Deutschlandfunk, Büchermarkt. Um Hühner und Vampire geht es heute und um Kindergedichte. Zu diesen etwas wild gemischten Büchern für junge Leserinnen und Leser begrüßt sie Dina Netz. Auf der Erde gibt es dreimal mehr Hühner als Menschen. Welchen Stellenwert das Federvieh als Eier- und Fleischlieferant hat, zeigt sich im Moment angesichts der Vogelgrippe. Die Eier sind knapp, die Preise schnellen in die Höhe.
In den USA wandte man sich zu Ostern in der Not sogar an Deutschland und andere europäische Länder. Auf sein Osterei wollte man dort trotz Vogelgrippe und hohen Einfuhrzöllen, mit denen man diese Länder ja sonst belegt, nicht verzichten. Hühner sind aber weit mehr als nur Essenslieferanten. Sie sind auch Sympathieträger. Die niederländische Autorin Evelyn de Vlieger und der Illustrator Jan Hamstra widmen dem Geflügel nun das große Buch der Hühner, ein großformatiges Kindersachbuch.
Oliver Jungen sagt, was man darin alles erfährt. Gallus gallus domesticus, das Haushuhn, mag wohl jedes Kind. Es steht allerdings zu vermuten, dass eine Mehrheit es vor allem in der Form frittierter Nuggets mag. Das aber hat dieses wackere Tier nicht verdient.
Der Meinung sind auch die Autorin Evelyn de Vlieger und der Illustrator Jan Hamstra. Und so haben sie gemeinsam ein betörend schönes und aufregend informatives Kindersachbuch über Hühner verfasst, das zwar keineswegs das Essen von Brathähnchen verteufelt, aber doch dafür sorgen möchte, dass man die engsten geflügelten Freunde des Menschen besser kennen und schätzen lernt.
Eher kurz gehalten ist die Geschichte der Domestikation. Man erfährt, dass sich das rote Kamhuhn vor etwa 8000 Jahren aus dem thailändischen Dschungel auf die Reisfelder vorwagte. Bauern zähmten das scheue Tier und schon bald verbreitete sich das Haushuhn über ganz Asien und Afrika bis nach Europa.
Einen weiteren großen Schub bekam die weltweite Hühnerpopulation in der frühen Neuzeit im kolonisierten Amerika. Dort waren Hühner die einzigen Tiere, die die versklavten Afrikaner halten durften. Auf den Plantagen bereiteten schwarze Köche für ihre weißen Herren Fried Chicken zu. Und das fand großen Anklang.
Viel Wert legen de Vlieger und Hamstra auf Anatomie und Physiologie der Hühner, die in Text und Bild mit beinahe fachbiologischer Akkuratesse dargestellt werden. Das aber immer so anschaulich, dass alles leicht verständlich bleibt.
Wen etwa der vielleicht ungewohnt tiefe Einblick in den Verdauungs- und Reproduktionsapparat der Tiere überfordert, für den gibt es kleine Seiteninfos wie die, dass Hühner im Jahr bis zu zwei Kilogramm Steine fressen, die beim Zermahlen der Nahrung im Kaumagen helfen. Ähnlich beim Kapitel zum Knochenbau. Passionierte Naturkundler können sich in die Details vertiefen.
Für andere reicht vielleicht der Hinweis, dass im Hühnerflügel von Oberarm bis Hand und Finger genau die gleichen Knochen wie im Menschenarm zu finden sind. Die Leserinnen und Leser lernen auch, warum ein Huhn so ruckartig läuft, indem es zunächst den Kopf nach vorne streckt und dann erst einen Schritt macht. Es kann nur scharf sehen, wenn der Kopf still steht. Dann allerdings sieht es sehr scharf und sogar mit beiden Augen unabhängig voneinander.
Natürlich wird auch erwähnt, dass Hühner mehr flattern als fliegen und dass sie sogar ohne Kopf noch eine Weile herumlaufen können. Schritt für Schritt erklärt die Autorin zudem nicht nur die Eierproduktion, sondern auch und ohne falsche Charme die Paarung. In einer Hinsicht allerdings lässt sich wenig herumdeuten. Was die Geschlechterrollen angeht, entsprechen Hühner einfach nicht dem modernen Gleichstellungsideal.
Die Autorin nimmt es mit Humor und weist darauf hin, dass die größeren, stärkeren und meist schöneren Hähne ihren unterwürfig im Haarem lebenden Damen durchaus etwas zu bieten haben. Ein Hahn bringt Ruhe in die Hühnerschar. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Hähne so große Stücke auf sich halten und das der Welt auch gern laut Hals mitteilen.
Diesem Buch gelingt es, im Vergleich mit vielen anderen Hühnerbüchern ganz besonders, die ungeheure Variationsbreite der Tierart herauszustellen. Dabei helfen die prächtigen Illustrationen ungemein, denn von den über 400 Rassen haben eine ganze Menge in Form wunderbarer Porträts Eingang ins Buch gefunden. Darunter Kuriose wie das Holländer Haubenhuhn oder das südamerikanische Araucanerhuhn.
Auch die Mannigfaltigkeit der Federn, Kämme und Bärte prägt sich dank der detailgenauen Illustrationen ein. Überhaupt ist die Gestaltung spektakulär. Sämtlichen Abbildungen liegen Linol-Schnitte des Buchkünstlers Jan Hamstra zugrunde. Im wirklich großen Großformat kommen sie bestens zur Geltung.
Der enorme Aufwand bei Gestaltung wie Recherche, eine ganze Literaturliste ist angefügt, wirkt wie eine Verneigung vor diesem so oft unterschätzten Haus, Hof und Nutztier.
Und auch inhaltlich zollt das Buch seinen Protagonisten höchsten Respekt. So entbehre beispielsweise die Wendung »Dummes Huhn jeder Grundlage«. »Küken können bis fünf zählen und sogar hinzuzählen und abziehen. Und zwar ganz von sich aus. Gingen Hühner in den Kindergarten, würden sie nicht sonderlich aus dem Rahmen fallen.«
Eine so aufmerksame und kenntnisreiche Liebeserklärung an das Huhn und seine Geschichte kann freilich die Augen vor der modernen Massentierhaltung nicht verschließen. Die Autorin beschränkt sich in dem bedrückenden Kapitel bewusst auf die Aneinanderreihung von Fakten. Von den Details der Legehennenhaltung bis zur qualvollen Turbo-Zucht der Fleischhühner. In sechs Wochen wächst das Huhn so rasch, dass sein Knochengerüst nicht hinterherkommt.
Fleischhühnern fällt das Laufen deswegen schwer, weshalb sie oft auf dem Boden hocken, in ihren eigenen Exkrementen. Auch ihr Herz hält dem schnellen Wachstum oft nicht stand. Eine solche Nüchternheit der Darstellung wirkt stärker als jeder aufgesetzte Moralismus und lässt vielleicht in Zukunft einige Menschen mehr zu Eiernudeln oder Chicken Nuggets mit Biosiegel greifen.
Das hofft Oliver Jungen. Er stellte das große Buch der Hühner von Evelyn de Vlieger und Jan Hamstra vor. Rolf Erdorf hat es aus dem Niederländischen übersetzt. Gerstenberg Verlag, ab acht Jahren.
Vampire haben in den letzten Jahrzehnten einen Wandel durchlaufen. Seit Bram Stokers Dracula-Roman geisterten die Vampire als ruhelose Blutsauger durch Bücher und Filme. Seit einiger Zeit aber nehmen sie menschlichere Züge an, werden geradezu sympathisch. Auch im Kinderbuch kennt man menschelnde Vampire, nicht zuletzt von Angela Sommer-Bodenburgs Geschichte um den kleinen Vampir Rüdiger und seine Freundschaft mit dem menschenjungen Anton.
Die Hamburgerin Aishe Klinge erzählt jetzt auch eine sympathische Vampirgeschichte, und zwar als Comic. Klinge hat sich bisher als Illustratorin einen Namen gemacht. Für ihren Comic Der Zahn hat sie zum ersten Mal auch Storylining und Text übernommen. Judith Leister hat Der Zahn gelesen und mit Aishe Klinge gesprochen.
Vampirmädchen wie Carla haben es nicht leicht. Sie dürfen zu Hause keinen Besuch haben, weil die Normalen sich sonst wundern würden, dass in der Familie alle schwarze altmodische Gewänder tragen. Vampirmädchen müssen auch verschweigen, dass sie sich vom Blut ernähren. Hübsch angerichtet in edlen Gläsern und Suppenterrinen oder als Pudding, aber eben Blut.
Und kleine, ebenso wie große VampirInnen dürfen in der Öffentlichkeit nicht fliegen, obwohl sie das unendlich gern tun. Denn dann könnten die Normalsterblichen sie sehen, was die Vampirgemeinde fürchtet. Es gilt die Regel, bloß nicht auffallen. Man ahnt es schon, das Vampirdasein ist ein echtes Problem für Carla, die Hauptfigur in Aishe Klinges Comic »Der Zahn«.
Doch wie kam die 1990 geborene Hamburger Zeichnerin überhaupt auf Vampire? Als Kind hatte ich große Angst vor Vampiren. Ich kann mich nicht an den Ursprung dieser Angst erinnern, aber sie hat mich sehr lange beschäftigt. Mittlerweile habe ich eine große Faszination für Vampire und da hat man ja unendliche Möglichkeiten. Und deswegen macht es ja auch so einen Spaß, Vampire zu sehen.
Geschichten zu schreiben mit diesen fantastischen Wesen. In der Schlüsselszene von Der Zahn zuckt Carla erschrocken zusammen, als sie einen Milchzahn verliert. Im Bad entdeckt sie stattdessen ein spitzes Vampirzähnchen in ihrem Mund.
Carlas Mutter Walpurga, eine Vampirschönheit wie aus der Addams Family, verkündet der Familie stolz, dass ihre Tochter nun erwachsen wird. Es sei kein Zufall, sagt Aishe Klinge, dass der ausgefallene Zahn ein bisschen aussehe wie ein blutiger Tampon. Es repräsentiert schon die vielen körperlichen Veränderungen, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Vielleicht auch die erste Periode oder das Wachsen von Körperwahrung.
Dinge, die viele Kinder als beängstigend und verwirrend empfinden, dass das auch Veränderungen in ihrem Leben mit sich bringt. Für Carla bedeutet der neue Zahn, dass sie wahrscheinlich, so jedenfalls der Wunsch ihrer ehrgeizigen Mutter, die alte Schule verlassen und auf die Vampirakademie wechseln muss. Und das ausgerechnet in dem Moment, als sie in ihrer Klasse eine Freundin gefunden hat. Mila, eine Außenseiterin wie sie selbst.
Doch Mila hat schreckliche Angst vor Vampiren. Neben den Vampirproblemen hat Carla auch noch ganz normale Mädchenprobleme wie Eifersüchteleien oder Mobbing. Die meisten Eltern tragen in diesem Comic wenig Hilfreiches bei. Einfach, weil sie keine Zeit haben, sagt Aishe Klinge. Es gibt Kinder, die viel alleine sind, deren Eltern viel arbeiten. Das sind auch die Realitäten von Kindern.
Das, was ich häufig in Kindermedien sehe, ist diese sehr traditionelle Familie mit Mutter, Vater, Kindern. Das ist so ein Muster, das ich selten gesehen habe. In Karlas Vampirfamilie ist zumindest das anders. Hier leben vier Generationen in einem burgartigen Gemäuer mitten in der Großstadt unter einem Dach. Einsam ist Carla also nicht. Aber die uralten Vampirtraditionen setzen das Mädchen gehörig unter Druck.
In diesem Comic wird das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensentwürfe und Lebensweisen ganz grundsätzlich verhandelt. Es geht um das Verhältnis von Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten, um Projektionen und soziale Ängste, Misstrauen und erste Schritte aufeinander zu.
Themen, mit denen sich Aishe Klinge schon oft beschäftigt hat. Ich habe viel gemacht im Bereich Diversity, weil ich ja selbst einen Migrationshintergrund habe. Das ist ein kleines bisschen Autofiktion. Der Zahn ist aber nicht nur ein weiteres Kinderbuch über Diversität. Dadurch, dass Aishe Klinge das Anderssein ins Fantastische verlagert, gelingt es ihr, übliche Zuschreibungen und Stereotype zu unterlaufen.
Im Gegensatz zur Welt der Normalen ist die Vampirwelt voller humorvoller Details, von den Ahnenporträts im erzkonservativen Zuhause bis zur bettlägerigen Urgroßmutter, die an einer Blutkonserve saugt.
Klinger hat einen betont kunstlosen und kindlich wirkenden Stil entwickelt. Farblich gedeckte Buntstiftzeichnungen und Schraffuren, die durch Vollflächen ergänzt werden. Ihre Figuren schauen mit kreisrunden Augen in die Welt, als kämen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Entstanden ist ein charmantes Buch mit altersgerechtem Erzähltempo, das sich ganz auf die Charaktere und ihre Perspektive konzentriert. Der Zahn ist ein liebenswürdiger, ein versöhnlicher Comic, dem bei seinem beachtlichen Umfang von über 200 Seiten allerdings noch etwas mehr grafische Abwechslung, mehr Mut zum gestalterischen Experiment gut getan hätte.
Die Meinung von Judith Leister. Sie sprach mit Aishe Klinge über deren Kindercomic-Debüt Der Zahn. Kiebitz Verlag ab sechs Jahren. Die Webseite lyrikline.org ist ein seit vielen Jahren etabliertes Portal für Poesie. Mehr als 15.000 Gedichte von 1.700 Autorinnen kann man dort abrufen, außerdem fast 25.000 übersetzte Gedichte von 3.800 Übersetzern.
Das Projekt, getragen vom Berliner Haus für Poesie und zahlreichen auch internationalen Partnern, will Lyrik zugänglich machen. Und zwar nicht bloß als Text, die Gedichte sind alle auch hörbar, gelesen in der Regel vom Autor. Es gibt verfilmte Gedichte, Dichterinnen im Videoporträt und so weiter.
Jetzt kommt ein weiterer Inhalt hinzu und der interessiert uns hier für die Bücher für junge Leserinnen und Leser. Auf kinder.lyriklein.org gibt es seit diesem Frühjahr auch Kindergedichte. Katharina Schultens leitet das Berliner Haus für Poesie, das auch diese Seite betreut. Und ich habe sie gefragt, Frau Schultens, die Lyriklein-Seite wurde ja damals eingerichtet mit Blick darauf, dass sich Lyrik, wie es dort heißt, in einer gewissen Schräglage befinde, dass es ihr an Wahrnehmung mangele.
Die Kinderlyrik hingegen erlebt ja gerade einen gewissen Boom. Warum bekommt auch sie jetzt Platz auf Lyriklein?
Also uns war ganz wichtig, dass hier in den verschiedenen Sprachen, das sind ja mehr als zehn Sprachen, in denen man diese Gedichte dann hören kann, die Kinder auch selber einfach was entdecken können mit einem kindgerechten Zugang. Weil diese Gedichte, die wir jetzt auf dieser speziellen Website für Kinder haben, die waren vorher alle auch schon auf der großen Schwester, also der normalen Lyric Line, aber eben nicht so, dass die Kinder die da unmittelbar hätten finden können. Und das Schöne an dem Projekt ist eben, dass es nicht...
nur in Anführungszeichen die spezialisierten Kindergedichte sind, also die klassischen Kinderbuchautoren, jemand wie Paul Maher oder Christine Nöstlinger, die wunderbare Kindertexte geschrieben haben, sondern dass wir versucht haben, bei den in Anführungszeichen Autorinnen und Autoren für Erwachsene die Gedichte zu finden, die sich für Kinder eignen.
Also Gedichte von Mascha Kaliko, die geeignet sind, dass ein Kind zwischen acht und zwölf das Gedicht lesen oder hören kann. Gedichte von jemand wie Martina Hefter, die letztes Jahr den Buchpreis bekommen hat. Oder Jan Wagner, einem der wichtigsten deutschsprachigen zeitgenössischen Lyriker.
Aber natürlich Friederike Mayröcker, Ernst Jandel, Robert Gernhardt, die Klassiker oder Inga Christensen, wichtige dänische Dichterin, die einfach ganz tolle Sachen geschrieben hat, die sich für Altersgruppen außerhalb sozusagen der Erwachsenen eignen, weil wir die Kinder natürlich beobachten.
frühzeitig an die Lyrik ranführen wollen. Es gibt Kategorien auf der Website. Also man kann natürlich schauen, kann sagen, okay, ich möchte jetzt lustige Gedichte lesen oder ich möchte Tiergedichte lesen oder ich möchte Gedichte lesen, die spielerisch mit der Sprache umgehen. Aber es gibt zum Beispiel auch Kategorien Gedichte über Mut oder Kummer im Gedicht. Und obwohl es sehr viele Lehrerinnen und Lehrer gibt, die sich da weiterbilden und die sich sehr viel Mühe geben, das so zu machen, dass es auch Spaß macht, gibt es halt immer noch in der Schule einen sehr analytischen Zugang zu Lyrik.
Also dass man Lyrik kennenlernt in der fünften, sechsten Klasse als etwas, wo man dann ein Schema drüber legt und sich anschaut, welches Reimschema hat das und welche Metaphern sind da und was bedeutet das dann. Und mein großer Sohn, der selber so einen naturwissenschaftlichen Zugang zu den Dingen hat, der kam dann nach Hause und sagte, ja Mama, ich habe jetzt verstanden, was du da den ganzen Tag machst auf der Arbeit. Das ist ja ganz einfach mit den Gedichten. Da nimmt man sich dann so ein Schema und das legt man da drüber und dann hat man das Gedicht verstanden. Da habe ich gesagt, nee.
Du hast das Gedicht dann analysiert, aber das heißt noch lange nicht, dass du es verstanden hast und die Frage ist ja sowieso, ob man es überhaupt verstehen sollte oder müsste. Also dieser emotionale Zugriff auf den Text, der sich natürlich durchs Hören auch nochmal sehr viel mehr ergeben kann, als durchs reine analytische Lesen, der war uns hier einfach ganz wichtig.
Sie haben gerade schon gesagt, es richtet sich vor allem dieses Lyrik-Kleinportal für Kinder an Kinder von acht bis zwölf Jahren. Aber gerade jüngere Kinder haben doch auch viel Spaß an gereimten Texten. Warum kommen die Texte für jüngere Kinder nicht vor? Dadurch, dass es mehrsprachig ist, es ist alles Mögliche dabei, es ist arabisch, türkisch.
Litauisch, Deutsch, Englisch, alle möglichen Sprachen, dann ist es, wenn die das in der fremden Sprache hören, natürlich wichtig, dass sie die Übersetzung, die immer mit dabei ist, mitlesen können. Es ist aber natürlich möglich, auch für jüngere Kinder, dass sie sich einfach die Gedichte, die dann auf Deutsch da vorhanden sind oder in ihrer eigenen Sprache, wenn jemand eine andere Sprache als Deutsch zur Verfügung hat, da dann auch direkt anhören können. Es ist eigentlich ältere Grundschule und
Und für die jüngeren Kinder, die brauchen dann schon eine Vermittlerin, Vermittler. Also die können die Webseite dann noch nicht direkt selber nutzen im selben Maße wie jemand, der dann schon flüssig lesen und auch navigieren kann. Obwohl die Navigation sehr, sehr gut gemacht ist. Das hat Andreas Töpfer gestaltet. Es ist bunt. Es gibt Figuren, die dann immer zu diesen einzelnen Kategorien passen, die sich auf der Seite dann auch irgendwie bewegen.
Das ist schon einfach so, dass es tatsächlich Spaß macht, darauf sich zu bewegen. Selbst acht-, neunjährige Kinder, ältere Grundschulkinder suchen jetzt aber wahrscheinlich nicht von selbst ihre Seite auf. Wie wollen sie denn ihre Zielgruppe überhaupt erreichen? Also wir sind in einer Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Internationalen Kinder- und Jugendbibliothek, dem Lyrikkabinett und dem Deutschen Bibliotheksverband und geben da seit vielen Jahren die Lyrik-Empfehlungen heraus und seit letztem Jahr erstmalig auch die Lyrik-Empfehlungen für Kinder.
Da werden sozusagen elf Lyrikbände ausgesucht, aufbereitet. Da gibt es Handreichungen zu, die gehen in die Schulen, in die Erzieherausbildungsstätten, in die Lehrerausbildungsstätten. Das heißt, da erreichen wir sozusagen die Zielgruppe derjenigen, die Literatur sprechen.
Sprache vermitteln in Kita und in Schule. Und die weisen wir natürlich auch auf die Kinderlyriklein hin. Das heißt, als Lehrerin oder als Lehrer oder als Erzieherin, Erzieher kann man diese Webseite halt auch einfach als Ressource begreifen, wenn man was Lustiges machen möchte in der Schule oder in der Kita. Im Moment, Frau Schultens, ist die Auswahl auf dem Portal ja noch recht klein an Gedichten. Wenn ich mir allein die von Ihnen schon erwähnten Lyrik-Empfehlungen für Kinder anschaue, dann fehlen da eine Menge Namen drin.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Ausbau des Portals? Es soll ja mehr hinzukommen.
Ja, also wir werden da kontinuierlich weiter daran arbeiten. Ich kann vielleicht an der Stelle mal dazu sagen, dass die allgemeinen Kulturkürzungen für sowas nicht hilfreich sind. Sie haben ja eben aufgezählt bei der großen Lyric Line, wie viel da tatsächlich einfach an Material drin ist. Also wie viele tausende Aufnahmen, das sind zehntausende Aufnahmen, das nutzen pro Jahr 2,5 Millionen Menschen weltweit. Das ist eine wirklich richtig große Reichweite, die wir da haben. Und jetzt kann ich mal sagen, wie die Ressourcen dafür aussehen. Das ist eine Person, die das im Backend macht.
Das heißt, wir werden hier weiter so viel daran arbeiten, wie wir können. Aber das ist ein wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Also dieses, das dann zu erhalten und irgendwie weiter zu pflegen, ist halt was, wofür man nicht unbedingt Projektgelder kriegt. Und daran hakt es natürlich bei solchen Projekten leicht, gerade in einem Klima, wo allgemein dann eher Geld weggenommen werden soll und gekürzt wird.
Frau Schuldens, kommen wir mal zu einem zentralen Aspekt von Lyric Line, der das Portal auch unterscheidet von einem Gedichtband, nämlich das Hören. Die Gedichte sind dort ja zu hören, in der Regel aufgenommen von der Autorin, vom Autor. Und deswegen hören wir mal in ein Gedicht einfach rein. Das ist von Nora Gommringer, Daheim. Daheim.
Mama und Papa und Kind und Kindschwester und Kinderbruder und Kinderonkel und Hoppehoppe und Fallefalle in den Grab und Gefressen von Raben und Angesabbert vom Hund und Meerschwein und seine kurzen Beinchen verschwinden im Schlund und Gelber Vogel im Käfig und Nachbar und Nachbarsfrau und Putze und Putzes Mann und Mamas Lover und Papas Blonde und Papas Blondes Helles und Mamas Tabletten und Hundes Hitz und Nachbarskatze und Idylle in der Reihe.
Das Gedicht Daheim von Nora Gommringer. Jetzt sind nicht alle vortragenden Dichter und Dichterinnen auf Lyriklein natürlich so geniale Performerinnen wie Nora Gommringer. Was würden Sie sagen, Frau Schultens, was bringt es denn generell zusätzlich zum Text, dass man auf ihrer Seite Gedichte hören kann?
Es ist einfach ein Unterschied, übrigens auch dazu, wie jetzt beispielsweise ein Schauspieler oder eine Schauspielerin so einen Text lesen würde, die überperformen solche Texte oft. Man hat die Stimme der Person, die diesen Text geschrieben hat und man lernt diesen Text anders kennen, weil man einfach einen Menschen sprechen hört. Also man hört jemandem beim Denken zu.
Und bei Nora Gombringer zum Beispiel bekommt man einfach wahnsinnig viel Energie. Das ist ja eine Naturgewalt, wie sie liest und wie sie performt. Wenn man dann jemanden lesen hört, der einfach sehr viel ruhiger ist, dann bekommt man vielleicht Skepsis oder man bekommt vielleicht Angst.
Zärtlichkeit, die vermittelt wird auch über eine Stimme und einem Menschen beim Denken über dessen Stimme zuhören zu können, finde ich eine ganz wertvolle Sache, weil man darüber auch nochmal lernt, wie unterschiedlich Sprache als Ausdrucksmittel sein kann und dass Sprache eben nicht nur ein Mittel ist, um Informationen zu
zur Verfügung zu stellen, sondern dass die Art und Weise, wie wir sprechen, was wir sprechen, mit uns als Person, mit unserem Charakter, mit unserem Denken zu tun hat. Und das ist für Kinder ganz wichtig. Sprache ist dein Ausdrucksmittel. Auf der Erwachsenenseite von Lyriklein gibt es ja auch viel Videomaterial und heutige Kinder, die sind natürlich bildaffin. Ist denn in diese Richtung auch etwas geplant?
Also im Moment nicht, weil wir finden, es gibt zu viel Bild. Es ist auch eine Überforderung, gerade jetzt beispielsweise auf TikTok, wenn immer das Bild dazukommt, weil das Bild natürlich teilweise auch einfach die Inhalte überlagert. Wir gehen eigentlich jetzt gerade eher wieder zurück auf Hörformate, auf Podcast-Formate und versuchen sozusagen diesen inneren Raum, der sich öffnet, wenn man einfach nur zuhört, den wieder stärker zu aktivieren.
Ich kann vielleicht fürs Bild noch darauf hinweisen, dass wir natürlich in anderen Formaten, zum Beispiel mit Filmen und mit Bildern, mit Lyrik arbeiten. Wir haben ja das Zebra Poesie Film Festival und da gibt es eben auch eigene Kinderprogramme. Da gibt es sogar eine Kinderjury, die den besten Poesie-Film für Kinder auswählt. Wir decken diese ganze Bandbreite ab, aber bei der Kinder-Lyrik-Line geht es erstmal tatsächlich darum zu hören.
Ist denn, Frau Schultens, auch für die Kinderlyriklein-Seite eine so ausgedehnte Zusammenarbeit mit internationalen Partnern geplant, wie bei den Erwachsenen? Ja, also natürlich. Wir bekommen ja regelmäßig Gedichte von den internationalen Partnern rein und da schauen wir natürlich jedes Mal, ob da Gedichte dabei sind, die sich für die Kinderlyriklein eignen.
Aber das ist tatsächlich eine Ressourcenfrage, wie viel wir da leisten können. Ich bin sehr froh, dass wir es jetzt in diesem Umfang schon mal hinbekommen haben. Und wir werden das sicherlich nicht verkümmern lassen. Dafür ist das Projekt einfach zu schön und hat auch tatsächlich schon Begeisterung ausgelöst bei vielen Vermittlerinnen und aber auch bei den Kindern, die bei uns regelmäßig im Haus sind, zu Kursen und zu Workshops und so. Katharina Schultens, Leiterin des Berliner Hauses für Poesie.
Hollywood-Schauspielerin Julianne Moore schreibt auch Kinderbücher. Das ist bei uns vielleicht nicht so bekannt, denn bisher war keins davon auf Deutsch erhältlich. Nun ist aber Moores erstes Bilderbuch aus den Schulen und Bibliotheken des US-Verteidigungsministeriums entfernt worden. Das betrifft immerhin 160 Schulen weltweit. Noch wird geprüft, ob das Bilderbuch wirklich zu unamerikanisch ist und aus den Regalen verbannt bleibt.
Dieser Vorgang hat aber zumindest schon einen von Trump sicher nicht erwünschten Effekt. Der Schaltzeit Verlag veröffentlicht jetzt genau dieses Buch von Julian Moore unter dem Titel Streuselnase Erdbeerkopf auf Deutsch. Die Autorin erzählt darin semi-biografisch von einem Mädchen, das sich anders fühlt. Die anderen Kinder nennen sie wegen ihrer roten Haare und der vielen Sommersprossen eben Streuselnase Erdbeerkopf.
Wie das Mädchen mit seiner Besonderheit umgeht und wie es nach und nach lernt, sie zu akzeptieren, davon erzählt Julianne Moore behutsam und humorvoll in diesem Bilderbuch. Le Yuen Pham hat es mit viel Witz illustriert. Sie stellt einen starken Mädchencharakter mit expressiven Gesichtsausdrücken in den Mittelpunkt.
Ein sympathisches Bilderbuch und man fragt sich, was daran der aktuellen US-Regierung eigentlich aufstößt. Sie können sich jetzt selbst ein Bild machen von Streuselnase Erdbeerkopf von Julian Moore, illustriert von Leuen Femme, aus dem Englischen übersetzt von Ruth Keen, Schaltzeitverlag, ab vier Jahren. Nächste Woche Samstag hören Sie statt der Bücher für junge Leserinnen und Leser hier ein ausführliches Gespräch über die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.
Heute war Dina Netz am Mikrofon. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende.