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Die Besten 7 im April

2025/4/5
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Bücher für junge Leser

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Shownotes Transcript

Deutschlandfunk, Büchermarkt. Ein ungewöhnliches ABC, ein ungewöhnlich altes Mädchen, ein ungewöhnlicher See, ein ungewöhnliches Telefon in einem Baum, eine ungewöhnlich bizarre Mutprobe, eine ungewöhnliche Fähigkeit, eine ungewöhnliche Liebe.

Sie hören im Büchermarkt mit der besten Liste des Deutschlandfunks, die besten sieben im Monat April und mit Ute Wegmann. Und im Studio begrüße ich sehr herzlich unsere Jurorin, Direktorin der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, Karin Fach. Karin Fach, wir beginnen mit unserem großartigen, ungewöhnlichen Alphabetbuch A wie Biene, ein ABC mit tierisch guten Übersetzungen. So der Untertitel. Text und Illustration kommen von der Amerikanerin Ellen Haig.

A wie Biene versteht man erst mal nicht. Was hat Ellen Heck gemacht?

Man nehme ein Lieblingstier und suche in verschiedenen Sprachen, es gibt übrigens 6500, nach den Nomen für dieses Tier, die mit gleichen Buchstaben beginnen. Beispiel K wie Kaninchen, theoretisch in Deutsch, aber Kaninchen heißt auf Hawaiianisch Lapaki, auf Französisch Lapin, auf Albanisch Lepur. Wir haben also einen Buchstaben, ein Tier, eine Seite. Die Anzahl der Worte ist immer unterschiedlich.

Jetzt frage ich mich gerade, habe ich das richtig erklärt, Karin Fach? Ja, das Buch ist ganz schön komplex. Man denkt es gar nicht. Erstmal ist man irritiert und wundert sich. A wie Biene passt ja eigentlich gar nicht. Und dann kommt man ins Blättern und Stöbern und macht dann doch einige Entdeckungen. Sie haben das schon wirklich gut erklärt.

Das ABC wird durchschritten und auf jeder Seite ist ein Tier abgebildet, dessen Bezeichnung zu dem jeweiligen Laut des Buchstabens unseres Alphabets passt. Ich habe jetzt deshalb auch von laut gesprochen, weil es tatsächlich um Laute geht.

Es werden ja viele Sprachen aufgeführt, die gar nicht in der lateinischen Alphabetschrift abgebildet werden, sondern sogar auch noch andere Schriftsysteme verwenden. Und das bedeutet, dass die Autorin, Illustratorin,

erstmal auch Wörter suchen musste, die mit den Lauten beginnen, die dann unserem ABC oder unseren Lauten des ABCs entsprechen. Und sie musste Wörter finden, die Laute finden, dann aus den anderen Schriftsystemen die Schreibweise transkribieren, sodass sie dann in der lateinischen Alphabetschrift abgebildet sind.

Das ist wirklich ein sehr komplexes Unternehmen und macht auch noch mal deutlich, wie Sprache funktioniert, also die Laut-Symbol-Zuordnung funktioniert. Das fand ich schon mal ganz großartig. Ich bin auch selbst so ins Recherchieren gekommen, weil ich dann mich gefragt habe, wo kommt denn diese Sprache her? Welche Volksgruppe spricht sie? In welcher Region wird denn diese Sprache gesprochen? Das finde ich wirklich großartig. Es sind ja insgesamt 68 Sprachen abgestimmt.

Und es gibt am Ende im Anhang sogar noch einen Link zu einer Plattform, dass man sich da die einzelnen Wörter, die einzelnen Bezeichnungen dann auch nochmal anhören kann. Und was ich auch richtig spannend fand, es gibt hier in der Sprachwissenschaft die sprachliche Relativitätshypothese von Sapir-Worff, die besagt, dass die Bildung von Sprachen auch von der Umgebung abhängt. Und das zeigt sich hier auch in diesem Buch. Da

Da kommt zum Beispiel eine Sprache vor, die in Mexiko gesprochen wird und die hat keinen allgemeinen Begriff für Papagei, sondern immer nur spezifische Begriffe für bestimmte Papageienarten. Das heißt also, in der Region sind ja viele verschiedene Papageien und da gibt es eben keinen allgemeinen Begriff wie bei uns.

Und dann hat sich die Autorin dazu entschlossen, den Papagei abzubilden, der in der Region am meisten verbreitet ist. Das ist jetzt alles die Vorarbeit, die die Autorin, Illustratorin Ellen Heck geleistet hat. Das ist super spannend für uns Erwachsene. Das Buch ist aber natürlich illustrativ.

großartig gestaltet. Wie hat sie das denn für Kinder aufbereitet? Ja, also so wie wir auf der sprachlichen Ebene diese Vielfalt haben, so haben wir auch auf der bildlichen Ebene diese Vielfalt. Die Biene zum Beispiel, die ist teilweise naturalistisch abgebildet. Man sieht dann fast wirklichkeitsgetreu die einzelnen Herrchen. Und dann gibt es aber auch wieder abstrakte Bildelemente, sodass da wirklich auch so ein Mix unterschiedlicher Zeichenstile verarbeitet wurde.

Das Lesen und Blättern, das kann man, glaube ich, festhalten, ist ein großes Vergnügen und Kennenlernen vieler Sprachen. Sie haben es auch schon erwähnt, viele Sprachen, von denen man noch nie gehört hat. A wie Biene, ein ABC mit tierisch guten Übersetzungen von Ellen Heck aus dem amerikanischen von Regina Joos, Carlsen Verlag, 40 Seiten ab 5.

Ungewöhnliches steht heute im Mittelpunkt unserer Sendung. Ungewöhnlich, dass ein Kind durch einen Zauber nicht altert, schließlich den 100. Geburtstag feiert, alle überlebt hat und dabei unglücklich ist, weil es sich eine Freundin wünscht. Edith, mit einem weiteren Zauber ausgestattet. Edith kann Dinge zum Leben erwecken. Das macht sie. Ihre beste Freundin wird eine Zitrone.

Edith, das Mädchen von 100 Jahren, so der Titel, Autorin und Illustratorin Katharina Walx, lebt in Amsterdam, studierte in Frankreich und amüsierte uns schon vor Jahren mit den Büchern um Billy, vor allem mit dem Bilderbuch Pfotenhoch. Edith, das ist aber gar keine so ganz lustige Geschichte, oder, Karin Farr?

Jein. Also natürlich, das illustrierte Kinderbuch erzählt im Grunde von einem ernsten Thema. Wir haben alle diesen Wunsch, ewige Kindheit, ewige Jugend, das ist ja auch ganz modern.

Anti-Age sozusagen. Und es wird deutlich, dass eben dieser Wunsch ihr einsam macht. Und es geht darum, was man sich vom Leben wünscht. Und was eben letztlich wichtig ist, das sind Freunde, Freundinnen, die Familie. Und Edith wächst ja auf, erst mal als ganz normales Mädchen und merkt dann, meine Freundinnen werden älter und interessieren sich nicht mehr für die Kinderspiele. Und am Ende sind die Eltern ja auch tot, wie sie ja auch schon am Anfang gesagt haben. Es macht einsam. Aber...

Aber ich finde, bei all dem hat das Buch doch eine gewisse Leichtigkeit.

Es hat auch eine Komik, also zum Beispiel, dass nun eine Zitrone zum Leben erweckt wird und die Freundin wird. Das finde ich schon sehr, sehr witzig. Oder es gibt zwei Feen, die diese Gaben verteilen und eine davon ist jung, die andere alt. Und am Ende der Geschichte begegnet sie wieder der jungen Fee, die aber inzwischen alt geworden ist. Das kennen wir ja gar nicht aus Märchen, da bleiben ja die Feen immer altersgleich. Also das finde ich schon sehr witzig.

Und das passt auch zu den Illustrationen, die, wie ich finde, schon auch etwas Karikaturistisches haben. Also die sind wirklich sehr lustig. Und was mich auch besonders beeindruckt hat, das sind die Augen. Also die Illustratorin schafft es, entweder mit Kreisen oder oval oder auch mit der Art Wurzeln,

wo die Pupille platziert wird, eine ganze Gefühlspalette wiederzugeben, also mit ganz wenigen Mitteln. Und das ist schon ganz großartige Kunst. Ewiges Leben nicht erstrebenswert, dafür aber ein Plädoyer für die Freundschaft. Edith, das Mädchen von 100 Jahren von Katharina Walx aus dem Französischen von Julia Süssbrich, Moritz Verlag. 86 Seiten ab 6.

Man nehme eine Hochhaussiedlung, vier Freunde, Langeweile, einen See, der im Sommer nicht mehr auftaut. So die Mischung von Wilke Mehling. Man kennt das, es geht meistens bei ihm um soziale Klassen. Die einfarbig blauen Bilder schuf der Kieler Illustrator Jens Rasmus, der gerade mit seinem eigenen Buch »Regentag« für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. »Der Sternsee«, so der Titel. Worum geht es in der Geschichte?

Es geht, wie Sie jetzt auch schon gesagt haben, es ist das Setting, was Will Mehling auch gerne wählt, also eine Gruppe am Rande der Gesellschaft.

Eine Vierergruppe, ich erzähle Anastasia, Sissi und Mo, Freundinnen, die so ihr ganz normales Alltagsleben leben. Vielleicht noch das eingeschoben, weil wir das ja auch bei Willem Mähling kennen, es erinnert, finde ich, auch sehr stark an die Kinderliteratur der Kindheitsautonomie. Wir

Wir haben zwar nicht die Idylle Bullerbüs, aber auch die Hochhaussiedlung erweist sich bis zum gewissen Grad als idyllisch. Also da gibt es diesen See, der von oben aussieht wie ein Stern und dann Sternsee genannt wird und die Natur spielt auch eine Rolle und auch die

Kinder beschäftigen sich auch mit ähnlichen Sachen wie vielleicht die Kinder Bullerbüs, also mit Fußballspielen, Pfeil und Bogen bauen, Höhlen bauen, Feuer machen. Also erleben auch so eine unbeobachtete Kindheit. Und dann kommt das mit dem See, das Ungewöhnliche. Es ist eigentlich so ein irrationales Moment in dieser Erzählung, wo man auch erstmal ein bisschen stolpert, weil man denkt, wie passt das jetzt so zu dem Ganzen?

Ich habe mir das jetzt so überlegt, die Kinder sind mit sich beschäftigt und sie denken auch über ihr Leben nach und denken darüber nach, wo sie hingehören, was Freundschaft ausmacht, wie es ist, vielleicht wegzugehen. Sie teilen sich ihre Träume mit und dieser See, der friert zu, das ist ein wahnsinniges Medienereignis, da kommt die Presse und alle berichten darüber, weil es draußen warm ist und der See zugefroren bleibt.

Und das alles berührt aber nicht besonders die Freundschaft. Themen. Und auch als der See dann hinterher wieder auftaut, ist die Freundschaft das, was überdauert. Und vielleicht wird es gerade durch diesen zugefrorenen See auch besonders hervorgehoben.

Ein Rasmus kann es wirklich hervorragend ins Bild setzen. Denn egal, wo die Kinder sich gerade aufhalten, ob sie frierend im Regen stehen oder lässig an einem Kiosk lehnen, immer wird die Verbundenheit dieser vier FreundInnen besonders hervorgehoben. Und ich glaube, darum geht es dann letztlich in der Geschichte. Der Sternsee von Wilk Mehling mit Bildern von Jens Rasmus, Peterhammer Verlag, 56 Seiten, ab 9, sagt der Verlag.

Von der Hochhaussiedlung in die Einfamilienhaussiedlung, dort, wo man einen Baum in den Vorgarten pflanzt, wenn ein Mensch geboren wird oder wenn einer stirbt. Ayla und ihre Freundin Kiri haben natürlich je einen eigenen Baum und sie sind sich so nah, auch räumlich, dass sie ihre Bäume sogar sehen können. Aber plötzlich ist Kiri nicht mehr da.

Die Amerikanerin Alison McGee hat erneut ein beeindruckendes, berührendes Kinderbuch geschrieben, diesmal zum Thema Tod und Trauer. Das Telefon in der Birke.

Es ist etwas passiert. Wir spüren es, ohne es zu wissen. Wir ahnen es, weil wir Erwachsene sind. Wir nehmen die Stimmung auf, die Sprachlosigkeit und folgen Eila Tag für Tag, ihren Erinnerungen an Kiri und den Berufswunsch der beiden Kinder, Bräume zu werden. Aber es gibt einen Tag, an den Eila nicht denken will. Dieser eine Tag. Karin Fach, wie erzählt Alison McGee diese Geschichte?

Sie erzählt sie wirklich sehr besonders. Es ist ja auch ein sehr schweres Thema und es ist nochmal ein ganz anderer Zugang, der hier eröffnet wird. Die Ich-Erzählerin ist sehr mit der Freundschaft zu Kiri beschäftigt, ihre beste Freundin von Baby an. Sie hat auch den Ausdruck, meine du und ich für immer ewig Kiri. Also das finde ich ist auch ein ganz besonderer Ausdruck. Und

Ayla rechnet damit, dass Kiri zu ihrem elften Geburtstag zurückkommen wird. Die Lesenden ahnen, sie kommt nicht zurück, sie ist tot, aber Ayla wird Zeit gelassen. Sie wird nicht mit der grausamen Wahrheit konfrontiert. Ayla bekommt die Zeit, zurückzudenken, an ihre geliebte Freundin zu denken, die immer so stark war, die auch so groß von der Zukunft dachte und lebt.

Das finde ich sehr berührend, dass jetzt nicht die Wahrheit dem Kind aufgedrückt wird, sondern sie eben Zeit hat, nachzudenken. Und dann kommt das Telefon ins Spiel. Da steckt plötzlich ein Telefon in ihrem Baum fest.

Und dann beobachtet Ayla, dass Personen, Leute aus der Nachbarschaft vorbeigehen und mit dem Telefon telefonieren und ihr Leid und ihren Kummer erzählen. Und eines Tages hat sie auch den Mut, den Hörer abzunehmen und von ihrem schlimmen Tag zu erzählen, an dem sie Kiri durch einen Autounfall verloren hat. Es ist eine zarte, sensible Geschichte darüber, wie ein Kind ...

mit dem Trauma des Verlusts einer geliebten Freundin tastend vorsichtig umgehen kann. Und vielleicht noch kurz zum Layout. Das, was erzählt wird, spiegelt sich auch sehr gut in dem Layout wieder. Also wir kennen das schon von Alison McGee, von dem Buch, wie man eine Raumkapsel verlässt. Der Textsatz ist mittig angeordnet. Man hat oben und unten

sehr viel Weißraum. Also das ist so ein bisschen auch symbolhaft für die Zeit, die Ayla zur Verfügung bekommen kann. Vielleicht kann man es so deuten. Es gibt kleine Vignetten am Rand, die Birke und Kiefer. Das sind die beiden Bäume, die die Mädchen hatten und auch ein Telefon ist abgebildet. Und besonders emotionale Ereignisse werden dann auch nochmal typografisch hervorgehoben.

Über die Wichtigkeit der Trauer, Sie haben es eben schon gesagt, und über die für jeden Menschen angemessene Zeit. Aber auch geht es hier um den Wert der Erinnerungen. Das Telefon in der Birke von Alison McGee aus dem Englischen von Birgit Kollmann, DTV-Reihe Hansa, 208 Seiten, ab 9. Ein ebenfalls psychologisch und atmosphärisch dicht gearbeiteter Kinderroman kommt aus Belgien von Hermann van de Weytjeven, Schauspieler und Dramaturg.

Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen. Erzählt von besten Freunden, die sich verlieren, weil ein Dritter dazukommt. So fern, so gut, das kennen wir, Karin Fach, das lesen wir oft. Aber was macht dieses Buch zu etwas Besonderem, dass es die Jury gewählt hat? Ja, es geht hier um diese Zweierfreundschaft zwischen dem Ich-Erzähler Bent und Jury.

Das Besondere des Buches ist einmal, dass es auf ein bestimmtes Ereignis hinaus erzählt. Also wir ahnen, es wird etwas Schlimmes passieren. Es baut sich auch so eine Art Rätselspannung auf. Das wird dadurch erreicht, dass der Ich-Erzähler aus der Gegenwart, aber auch aus der weiteren oder näheren Vergangenheit erzählt, sodass man immer einzelne Versatzstücke sich selbst zusammensetzen kann, um zu begreifen, was da passiert ist.

Da ist ein Dritter dazugekommen, Finn. Und diese enge jungen Freundschaft hat sich verändert. Aber ich würde auch sagen, das deutet sich vorher schon ab, bevor wir etwas über Finn erfahren. Und das ist das Besondere. Es gelingt...

Situationen sprachlich so zu beschreiben, dass man sie sich auch wirklich sehr gut ausmalen kann. Und eine Schlüsselszene ist für mich die Situation, als Bent und Juri auf der Zugbrücke sitzen und Bent ganz in sich ruht und mit dem Ferienbeginn und dem Wasser und so im Einklang ist. Und dann fordert Juri Bent heraus, lass uns doch mal über das Geländer der Zugbrücke gehen. Und da geht es so los, dass beide anfangen, sich Mut bereitzustellen.

Proben zu stellen und sich gegenseitig anstacheln. Auf der einen Seite beweisen sie sich gegenseitig Stärke, aber es kommt auch so eine Art Konkurrenz rein, weil immer die Gefahr auch besteht, dass der andere das dann nicht mithalten kann und nicht so schafft. Am Ende erfahren wir, weil Bent so enttäuscht ist,

dass er dann Juri zu einer sehr risikoreichen Mutprobe herausgefordert hat. Am Ende geht es noch gut aus, will ich mal so verraten, aber doch erstmal schwere Folgen hat.

Sie haben es erwähnt, es wird ja nicht chronologisch erzählt, sondern es ist ein Hin- und Herswitchen in den Zeiten. Das ist ja durchaus anspruchsvoll für junge Lesende. Das ist anspruchsvoll, aber ich glaube, dass es sehr gut gelingt, sich in die Protagonisten hineinzuversetzen durch kurze Sätze. Also auch der Ich-Erzähler ist sehr glaubwürdig und diese Emotionalität ist,

die da auch erzählt wird, ist das, glaube ich, für die jungen Leser sehr attraktiv und sie können sich gut hineinversetzen. Wohin Verzweiflung und auch Angst vor Entblößung führen können. Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen. Von Hermann van de Weijewen aus dem niederländischen von Birgit Erdmann Mixed Vision Verlag, 176 Seiten, ab 11.

Atmosphärisch dicht, dafür ist sie bekannt, die Amerikanerin Lauren Walk, die mit Der Sommer, in dem ich Lügen lernte im Jahr 2018 zusammen mit ihrer Übersetzerin Birgit Kollmann den katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis gewann. Auch jetzt nimmt sie uns mit in einen heißen Sommer auf dem Land in den USA zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Ein Mädchen wird von einem Blitz getroffen, überlebt, weil jemand vor Ort ihr eine Herzmassage gegeben haben muss. Jemand, der sich nicht zu erkennen gibt. Seit diesem Blitzschlag hat sie Fähigkeiten. Sie versteht die Tiere. Sie weiß, was sie fühlen und was sie empfinden, vor allem die Hunde. Und um Hunde geht es in erster Linie. Hunde, die verletzt sind, Hunde, die verschwinden. Der Sommer, in dem der Blitz mich traf. Was ist das zentrale Thema?

Ja, das mit dem Blitzschlag, das kommt vor. Aber ich würde gar nicht sagen, dass das das zentrale Thema ist. Sondern bei Lauren Wolk ist es ja so, dass es immer auch um Familie geht. Und zwar Familie in verschiedenen Konstellationen. Familie muss nicht Verwandtschaft bedeuten, sondern kann auch tiefe Freundschaft bedeuten. Da würde ich sagen, das ist ein großes Thema. Zugehörigkeit, Treue, einen Platz zu finden im Leben. Das würde ich jetzt einmal als zentralen Punkt in dieser Geschichte sagen.

Sie haben auch schon gesagt, dieses Dichter erzählen, diese Naturbeschreibung ist ja auch eine große Stärke der Autorin. Und sie erzählt immer von mutigen Mädchen. Und die kommen auch hier vor. Also einmal Annabelle, die wie gesagt vom Blitzschlag getroffen wird. Sie fühlt sich sehr hingezogen zu Andy.

Es ist ein verwahrloster Junge, der von den Eltern geschlagen wird, der einfach nicht gefördert wird. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen und erfährt dann, dass er es war, der sie gerettet hat nach diesem Blitzschlag. Und dadurch wird das Band zu Andy nochmal verstärkt. Außerdem gibt es noch ein zweites Mädchen, Nora.

die an Epilepsie leidet und die ihre Mutter bei einem Zugunglück verloren hat und auch dabei war, als die Mutter starb, also ein traumatisiertes Kind.

Es ist auch eine spannende Geschichte. Es geht dann um Hundefänger und um Hundewetten und man will auch Hunde retten. Also da ist ganz viel Bedrohungsspannung da. Das ist einfach auch gut zu lesen. Und was ich auch noch ganz toll finde, das ist jetzt so etwas nebenbei, die Beschreibungen des Essens. Also das ist mir in diesem Buch auch nochmal besonders aufgefallen.

dass dann auch auf das Essen so viel Wert gelegt wird. Also der Korb mit Brötchen und einer Schüssel mit Eiersalat und klein geschnittenen, eingelegten Gürkchen. Das wird so ganz...

malerisch beschrieben oder auch der Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, der immer zum Nachtisch gereicht wird. Nun haben Sie die Protagonistin erwähnt und ihre Zuneigung oder wie auch immer man das nennen mag zu diesem Jungen. Lauren Wok bezieht sich ja in diesem Buch immer wieder auf eine Geschichte, die zuvor passiert ist. Und zwar ist es, wenn wir das Buch kennen, die Geschichte aus dem Buch »Der Sommer, in dem ich Lügen lernte«.

Ich finde das schwierig, weil der Sachverhalt dieser ersten Geschichte nicht ganz erzählt wird. Wie ist es Ihnen damit gegangen? Ging mir ganz genauso. Es ist im Grunde eine offene Frage geblieben. Es wird immer etwas angedeutet,

Wenn man das Vorgängerbuch nicht kennt, kann man mit diesen Andeutungen im Grunde nichts anfangen. Wir wissen, da ist irgendwas passiert, aber es wird nicht aufgelöst. Das finde ich ein bisschen schade, muss ich sagen. Also für LeserInnen, die nur dieses Buch haben, die fragen sich natürlich, was ist da passiert.

Dennoch, man liest es wahnsinnig gern und man liest vor allen Dingen auch gern, wie Sie gesagt haben, die Szenen, wo es ums Essen geht und wo die Familie um den Tisch sitzt. Eine starke Mädchenfigur, eine schöne Sommergeschichte, der Sommer, in dem der Blitz mich traf, von Lauren Walk. Auch dieses Buch ist übersetzt aus dem Englischen von Birgit Kollmann, Hansa Verlag, 304 Seiten ab 12.

Eine schöne Sommergeschichte, das ist auch unser letztes Buch. Eine Graphic Novel, ein großartig gezeichneter Comic über eine sich ganz allmählich entwickelnde Liebe einer 16-Jährigen zu einem anderen Mädchen.

In kleinen Schritten, vor allem aber über Sprache und Gedichte und das Lernen unregelmäßiger englischer Verben, nähert sich Raquel dem fremden Mädchen vor allem aber den eigenen Gefühlen an. Beeindruckend erzählt und bebildert von der portugiesischen Illustratorin und Autorin Joanne Estrela.

Karin Fach, wie ist dieses Buch aufgebaut in Text und Bild und Farbe und Nichtfarbe? Es ist eine Fülle. Es ist wirklich eine Entdeckung gewesen, dieses Buch. Der Verlag wirbt ja mit dem Begriff, dass es eine Slice-of-Life-Erzählung ist, also eher ein Ausschnitt aus dem Alltag. Also es kommt so ein bisschen thematisch unscheinbar daher und das ist ja auch so. Es ist ein Ausschnitt aus dem Alter, aber es wird fulminant erzählt.

Wir haben einmal auf der sprachlichen Ebene unterschiedliche Textsorten. Das werden kurze Prosa-Texte, Gedichte. Es werden auch viele Listen weitergegeben. Also das finde ich auch wirklich verrückt, dass so Listen auch dann so viel Information geben und auch die Erzählung vorantreiben können. Und dann die vielfältigen Bilder. Die Bilder sind in schwarz-weiß gehalten.

Teils sind sie doppelseitig mit großen schwarzen Flächen. Dann haben wir wieder kleine Bilderfolgen, die wie eine Art Daumenkino funktionieren, viel Dynamik und Bewegung reinbringen. Sehr abwechslungsreich, aber auch immer so diesem Erzählten angepasst. Mal erhalten wir einen Überblick über die Bilder, mal wird bildlich ganz rangesoomt und man sieht Objekte groß und im Detail, beispielsweise Blattadern.

Dann wird teilweise über Text mehrere Seiten, wird die Geschichte vorangebracht. Dann gibt es aber auch wieder Bilderfolgen. Die Geschichte wird dann über die Bilder erzählt. Das ist so vielfältig und macht einfach Spaß einzutauchen. Ein Beispiel will ich nochmal herausgreifen. Es gibt eine Liste, was die Theatergruppe, beide Mädchen sind in einer Theatergruppe, was die Theatergruppe zum Aufwärmen macht. Also Laufen, Springen, Schlendern, Stampfen, Flitzen.

Und dann werden die Bilder gezeigt. Da sieht man zunächst einzelne Personen, leichte Umrisszeichnungen. Und im Verlauf der Bilderfolgen lösen sich die Figuren immer mehr auf und man sieht nur noch dann die Bewegung, die Dynamik über die Striche. Und das finde ich wunderbar erzählt. Da sieht man, was dann auch in dieser Theatergruppe passiert.

Und was mir auch sehr gut gefallen hat auf der Textebene, wie sie mit den unregelmäßigen Verben spielt. Ja, sie muss ja unregelmäßige Verben lernen. Die Lehrerin hat ja gesagt, das ist nur eine Lernsache und die kommen halt immer auch wieder passend, je nach Thema, dann auch vor. Und das finde ich auch sehr witzig, wie das dann immer noch mit eingebaut ist. Erschienen ist dieses Buch in einem kleinen Verlag, Limbion, den ich noch nicht kannte, angesiedelt am Ammersee.

Ein Verlag, der das Hinschauen lohnt, der tolle Bücher macht. Pardalita von Joana Estrela aus dem Portugiesischen von Ursula Bachhausen. Limbion Verlag, 224 Seiten, ab 14. Das waren die besten sieben im April. Ich bedanke mich bei der Jury, im Besonderen bei Karin Fach. Alles nachzuhören in unserer Deutschlandfunk-Erdbeer.

App nächste Woche hier der seit Jahrzehnten erfolgreiche Tortenspezialist Tijong King, der unter anderem erzählt, warum er kein Partyman ist. Es folgt Computer und Kommunikation. Schöne Osterferien wünscht Ihnen Ute Wegmann.