Ebene berühren. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären, am tiefen menschlichen Bedürfnis, irgendwo dazuzugehören. Im Muminhaus sind immer alle willkommen. Es spielt keine Rolle, ob du selbst ein Mumin bist, wie du aussiehst und was deine Geschichte ist.

In den Geschichten geht es auch um Solidarität, Toleranz und darum, friedliche Lösungen für alles zu finden, was auf sie zukommen könnte.

Und im Moomin-Universum passieren viele seltsame und große Katastrophen. Aber das Wichtige ist, wie sie diese Situationen lösen. Und ich denke, dass Tove hier ihre eigenen Ideen dazu einbringt, wie wir Menschen die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, lösen können.

Sie sind die Kreativdirektorin von Moomin Characters. Was genau ist da Ihre Aufgabe? Da muss ich sie ein wenig korrigieren, denn im Moment bin ich nicht mehr Kreativdirektorin. Diese Position habe ich an meinen Sohn abgegeben.

Er ist Grafiker und mittlerweile so etwas wie der kreative Kopf des Unternehmens. Ich bin weiterhin Vorstandsvorsitzende, gebe den Staffelstab aber langsam an die nächste Generation weiter. Aber es ist eine interessante Position. Es geht dabei um das stetig wachsende Bestreben, die Moomins neuen Märkten und einem noch größeren Publikum zugänglich zu machen.

Es geht auch darum, sie so zu belassen, wie Tove sie in ihren Büchern erschaffen hat und ihre Persönlichkeiten intakt zu halten.

Denn wenn es viele neue Interpretationen der Geschichten, Charaktere und Landschaften gibt, können sie sich natürlich leicht von dem entfernen, was sie einmal waren. Und das ist für uns nicht interessant. Wir müssen dafür sorgen, dass sie ihrem Ursprung so getreu wie möglich bleiben. Und gibt es auf der anderen Seite auch Dinge, die der heutigen Zeit vielleicht angepasst werden müssen?

Ja, ich denke, es ist wichtig zu erkennen, dass die Welt sich ständig verändert. Die Geschichten müssen wir nicht so sehr verändern. Wobei in manchen Aspekten vielleicht schon. Ein einfaches Beispiel dafür ist der Schnupferich, der seine Pfeife raucht.

Manchmal, wenn wir Pappbilderbücher für kleinere Kinder machen, fragen die Verlage, oh, können wir die Pfeife weglassen? Denn wir wollen wirklich nicht, dass kleine Kinder sich für das Rauchen interessieren. Also sowas zum Beispiel.

Man muss flexibel sein und entscheiden können, was der heutigen Zeit entspricht. Aber im Allgemeinen möchten wir die Moomins genauso erhalten, wie Tove sie erschaffen hat und sie dorthin bringen, wo das Publikum ist. Nehmen wir zum Beispiel die digitale Entwicklung. Wir müssen auf den Plattformen präsent sein, auf denen die Menschen sie finden.

Also eigenen Content für die sozialen Medien erstellen, im digitalen Raum. Das ist eines der Dinge, an denen wir im Moment arbeiten. Sprechstelle

Sprechen wir jetzt über Tove Jansson und die Anfänge, sprechen wir über ihre Tante. Frau Jansson, wie haben Sie Ihre Tante denn in Erinnerung, wie war sie so? Tove war eine außergewöhnliche Person.

Unsere Familie war ziemlich klein. Ich war Einzelkind und meine Mutter ist gestorben, als ich noch sehr jung war. Mein Vater arbeitete damals sehr eng mit Tuve zusammen. Ich habe sie also oft gesehen, wenn sie gearbeitet haben. Sie war Teil meines engsten Familienkreises mit ihrer Partnerin Tuliki Pietile und meiner Großmutter.

Ich habe sie nicht für eine berühmte Person gehalten oder für etwas Besonderes. Kinder akzeptieren ihre Familie so, wie sie ist. Sie haben eigentlich keine Wahl. Erst als ich erwachsen war, verstand ich, dass sie berühmt war. Und vielleicht sah ich auch ihre Talente in einem anderen Licht. In meiner Familie waren alle Künstler. Jeder hat etwas gezeichnet oder geschrieben. Das schien normal zu sein. Ich dachte irgendwie, dass das in Familien eben so ist.

Aber später habe ich natürlich verstanden, dass ich eine ungewöhnliche Familie hatte. Und heute bin ich sehr dankbar dafür, solche Menschen um mich gehabt zu haben. Ich habe mir gedacht, das ist das, was Familien tun. Aber später habe ich verstanden, dass sie eine sehr ungewöhnliche Familie waren. Und jetzt bin ich sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, solche Menschen um mich zu haben.

Tove Jansson hat die Moomins ja in Bild und in Text erfunden. Und während sie am ersten Buch »Moomins lange Reise« arbeitete, sieht man schon trollähnliche Wesen in anderen Illustrationsaufträgen, etwa für die Zeitschrift »Garm«.

Sind die Moomins zuerst als gezeichnete Figuren entstanden oder hat Tove Jansson zuerst die Geschichten geschrieben? Mit dem Illustrieren begann sie schon sehr früh, als sie etwa 15 Jahre alt war. Von Anfang an hat sie mit dem Illustrieren Geld verdient. Und als eine Art Maskottchen hat sie in viele ihrer Illustrationen eine Figur gezeichnet, die uns heute an einen Moomin-Troll erinnert.

Mal war es eine kleine schwarze Figur, mal war sie weiß. Mit der Zeit tauchte diese Figur in verschiedenen Illustrationen auf. Und als Tove sich während des Zweiten Weltkrieges dazu entschied, die erste Mumiengeschichte aufzuschreiben, hat sie diese Figur verwendet und eine Geschichte um sie herum entwickelt.

Da gibt es eine Mutter, ein kleines Kind und der Vater ist verschwunden. In der Geschichte geht es darum, wie sie sich auf die Suche nach dem vermissten Vater machen. Und es kommt zu einer Überschwemmung.

Weil es ein Märchen ist, finden sie ihn und es gibt ein Happy End. Im Grunde hat diese Figur, der Ur-Mumin-Troll, wenn man so will, schon existiert, bevor Tove eine Geschichte um ihn herum erschuf.

Die Moomins wurden ja so erfolgreich, sie haben es gerade schon angedeutet, dass Tove Jansson die Anfragen irgendwann nicht mehr allein bewältigen konnte und Lars Jansson, ihr Vater, seine Schwester dann unterstützte und den Moomin-Comic für die London Evening News übernahm. Das machte er 14 Jahre lang.

Welche Rolle spielten die Moomins denn damals in ihrem Alltag? Waren die Figuren für sie als Kind präsent? Ja, die Moomins waren in meiner Kindheit sehr präsent. Mein Vater übernahm den Comicstrip 1960. Tove wollte nicht weitermachen.

Und nachdem die Agenten der britischen Zeitung, das sogenannte Comic Syndicate, einige Test-Trips gesehen hatten, die mein Vater gezeichnet hatte, akzeptierten sie ihn als neuen Illustrator für den Comic-Trip. Er hatte ihr schon vorher bei den Manuskripten geholfen. Für ihn war es eine simple Weiterentwicklung seiner früheren Rolle. Als ich erwachsen wurde, zeichnete er also regelmäßig Moomin-Comics. Aber er half auch bei vielen anderen Dingen, die mit den Moomins zu tun hatten.

Unter anderem schrieben sie für eine Fernsehserie gemeinsam Manuskripte. Sie entwerfen Designs für verschiedene Produkte und so weiter. Er übernahm allmählich den geschäftlichen Teil, denn Tove hatte es ein bisschen satt, sich mit Verträgen und dem Rechtlichen zu beschäftigen.

Und so wurde er sozusagen ihre rechte Hand in Bezug auf das Moomin-Geschäft, das sich nach den 1960er Jahren entwickelte. Und wie konnte ihr Vater den Stil von Tove Jansson übernehmen? War das für ihn leichter, weil er ihr Bruder war oder wie hat er das genau gemacht?

Ich glaube, am Anfang hat er wirklich versucht, ihren Stil zu kopieren und das nachzuahmen, was sie tat. Aber natürlich zeichnete er die Comics, wie Sie schon sagten, 14 Jahre lang. In dieser Zeit hat sich also sein eigener Stil in seine Zeichnungen eingeschlichen. Und in den späteren Strips kann man sehen, dass sich der Stil der Moomins verändert hat.

Ich würde nicht sagen, dass sie männlich sind, aber man kann sehen, dass sie von jemand anderem gezeichnet wurden. Sie sind vielleicht nicht mehr so rund und weich. Auf eine Art und Weise werden sie ihm ein bisschen ähnlicher. Wenn Sie an die Moomins denken, haben Sie da sowas wie eine erste Erinnerung an die Moomins?

Das ist eine schwierige Frage, weil sie in meiner Familie immer präsent waren. Aber ich glaube, meine erste Erinnerung ist, dass wir im Landhaus waren und Bücher in den Regalen standen, aber es gab auch die Moomin-Comics in Alben.

Bevor ich lesen konnte, habe ich mir immer die Alben genommen und mir die Moomin-Geschichten angesehen. Ich konnte nicht lesen, aber ich konnte die Geschichten anhand der Bilder im Album verfolgen. Ich glaube, das ist so ziemlich meine erste Erinnerung an die Moomins. Und haben Sie eine Lieblingsfigur? Es ist sehr schwierig, wenn man mit ihnen arbeitet, sie nicht alle gleichermaßen wie die eigenen Kinder zu lieben.

Ich glaube, in Finnland ist die beliebteste Figur die kleine Mue, weil sie ein sehr entschlossenes Mädchen ist, die eine starke Meinung hat. Und ich glaube, wir Frauen wollen uns die meiste Zeit überzeugend und meinungsstark fühlen. Aber ganz ehrlich, wenn man so eng mit den Figuren zusammenarbeitet, neigt man dazu, keine Lieblinge zu haben. Man behandelt sie sozusagen als eine Einheit, als ganze Familie.

Die Mumins leben sehr verbunden mit der Natur, sie haben einen Blick für die schönen Dinge und vor allem, sie haben es schon gesagt, sind sie unglaublich gastfreundlich. Egal ob der grießgrämige Bisam, die unsichtbare Nini oder die wütende kleine Müt zu Besuch kommen, alle Gäste haben ihre Besonderheiten und doch schaffen es alle, friedlich miteinander zu leben.

Nahm Tove Jansson die Charaktere und ihre Ideen aus ihrer näheren Umgebung oder sind die alle frei erfunden? Ich denke, wie jeder Künstler wurde Tove von ihrer Umgebung und den Menschen um sie herum inspiriert. Und natürlich war auch ihre Familie eine große Inspiration.

Aber zu ihren Lebzeiten sagte sie, dass nur zwei der Figuren tatsächlich realen Personen nachempfunden waren. Und das war Mumin Mama, die ihre Mutter verkörperte, und dann Tutiki, die ihrer Partnerin nachempfunden war. Aber ich denke, Toves Genialität liegt vielleicht eher in der Sammlung und dem Zusammenspiel der Charaktere, die sie kreiert. Sie sind alle unterschiedlich, aber jede repräsentiert einen Typus, den wir wiedererkennen.

Und während sie das Mumin-Universum Buch für Buch erschafft, verwendet sie dieselbe Technik, die sie auch als Malerin benutzt hat. Sie versucht, eine komplette Komposition an Charakteren zusammenzustellen. Also fügt sie genau den Charakter ein, der gerade in ihrer Komposition gebraucht wird.

Und wenn sie ihre Geschichten schreibt, dann umfassen diese oft nicht viele Wörter. Es ist die Bedeutung zwischen den Zeilen, die man verstehen muss. Erwachsene finden ihre eigene Bedeutung und Kinder finden eine andere. Es gibt also sehr viele Ebenen in ihren Geschichten. Und genau so kreiert sie auch ihre Charakterkonstellation.

Man muss schon ein bisschen tiefer schauen, um herauszufinden, wie sie alle zusammenpassen. Die Mumiengeschichten sind ja vor allem auch sehr lustig und sehr fantasievoll.

Aber es werden auch Weltuntergangsstimmung, Naturkatastrophen, Flucht und Integration verhandelt. Themen, die uns ja auch in der heutigen Zeit sehr bewegen. War Tove Jansson eine politische Künstlerin, die sich gesellschaftlich engagieren wollte? Also

Ich glaube, sie verfolgte die Politik und die Gesellschaft sehr genau. Aber sie war nicht öffentlich politisch. Sie hasste zum Beispiel das Wort Philosophie in Bezug auf ihre Mumins.

Sie hatte klare Ideen und Meinungen über die Menschheit und darüber, wie sie am besten miteinander umgehen sollten. Und das hat sie in ihre Geschichten einfließen lassen, sodass genau das zu einer Art grundlegenden Philosophie wurde. Aber wirklich politisch war sie nicht.

Sie hat die Welt in ihren Geschichten bis zu einem gewissen Grad widergespiegelt. Vor allem, wenn man an die frühen Geschichten denkt, an Komet im Mumintal zum Beispiel. Viele Professoren für Kinderliteratur haben gesagt, dass der Komet eine Allegorie für eine Atombombe ist. In gewisser Weise ist die reale Welt also die ganze Zeit da.

Tove übersetzt sie nur in fantastische Geschichten, die für die Lesenden leicht zu verkraften sind und ihnen ein gutes Gefühl geben, während sie gleichzeitig Dinge über die Welt und auch über sich selbst verstehen. Ein weiteres starkes wiederkehrendes Motiv, auch in den Büchern für Erwachsene zu finden, ist das Bild eines gemütlichen Hauses in der Natur in der Nähe der Küste.

Welche Rolle spielten das Zuhause und die Natur für Tove Jansson? Die Natur war ein sehr großes Thema für sie. Sie lebte in Helsinki, einer sehr kleinen Stadt. Und im Sommer lebte sie an der Küste Finnlands auf einer Insel, umgeben vom Meer. Für sie war das ein sehr großes Thema.

Finnland ist ein ziemlich großes Land mit einer sehr geringen Bevölkerungszahl. Hier wusste jeder, wie man ein Feuer macht, Holz hakt und solche Dinge. Die Urbanisierung kam erst sehr spät nach Finnland. Für Tove war es keine Frage, dass man die Natur und ihre Schönheit respektieren muss. Auch das Zuhause war wichtig für Tove. Es ist ein Ort, an dem man sich ausruht und sicher ist.

Aber für Tove musste das Haus im wirklichen Leben nicht wie ein Haus aussehen. Es konnte auch ein Zelt sein. Sie hatte ein kleines Haus auf einer Insel und es gibt lustige Geschichten darüber, wie sie mit ihrer Partnerin dieses Haus gebaut hat. Und wenn dann die Gäste kamen, wollte sie unbedingt in einem Zelt schlafen. Also schliefen sie und ihre Partnerin immer im Zelt, während die Gäste im Haus schliefen. Da kann man die Geräusche der Natur hören, den Wind und die Vögel.

Ich glaube also, dass die Natur ein sehr, sehr wichtiges Element für sie war. Welche Themen sind darüber hinaus zentral im Werk von Tove Jansson?

Vor allem in ihrer Belletristik für Erwachsene, den Büchern, die sie nach den Moomin-Geschichten geschrieben hat, geht es meist um zwei Menschen, die über etwas diskutieren, um die Interaktion zwischen ihnen. Oft gibt es einen recht lebhaften Dialog.

Aber das, was wirklich passiert, steckt zwischen den Zeilen. Man liest eine Geschichte an der Oberfläche, aber wenn man sie beendet hat, merkt man, oh, da geht eigentlich noch etwas anderes vor sich. Und am Ende lässt es die Lesenden nachdenklich und kreativ zurück.

Außerdem hat Tove zu Lebzeiten in vielen Interviews gesagt, dass es ihrer Meinung nach die wichtigste Aufgabe eines Autors sei, das Ende einer Geschichte offen zu lassen, damit die Lesenden die Geschichte selbst in ihren Köpfen weiterführen können.

Denn sie fand, dass die Schönheit der Literatur darin läge, allen Lesenden eine weitere Dimension zu geben, in die sie sich selbst hineinfantasieren können.

In dem Bilderbuch »Die Mumins und der unsichtbare Gast« nimmt die Mumin-Familie ein verängstigtes, unsichtbares Mädchen auf und das Kind wird durch die Hinwendung der Mumins nach und nach wieder sichtbar. Dieses Buch ist ihnen gewidmet. Und in dem Roman »Das Sommerbuch« heißt die Hauptfigur, die den Sommer bei ihrer Großmutter auf einer norwegischen Insel verbringt, Sophia, genau wie sie.

Welche Bedeutung haben diese beiden Geschichten für Sie? Der unsichtbare Gast ist eine der berühmtesten Geschichten von Tove. Und das hat seinen Grund. Sie hat eine sehr wichtige psychologische Botschaft. Tutiki bringt dieses unsichtbare Kind zum Muminhaus, weil sie glaubt, dass Muminmama es heilen kann.

Und wir finden heraus, dass der Grund, warum das kleine Mädchen unsichtbar ist, darin liegt, dass es von jemandem sehr schlecht behandelt wurde. In der Obhut der Mumin-Familie, weil sie nett zu ihr sind und sie so sein lassen, wie sie ist, und ihr Aufmerksamkeit und Liebe schenken, wird sie allmählich sichtbar.

Als sie am Ende sieht, dass Mumin Papa, Mumin Mama vom Steg ins Meer stoßen will, rennt das unsichtbare Kind auf ihn zu und beißt ihm in den Schwanz und schreit, weil sie Mumin Mama beschützen will, die so nett zu ihr war. Und das ist ein psychologisch sehr wichtiger Moment, denn sie glaubt an ihre eigene Kraft, dass sie tatsächlich jemand anderem helfen kann. Und sie bekommt ihre Stimme zurück.

Und natürlich ist es eines meiner Lieblingsbücher. Die Geschichte ist sehr schön erzählt. Das Sommerbuch handelt von einer Großmutter und einem kleinen Kind namens Sophia. Und natürlich heiße ich auch Sophia.

Ich möchte also glauben, dass das Mädchen in der Geschichte ich bin. Natürlich ist es eine fiktive Geschichte. Aber es gibt viele Dinge, die mit der Realität übereinstimmen. Wir leben auch auf einer kleinen Insel und ich hatte eine Großmutter. Und so gibt es viele Parallelen. Aber man sollte auch hier Tobes Fähigkeiten als Autorin nicht unterschätzen. Sie ist diejenige, die diese Dinge aus der Realität nimmt und sie in die Form bringt, die sie für das Sommerbuch wählt.

Sie baut also die Geschichten rund um diese beiden Figuren, um die Beziehung zwischen einem sehr alten und einem sehr jungen Menschen. Normalerweise sind das diejenigen, die sich selbst überlassen sind, weil die mittlere Generation die ganze Arbeit macht, während die sehr alten und die sehr jungen Menschen auf sich allein gestellt sind.

Und die beiden entwickeln also eine sehr liebevolle, aber anarchische Beziehung, in der sie über das Wesen unserer Existenz, über das Leben, den Tod, die Liebe und den Tod der Mutter des kleinen Mädchens sprechen. Und so gibt es auch hier das Thema, dass jemand fehlt. Mir sind viele Dinge sehr vertraut. Als ich das Buch zum ersten Mal las, wollte ich natürlich denken, dass es um mich geht. Aber es geht auch um Toves Kindheit.

Und einige Dinge sind auch frei erfunden. Es ist also ein fiktives Werk. Das war Sophia Jansson, Nichte von Tove Jansson und ehemalige Kreativdirektorin von Moomin Characters.

Im Jubiläumsjahr der Moomins sind einige Neuauflagen und neu interpretierte Bilderbücher zu Tove Janssons Erzählungen erschienen. Einige der lange vergriffenen Bände mit den gesammelten Moomin-Comics von Tove und später Lars Jansson sind seit diesem Jahr wieder erhältlich. Auf ihrem Höhepunkt erschien diese Serie in über 40 Ländern und etwa 120 Zeitungen.

Außerdem sind mit Abenteuer im Mumintal und Tovla und Vivsla im Mumintal zwei Bilderbücher mit neuen Illustrationen von Cecilia Heikilä und Maja Jönsson entstanden. Und in Die Mumins finden ein Zuhause wird der erste Mumin-Roman in Pop-Up-Bilderbuchform gebracht. Wer sich originale Illustrationen von Tove Jansson ansehen möchte, kann die Chance zwischen dem 17. Juli und 5. Oktober ergreifen.

Das Fälleshüs in Berlin präsentiert dann nämlich nordische Kinderliteratur, sowohl von zeitgenössischen als auch von klassischen Illustratoren wie eben Tove Jansson. Und damit verabschiede ich mich. Das waren die Bücher für junge Leserinnen und Leser für diese Woche. Sie hören jetzt Computer und Kommunikation. Mein Name ist Svenja Kretschmer und ich wünsche Ihnen schöne Ostertage.