Deutschlandfunk, Büchermarkt. Wieder geht es um ein krankes Tier. Diesmal aber um kein Haustier, sondern um einen Specht. In seiner Heimat Norwegen ist Ragnar Olby ein bekannter Bilderbuchautor und Illustrator. Über 20 Bilderbücher hat er dort bereits veröffentlicht. Viele davon wurden ausgezeichnet. Nun ist zum ersten Mal eines seiner Werke auch auf Deutsch erschienen. Herrn Specht geht's schlecht, heißt es. Anne-Kathrin Weber?
Der Specht schaut betrübt zu Boden. Er hat Kopfweh. Der Arzt hat keine guten Nachrichten für den kleinen Vogel mit dem roten Federkleid und dem schwarzen Scheitelgefieder auf dem Kopf. Auf dem Röntgenbild leuchtet das Gehirn auf wie Feuer.
»Du musst mit dem Klopfen aufhören«, sagt der Arzt, »und fliegen darfst du vorerst auch nicht, sonst wird dir wieder schwindelig.« Und dann sagt er etwas, was der Specht gar nicht hören möchte. »Mach mal was anderes. Es gibt doch so viele Möglichkeiten.« Dieser gut gemeinte ärztliche Rat erzürnt den tierischen Ich-Erzähler. »Mit dem Klopfen aufhören? Ich bin doch ein Specht!«
Wir klopfen die ganze Zeit, erzählt er seinem Freund einem Maulwurf, mit dem er nach dem Arzttermin durch das städtische Setting im Bilderbuch spaziert. Überall entdeckt der Specht Artgenossen, die ihrer Berufung, dem Klopfen, unbekümmert frönen können.
Gegen die ärztliche Anweisung reift in dem tierischen Protagonisten immer mehr Widerstand heran. Er redet sich zunehmend in Rage. Ich bin geboren, um zu fliegen und um mit meinem Schnabel auf Baumstämmen zu klopfen, wie es alle Spechte tun.
Sogar dein Mund ist ein Loch, sagt der Maulwurf. Und du solltest ihn besser mal wieder zuklappen und überlegen, was du jetzt machen willst. Und?
Und ausgerechnet ein solches wird dem Specht schließlich zum Verhängnis. Löcher sind unsere Spezialität, prallt der Vogel noch und fällt anschließend in ein Gulliloch im Boden. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, aber sie hält dann doch noch ein Happy End für den Specht bereit. Auf der vorletzten Bilderbuchseite sitzt er wieder im Behandlungszimmer, dieses Mal gänzlich in sich zusammengesunken und mit Kopfverband und eingegipstem Bein.
Neben ihm bringt ein Handwerkerhund mit einer Bohrmaschine ein Bild an die Wand an. Da kommt dem Specht plötzlich eine Idee, wie er künftig wieder Löcher bohren kann. Und zwar kopfschonend. Dem Autor Ragnar Aalby ist es hervorragend gelungen, die Leidenschaft für das, was man liebt und gut kann, kindgerecht in Worte zu fassen. Besonders auch die Kompromisslosigkeit, die mit einer solchen Leidenschaft einhergeht.
Das Buch regt spielerisch an, mit Kindern über die eigenen Interessen zu sprechen und darüber, was passiert, wenn wir eben nicht mehr das tun können, was wir lieben. Die zugrunde liegende Emotionalität der Geschichte steht in einem auffälligen Kontrast zu der nüchtern gehaltenen grafischen Darstellung der Stadt, die überraschenderweise statt eines Waldes als Hintergrundkulisse für die Sinnkrise des Spechts dient.
Die Farbgebung aus kühlen Blau- und Petroltönen schafft eine kontemporäre, minimalistische Ästhetik. Letzteres gilt auch für die Zweidimensionalität der Illustrationen. Insbesondere die Menschenfiguren im Buch sind stark überzeichnet. Die als Löcher gehaltenen Augen wirken teils befremdlich.
Trotz dieser Verfremdungen ist insbesondere die Mimik des Spechts, seine Zweifel, Wut und Entschlossenheit mit jeder Seite neu und überzeugend in Szene gesetzt. »Herrn Specht geht schlecht« ist ein gestalterisch ungewöhnliches und inhaltlich vielschichtiges Bilderbuch mit einer nicht ganz gefälligen, aber dennoch liebenswürdigen Hauptfigur, die die Lesenden mit großer Leidenschaft herausfordert, über einige der großen Fragen im Leben zu philosophieren.
Das Fazit von Anne-Kathrin Weber zu Herrn Specht geht's schlecht von Ragnar Aalby aus dem norwegischen von Katrin Frey, Kraus Verlag, ab vier Jahren.