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Der Kannibale

2025/4/22
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Verbrechen

Transcript

Shownotes Transcript

Hallo liebe Zeitverbrechen-Fans und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Kriminal-Podcasts. An meiner Seite sitzt, wie immer, meine wundervolle Kollegin Anne Kunze. Hallo Anne. Hallo lieber Daniel. Anne, wir haben uns heute einen Gast eingeladen, den ihr da draußen alle schon kennt, denn er war schon häufiger bei uns zu Gast. Das ist Alexander Rupflin, Autor von Zeitverbrechen und der Zeit, der ja schon den ein oder anderen besonderen Fall hier vorgestellt hat. Hallo lieber Alex. Hallo.

Hallo Daniel, hallo Anne. Hi Alex. In diesem Fall kann man wirklich das Wort besonders im Wortsinne, glaube ich, verwenden, denn wir haben es mit einem Delikt zu tun, über das in den vergangenen Jahrzehnten in deutschen Gerichten, wo nur äußerst selten entschieden werden musste. Es geht um Kannibalismus. Die ein oder der andere wird sich vielleicht noch an den Fall des sogenannten Kannibalen von Rothenburg erinnern, der 2001 einen Mann tötete und Teile seines Leichnams verspeiste.

Du, lieber Alex, hast aber einen anderen Mann getroffen, den die Medien nach Bekanntwerden der Geschichte nur den Stückelmörder nannten. Wir nennen ihn hier nur beim Vornamen. Er soll, so heißen wir auch wirklich, heißt Detlef. Der Nachname ist zum Persönlichkeitsschutze weder abgekürzt noch werden wir ihn erwähnen. Es wird in dieser Folge viel um Detlef gehen, um den Menschen auch, den er getötet haben soll und zudem um eine übergeordnete Frage, die lautet,

Was ist eine gerechte Strafe und wann ist ein Mord eigentlich ein Mord? Und nicht zuletzt, sind Richter mit dem aktuell geltenden Strafgesetzbuch überhaupt in der Lage, Fällen wie diesen angemessen zu begegnen? Aber fangen wir vorne an. Alex, erzähl uns doch bitte einmal, was ist dieser Detlef für ein Mensch? Ja, gerne. Also dieser Fall ist tatsächlich ein Fall, der mich auf viele Weise aufgewühlt hat. Zum anderen auch, weil ich das Gefühl hatte...

Es geht auch um eine Sehnsucht nach Nähe, nach Liebe, nach Zuneigung, die hier leider eine völlig pervertierte Richtung einschlägt schlussendlich. Und um zu verstehen, wie diese Perversion eigentlich dieses Ausmaß reichen könnte, müssen wir wirklich am Anfang bei Detlef anfangen,

Detlef ist LKA-Beamter von Beruf. Was macht er denn beim LKA? Er ist Handschrift-Sachverständiger. Das heißt, er prüft eben Handschriften danach und vergleicht die und kann abgleichen, ob eine Handschrift von einem Schriftstück auch die gleiche Handschrift auf einem anderen Schriftstück ist zum Beispiel. Und damit eben auch Täter zu überführen. Das heißt, bisher in seinem Leben steht er auf der anderen Seite der Justiz-Sachverständigung.

Ich habe Detlef mehrere Male im Gefängnis getroffen und er wirkte auf mich wie ein eher ruhiger, bisschen schüchterner, introvertierter, zurückhaltender Mann. Sehr höflich.

durchaus hat er eine gewisse Bildung. Er ist auf keinen Fall jemand, dem man irgendeine Grausamkeit zutrauen würde. Ich würde sogar so weit gehen, hätte ich nicht gewusst bei unseren Treffen, warum er hier im Gefängnis sitzt. Ich wäre mit dem gerne einen Kaffee trinken gegangen. Alex, du hast den Detlef als erster Reporter in Deutschland selbst getroffen. Du hast es uns erzählt, du hast ihn im Gefängnis besucht.

Was hat er denn erzählt von seinem Leben früher? Also wie alt war er, als du ihn getroffen hast? Wie hat er früher gelebt? Mit wem hat er zusammen gelebt? Wo kommt er her? Wie ist er aufgewachsen? Was hat er dir von seinem Leben berichtet? Also Detlef ist heute Mitte 60 und als wir uns trafen, erzählte er mir, er ist in der DDR aufgewachsen.

Und hatte früh gemerkt, schon mit Beginn der Pubertät, eigentlich so mit 12, 13, dass er auf Jung steht. Dass er Bilder von Männern aus der Erwerbung und so weiter, aus Filmen, durchaus attraktiver findet als Frauen. Aber wir wissen, in der DDR gab es offiziell keine Homosexualität. Und so hatte auch Detlef versucht, das von Beginn an eigentlich zu unterdrücken bei sich.

Er wollte dann Arzt werden. Er hatte so eine Arztserie in der DDR immer sich angeguckt und hatte sich dann auf seinem Fahrrad auch so ein Fähnchen mit so einem roten Kreuz gebastelt. Das hat er mir erzählt. Welche Richtung in der Medizin wollte er einschlagen? Chirurgie zufällig? Das wäre zwar passend, aber ich glaube, so weit ist er nie gekommen bei seiner Berufsplanung diesbezüglich. Wie gesagt, er ist dann später zur Polizei gegangen, aber...

Später mit 15, 16 küsst er dann sogar die Tochter des Bürgermeister des Ortes, in dem er aufgewachsen ist. Und damit ist er sich wieder sicher, ich bin ja eigentlich doch nicht schwul. Also alles gut in Anführungszeichen. Er lernt dann auch seine spätere Frau kennen. Die beiden heiraten, kriegen auch zwei Kinder zusammen und dann fällt die Mauer. Und mit dem Mauerfall kommen die ersten Pornoheftchen in die DDR hinein.

Und er kauft sich eins dieser Heftchen und stellt wieder fest, verdammt nochmal, eigentlich finde ich die Männer erotisch und nicht Frauen. Und er führt eine Zeit lang ein Doppelleben, bis seine Frau ihn zur Rede stellt und sagt, mit dir stimmt doch irgendwas nicht. Irgendwas ist komisch, du guckst mich nicht mehr an, du redest kaum mit mir, du willst mit mir irgendwie gar nichts mehr zu tun haben. Und er gesteht ihr dann, ja, ich bin homosexuell, ich kann es nicht ändern. Sie fleht ihn sogar noch an, bitte bleib bei mir.

Und er hält das noch ein Jahr durch, aber dann sagt er, ich muss jetzt zu meiner Sexualität, zu meinem eigentlichen Leben stehen und trennt sich von ihr. Das ist ja erstmal eine sehr erwachsene Entscheidung, die natürlich schwierig ist, sich gegen die Familie zu stellen, die Kinder auch zurückzulassen. Überhaupt sich das selbst einzugestehen, nachdem man in einem Staat aufgewachsen ist und du immer nur gelernt hast, das ist quasi verboten, was du hier denkst, was du hier fühlst.

Also es ist ja eigentlich ein sehr autarker, selbstbestimmender Moment. Hat er ihm denn eine gewisse Freiheit in seinem Leben gegeben? Hatte er es auskosten können quasi auf positive Art und Weise? Anfangs auf jeden Fall. Ich glaube, er hat sich ziemlich ausgelebt. Er war dann auch in so Erotiksaunen und Schwulensaunen. Er war in Berlin unterwegs, in Leipzig und Dresden, wenn ich mich recht erinnere. Und er hat sich dort ja auch in der Schwulenszene durchaus ausgetobt dann.

Man könnte vielleicht sogar sagen, er hat wirklich großen Nachholungsbedarf gehabt. Und das hat mir eben wohl auch angemerkt. Und er lernt dann einen Mann kennen, der ist vom Beruf Notar. Und in den verliebt er sich. Die lernen sich tatsächlich auch in einer Sauna kennen und werden eine Beziehung führen. Und dieser Notar hat ein Ferienhaus im Gimletstal. Das ist in Sachsen. Und...

Die beiden ziehen in dieses Ferienhaus. Also es werden auch Zimmer vermietet dort, aber ein Teil der Wohnung ist sozusagen so in Privaträume, während er noch woanders sein Notariat hat. Dort sind die beiden erst einmal glücklich. Eine Zeit lang allerdings leidet Detlef sehr schnell daran, dass diese Beziehung von Anfang an als offene Beziehung gelebt und geführt wird. Und sein Partner, dieser Notar...

tobt sich wohl auch ganz schön aus nach wie vor, während Detlef oft allein in dieser Unterkunft mehr oder weniger im Sächsischen nirgendwo verbringt.

Und Eifersucht, glaube ich, empfindet und vor allem auch eine Form von Einsamkeit. Und was unternimmt er denn gegen seine Einsamkeit? Er entdeckt das Internet und er entdeckt schwulen Foren wie gayromio.de. In diesen Foren fängt er sich an, mit anderen Männern auszutauschen und zunehmend dann auch sich mit denen zu treffen. So ein bisschen nach dem Motto, na wenn mein Partner das kann, das kann ich auch. So.

Und er fängt dann auch allmählich an, Männer zu sich nach Hause einzuladen. Stückchenweise rutscht er von normalen Affären immer mehr in einen SM-Bereich. Also Stado Masochismus. Ganz genau. Und er kauft auch immer mehr Sexspielzeuge. Also irgendwann hat der mehr, als es in manchen Erotikshops zu kaufen gibt. Später bei der Hausdurchsuchung. Die Bilder, die vergesse ich nicht, das sind solche Massen an Produkten. Das ist unvorstellbar.

Und er baut sich auch einen Keller aus. Einen Keller mit einem Verlies, mit einem Skelett, das dort drin ist und auch einem elektrischen Seilzug, der später noch eine entscheidende Rolle spielen wird. Ein Skelett? Ja, dieser Keller ist ein bisschen eine Mischung aus Folterverlies und Geisterbahn.

In diesen sadomasochistischen Begegnungen, die er da hatte, welche Rolle hat er da eingenommen? Er hatte in der Regel die Rolle des Dominierenden. Er hat ausgepeitscht, er hat geschlagen, er hat gefesselt, er hat in den Käfig gesperrt.

Er hat aber, so wie er mir das beschrieben hat, sich dabei selten sexuell befriedigt oder Befriedigung erfahren. Sondern er war wirklich in der Rolle desjenigen, der im Grunde schlägt und fesselt und knebelt und so weiter, ohne dabei aktiv irgendwie eine Form von sexueller Befriedigung zu erleben. Aber warum hat er es dann gemacht? Gute Frage. Er selber, und ich bin mir sicher, das ist nur die halbe Wahrheit, sagte...

ist Phili ihm unglaublich schwer, Nein zu sagen. Und wenn man das von ihm verlangt, dann könne er nicht anders. Zum anderen, glaube ich, hat er sicherlich plötzlich in dieser Nische eine Möglichkeit gefunden, Sozialkontakte und auch Kontakt vor allem zu Männern zu finden. Also plötzlich war er in dieser Szene ein Stück weit bekannt und immer mehr Männer wollten zu ihm auf diesen Gasthof gehen.

dieses Gasthaus und diese Dienste von ihm sozusagen, für die er sich aber nie hat bezahlen lassen, in Anspruch zu nehmen. Aber nimmst du ihm das ab oder Daniel, was sagst du denn? Kannst du dir das vorstellen, dass man das einfach so macht, weil die anderen das wollen, weil man schlecht Nein sagen kann? Ich

Bin auch nicht so wahnsinnig gut darin, Nein zu sagen, aber ich sage mal, die Entwicklung ist dann doch relativ überraschend. Also ich finde auch die Geschwindigkeit, von der wir hier reden. Also wir schauen, wo er herkommt, was ist so sein Ursprung, diese Ehe, die eigentlich gar nicht mal so unglücklich war. Dann merkt er plötzlich, er ist natürlich immer noch homosexuell, dagegen kann man ja und soll man nicht arbeiten, aber er hat dagegen viele Jahre gearbeitet und dann brach es raus und dann hat er...

eine neue Partnerschaft und in der fühlt er sich ein bisschen einsam. Dann plötzlich diesen Change zu, ich werde zum Folterknecht, der ist so relativ schwierig nachvollziehbar in der Geschwindigkeit. Noch dazu mit diesem Horten von Folterinstrumenten und so. Aber andererseits, also man hat schon so viele Geschichten gesehen, in denen Menschen gegen ihre eigentliche Natur oder gegen das, was andere Menschen als deren Natur beschreiben würden, sich entwickelt haben und dass es dann irgendwann so ein Stück weit passiert ist,

Ja, aber ich sage mal, also 100% glaubwürdig, dass er daran gar keine Freude gefunden haben soll, kann ich es ihm auch nicht so richtig, oder? Kann ich nicht.

Könnte auch eine Strategie sein oder eine Ausrede. Genau, könnte auch ein Stück weit eine Ausrede sein oder jemand, der natürlich auch eine Erklärung im Nachhinein für sich selbst sucht, in der er möglichst gut bei wegkommt. Er hatte übrigens auch ein Tagebuch geführt, in dem er durchaus auch Praktiken, die er auch an sich selber ausgeführt hat, minutiös beschrieben hat. So hat er zum Beispiel sich selbst den Hodensack aufgeschnitten und einen

Hoden rausgeholt und dann danach wieder zuge... Das tut ja sogar mir weh, wenn du das so beschreibst. Vor allem irgendwie in dieser Kühle, dass er das dann so präzise notiert hat. Also er hat noch so Buchhalter-Vibes und dann stellt man sich den Buchhalter vor, der sich seinen eigenen Hoden rausoperiert. Also diese Diskrepanz zwischen diesem Charakter, den du schilderst auf der einen Seite, diesem Buchhalter-Crematum irgendwie, dieses ganz, ganz...

banale Leben eigentlich und dann eskaliert das irgendwie so. Das ist schon eine sehr faszinierende Persönlichkeit. Wir kommen ja sicherlich noch darauf, weil, wie ihr euch alle vorstellen könnt, war natürlich auch ein forensischer Psychiater später mit ihm beschäftigt, der sich das alles ganz genau angeschaut hat. Detlef ist ja aber nur der eine Protagonist dieser Geschichte. Der andere heißt Wojciech.

Stell uns doch auch ihn bitte einmal vor. Wojciech ist 59 Jahre alt, als die beiden sich kennenlernen werden. Also ein bisschen jünger. Ein bisschen jünger, genau. Die beiden lernen sich in einem Forum kennen. Nicht auf Gayromio, das ich schon erwähnt hatte, sondern ein explizites Forum, dessen Namen ich jetzt hier nicht unbedingt nennen werde, aber das es so in der Form auch meines Wissens gar nicht mehr gibt heute.

Jedenfalls geht es in diesem Forum explizit um Kannibalismus. Es gibt Foren für Kannibalismus? Ja. Zu diesen Foren muss man allerdings sagen, in der Regel chatten da Leute und erzählen sich gegenseitig, wie der eine den anderen ist und was sie mit dem Körper des anderen machen wollen. Das ist eigentlich sozusagen nur eine Art Rollenspiel. Manchmal geht das einen Schritt weiter und diejenigen aus diesen Foren treffen sich und

und spielen sozusagen, wie der eine zum Essen vorbereitet wird, aber es kommt nicht zur Tötung. Es gibt sehr seltene Fälle, und Wojciech ist einer dieser Fälle, die das in die Tat umsetzen wollen. Die tatsächlich eine solche große Todessehnsucht haben, dass sie das für sich als die schönste Form des Ablebens interpretieren können.

Unter anderem, oder das ist ein Erklärungsversuch, weil sie dann glauben sozusagen, im Körper des anderen ein Stück weit fortzuexistieren. Was weißt du denn über Wojciech? Was ist das für ein Mann, der solche Fantasien hat? Also wie gesagt, Wojciech ist 59 Jahre alt, ursprünglich Lkw-Fahrer, hat dann versucht, sich selbstständig zu machen, ist dabei mehrfach leider gescheitert, war dann wieder Lkw-Fahrer.

hat gerade eine Trennung und Scheidung hinter sich und kommt ursprünglich aus Polen. Was ich noch über ihn herausfinden konnte, ist, dass er wohl ein relativ zurückgezogenes, einsames Leben inzwischen geführt hatte.

wie gesagt, sehr viel Zeit in diesem Forum verbracht hatte. Und damit fing er wohl an zum Zeitpunkt der Trennung beziehungsweise als die Scheidung seiner Frau gerade lief. Also auch er hat eine heterosexuelle Ehe hinter sich. Genau. Abgesehen davon...

Wo das Spektrum seiner Sexualität anfängt und endet, kann ich dir so gar nicht sagen. Aber genau, er kommt ursprünglich aus dieser heterosexuellen Beziehung. Da müssen wir vielleicht auch gar nicht so ins Detail gehen. Aber Alex, was mich noch interessiert, du hast ja gesagt, es gibt Foren, wo man sich über Kannibalismus und kannibalistische Fantasien austauschen kann. Gibt es denn Zahlen, Einschätzungen dazu, wie viele Leute solche kannibalistische Fantasien haben und in solchen Foren unterwegs sind? Ja.

Also die Dunkelziffer ist natürlich enorm. Es gibt da jetzt nicht die Umfrage in der Gesellschaft, stehen sie auf Kannibalismus? Ja, das ist ja auch wahrscheinlich relativ selten, oder? Genau, das ist sehr selten. Als ich mich in diesen Foren umgesehen habe, reden wir von einem vierstelligen Bereich an fast ausschließlich Männern, würde ich sagen, die da drin sind.

Alles sehr düster gehalten und meines Erachtens wird man schon beim Durchscrollen dieser Seiten depressiv. Aber genauere Zahlen kann ich dir nicht nennen. Aber in einem dieser Foren, das es heute so nicht mehr gibt, deswegen hast du schon richtig gesagt, wir wollen den Namen hier auch gar nicht erwähnen, lernen die beiden sich also kennen.

Kannst du ein bisschen was zu der Genese sagen? Also wie funktioniert das? Wie spricht man sich da an? Schreibt der eine dem anderen, weil er irgendwie einen Beitrag von dem irgendwo gelesen hat? Oder kommt man in so einer Chatgruppe aufeinander? Wie genau ist es bei den beiden gewesen? Also Daniel, es ist genau so, wie du sagst. Die beiden chatten miteinander und...

Wojciech schreibt an Detlef, Hallo, in deinem Profil hast du geschrieben, dass du Real-Life-Kandidaten suchst. Bist du auch an Älteren interessiert? Ich bin 59, jedoch gut in Schuss. 1,73 Meter groß, 83 Kilo und stehe zur Verfügung. Komme aus Norddeutschland, Niedersachsen. Liebe Grüße, Wojciech. Real-Life-Kandidaten? Meint er, dass er sich verspeisen lassen will? Ganz genau, ja.

Und er sagt es ja quasi zweimal, stehe zur Verfügung. Und Detlef antwortet darauf, eine knappe Stunde später, hallo, nee, Alter spielt keine Rolle bei mir. Und so kommen die beiden ins Gespräch.

Und erst einmal ist es ein ewiges Hin- und Hergechatte, wie immer in diesen Gruppen, dass darüber fantasiert wird und geplant wird. Wie würden wir das dann anstellen? Und dann kommst du zu mir und dann mache ich dieses und jenes mit dir. Und so ist das erst einmal eine Art Fantasie. Aber man merkt schon, Wojciech macht schon Druck und sagt von Anfang an,

Ich meine das hier schon ernst. Also für mich ist das hier keine reine Sexfantasie. Und die überspringen dann so die ersten Stufen, wo man fragt, wo kommst du denn eigentlich her? Was machst du gerne? Was sind deine Hobbys? Reiten, Schwimmen, Lesen, sowas? Das ist dann irgendwie nicht dabei quasi, sondern die gehen direkt in Medias Res. Genau so ist es. Ja, ja, ja, ja. Da geht es von Anfang an nur gerade aus Wojciech's Perspektive nur um die eine Sache, die

ich will jetzt verspeist werden und ich will sterben. Alex, du hast ja gesagt, dass Detlef dir und auch vor Gericht gesagt hat, dass diese kannibalistischen Neigungen bei ihm gar nicht so ausgeprägt gewesen seien und dass auch seine riesige Sammlung an Folterinstrumenten ihn gar nicht so sehr interessiert hat.

Jetzt wurde er aber, Daniel, du hast es ja vorhin schon gesagt, von einem sehr bekannten Psychiater exploriert, also untersucht für das Verfahren, und zwar von Hans-Ludwig Gröber.

Hat er den Worten von Detlef Glauben geschenkt oder wie hat er Detlefs Entwicklung interpretiert? Also Herr Gröber sieht hier eindeutig, dass durchaus sowas wie Macht und Kontrolle eine zentrale Rolle bei diesen Spielen auch eine Rolle spielen und entscheidend sind. Also dass sozusagen das Verspeisen eines anderen Menschen ist,

Zum einen die extremste Form der Vereinigung, in Anführungszeichen, ist also auch hier wieder, Detlef ist jemand, der sucht eben Nähe auch, die er zu seinem Partner, zu seinem Eigentlichen so nicht erfährt. Der lässt ihn, wie gesagt, oft allein und ist auf irgendwelchen Partys und mit irgendwelchen Affären unterwegs.

Das ist das eine, diese absolute Form der Nähe und Verbundenheit mit einem anderen Menschen. Das ist wohl möglich eine Sehnsucht, die im Grunde aus der Jugend herkommt noch, aus diesem seiner Sexualität nicht ausleben und diese Form der Nähe, die er sich gewünscht hat zu einem anderen Mann, so vorher nie erfahren konnte. Das andere ist wirklich dieses Kontrolle und Dominanz auszuleben und

Und das passt auch ein Stück weit zu dem Detlef, den ich kennengelernt habe, gerade weil es ihm im Alltag sehr schwer fällt, in irgendeiner Form dominant zu erscheinen. Und ich glaube, hier hat er ein Ventil gefunden. Ich finde ja spannend in diese Entwicklung...

dass bevor Detlef und Wojciech sich treffen und wir kommen ja auch gleich auf die Tat, über die wir hier sprechen, dass es dann Vorläuferfall gibt. Also wenige Tage bevor Wojciech stirbt, hat Detlef Kontakt zu einem anderen Mann. Der heißt Alexander, etwas jünger.

Und auch der hat die große Sehnsucht, verspeist zu werden und getötet zu werden. Er kommt in seinem Leben nicht so richtig zurecht, findet eigentlich weder in Familie noch in ein Berufsleben hinein und ist, glaube ich, sehr einsam und hat ebenfalls Probleme damit, seine Homosexualität zu akzeptieren. Das ist die Grundsituation. Und die beiden lernen sich wieder in diesem Forum kennen und

Und Detlef und er vereinbaren ein Treffen und Detlef holt ihn auch ab und fängt dann an, ihn wie geplant zu...

in Essig einzulegen. Die halten an einem Rastplatz irgendwann mit dem Auto und Detlef reibt ihn dann mit Essig ein und wickelt ihn dann in Folie ein, wie so ein Stück Fleisch eben. Aber Alexander stirbt nicht. Alexander stirbt nicht. Die beiden fahren auch in dieses Gasthaus von Detlef. Der Partner von Detlef, der Notar, ist zu der Zeit nicht da, wie so oft.

Und Alexander drängt immer darauf, wann ist es jetzt soweit. Also die beiden haben eigentlich die Idee, dass Alexander aufgespießt wird wie so ein Ferkel, so ein Spanferkel und dann gegrillt wird.

Und davon nimmt Detlef Abstand und sagt immer, ja, morgen mache ich das, heute geht nicht, heute habe ich zu viel zu tun, heute schaffen wir das nicht, übernachte einfach noch einen Tag bei mir. Und eigentlich hat Detlef so ein bisschen die Idee, den bei sich im Haus einzubinden als Hilfskraft, als Reinigungskraft für die Gäste, für die Gaststube und die Gastzimmer.

Und zum anderen, um weniger allein zu sein, schlichtweg. Aber als Alexander irgendwann merkt, das wird hier nichts, ich werde hier nicht gegessen, haut er ab und ist dann weg. Und kurz darauf, im Grunde nur einige Tage später...

lernt eben Detlef im Internet Wojcik kennen. Ich frage mich, also das ist ja ganz interessant, so wie in einem juristischen Prozess so ein Präjudizverfahren, ist das ja vielleicht so eine Präjudiztat quasi, die aber keine Tat ist, sondern es ist eben ein Vergleich, sehr vergleichbare Situation, wo er von der verabredeten Tat zurücktritt und es eben nicht durchzieht.

Stellt sich natürlich die Frage, und da kommen wir natürlich jetzt gleich hin, wie war es dann bei Detlef und Wojciech und warum ist er letztlich diesen letzten Schritt dann doch gegangen? Vielleicht kannst du uns von dem Tag erzählen, an dem Wojciech im Gimlitz-Tal ankommt und was ist passiert an diesem Abend? Also die beiden vereinbaren schließlich, dass sie sich treffen wollen und

dass im Grunde diese Tat passieren soll, dass Wojciech gegessen werden soll. Allerdings, so beschrieb mir Detlef das zumindest, aber wie weit das auch eine Schutzbehauptung ist, kann ich schlussendlich nicht verifizieren. Auf jeden Fall behauptet Detlef immer, eigentlich hat er bis zum Schluss gehofft, Wojciech würde nie kommen. Und die beiden chatten hinten und her und irgendwann sagt Wojciech so, ich bin jetzt am vereinbarten Treffpunkt am Bahnhof,

Kannst du mich bitte abholen? Also wieder dieses Motiv, Detlef kann nicht Nein sagen. Genau, das ist zumindestens die Erzählung, genau. Und Detlef holt ihn dann tatsächlich dort am Bahnhof ab. Die Fahrt dann zurück ins Gimletstal muss relativ schweigsam vonstatten gegangen sein. Also das war jetzt kein Date oder sowas. Dann kommen die dort an und Wojciech macht sofort Druck, so...

Können wir jetzt loslegen? So, ich möchte jetzt sterben. Ich möchte jetzt von dir gegessen werden. Die beiden gehen in diesen Folterkeller hinunter und Detlef zeigt ihm da alles erstmal und sagt, so erzählt Detlef das, wenn du hier wirklich sterben willst, dann musst du das hier schon selber machen. Und geht dann wieder hoch und zündet sich erstmal eine Zigarette an und trinkt einen Kaffee. Das ist die Sicht, muss man sagen, von Detlef, der einzige andere Zeuge, der

Wojciech ist tot. Genau, also es gibt hier nur einen, der erzählen kann, was passiert ist. Und natürlich als Betroffener und Täter mit dem starken Eigeninteresse, mit dem er erzählt, was er zu erzählen hat. Und es lässt sich nur sehr bedingt nachprüfen, ob es tatsächlich so passiert ist. Jedenfalls behauptet Detlef, die beiden hätten dann ein bisschen hin und her diskutiert.

Wie das Ganze jetzt vonstatten gehen soll. Also die Idee war auf jeden Fall mit diesem elektrischen Seilzug, den ich bereits am Anfang erwähnt hatte, den es in diesem Keller gibt, soll Wojciech erhängt werden. Die Frage hier ist, und die ist auch juristisch äußerst relevant,

Hat Wojciech sich selbst erhängt oder hat Detlef das übernommen? Detlef sagt, dass Wojciech es war, der sich getötet hat. Genau, er hat mir gegenüber Wojciech so zitiert, na dann mache ich es halt selbst, dann hänge ich mich auf und wenn ich tot bin, dann und hörte wohl darauf zu sprechen, weil klar ist, was dann passieren soll.

Der Wunsch war, zerteilt zu werden und verspeist zu werden, wie gesagt. Und wenn wir bei Detlefs Erzählung erstmal bleiben, denn das ist die einzige, die wir hören können. Er ist hochgegangen, hat sich einen Kaffee gemacht und eine Zigarette geraucht. Ist in dieser kurzen Zeit laut ihm schon das passiert, was Wojciech angeblich wollte, nämlich dass Wojciech sich erhängte? Werbung.

Und jetzt geht's weiter mit der heutigen Folge.

So behauptet es Detlef. Er sagt, nach der letzten Zigarette sei er wieder runtergegangen und dort habe Wojciech bereits an einem magentafarbenen Strick gehangen. Tot. Er hat ihm dann wohl die Kehle durchgeschnitten und ihn von dem Strick gelöst. Also geschlachtet, wie man auch ein Schwein schlachtet. Ihn ausbluten lassen. Ja, genau so. Und dann startet Detlef ein Video. Er nimmt das auf, was er jetzt macht und sagt,

um hier nicht allzu sehr in die Details zu gehen. Ja, bitte. Er macht genau das, was man auch beim Schlachter macht mit einem Tier. Er zerteilt Wojcik. Und wer sich dieses Video ansieht, und ich habe mir zumindest Ausschnitte davon angesehen, ich kann zum einen versichern, diese Bilder kriegt man nicht mehr aus dem Kopf. Und zum anderen, dass Detlef durchaus sowas wie eine gewisse Erregung dabei gespürt hat. Was er aber später bestritten hat. Genau, was er bestritten hat. Er wird...

Später eine Frau noch ins Spiel bringen, mit der er Kontakt gehabt hat angeblich, die eine Freundin von Wojciech gewesen sein soll und die Detlef angeblich beauftragt hat, dieses Video anzufertigen, damit sie sich daran sexuell befriedigen kann später.

Also nicht Detlef. Das war nämlich dann die Behauptung des Gerichts, dass dieses Video angefertigt wurde, damit Detlef sich daran befriedigen kann später. Das liegt ja auch nahe, diese Vermutung. Das liegt nahe, was dagegen spricht ist, aber das kann auch nur Skrupel gewesen sein, dass Detlef anschließend versucht hat, dieses Video zu löschen und es auch getan hat, es allerdings wiederhergestellt werden konnte. Aber?

Aber wo kam denn diese Frau her? Also ich meine, wenn man sich jetzt vorstellt, man ist in so einem relativ abgelegenen Forum unterwegs.

chattet da mit einem Mann, der getötet und verspeist werden will. Da unterrichtet man ja nicht auf dem Weg irgendeine Frau davon, die sich womöglich auch an kannibalistischen Szenen ergötzen könnte, dass sie ja vielleicht das Video davon noch sehen könnte. Es klingt wahnsinnig unwahrscheinlich, ich weiß. Allerdings hat eine Kontaktperson, die mir damals auch den Kontakt zu Detlef hergestellt hat, diese Frau vor kurzem tatsächlich getroffen. Die gibt es.

Die ist in dieser Szene auch unterwegs. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat sie auch irgendwas mit Vampirismus zu tun und scheinbar wollte die tatsächlich dieses Videomaterial zugeschickt bekommen. Da wittere ich schon die nächste besondere Folge mit Alexander Rupflin, wenn das Wort Vampirismus fällt. Das können wir dann vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt machen, aber

Bleiben wir mal beim Kannibalismus, der schon obskur genug ist und vor allem grausam genug an der Stelle, an der wir uns jetzt befinden, weil wir haben es jetzt mit einem toten Wojciech zu tun, der wie ein Vieh geschlachtet wird von Detlef.

Wojtek, hast du schon gesagt, war ein sehr einsamer Mann, der nach der Trennung sehr für sich gelebt hat. Wer hat ihn denn als vermisst gemeldet und wie ist die Polizei letztlich auf Detlef gekommen? Also man muss dazu sagen, es vergehen jetzt von der Tötung bis zu Detlefs Verhaftung 23 Tage.

In diesen 23 Tagen wird Detlef an mehreren Abenden, nachdem er aus dem Büro des LKAs nach Hause gegangen ist, nach Feierabend, diesen Leichnam zerteilen und Teile des Leichnams in seinem Garten verbuddeln.

Es ist tatsächlich nicht bewiesen, ob er was von diesem Leichnam gegessen hat. Allerdings muss man auch sagen, dass ausgerechnet der Penis und Einhoden später von der Polizei nicht wieder ausgegraben werden konnten. Den hat man nicht gefunden. Alles andere schon. Kann ein komischer Zufall sein, aber es ist ein großer Zufall. Auf jeden Fall...

Ist es eine Bekannte und wohl auch die Ex-Frau von Wojciech, die irgendwann zur Polizei gehen, weil der Typ verschwunden ist?

Und niemand genau Bescheid weiß. Die Polizei fängt zum Glück relativ früh an, hier zu ermitteln, was bei vermissten Fällen häufig deutlich länger dauert. Bei Erwachsenen jedenfalls. Genau, bei Erwachsenen. Und man schaut sich sein Computer an, findet diese Chats und weiß eigentlich sehr, sehr schnell, mit wem Wojciech da gechattet hat. Das LKA in Sachsen bekommt Bescheid, also der Arbeitgeber von Detlef.

Und nach 23 Tagen marschiert Detlef jeden Morgen in seinem Büro und dort sagt eine Mitarbeiterin, du sollst mal kurz zum Chef. Er geht ins Büro seines Chefs und dort wird er verhaftet. Und dann klagt man ihn an, wegen des Mordes an Wojciech?

Und wir erleben einen enorm spannenden Prozess, der medial natürlich auch groß begleitet wird. Ich war selber damals in dem Verfahren, weil ich aber wegen einer anderen Geschichte, weil ich damals ein Porträt über Hans Ludwig Kröber geschrieben habe. Also ich konnte mir damals auch einen Eindruck von Detlef machen. Und es wurde ja in diesem Verfahren viel darum gerungen,

Wann ist dein Mord dein Mord? Was ist die gerechte Strafe für das, was dort passiert ist, wenn, das mal jetzt angenommen, Wojciech wirklich sterben wollte, wenn er diesen Wunsch gehegt hat, getötet und verspeist zu werden, kann man

das alles Detlef zu Lasten legen? Wie viel Eigenverantwortung hat der Tote? Wie viel Gesamtverantwortung hat Detlef als Täter? Kannst du uns vielleicht nochmal so ein bisschen in dieses Ringen

mit reinnehmen, was ist da diskutiert worden, welche Beweise haben letztlich wozu geführt und vielleicht auch nochmal, weil wir bei Kröber ja schon mal so ein bisschen angeschnitten haben, was er da so drin gesehen hat, vielleicht auch was hat Professor Kröber letztlich in seinem Gutachten geschrieben.

Also das Ringen vor Gericht hat eigentlich zwei Ebenen gehabt. Die erste Ebene ging erstmal darum, um die Frage, hat Wojciech sich selbst getötet oder war es Detlef? Also wer hat die Schlinge um Wojciechs Hals gelegt und wer hat das Seil dann nach oben gezogen, sodass Wojciech erhängt wird?

Detlef hat natürlich von Anfang an gesagt, das war Wojciech allein. Das Gericht sieht es anders. Durch die Aufnahmen, die Detlef angefertigt hat, kann man zwar feststellen, dass Wojciech den Boden berühren konnte, noch als er erhängt wurde, allerdings nur aufgrund der Dehnung des Seils und auch wirklich nur sehr knapp. Das heißt, Wojciech müsste auf jeden Fall

selbst diesen elektrischen Seilzug bedient haben mit dem Knopf, was theoretisch möglich gewesen wäre. Und Detlef hatte behauptet, Wojciech hätte sich auf eine Wanne gestellt, von der er sich dann hat in den Tod gestürzt sozusagen. Theoretisch sind beide Varianten möglich. Das Gericht, wie gesagt, geht davon aus, dass Detlef den letzten Schritt gemacht hat.

Damit wären wir auf jeden Fall schon mal beim Totschlag. Jetzt gibt es dieses Video, auf dem zu sehen ist, dass Detlef offensichtlich von der ganzen Sache erregt ist. Damit haben wir ein Mordmerkmal, nämlich Befriedigung des Geschlechtstriebs. Und jetzt kommen wir zur zweiten Ebene. Denn der Mordparagraf ist ausgerechnet der einzige Paragraf, in dem ein Gericht oder in dem Richter

keinen Spielraum haben, was das Strafmaß angeht. Wir sind immer bei lebenslang. Das ist etwas, was heute auch immer wieder kritisiert wird, dass es hier überhaupt keinen Ermessensspielraum gibt.

Jetzt hat das Landgericht Dresden allerdings versucht, eine Lösung für das Problem zu finden, weil, wie du sagst, Daniel, die auch das Gefühl haben, man kann Detlef nicht genauso bestrafen wie jemanden, der auf offener Straße jemanden absticht zum Beispiel. Die beiden hatten das schon abgesprochen auf eine Weise, diese Tat. Das stimmt.

Das belegen ja auch die Chats. Es ist ja nicht so, dass er sich alles nur ausgedacht hat, sondern es gibt ja auch Beweismaterial, das das substanziiert. Ganz genau. Und in diesen Chats macht Wojciech wirklich Druck. Also der lässt Detlef da auch nicht mehr aus seinen Fängen eigentlich. Der hat wirklich die große Hoffnung, jetzt habe ich einen gefunden, der meinen größten und letzten Traum erfüllt. So pervers es klingen mag für uns.

Und jetzt wendet das Gericht, und es wird so ein bisschen theoretisch, einen kleinen Trick an. Und das ist die sogenannte Rechtsfolgenlösung. Der BGH hatte mal die Idee gehabt, zu sagen, es gibt Fälle, da kann dieses lebenslang so nicht ausgesprochen werden, weil es unverhältnismäßig groß ist. Der BGH hat entschieden, dass diese Lösung, die Rechtsfolgenlösung, nur dann eine Rolle spielen kann. Allerdings, wenn wir von Heimtücke reden,

Und wenn wir eine notstandsähnliche Situation haben, er denkt dabei vor allem an Haustyrannenfälle. Also Fälle, in denen eine Frau über Jahre hinweg von ihrem Partner im Grunde geschlagen wird und tyrannisiert wird und keine Möglichkeit sieht, ihn einfach zu verlassen und daraufhin sich entscheidet, ihren Partner zu töten, wenn der zum Beispiel schläft. Da haben wir dann die Heimtücke.

Und da hat der BGH entschieden, es kann nicht sein, dass eine solche Person genauso bestraft wird wie ein grausamer Mörder. Das Landgericht hat hier versucht, sozusagen diese Argumentation auf Detlef anzuwenden. Und deswegen hat er im erstinstanzlichen Urteil nur eine Strafe von acht Jahren und sechs Monaten bekommen, anstatt lebenslang. Das Ganze ging dann in der Revision zum BGH, der gesagt hat,

Nö, so funktioniert es nicht. Mord ist lebenslang und Ende. Hat das Verfahren dann zurückverwiesen, wieder ans Landgericht Dresden, zu einer anderen Kammer. Die kamen im Grunde wieder zum selben Ergebnis. Statt acht Jahre und sechs Monate gab es jetzt acht Jahre und sieben Monate. Das Ganze ging wieder zum BGH und dem BGH hat es dann gereicht und hat gesagt, okay, jetzt urteilen wir selber und hat daraus eine lebenslange Freiheitsstrafe gemacht.

Das ist vielleicht etwas, was man mal kurz erwähnen muss, weil das so selten vorkommt. Aber es gibt für den Bundesgerichtshof die Möglichkeit, in solchen Fällen letztlich auch ein endgültiges rechtskräftiges Urteil zu sprechen, ohne es noch ein drittes Mal an eine andere Kammer und dann wahrscheinlich auch an ein anderes Gericht zurückzuverweisen. Das passiert aber wirklich extrem.

Das ist extremst selten. Also ich kenne vielleicht eine Handvoll Fälle. Im Normalfall wird das dann ja, wie gerade schon geschildert, nochmal an ein anderes Gericht gegeben. Das hatten wir ja hier auch schon, dass Sachen dreimal verhandelt wurden.

Der BGH sagt jetzt also, nee, nee, Mord ist Mord und das heißt lebenslanges Lebenslang. Das war also dann die Strafe. Gab es denn in irgendeiner Art und Weise noch einen Strafmilderungsgrund? Hat Professor Kröber aufgrund der doch absoluten Besonderheit in irgendeiner Art und Weise gesagt, da hat was Krankheitsmäßiges dazu geführt? Also hat er irgendeine Krankheit, hat er irgendeine Diagnose gestellt bei Detlef?

Also was ich dazu sagen kann ist, Detlef Gilder ist absolut schuldfähig. Er hat narzisstische Anteile, die habe ich persönlich gar nicht so rausgespürt in unseren Gesprächen. Da war jetzt niemand, der sich irgendwie von seiner besten Seite zeigen wollte, der sich profiliert hat mir gegenüber auf irgendeine Art und Weise, sondern wie gesagt eher ein zurückhaltender, schüchterner Mann.

Aber ich bin auch kein Gutachter. Davon abgesehen aber gilt Detlef als, soweit das im Rahmen dieser Tat eigentlich zu sagen ist, als gesund. Es gibt jetzt eine ganze Reihe an Rechtsexperten, die sich für eine Begnadigung von Detlef einsetzen, weil Detlef sitzt noch immer in Haft.

Warum setzen sich diese Rechtsexperten für Detlef ein? Was führen sie da an in ihren Gnadengesuchen? Genau, es gibt jetzt mehr Rechtsexperten, die einen Gnadengesuch suchen für Detlef, weil sie eben wie das Landgericht diese lebenslange Freiheitsstrafe für völlig unverhältnismäßig sehen. Trotz dessen, dass man hier absolut sagen kann, moralisch, ethisch,

ist diese Tat absolut zu verurteilen und verwerflich. Aber das ist eben nicht der Maßstab der Justiz. Dazu muss man sagen, und das ist eben auch die Argumentation hier der Professoren, dass das Gericht diesen Fall nur minimal hätte anders werten müssen und schon wären wir gar nicht mehr beim Mord gewesen. Das heißt...

Und hier kommen wir mal wieder an etwas, was ihr beiden auch bestens kennt. Die juristische Wahrheit oder die Wahrheit, die bei Gericht gefunden wird und gefunden werden muss, um ein Urteil zu fällen, hat manchmal nur bedingt was mit der Wirklichkeit zu tun. Sondern sie entsteht aus Indizien und Beweisketten und erscheint in sich schlüssig und kausal.

Das heißt aber nicht, dass es immer so passiert sein muss. Und hier sind wir genau in diesem Grenzfall, dass wir sagen können, okay, so wie das Gericht es wertet, kann es gewesen sein, muss es aber nicht. Wenn wir genau an dieser Sollbruchstelle sozusagen von juristischer Wirklichkeit und Wahrheit sind, ist dann nicht lebenslang zu viel des Guten passiert.

Und zuletzt vielleicht, Detlef sitzt jetzt bereits seit elf Jahren und dementsprechend ist gerade jetzt vielleicht auch der richtige Zeitpunkt für so ein Gnadengesuch. Vielleicht reicht es jetzt auch.

Weil es ja etwas ist, was in Deutschland sehr, sehr selten passiert. Ich glaube, die allermeisten dürften gar nicht davon wissen, dass es diese Möglichkeit eines Gnadengesuchs in Deutschland überhaupt gibt. Aus den USA kennen wir das, weil wir ständig irgendwelche Nachrichten hören, dass XY begnadigt wurde, weil es ja schon so lange her ist, weil man gemerkt hat, man hat doch falsche Ermittlungen. Warum auch immer...

Es ist auf jeden Fall ein Mittel der Wahl in Deutschland. Wir können alle dreimal die Köpfe zusammenstecken, wie viele Fälle uns einfallen, wo Menschen begnadigt wurden. Findet praktisch nicht statt. Deswegen würde ich jetzt auch mal so aus meiner Sicht sagen, dass es auch wahrscheinlich hier nicht

unbedingt von Erfolg gekrönt am Ende, aber jetzt mal in der Theorie, das liegt ja jetzt erstmal bei Sachsens Ministerpräsident Kretschmer, richtig, der muss sich jetzt dazu verhalten oder kann er das auch einfach ganz ignorieren? Also was denkst du, wohin geht die Reise? Also

Also was für Detlef spricht ist, dass er verhältnismäßig alt ist bereits, dass er bereits elf Jahre jetzt in Haft saß und dass er tatsächlich auch vor kurzem an Prostatakrebs erkrankt ist und aufgrund der Behandlung sein Sexualtrieb sowieso sehr herabgesetzt ist inzwischen.

Und vielleicht zuletzt noch muss man auch noch sagen, ist er im Gefängnis völlig unauffällig, versteht sich sogar wohl gut mit den Beamten dort, geht sehr respektvoll mit den Leuten dort um. Das heißt, er ist überhaupt kein Problemhäftling in irgendeiner Art und Weise und es gibt auch ein neues Gutachten, das davon ausgeht, dass das Risiko sehr gering ist, dass er rückfällig wird in irgendeiner Form.

Das heißt, er hat doch ein paar Punkte auf seiner Seite hier. Allerdings, wie du schon sagst, Daniel, es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieses Gnadengesuch Erfolg hat. Gerade auch, wie gesagt, weil es eine Tat ist, die moralisch so verwerflich ist und das mediale Echo dementsprechend vermutlich auch ausfallen wird. Lieber Alex, vielen herzlichen Dank, dass du uns diese Geschichte aus dem Grenzbereich des Strafrechts in jeglicher Hinsicht, kann man glaube ich sagen, mitgebracht hast.

Das war sicherlich auch keine leichte Recherche für dich und wir sind sehr dankbar, dass du uns das heute nochmal vorgestellt hast. Anne, wir haben aber auch noch zwei, drei Punkte. Ja, und zwar möchten wir euch gerne auf eine Podcast-Studie aufmerksam machen, die unser Verlag gerade macht, weil wir euch, unsere lieben Hörerinnen und Hörer, besser kennenlernen möchten und eure Wünsche und Bedürfnisse noch besser verstehen möchten, was Zeitverbrechen angeht.

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr daran teilnehmt. Das könnt ihr noch tun bis zum 18. Mai und den Link dazu findet ihr in den Shownotes. Aber Daniel und Alex, ich glaube, ihr habt auch ein neues Heft vorzustellen, oder? Ja, wir haben ein neues Heft vorzustellen. Das liegt seit letzter Woche am Kiosk und natürlich würden wir uns sehr freuen, wenn ihr da zugreift. Diesmal haben wir ein

Eine sehr, sehr ausführliche Titelgeschichte, die die Kollegin Anna Gaute und ich in den letzten dreieinhalb Jahren recherchiert haben. Da geht es um sechs weitgehend sehr mysteriöse Kriminalfälle in Tirol, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben. Wenn man aber etwas genauer hinguckt, dann haben sie es doch.

Mit sehr, sehr ausführlich, darf ich dich kurz unterbrechen, meinst du es hat Buchlänge und die Lektüre lohnt sich wirklich. Ich habe es jetzt am Wochenende gelesen, wirklich großartige Recherche. Es ist ein halbes Buch geworden, ja, ich hoffe es schreckt euch nicht ab, aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr es lest und vielleicht darf ich euch noch auf eine kleine andere Sache hinweisen.

Weil wir ja immer versuchen in unserem Magazin Zeitverbrechen dieses Kaleidoskop Verbrechen von allen Seiten zu betrachten und das Thema Tod und Verbrechen auch von allen Seiten zu betrachten. Wir haben eine neue Interviewreihe, reden wir über den Tod, vielleicht kennt ihr die schon und diesmal hat unsere Autorin Denise Schweiger dazu eine Philosophin und Tierethikerin getroffen, Susanne Monceau.

die euch und uns erzählt, wie Tiere mit dem Tod umgehen, wie Tiere trauern, wenn ihre Kinder sterben. Und das ist in vielerlei Hinsicht wahnsinnig interessant und sehr, sehr rührend. Ich muss auch noch was sagen, und zwar zu unserem Gast, lieber Alex. Du bist nächste Woche wieder unser Gast in einer vierteiligen Serie, in der du die Geschichte eines schier unglaublichen Justizirrtums erzählst.

Du beschreibst, wie es einer jungen Frau gelungen ist, unschuldige Menschen ins Gefängnis zu bringen und Dutzende von Polizisten, Staatsanwältinnen, Anwältinnen, Richtern beschäftigt hat. So ist es, Anna. Und ich danke euch, dass ich heute zu Gast sein durfte. Danke, Alex. Bis bald.

Would you like to improve your English and discover the English-speaking world? Then listen to our free podcast, English Please. My colleagues Owen from Ireland, May from the US and Nadia from the UK are happy to welcome you. English Please, the first sight podcast in English.