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Die verräterische DNA

2025/3/16
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ZEIT WISSEN. Woher weißt Du das?

AI Chapters Transcript
Chapters
Dieser Abschnitt beleuchtet die Arbeit der Internationalen Kommission für vermisste Personen (ICMP) bei der Identifizierung von Kriegsopfern in der Ukraine.
  • Die ICMP hilft bei der Identifikation von Kriegsopfern durch DNA-Forensik.
  • Anthropologen und Archäologen sind beteiligt, um menschliche Überreste zu analysieren.
  • Die Identifikation ist für die Familien der Opfer wichtig, um eine ordentliche Beerdigung zu ermöglichen.
  • Ingo Bastisch leitet die Forschung und Technik bei der ICMP seit 2024.

Shownotes Transcript

Eine neue DNA-Technik hilft, Todesopfer zu identifizieren und spektakuläre Kriminalfälle aufzuklären. Wenn sie durch Schilderungen verstört werden, in denen es um Leichen und Kriegsopfer geht, dann überspringen sie diese Folge lieber. Wir hatten einen Fall gehabt, da gab es einen Untersuchungsauftrag von der Staatsanwaltschaft in der Ukraine. Da sind unsere Anthropologen und Archäologen

Das ist nur etwas für starke Nerven, was der Forensiker Ingo Bastisch erlebt hat. Bastisch hat sich 25 Jahre lang beim Bundeskriminalamt um DNA-Vergleiche gekümmert. Seit Anfang 2024 leitet er die Forschung und Technik bei der Internationalen Kommission für vermisste Personen in Den Haag. Und es ging um mehrere Behälter mit DNA.

Die Ukraine hat zwar eigene Expertinnen und Experten, die sich mit der Identifikation von Kriegsopfern und der Suche nach Vermissten auskennen. Aber in besonders schwierigen Fällen holen sie sich die Fachleute aus Den Haag zu Hilfe. So wie nach diesem russischen Angriff. Durch einen Raketenangriff sind halt mehrere Militärangehörige getötet worden. Und die Menschen, die da waren, die haben sich dann auch mit den Menschen getötet.

Und das ist immer ein Riesenproblem, weil natürlich dann die Leichen arg in Mitleidenschaft gezogen sind und man hat es möglicherweise nicht mehr mit klar definierbaren Körpern zu tun. In so einem Fall stoßen auch Rechtsmediziner an ihre Grenzen. Dann kommen Fachleute aus der Anthropologie zu Hilfe.

Was die Anthropologen dann in dem übergebenen Material gefunden haben, das waren viele menschliche Überreste, die stark fragmentiert waren und stark verbrannt waren. Und das ist natürlich ein weiteres Erschwernis, weil man dann auch nicht mehr zum Teil ganze Knochen hat, um die dann wieder zusammenzusetzen. Und dann ging es darum, die Materialien zu trennen, die menschlichen Überreste von tierischen Überresten, die auch noch dabei waren, zu trennen.

um dann auch die richtigen Proben zu nehmen. Wenn man mit Forensikern wie Ingo Bastisch über ihre Arbeit spricht, dann fällt oft ihre sachliche, nüchterne Sprache auf. Das heißt nicht, dass sie keine Empathie haben. Die Sprache schafft Distanz, um die Gräueltaten nicht zu sehr an sich heranzulassen. Die Forensiker nehmen Proben von den Knochen, analysieren die DNA und vergleichen diese dann mit dem Erbgut von Angehörigen.

Es war den Familien darüber hinaus natürlich auch sehr wichtig, dass sie ihre Angehörigen ordentlich beerdigen können. Und das ist natürlich für die auch wichtig, dass sie ihren Angehörigen haben oder ihre Angehörige haben. Und dass dann auch wirklich die, ich sag mal, wenigstens die kritischen Körperteile, ich sag mal,

dass der Schädel und ein anderer größer Körperteil richtig zusammen sind, dass man auch das Gefühl hat, man beerdigt einen Menschen. Die Internationale Kommission für Vermisste Personen, kurz ICMP, wurde 1996 gegründet, um nach mehr als 40.000 Vermissten im Jugoslawienkrieg zu suchen. Darunter waren 8.000 muslimische Männer und Jungen, die von bosnisch-serbischen Milizen hingerichtet und in Massengräbern verscharrt worden waren.

Der Völkermord von Srebrenica wurde damals als größtes forensisches Puzzle der Welt bezeichnet. Der russische Raketenangriff in der Ukraine, mit dem Ingo Bastisch zu tun hatte, war im Vergleich dazu ein eher kleines Puzzle. In dem Fall wurden neun Personen dieser Gruppe von Militärangehörigen identifiziert und darüber hinaus noch eine weitere Person.

Bei der Kommission für vermisste Personen hat Ingo Bastisch jeden Tag mit den Opfern von Verbrechen, Kriegen und Gewaltherrschaft zu tun. Ich habe vorher beim BKA gearbeitet, da lernt man ein bisschen was über die Abgründe der Menschen auf jeden Fall. Und das ist natürlich jetzt eine ganz andere Dimension, wenn man Krieg hat. Man erinnert sich dann in solchen Situationen, dass es doch gut ist, im Hier und Jetzt zu leben.

Ich bin Hella Kemper und Sie hören Woher weißt du das von Zeitwissen. Wenn Menschen in Krieg und Gewaltherrschaft verschwinden, dann ist das für die Angehörigen wie eine mentale Folter. Sie leben in ständiger Ungewissheit. Sie wissen nicht, ob ihre Liebsten noch am Leben sind oder tot. Sie haben keine sterblichen Überreste, die sie bestatten können. Sie haben kein Grab, an dem sie trauern können. Diese Menschen können jetzt wieder ein bisschen mehr auf die Wissenschaft hoffen.

Die jüngsten Durchbrüche in der DNA-Forensik, auch um historische Kriminalrätsel zu knacken, sind das Thema dieser Folge. Und in der unmöglichen Kolumne geht Christoph Drösser der Frage nach, ob unser Genom tatsächlich zu 98 Prozent aus unnützer Junk-DNA besteht. Hallo Herr Rauner, ich lasse Sie hier rein. Ja, danke.

Mein Kollege Max Rauner war zu Besuch am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck und hat den Rechtsmediziner Walter Parson getroffen. Hallo Max. Hallo Hella. Max, stellst du uns den Mann einmal vor?

Walter Parson ist Österreicher, hat unter anderem auch für die Internationale Kommission für vermisste Personen gearbeitet und dort sein Handwerk gelernt. Und später hat er eine Technik mitentwickelt, mit der man selbst aus stark verwitterten und sehr alten sterblichen Überresten noch ein DNA-Profil erstellen kann. Mit dieser DNA-Technik war Parson an der Aufklärung einiger spektakulärer Fälle beteiligt. Welche waren das?

Also er hat die Gletschermumie Ötzi untersucht und 19 Männer in Südtirol gefunden, die mit Ötzi verwandt sind. Er hat in Weimar gezeigt, dass der mutmaßliche Schädel von Friedrich Schiller gar nicht von Schiller stammt. Er durfte den mutmaßlichen Schädel von Mozart anbohren. Er hat die sterblichen Überreste von zwei Kindern der ermordeten russischen Zarenfamilie Romanov identifiziert. Und zuletzt hat er sich das Skelett von Schinderhannes vorgenommen.

Okay, warum durfte nun gerade Walter Parson diese berühmten Schädel untersuchen und was kann er, was andere nicht können?

Es gibt eine DNA-Technik, mit der man das Genom der Neandertaler untersucht. Svante Päbo hat dafür den Nobelpreis bekommen, den hatten wir hier auch schon mal im Podcast, beim Thema, ich glaube, Sex mit Neandertalern oder sowas. Und Walter Parsons hat diese Technik auf die Forensik übertragen und gerichtsfest gemacht. Ich sage mal ein Beispiel. Wir saßen da in Parsons Büro in Innsbruck an einem Besprechungstisch

Und in der Ecke standen Puppen, darunter so ein Skelett mit Totenkopf in eleganten Frauenkleidern. Diese Puppen sind Geschenke von mexikanischen Familien, für die wir die 43 vermissten Studenten, vielleicht haben Sie davon gelesen, 2014. 2014 wurden in Mexiko 43 Lehramtsstudenten von der Polizei verhaftet und verschleppt und ein Verbrechersyndikat übergeben. Kannst du dich an den Fall erinnern? Nein, was ist da passiert?

Ja, die waren auf dem Weg zu einer Demonstration. Das machte damals Riesenschlagzeilen, weil sehr viele Menschen dann auf die Straße gegangen sind, weil der Staat beteiligt war an der Verschleppung dieser Menschen. Die Leichen wurden aber nie gefunden. Man hat verbrannte Knochen entdeckt und es hatte sich offenbar bis Mexiko herumgesprochen, dass in Innsbruck die Spezialisten für knifflige DNA-Vergleiche arbeiten.

Aber so stark verkohlte Knochen hatte Parsons auch noch nicht untersucht. Das haben wir auch mit den Mexikanern so kommuniziert. Wir haben gesagt, mit dem jetzigen Stand der Wissenschaft ist das nicht weiter lösbar. Müssten wir jetzt schreiben, not identifiable. Nicht identifizierbar? Wenn sie wollen, dann machen wir auf eigene Kosten eine Forschung. Die müssen wir zeitoffen und ergebnisoffen lassen. Aber es könnte sein, dass es gelingt. Dann haben die Mexikaner gesagt, ja, machen wir. Dann war sogar eine große Demo hier unten.

Da sind die mexikanischen Studenten, Familienangehörige, weiß nicht, sind dann hergekommen, haben eine ganz große 43 hier auf den Boden gesprayt und sind mit Fackeln und mit Plakaten gekommen. Das war eine friedliche Demonstration mit dem Inhalt,

Wir misstrauen unserer Regierung, aber wir vertrauen auf euch. Ja, wir misstrauen unserer Regierung, weil der Staat ja in Mexiko in das Verbrechen verwickelt war. Die Polizei, Soldaten, wahrscheinlich auch der Generalstaatsanwalt. Deshalb das Misstrauen. 2015, also ein Jahr nach dem Verschwinden der 43 Studenten, hat Parsons Institut 17 verbrannte Knochenteile bekommen. Unter 17 Knochenteile?

weil da waren einige dabei, auch die waren nicht humanen Ursprungs. Da konnten wir Tier-DNA nachweisen. DNA von Tieren, das können Hunde sein, Rinderkadaver, Katzen. Was auch mit dem Prozess einhergehen könnte, dass wenn dort menschliche Körper verbrannt werden, dann werden auch andere tierische Körper oder Holz oder Reifen dazugegeben, um die entsprechende lange Branddauer zu gewährleisten.

Ja, das ist extrem heftig und brutal, wenn man sich das vorstellt. Aber wenn man da mit Walter Parsons so durchs Institut läuft und die modernen Geräte sieht, Reagenzgläser, Labortechnik, dann ist das alles sehr abstrakt. Das ist jetzt nicht so, dass da Leichenteile rumliegen. Parsons hatte zwei Doktorandinnen, die an diesem Fall mit den Knochenproben aus Mexiko gearbeitet haben. Und auch andere forensische Institute waren da noch beteiligt. Dann haben wir hier begonnen...

diese Arbeiten zu machen und mit der ersten Lieferung konnten wir zwei identifizieren. Zwei von 43 Personen, das ist nicht viel.

Das ist nicht viel, das ist ein Anfang, könnte man sagen. Das war ja 2015, also ein Jahr nach dem Verschwinden. 2022 hat eine Wahrheitskommission die 43 Studenten für tot erklärt und tatsächlich hat man bis heute aber erst drei Studenten insgesamt identifiziert. Aber Parsons bekommt immer noch Proben zugeschickt, wenn sterbliche Überreste gefunden werden, die man mit diesen Verbrechen in Verbindung bringt.

Du müsstest jetzt bitte mal erklären, was das Besondere an dieser DNA-Technik ist. Also wir kennen ja den genetischen Fingerabdruck. Das ist die klassische Methode, Verbrechen aufzuklären. Ja, also bei diesem klassischen DNA-Profiling erstellen Forensiker aus Gewebe und Blutsporen am Tatort einen genetischen Fingerabdruck.

Dazu beschränken sie sich auf rund 20 bis 30 Abschnitte im Erbgut, an denen die DNA-Moleküle so typische Wiederholungsmuster aufweisen. Short Tandem Repeats heißen die, STRs. Die sind von Mensch zu Mensch verschieden. Also genauso individuell wie ein Fingerabdruck und deshalb spricht man auch vom genetischen Fingerabdruck. Genau. Also hat jetzt mit dem Finger nichts zu tun, aber ist einfach eine Metapher.

Und dann vergleicht man dieses DNA-Profil des unbekannten Täters mit Datenbanken, in denen die DNA-Profile von Menschen gespeichert sind, die schon einmal straffällig geworden sind. Also beim BKA zum Beispiel sind 870.000 DNA-Profile von namentlich bekannten Straftätern.

Was die Internationale Kommission für vermisste Personen, ICMP, macht, das ist im Prinzip ähnlich. Man nimmt Gewebeproben der Leichen oder der Knochen und erstellt ein DNA-Profil. Außerdem sammelt man Speichel oder Blutproben von Menschen ein, die einen Vermissten suchen. Und dann vergleicht man in riesigen Datenbanken diese beiden Datensets miteinander. Ist das international?

Ja, also die haben beim ICMP, da sind tatsächlich so Files im System und da hast du dann irgendwie Bosnien-Herzegowina, Serbien und so weiter, also da stehen, das ist eigentlich so eine Bibliothek des Grauens, kann man sagen. Da sind auch Sudan und so weiter, also überall, wo die aktiv waren. Früher brauchte man oft mehrere Verwandte, um einen Toten zweifelsfrei zu identifizieren, aber jetzt gibt es neue Gensequenziertechnik.

Das ist Kathrin Bomberger, die Chefin der Organisation. Das ist Kathrin Bomberger, die Chefin der Organisation.

Die ICMP schätzt, dass in Vietnam noch 200.000 Personen anonym irgendwo verscharrt sind. Und jetzt gibt es einen neuen Anlauf, Gräber zu öffnen und die Toten zu identifizieren. Die ICMP schätzt, dass in Vietnam noch 200.000 Personen anonym irgendwo verscharrt sind.

Die Überreste sind im tropischen Klima oft stark verwittert und die DNA ist nur noch in Fragmenten vorhanden. Aber es gibt jetzt diese neue Generation von DNA-Analysegeräten, die können Millionen von DNA-Bruchstücken parallel analysieren und dann daraus ein DNA-Profil zusammensetzen. Da braucht man nicht mehr drei Angehörige, um einen Toten zu identifizieren, sondern man erkennt auch entfernte Verwandtschaften. Wie funktioniert das? Wie kann ich mir das vorstellen?

Also diese neue DNA-Technik schaut nicht mehr nur 20 bis 30 Stellen im Genom an, sondern hunderttausende Stellen. Und da schaut man dann auf so kleine Mutationen. Also wenn der Buchstabe A zum Buchstaben C wird, also diese molekularen Basen. Kleine Veränderungen. Ja, so Punktmutationen heißen die. Die werden auch vererbt, die werden weitergegeben an die Nachkommen. Und das ist dann, kannst du dir so vorstellen, als würde man so eine Art Barcode verändern.

vererben, da kann man dann auch entfernte Verwandtschaftsbeziehungen sehen. Du teilst ja mit deinen Eltern 50 Prozent der DNA, mit den Großeltern 25 Prozent. Und nicht nur haben wir es geschafft, das ist mit advanced technologies genannt, Next Generation Sequencing,

Aber wir können jetzt einen direkten Versuch zwischen einem großen Großvater und einem großen Großvater machen. Das bedeutet, dass die Tage, in denen man drei Bezeichnungszahlen per missen Person sammelt, bald vorbei sein werden. Und in der Zukunft braucht man nur einen, um einen direkten Versuch zu machen. Und dieser eine Person kann weiter unter der hereditärischen Linie sein.

Also hier kannst du dann sogar Verwandtschaftsverhältnisse entdecken zu Cousinen und Cousins dritten Grades oder sogar Ururgroßeltern. Für die Suche nach den Vermissten ist das ein Riesenunterschied. So und dann gibt es noch Fälle, wo die Leichen so stark zerstört oder verbrannt sind, dass man gar keine DNA in den Zellkernen mehr findet und für diese Vergleiche verwenden kann.

Und hier kommt eine geniale neue DNA-Technik ins Spiel. Es gibt nämlich noch etwas anderes im Körper, das Erbgut enthält. Und das sind die Mitochondrien. Das sind sowas wie die Kraftwerke der Zellen, oder? Ja, die beliefern die Muskeln mit Energie.

Und die werden von einem eigenen Erbgut gesteuert. Die Mitochondrien-DNA besteht aus 33.000 DNA-Basen, viel, viel weniger als die DNA im Zellkern, also diese Moleküle A, G, C und T und die steuern 37 Gene, die für die Energieproduktion wichtig sind.

Für die Forensik ist das interessant, weil die Mitochondrien-DNA auch vererbt wird und zwar mütterlicherseits. Im Schnitt haben wir etwa tausendmal mehr Mitochondrien als Zellkerne im Körper. Also in jeder Zelle ist ein Zellkern, aber hunderte bis tausende Mitochondrien. Es gibt also viel mehr davon im Körper. Das ist gut für die Forensik. Ein weiterer Punkt ist, dass die Mitochondrien-DNA zu einem Ring geformt ist und dadurch viel stabiler ist als die DNA im Zellkern.

Du hast Walter Parsons jüngsten Fall erwähnt, der mit dieser Technik untersucht wurde, nämlich Schinderhannes. Das war ein Mann, der im Hunsrück Ende des 17. Jahrhunderts eine Räuberbande angeführt haben soll. Wird auch manchmal als deutscher Robin Hood bezeichnet, aber das war ja auch eher eine Legende. Ja, das war eine Legende und...

Wir lachen heute ein bisschen darüber. Ich glaube, damals war es nicht so nett, wenn du von dem überfallen wurdest. Er soll auch Leute umgebracht haben bei seinen Raubüberfällen. Das mit Robin Hood, das ist Sozialromantik. Nach allem, was man weiß, hat er das Geld von seinen Raubzügen nicht an die Armen verteilt. Schinderhannes hieß mit bürgerlichem Namen Johannes Bückler. 1802 hat man ihn verhaftet. Da war er 42 Jahre alt. Ein Jahr später wurde er hingerichtet. Da ist ja in Mainz eine

anscheinend eine Zuschauerzahl von 30.000 berichtet, die extra wegen dieser Exekution nach Mainz gekommen sind. Und es waren so viele, dass sie die Enthauptung nicht am Stadtplatz machen konnten, sondern mussten vor die Tore gehen.

Mainz rausgehen, damit sie diese Leute alle untergebracht haben. Johannes Bückler wurde also zum Tode verurteilt und mit ihm 19 Mittäter. Die sollten dann alle enthauptet werden. Und dann haben sie Baracken aufgebaut, einerseits die französische Schule. Mainz gehörte damals unter Napoleon zu Frankreich und da waren französische Wissenschaftler von der École Supérieure dabei. Aber auch deutsche Wissenschaftler, die haben sich Baracken aufstellen lassen, neben dem

wo die enthauptet worden sind, haben dann die Körper und die Köpfe zu sich beordert und galvanische Experimente durchgeführt. Das heißt, die haben die Köpfe wieder draufgesteckt, um zu schauen, ob da was Lebenszeichen sind. Aber ganz gründlich, nämlich nicht nur auf den eigenen Körper, sondern auch auf den anderen Körper.

Und dann mit Strom, mit elektrischem Strom haben sie versucht, Muskeln zu bewegen, Augen und so weiter. Eine Ethikkommission gab es damals noch nicht. Die gab es damals, glaube ich, noch nicht. Oder es gab eine andere Ethik jedenfalls. In Frankreich war ja ein paar Jahre zuvor die Terrorherrschaft zu Ende gegangen mit Zehntausenden von Toten. Wie kommt da jetzt die DNA-Forensik ins Spiel?

Also die Skelette von diesen hingerichteten Personen, die wurden damals in anatomischen Sammlungen untergebracht. Das war damals so wie heute ein CT quasi. Es war ein Aushängeschild für die Universitäten. Da konnten die Studierenden dran sehen, wie ein Mensch aufgebaut ist. Und an der Universität Heidelberg gibt es heute noch einige Skelette von dieser Räuberbande. Eins ist Schinderhannes zugeordnet und eins dem schwarzen Jonas, einem seiner Komplizen.

Vor wenigen Jahren stellt sich die Anatomie Heidelberg die Frage, ob dieses zentral in einem Glaskasten ausgestellte Skelett von Schinderhannes, ob das wirklich Schinderhannes ist.

An dem Fall war so ein ganzes interdisziplinäres Team beteiligt, Radiologen, Chemiker und ein Stammbaumforscher. Der hat den Stammbaum der Bückler-Familie rekonstruiert und einen Mann ausfindig gemacht, der heute lebt und in mütterlicher Linie, wichtig für Mitochondrien-DNA, ein Nachfahre der Schwester des Schinderhannes ist. Und dann hat er auch erzählt, ja, seine Mutter hätte ihm erzählt, da

Es gab etwas in der Vergangenheit, in den Vorfahren, aber es ist nie so genau geschildert worden. Und dann stellt sich heraus, er trägt dieselbe mitochondriale DNA wie das Skelett des fälschlicherweise.

dem schwarzen Jonas zugeordnet worden ist, das ist in Wirklichkeit der Schinderhannes. Okay, das heißt jetzt, die Uni Heidelberg hat den Schinderhannes in ihrer Sammlung, aber falsch zugeordnet. Genauso, falsch etikettiert. Schwarzer Jonas stand drauf, Schinderhannes war drin.

Walter Parson hat zwei Kolleginnen in Heidelberg und Freiburg, die haben mit ihm an dem Fall gearbeitet. Und die haben dann diesen Nachfahren der Schwester des Schinderhannes, der ist heute so um die 70, die haben diesem Mann die Nachricht überbracht, dass er mit Schinderhannes verwandt ist. Die haben diesen Herrn besucht und der hat dann, weiß nicht, Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen, wie dann die Wahrheit herausgekommen ist.

Aber er hat es überlebt. Wie, diese Nachricht hat ihn fast umgebracht? Ja, also Walter Parsons sagt, dass es nicht so ein negativer Schock war im Sinne von, ich bin mit einem Mörder verwandt, sondern eher so aus Freude und Aufregung heraus. So wie manche Leute beim Fußballspielen vielleicht einen Herzinfarkt kriegen. Krass, ja. Die Frau hat gesagt, die hat nicht viel gesprochen. Das sind ganz einfache Leute, die leben am Land.

Die Frau hat gesagt, seitdem er Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung ist, der ist ganz anders, hat sie gesagt. Der redet und ist, also was er nicht alles macht, die hat man sich nicht merken können. Also man sieht an diesem Fall, wie mächtig diese neue DNA-Technik jetzt ist, dass du es schaffst, Skelette zu identifizieren, die vor hunderten Jahren, Menschen, die vor hunderten Jahren gestorben sind und dass du denen sogar heute lebende Personen zuordnen kannst.

Am Ende geht es auch nicht nur darum, dass du den Menschen sagst, mit welchen bösen Vorfahren sie jetzt verwandt sind, sondern, oder es geht auch nicht darum, dass die Universität Heidelberg jetzt ihre Skelette richtig beschriftet, sondern man gibt den Toten ein bisschen ihrer Würde zurück, auch wenn es Verbrecher waren.

Du berichtest im aktuellen Zeitwissen Magazin über Deutschlands berühmtestes Findelkind, nämlich von Kaspar Hauser. Seit 200 Jahren ist dieser Fall ein Rätsel und nun haben die Forensiker eine neue Spur gefunden. Ja, da hat Walter Parson auch seine Finger mit dem Spiel gehabt. Habe ich mir fast gedacht.

Was wir nicht erklären können. Die unmögliche Kolumne von Christoph Drösser. Heute, welchen Zweck hat die Junk-DNA? Im Jahr 2003 wurde eine der größten kollektiven Forschungsanstrengungen der Menschheit abgeschlossen, das Humangenom-Projekt.

Die etwa drei Milliarden Basenpaare des menschlichen Erbguts wurden entziffert. Als nächstes schaute man, wie viele Gene diese DNA enthielt. Also Sequenzen, die ein bestimmtes Protein kodieren, das dann in der Zelle produziert wird. Das Staunen war groß. Nach dem neuesten Stand hat der Mensch etwa 20.000 Gene, die nur knapp zwei Prozent des Genoms ausmachen. Das Problem

Schon in den 70er Jahren prägte ein japanischer Genforscher den Begriff Junk-DNA, Müll-DNA. Damit waren zunächst einmal alle DNA-Abschnitte gemeint, die nicht zu einem Gen gehören. Aber besteht das Genom wirklich zu 98% aus Müll? Und wenn nicht, wofür ist dieser Rest da? Was wir schon wissen

Weniger bekannt als das Humangenom-Projekt ist eine andere wissenschaftliche Großanstrengung, die nach der Entzifferung des Genoms angegangen wurde. Das sogenannte ENCODE-Projekt schaute nach, ob diese angeblichen Junk-Abschnitte wirklich nicht aktiv sind.

Die Forschenden kamen 2013 zu dem Ergebnis, bis zu 80% des Genoms sind tatsächlich biochemisch aktiv, machen also irgendwas und haben irgendeine Funktion im menschlichen Organismus. Heute kennen wir eine Reihe von DNA-Schnipseln, die keine Proteine kodieren, aber trotzdem wichtige Funktionen ausüben. Sie können Gene verstärken, schwächen oder sie ganz abschalten.

Sie können RNA-Schnipsel produzieren, die zwar kein Protein kodieren, aber in der Produktion von Proteinen regulierend eingreifen. Manche dieser Abschnitte können eine Rolle bei der Entstehung von Erbkrankheiten spielen.

Zusammenfassend kann man sagen, die Vorstellung, DNA enthält Gene, die Gene produzieren Proteine und das war's, ist viel zu einfach und vieles von dem, was man für Müll hielt, hat tatsächlich eine Funktion. Was wir nicht erklären können Müssen wir uns also von dem Begriff Junk-DNA verabschieden, weil jeder Abschnitt des Erbmoleküls doch für irgendwas gut ist?

Die Ergebnisse und vor allem die Interpretationen des ENCODE-Programms wurden in den Folgejahren stark angegriffen. Hauptkritik, eine biochemische Aktivität bedeutet nicht, dass das Ergebnis auch funktional, also wichtig für die Entwicklung und für das Überleben des Organismus ist.

Das Genom der Zwiebel ist fünfmal so lang wie das des Menschen und niemand kann sich vorstellen, dass all diese Basenpaare wichtig für die Entwicklung einer Pflanze sind, die doch erheblich weniger komplex ist als wir. Wir vererben viele DNA-Abschnitte von Generation zu Generation, so die Kritiker, obwohl sie nichts mehr tun. Aber sie richten auch keinen Schaden an. Pseudogene werden solche Überbleibsel auch genannt.

Schaut man dagegen, welche Teile des Genoms im Lauf der Evolution unverändert bleiben, was auf eine wichtige Funktion schließen lässt, dann kommt man auf einen Wert von 5 bis 10 Prozent. Mehr als die kodierenden Gene, aber eben auch längst nicht alles. Das Wort Junk-DNA wurde also rehabilitiert. In der Astronomie bereitet die sogenannte dunkle Materie den forschenden Kopf zu brechen, in der Genetik sind es die großen Teile des Genoms, von denen wir nicht wissen, wofür sie gut sind.

Aufschluss können letztlich nur sogenannte Knock-Out-Experimente liefern. Man schneidet Abschnitte heraus und schaut, ob noch ein funktionierender Organismus entsteht. Das aber ist mühsam und bei Menschen auch ethisch fragwürdig. Und so wird der nicht-kodierende Teil des Genoms, ob Junk oder nicht, den Forschenden noch viele Rätsel aufgeben. Musik

Im aktuellen Zeitwissen-Magazin möchte ich Ihnen ein Gespräch meines Kollegen Hanno Rauterberg empfehlen. Der Kunst- und Architekturkritiker der Zeit hat mit der Künstlerin Diemut Schilling darüber gesprochen, warum Zeichnen uns mehr bringt als Fotografieren. Und dazu gibt es einen Crashkurs im Freizeichnen mit vier Übungen.

Eine kostenlose Probeausgabe können Sie bestellen unter zeit.de slash wissen-testen. Und wir freuen uns natürlich über Feedback und Kritik. Am besten erreichen Sie uns unter podcast at zeit-wissen.de. Ich bin Hella Kemper, wir hören uns bald wieder.