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Die Lügnerin (1/4): Wie eine junge Frau versucht, ihre Familie zu vernichten

2025/4/29
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Verbrechen

Transcript

Shownotes Transcript

Hallo und herzlich willkommen zu Zeitverbrechen. Wir wollen in vier Folgen über einen schier unglaublichen und großen Justizirrtum sprechen, in den Dutzende von Leuten verwickelt waren, in dem sich auch wichtige Institutionen haben täuschen lassen, Staatsanwaltschaft und Gerichtsschrift.

Mein Name ist Anne Kunze und zu mir ins Studio habe ich Alexander Rupflin eingeladen, um Schritt für Schritt nachzuvollziehen, wie das möglich war. Herzlich willkommen, lieber Alex. Hallo, freut mich hier zu sein. Alex, du bist Reporter in unserem Verbrechensmagazin und mein Eindruck von dir ist, wenn ich dich so beobachte, wenn es wirklich hart wird, also wenn es

wirklich ans Eingemachte geht, dann bist du unser Mann. Du hast ja letzte Woche in unserem Podcast erst von einem Kannibalen erzählt. Du hast auch schon über einen Mann geschrieben, der seine Frau zerstückelt hat. Über einen Mann geschrieben, der anderen Männern Silikon in ihre Penisse injiziert hat. Also du schreckst vor nichts zurück. Kann man glaube ich so sagen, oder? Ja.

Ja, kann man so sagen. Also dann, wenn es existenziell, wenn es grundlegend wird und wenn man über dieses Verbrechen hinaus noch über das Menschen als solches erfährt, dann bin ich Feuer und Flamme. Wie lange hat dich denn die Recherche beschäftigt, über die wir heute sprechen? Also wir nehmen jetzt Anfang April 2025 auf und der Prozess, um den es unter anderem hier gehen wird, der war im August vergangenen Jahres.

Und seitdem bin ich eigentlich tagtäglich mit dieser Geschichte beschäftigt. Das zieht sich jetzt eben erst seit einigen Monaten und es wird auch weitergehen. Wir sprechen über deine Recherche in vier Folgen. Die erste Folge ist frei für alle zu hören und die anderen beiden Folgen sind exklusiv mit dem Podcast oder Digitalabo der ZEIT zu hören.

Alex, in der Folge heute möchten wir die Frau kennenlernen, die im Mittelpunkt dieses Justizirrtums steht, Josefine. Sie ist die Strippenzieherin, das kann man sagen, eines monströsen Justizirrtums. Sie ist die Frau, auf die alles zuläuft. Sie ist das Zentrum, sie hält die Fäden in der Hand.

Du hast sie ja vor Gericht erlebt. Was kannst du uns über Josefine sagen? Wie hat sie auf dich gewirkt? Also Josefine ist heute 26 Jahre alt. Sie ist recht groß, wirkt durchaus selbstbewusst, selbstsicher. Nur ihre Miene, ihr Gesicht wirkt manchmal ein wenig versteinert, starr fast. Sie ist gleichzeitig sehr eloquent, komisch.

sowohl das juristische als auch psychologische Fachvokabular wunderbar. Als ich sie im Gericht erlebt hatte, da dachte ich im ersten Moment tatsächlich, sie könnte eine Anwältin sein. Sie hatte einen Hosenanzug an und schritt wirklich mit sehr viel Selbstverständnis in diesen Gerichtssaal hinein, begleitet von ihren tatsächlichen Anwälten.

Nur zwei Details haben dem Ganzen in diesem Bild ein paar Risse verliehen. Da war zum einen ihre etwas schlecht lackierten schwarzen Fingernägel und zum anderen ein Antistressball, an dem sie die ganze Zeit rumgeknetet hat. Mit Josefine selber konnte ich nicht sprechen, das wollte sie nicht. Aber wenn ich mir angehört habe, was all die anderen Leute mir erzählt haben, wenn ich mir die Befragungen in den Akten durchgelesen habe, in denen sie sehr ausführlich gesprochen hat, dann wird klar,

dass sie ungemein gut manipulieren kann. Ich würde sogar sagen, in den Jahren, wo ich jetzt als Kriminalreporter für die Zeit und für Zeitverbrechen recherchiere, habe ich noch nie jemanden erlebt, der so gut lügen und betrügen und manipulieren kann.

Du hast uns viele O-Töne von deinen Gesprächen mitgebracht und vielleicht können wir uns einmal anhören, wie Josefines Ex-Mann Josefine beschreibt. Sie hat einen tollen Charakter gehabt, also wirklich ein einfühlsamer Mensch, großes Herz und ich habe es immer wieder bewundert, dass sie eigentlich so eine Wärme aufstrahlen kann für einen Mitmenschen.

Und das war eigentlich so der Grund, warum ich eigentlich der Dame verfallen bin eigentlich halt. Ja, großer Fehler gewesen. Wir haben hier gerade Enrico gehört, Josefines Ex-Mann. Und wir sollten vielleicht einmal dazu sagen, dass wir nur die Vornamen nennen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes. Die sind allerdings alle echt, die Vornamen. Das sind die echten Namen dieser echten Menschen, die hier unter anderem unfassbares Leid erfahren haben.

Auch die Eltern von Josefine hast du getroffen und auch sie haben dir beschrieben, wie Josefine war als Kind. Also sie sagt manchmal, sie war von klein auf ruhig. Ruhiger Mensch. Mit Kontaktknüpfen, also wenn sie einmal Kontaktknüpfen hat, war sie auch hellauf begeistert. Also so war sie ganz normal. So war sie ein ganz normales Kind. Musik

Wir haben ein Bild von Josefine bekommen, um sie ganz zu verstehen. Lieber Alex, würde ich dich einmal bitten, zu umreißen, wie groß der Justizirrtum ist, der sich um Josefine herum entfaltet hat. Also wie viele Menschen beteiligt waren und welche Institutionen getäuscht wurden.

Ja, man muss bei sowas immer ein bisschen vorsichtig sein mit Superlativen, aber es ist auf jeden Fall einer der größten Justizskandale und Irrtümer der letzten Jahre, vielleicht der letzten Jahrzehnte. Wir sprechen von grob geschätzt über 90 Verfahren. Die Akten dazu liegen mir auch vor. Es sind unendlich viele PDF-Dateien enthalten.

die Wochen gedauert haben, um sie zumindest alle mal grob zu sichten. 30.000 Seiten, du darfst es ruhig sagen. Ja, 30.000 Seiten. Darin werden insgesamt ca. 60 Namen genannt von Menschen, die tatsächlich verdächtigt wurden. Menschen, die zumindest auch ins Visier der Staatsanwaltschaft und der Polizei geraten sind. Es geht um einen gewaltigen Täterkreis.

Und zwei Fehlurteile. Also es ist nicht nur so, dass sozusagen die Polizei und die Staatsanwaltschaft ermittelt haben, sondern es wurden auch Gerichtsurteile gesprochen, die sich hinterher als falsch herausgestellt haben. Eine Frau ist aufgrund eines Fehlurteils, zu der kommen wir später noch, nach wie vor im Gefängnis. Und die Eltern von Josefine, die wir später noch genauer kennenlernen werden, saßen mehrere hundert Tage im Gefängnis, bis endlich die Wahrheit ans Licht kam.

Sie saßen unschuldig im Gefängnis. Also Josefine hat ihre Eltern unschuldig ins Gefängnis gebracht. Genauso ist es, ja. Lass uns doch gerne am Anfang beginnen. Also bei dem Menschen, der später dann die ganze Justiz getäuscht hat, so wie du es gerade umrissen hast. Lass uns mit Josefine anfangen und ich würde gerne von dir wissen, was du über ihr Großwerden weißt, über ihre Kindheit und dann auch über ihr Erwachsenwerden.

Josefine wuchs in einem kleinen Dorf auf, in der Nähe von Havelberg, in Sachsen-Anhalt. Eigentlich wohlbehütet, so was ich aus meiner Recherche erfahren konnte. Das Problem, das sich irgendwann herausstellte, war ihr leiblicher Vater. Der wurde zum Alkoholiker. Er fing auch an, seine Frau, also Josefines Mutter, zu schlagen. Er beschimpfte die beiden. Er fing sogar irgendwann an zu behaupten, Josefine sei nicht seine leibliche Tochter.

Was, wer den Vater einmal gesehen hat, ich habe ihn im Internet gefunden, es ist nicht abzustreiten, rein optisch, dass er eindeutig der Vater ist, aber das war erstmal so die Grundsituation, in der Josefine aufgewachsen ist. Sie war eine gute Schülerin.

Sie hatte einen Freundeskreis, einen stabilen. Die Familie war sicherlich nicht sehr wohlhabend und dennoch muss man sagen, dass sie zwar in einfachen, aber auch zumindest was ihre Mutter angeht, auch da wohlbehütet aufgewachsen ist. Und die Mutter hat dir dann irgendwann den Mann zum Teufel gejagt? Hat die den rausgeschickt? Ja, genau, genau.

Genau, der musste irgendwann die Wohnung verlassen. Wie alt war Josefine da? Sie war noch im Kindesalter. Kurz darauf lernte die Mutter allerdings auch einen neuen Mann kennen, der hier auch eine größere Rolle spielen wird, nämlich Thorsten. Bevor wir jetzt zu Thorsten, Josefines Stiefvater, kommen, Alex, du hast doch mit der Mutter von Josefine auch über Josefines Schulzeit gesprochen, wo die Probleme schon angefangen haben. Also es gab eine Phase...

Typisches Jugendalter, wo plötzlich das Mobbing losging. Wo sie dann angeblich in der Schule gemobbt werden sollen. Sie wurde vorgeworfen von Freundinnen, sie würde ständig lügen. Was vielleicht auch schon ein Hinweis ist zu dem, was noch kommen wird in unserer Geschichte hier. Sie würde lügen, sie würde irgendwas erzählen und sie würde lügen.

Und so ging es doch mit ihrer besten Freundin da auseinander. Sie hatte praktisch überhaupt keine Freundin mehr, weil ihr habt. Und es gab wohl auch Kommentare zu ihrer Figur und zu allem Möglichen. Und das hat wohl dazu geführt, dass sich Josefine früher oder später angefangen hat zu ritzen. Also die Arme aufzuschneiden. Die Arme aufzuschneiden und es ist auch nicht nur bei den Armen geblieben. Hatte sie eine Depression? Mutmaßlich ja. Das ist schwer zu sagen. In dem Alter war sie noch nicht in einer psychologischen oder psychiatrischen Behandlung.

Und die Eltern haben durchaus festgestellt, dass sich das Kind zurückgezogen hat, aber diagnostiziert ist hier nichts. Josefine ist auch noch ein Kind, als sie Enrico kennenlernt, ihren späteren Mann. Und Enrico hat dir erzählt, wie er sich an die erste Begegnung erinnert mit ihr. Enrico war in einer Badeanstalt am Beckenrand und hat mit einem Kumpel sich einen Ball hin und her geworfen.

Und irgendwann ist der Ball gegen Josefines Bein geworfen worden. Ich glaube, von Enrico sogar.

Und sie dreht sich um und ruft, was soll das, du Arschloch? Und sie ist damals zwölf Jahre alt. Sie ist damals zwölf Jahre alt, er ist 15 oder bereits 16. Und die beiden kommen trotz dieser anfänglichen Streitereien dann ins Gespräch und verstehen sich ziemlich gut. Und tauschen dann auch bald die Nummern aus. Also sie war ja damals mit einem Kumpel von mir zusammen gewesen, so die typische ...

Kindergartenbeziehung, sag ich jetzt mal halt. Und denn 2014 war das. Da hat sie mir eine Nachricht per SMS geschrieben. Da lag ich gerade in Neuruppin im Krankenhaus, weil ich eine Nasen-OP hatte. Da schreibt mir die junge Dame, was ich denn gerade so machen würde. Und ich liege da so schön mit Bandage und ja, ich liege im Krankenhaus. Und dann haben wir ein bisschen hin und her geschrieben. Hihuhaha.

Er hat immer gesagt: "Mensch, wollen wir uns doch mal treffen, mal wieder halt." Und ich so: "Ja klar, können wir machen halt." Dann habe ich sie halt mal einen Tag besucht nach der Schule.

Wie hat denn Enrico auf die Schilderungen der Josefine reagiert? Woher kommt die Geschichte?

Wollte er da helfen? Haben die Alarmglocken geschrillt? Wie war sein Umgang damit? So wie Enrico mir das beschrieben hat, war er ein wenig überfordert damit. Also einerseits hat ihm seine dann ballige Freundin ziemlich leid getan. Er hat sie auch unterstützt, was diesen ganzen Mobbing-Aspekt anging. Aber was dieses Ritzen betraf, da hat sie ihm immer wieder erklärt, sie brauche das jetzt, das tue ihr gut.

Er hat versucht, das in einer Weise zu akzeptieren und gleichzeitig sie davon abzuhalten. Aber so wie ich ihn verstanden habe, war es ihm wichtiger, dass sie ihm vertraut und es nicht heimlich macht. Und es ging dann auch sehr schnell, wurde es ernst zwischen den beiden. Es hat so ein bisschen gedauert. Es war, Enrico beschrieb mir, das war so eine On-Off-Teenie-Beziehung.

Es gab kleinere und größere Dramen, aber schlussendlich gab es den Tag, an dem Enrico von zu Hause abgehauen ist. Er hatte nämlich Probleme mit seinen Adoptiveltern, bei denen er aufgewachsen ist.

Und er kam, so beschreibt er, in Shorts und T-Shirt und ohne weiterem Gepäck bei Josefine an. Die damals noch bei ihren Eltern gewohnt hat. Genau, die bei ihren Eltern gewohnt hat, also bei Ramona, der Mutter und dem Stiefvater. Und Ramona nimmt das wahr, dass Enrico jetzt offenbar von zu Hause abgehauen ist und bietet ihm an, möchtest du nicht bei uns einziehen? Also ins Kinderzimmer von Josefine. Das ist ja ein sehr großzügiges Angebot.

Ja, total. Aber das passt auch ein Stück weit zu der Ramona, die ich kennengelernt habe. Eine durchaus offenherzige, unkomplizierte Frau, die auch ihren Mitmenschen schnell vertraut. Und es wundert mich nicht, dass sie da sehr schnell und sehr spontan reagiert hat. Und die Verbindung zwischen...

Josefine und Enrico einerseits und auch dem jungen Paar zu Josefines Eltern andererseits, die wurde sehr schnell sehr eng und die vier haben sogar am selben Tag geheiratet. Das ging größtenteils alles von Josefine selber aus. Josefine hatte den fixen Plan, sie will an ihrem 18. Geburtstag heiraten und

Weil sie sich so super gut mit ihrer Mutter und auch mit Thorsten verstanden hat, hat sie die Idee gehabt, lass uns doch eine Doppelhochzeit draus machen. Es kommt eh dieselbe Familie und wir sparen auch noch Geld. Und so ist das entstanden, dass da die Familie zu viert plötzlich vorm Altar stand. Die Quellenlage zu deiner Aussage, dass das alles auf Josefines Mist gewachsen ist, die ist Enrico oder die Eltern oder Josefines selbst?

Das ist zum einen Enrico, das sind Thorsten und Ramona, also die Eltern. Und das ist natürlich auch die Aktenlage, in der Josefine diese Hochzeit auch beschreibt. Enrico hat mir davon auch erzählt. So, 2016 war das wunderschöne Jahr, wo meine Palopte schon zu diesem Zeitpunkt nicht überlegt haben, wie wir heiraten wollen. So, dann haben wir halt so hin und her überlegt, wie wir es halt machen wollen, auch so vom Finanziellen her.

Und Thorsten und Ramona haben auch überlegt zu heiraten und haben gesagt, warum machen wir nicht einfach zusammen? So eine Doppelhochzeit. Das war sogar von Josefine die Idee gewesen, weil die Beziehung zwischen Josefine und ihrer Mutter und Thorsten fand sie eigentlich so intensiv und positiv, dass er eigentlich diesen besonderen Tag mit diesen beiden Menschen verbringen wollte. Solche Begriffe wie Weltallerbeste Tochter, Weltallerbester Papa, das waren eigentlich gängige Themen und gängige Metaphern.

Das klingt nach einer sehr, sehr positiven Beziehung, die Josefine zu ihren Eltern hatte. Total. Nicht nur, dass sie sowieso ein starkes Vertrauensverhältnis zu ihrer Mutter immer schon hatte. Auch zu Thorsten, der sozusagen neu reinkommt, den akzeptiert sie nicht nur, sondern sie fördert die Beziehung der beiden regelrecht. Also sie...

Gibt sogar ihr Kinderzimmer her, geht in ein kleineres Zimmer, damit die beiden ein größeres Schlafzimmer haben. Sie schenkt ihm bald Tassen, wo draufsteht, bester Papa der Welt. Sie wünscht sich sogar schließlich, von ihm adoptiert zu werden. Wow, als Volljährige nimmt sie noch seinen Namen an. Sie nimmt seinen Namen an. Das ist eine große Geste. Und wie erinnert sich die Mutter an diese Zeit? Was?

Ja, sie hat, und ich sage mal so, die Grenzen, ich hätte mal vielleicht besser die Grenzen stecken sollen, aber sie hat, sage ich mal so, die Freiheit genossen. Die Mutter hat das Gefühl, dass die Beziehung sehr stabil ist, aber vielleicht auch deswegen, weil das fast ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden war, sie Josefine manchmal vielleicht auch nicht genug Grenzen gesetzt hat im Leben. Also sonst hat sie keine Grenzen genommen. Ja, im Nachhinein hätte man vielleicht mal doch ein bisschen mehr durchgreifen sollen, aber hinterher ist man immer schlauer.

* Musik *

Wie geht es denn bei Enrico und Josefine weiter? Wie entwickelt sich die Beziehung der beiden? Bleiben die zu Hause bei Josefines Eltern wohnen? Also die Beziehung der beiden ist ziemlich stabil soweit. Enrico hat mir später dann mal erzählt, dass er schon das Gefühl hatte, dass Josefine ihn ein Stück weit dominiert, dass sie ihn gern eigentlich immer bei sich zu Hause hat. Während er versucht, durch Studienplätze und Ausbildungen...

und Praktika irgendwie ins Leben zu finden. Die beiden ziehen unter anderem nach Wittenberge, nach Goslar und versuchen irgendwie ins Leben zu finden. Das klappt leider nicht so richtig gut. Zum einen möchte sie nicht, dass er sich was Eigenständiges aufbaut und damit ein Stück weit unabhängiger wäre.

Zum anderen ist er aber auch selbst ein bisschen orientierungslos einfach. Es gibt zum Beispiel so eine kleine Szene, da fängt auch Josefine wieder eine Ausbildung an oder so ein Praktikum, bin ich mir nicht ganz sicher. Auf jeden Fall, nach zwei, drei Tagen kommt sie schon wieder zurück und sagt, sie geht da nie wieder hin, denn eine Sekretärin hätte sie auf irgendeine Art und Weise wohl sexuell belästigt, angetatscht oder so.

Du siehst schon, welche Richtung wir uns hier langsam bewegen. Es gibt ja so ein Muster, das sich immer weiter zeigen wird. Du gehst davon aus, dass es nicht stimmt, dass die Sekretärin sie angefasst hat. Ich gehe nicht davon aus und Enrico tut es auch nicht. Und dann bekommen die beiden ein Kind. Also im Grunde wollten wir eigentlich schon Eltern werden. Dann haben wir aber irgendwann gesagt, nee, du pass mal auf, erst mal Beruf. Aber wie es mit Kindern immer so ist, die kommen dann, wenn man nicht mit ihnen plant.

Wir hatten eigentlich eher im Vorfeld mit geplant gehabt, aber das hat dann einfach nicht geklappt. Dann haben wir gesagt, okay, komm, erst mal Beruf und dann kam der Kleine ein. Aber für uns war von vornherein klar, wenn es so ist, dann ist es halt so. Musik

Wie alt sind Enrico und Josefine, als sie Eltern werden? Enrico ist damals 23 und Josefine 20 Jahre alt. Und wie war das für Josefines Eltern? Also die haben sich eigentlich sehr darauf gefreut auf das Kind und haben Josefine auch jegliche Unterstützung von Anfang an angeboten. Und dann kam es zur Geburt. Die Geburt verlief nicht ganz unproblematisch. Also schon zwei Tage bevor der Junge auf die Welt kommt, beginnen die ersten Wehen, die

Und die Mutter Josefine erholt sich auch wieder.

Wie lebt denn dann die kleine Familie zusammen, also Josefine, Enrico und das Baby? Ramona, die Mutter, bietet ihrer Tochter an, wir könnten doch zusammenziehen, so kann ich mich auch um den Jungen kümmern. Und zufälligerweise ist zur selben Zeit direkt die Wohnung neben Enrico und Josefine frei und dorthin ziehen dann Ramona und Thorsten.

Sie leben in Goslar dann? Genau. Und wie geht es Josefine? Also wie entwickelt sie sich als Mutter? Anfangs hat man das Gefühl, es funktioniert alles ziemlich gut. Aber dann zieht sich Josefine immer weiter zurück, entwickelt Depressionen.

Ob das Depressionen aufgrund der Geburt sind oder dass es andere Ursachen hat, das ist nicht ganz klar. Enrico hatte sogar eher den Verdacht, weil er sich zunehmend auch in dieser Vaterrolle gesehen hat und die Aufmerksamkeit plötzlich sowohl von Ramon an Thorsten als auch von Enrico ganz auf dieses Kind gerichtet war und Josefine so ein bisschen an den Rand gedrückt sich gefühlt hat, könnte auch das eine Ursache gewesen sein, dass es ihr psychisch immer schlechter ging.

Josefines Zustand wird auch dann zum ersten Mal aktenkundig, als sie Kontakt zum Jugendamt aufnimmt. 260 Tage nach der Geburt begibt sich Josefine in eine Tagesklinik zur psychologischen Behandlung. Das kommt für den Rest der Familie total plötzlich. Sie hatte das nie vorher angesprochen. Sie hatte nur sich wohl gemeldet und gesagt, ich gehe da jetzt ab nächster Woche hin.

Die Familie hatte, Josefine daraufhin natürlich alle Unterstützung zugesprochen, gesagt, wir kümmern uns um den Jungen gemeinsam. Wir kriegen das irgendwie zusammen hin.

Aber offenbar hatte Josefine das nicht gereicht, denn sie meldet sich plötzlich beim Jugendamt und sagt, sie brauche zusätzliche Unterstützung. Sie traue sowohl Enrico als auch ihrer Mutter, als auch Thorsten, das Kümmern um das Kind alleine nicht zu. Und warum traut sie ihnen das nicht zu? Gegenüber dem Jugendamt wird Josefine jetzt behaupten,

Sie würde Gewalt zu Hause erleben. Vor allem durch Enrico, der sie schlagen würde, der sie vergewaltigen würde und im Grunde als eine Art Sexsklave zu Hause halten. Wir haben auch die polizeiliche Vernehmung einer Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialdienstes Goslar nachvertonen lassen. In Gesprächen hat sie mir mitgeteilt, dass sie Gewalt durch ihren Ehemann erlitten hat.

Sie sprach von Vergewaltigung und auch davon, dass die Ehe schlecht laufe und er sich nicht um sie kümmere. Sie hat mir gegenüber auch mal erwähnt, dass ihr Sohn aus einer Vergewaltigung entstanden sei. Sie hat mir auch erzählt, dass sie von ihrem Ehemann die Treppe heruntergeschubst worden sei, als sie schwanger war. Enrico bestreitet die Vorwürfe und ich glaube, es ist wichtig einmal festzuhalten, dass sich ab diesem Moment etwas ändert.

Zu diesem Zeitpunkt beginnt das Lügengeflecht von Josefine, in dem sie versuchen wird, all die Menschen zu vernichten, die sie lieben. Am Ende stehen zwei Fehlurteile. Es handelt sich hier nicht nur um ein Justizirrtum, sondern sogar um eine Justizkatastrophe. Warum Josefine das tut, Alex, darauf werden wir noch kommen. Kannst du uns jetzt einmal sagen, wie sie vorgeht?

Also Josefine spielt eigentlich ein doppeltes Spiel oder führt eigentlich ein Parallelleben. Da gibt es einerseits die Version, die sie gegenüber Behörden und Ermittlern erzählt, in der sie die gepeinigte Sexsklavin ist. Und da gibt es auf der anderen Seite das, was sie Ramon an Thorsten erzählt. Und gegenüber den beiden spielt sie die gute Tochter und

Ramona und Thorsten sind also völlig ahnungslos. Aus ihrer Perspektive ist Josefine einfach gerade psychisch ein wenig instabil, braucht Unterstützung und ansonsten ist alles mehr oder weniger gut, wie gesagt.

Also die haben keine Ahnung davon, dass sie da beschuldigt werden von Josefine? Nein, überhaupt nicht. Die sind der festen Überzeugung, wir haben eine harmonische Beziehung miteinander. Alles ist mehr oder weniger bestens und der Junge wächst wohlbehütet auf. Es nimmt alles seinen Lauf, ja. Gibt es denn dann zu diesem Zeitpunkt schon erste Ermittlungen gegen Enrico? Nee, zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht, sondern das Jugendamt behandelt diese Information erstmal vertraulich.

Und geht es dann immer so weiter? Die beiden führen eine harmonische Beziehung? Leider überhaupt nicht. Enrico und Josefine streiten sich immer öfter. Das eine Thema ist das Thema Geld und das andere Thema ist, dass sie psychisch ein wenig instabil ist. Und ja, wie das bei Trennungen so ist, es schaukelt sich immer weiter hoch. Es gibt immer mehr Streitereien. Irgendwann findet man überhaupt nicht mehr zueinander vor.

Und im Herbst 2019 kommt es dann endgültig zur Trennung. Da ist das gemeinsame Kind etwa eineinhalb Jahre alt. Dann kam ja der Punkt, dass wir gesagt haben, okay, das bringt uns ja nichts, wenn wir uns die ganze Zeit hier ankeifen, weil diesen Stress, den wir uns ja beide antun, der färbt sich auf und klein ab. Klar, man hat in dem Sinne halt sich gestritten, aber im Endeffekt ging es einfach um die fucking Existenz halt, ne?

Wie soll es denn hier weitergehen? So erinnert sich Enrico an diese Zeit der Trennung, zehn Jahre nachdem er Josefine das erste Mal begegnet ist. Gibt es denn zu diesem Zeitpunkt für Enrico schon irgendwelche Anzeichen, dass sich Josefine da in so eine Art Paralleluniversum hineinsteigert?

Ja, ein paar erste Anzeichen, die er aber auch nicht richtig zu deuten weiß. Weil, wie du sagst, die kennen sich seit zehn Jahren. Der vertraut dieser Frau auch trotz der Trennung. Plötzlich zum Beispiel wird er von dem behandelten Oberarzt von Josefine angerufen und es wird um ein gemeinsames Gespräch gebeten.

Bei diesem gemeinsamen Gespräch wird ja gefragt, ob er denn Josefine mal geschlagen habe. Das kommt für ihn völlig überraschend. Das kommt für ihn total überraschend. Es war ja wie ein Verhör, das der Oberarzt da geführt hat. Ja, und er war dementsprechend auch total perplex und wütend und hat sich dann versucht, das ein wenig damit zu erklären, dass er sagt, okay...

Josefine ritzt sich, das wusste er. Sie fügt sich inzwischen auch andere Verletzungen zu, immer mal wieder. Gerade als sie wieder in die Tagesklinik gegangen ist damals, wurde das immer stärker. Also er hatte damals schon das Gefühl...

Die Tagesklinik schadet ihr eher, als ihr zu helfen. Er stellte fest, dass sie sich plötzlich auch mit einem Kletteisen und einem Lockenstab verbrennt. Also grausame Verletzungen zufügt. Total grausam, ja. So erklärt er sich, wie der Arzt überhaupt auf diese Frage kommt und wartet.

Und versucht ein wenig damit auch seinen Frieden zu finden, indem er sich sagt, naja, die achten halt auf Josefine. Vielleicht ist es auch nicht schlecht, dass sie mal nachfragen. Also er möchte ihr helfen, dieser verzweifelten Frau, seine Ex-Frau. Naja, sie haben immer noch ein gemeinsames Kind, um das es hier geht, das immer noch eine Rolle spielt und das sie natürlich verbindet. Und wie gesagt, es ist die Jugendliebe gewesen und natürlich spielt das immer noch eine Rolle. Wo lebt denn das Kind jetzt?

Zu diesem Zeitpunkt, also nach der Trennung der beiden Eltern? Zu diesem Zeitpunkt lebt es, man muss sagen, noch bei der Mutter. Also bei Josefine? Bei Josefine, genau. Warum sagst du noch? Weil es dann kurz darauf, am 30.01.2020 in eine Pflegefamilie gegeben wird.

Natürlich sind da sowohl Ramona als auch Thorsten als auch Enrico total überrascht, wieso jetzt in einer Pflegefamilie... Moment mal, genau, da bin ich auch sehr überrascht, weil es gibt nicht nur den leiblichen Vater, sondern auch die Großeltern, die ja direkt nebenan wohnen. Wie kann das sein, dass ein Kind einfach so in eine Pflegefamilie gegeben wird? Josefine erklärt ihren Eltern, also Ramona und Thorsten, dass sie sagt, sie muss jetzt auch stationär in die Klinik. Auf einmal kam sie an und sagte...

Ja, nee, das Jugendamt hat gesagt, der soll in eine Pflegefamilie, das ist besser für das Kind. Und sie möchte im Grunde zum einen Ramon und Thorsten entlassen und außerdem würde das Jugendamt behaupten, sie können ihr Kind sogar ganz verlieren, wenn sie da jetzt nicht mitspielen und das Kind dieser Pflegefamilie.

Sonst kriege ich den nachher nicht wieder, wenn ich aus der Therapie komme. Und dem Jugendamt gegenüber sagt sie was anderes, nehme ich an. Dem Jugendamt sagt sie allerdings was anderes. Dass sie zu Hause nicht nur von Enrico, sondern auch von Ramona misshandelt wird, geschlagen wird, unfrei lebt und auch dieses Kind dort in keinem sicheren Umfeld lebt. Aber die Großeltern des kleinen Jungen müssen doch total überrascht davon gewesen sein. Ja.

Die sind überrascht und gleichzeitig sind das Menschen, die jetzt keine juristische Vorbildung haben. Und wenn die eigene Tochter einem erzählt, das Jugendamt drohe damit, das Kind zu entziehen, ja dann sagen die, okay. Dann fügen die sich in ihr Schicksal. Die fügen sich in ihr Schicksal und sagen, okay, es soll ja erstmal nur für den Zeitraum sein, in dem Josefine in der Klinik stationär aufgenommen wird.

Das finde ich schon ein bisschen komisch, dass sie da nicht gekämpft haben um das Enkelkind. Ja, es ist komisch. Man muss dafür aber auch verstehen, nochmal wie Josefine tickt. Sie ist zum einen sehr durchsetzungsstark, das musste Enrico alle Jahre schon spüren.

Und zum anderen kann sie auch sehr wehleidig sein und sehr jammern und sich als Opfer präsentieren. Und hat, glaube ich, hier Ramona und Thorsten sehr deutlich gemacht, dass sie zum einen nicht die Kraft hat, da jetzt zu kämpfen, weil es ihr psychisch so schlecht geht. Und zum anderen, dass das auch das Beste für das Kind tatsächlich sei.

Mit all den Informationen, die Josefine dem Jugendamt gibt, geht es damit irgendwann mal zur Polizei oder behandeln die das weiterhin vertraulich, wie du vorhin gesagt hast? Nein, tatsächlich nicht. Also zum Jugendamt gesellt sich inzwischen auch noch die Familienhilfe.

Und dann auch immer mehr der Oberarzt aus der Klinik, in der Josefine stationär ist. Und Josefine trifft diese Leute immer öfter, also vom Jugendamt und von der Familienhilfe und schildert ihnen immer wieder Beispiele.

Leid und Schmerz und zeigt ihnen Wunden, Narben, Verletzungen aller Art und macht das sehr geschickt. Also sie geht zu diesen Treffen und hat zum Beispiel einen Schal um den Hals gewickelt und nestelt da so ein bisschen dran rum und irgendwann wird sie gefragt eben, ja was hast du denn? Ja, das darf ich nicht zeigen und so weiter und irgendwann lässt sie sich dann vermeintlich doch überreden und zeigt dann wieder neue Brandnarben.

Aber für die Leute, man muss sich ja auch mal reinversetzen in die Rolle des Oberarztes und des Jugendamtes, also denen begegnet eine Frau, die ganz offensichtlich misshandelt wird, die gewürgt wird, wenn du jetzt den Schal ansprichst, die etliche Brandmale am Körper hat. Also ich könnte mir schon vorstellen, dass es da beim Oberarzt und auch beim Jugendamt so ein Gefühl gab, wir müssen dieser Frau helfen.

Zu diesem Zeitpunkt, muss man sagen, ist dieses Gefühl völlig legitim gewesen und angemessen, da genau hinzuschauen. Hier achtsam zu sein zumindest war absolut richtig. Das Jugendamt stellt dann schließlich auch eine Strafanzeige. Das ist im März 2020. Gegen wen? Gegen Ramona und später wird auch der Oberarzt noch eine Strafanzeige stellen, auch gegen Enrico. Und fängt daraufhin die Polizei an zu ermitteln?

Die Polizei ermittelt richtig und sie wird auch Josefine befragen zum ersten Mal. Und Josefine wird das beschreiben, was sie schon zuvor immer wieder dem Jugendamt unter anderem erzählt hat, nämlich, dass sie zu Hause Misshandlungen und Vergewaltigungen grausamster Art erlebt. Liebe Hörerinnen und Hörer von Zeitverbrechen, wir wollen euch auf ein Angebot aufmerksam machen.

In der ZEIT und auf ZEIT online berichten wir über Kultur, Politik, das Weltgeschehen und immer wieder, ihr wisst es, auch über Verbrechen. Ein gratis Probeabo mit unbegrenztem Zugang, digital oder ganz klassisch gedruckt, gibt es unter abo.zeit.de slash Verbrechen. Und jetzt geht's weiter mit der heutigen Folge. Musik

Wir haben einen Tagebucheintrag von Josefine nachvertonen lassen und dieses Tagebuch hat sie auch dem Oberarzt gezeigt. Das ist ein Riesendokument eigentlich, nicht nur ein Tagebuch, sondern im Grunde eine Biografie. Eine Biografie, die sich von frühester Kindheit an zusammensetzt aus Vergewaltigungen, Misshandlungen, Schlägen, Schmerzen.

wo nicht nur Ramona, Thorsten und Enrico eine Rolle spielen, sondern auch ihr leiblicher Vater und noch andere Personen. Nochmal, um das hier zu betonen: Dieses Tagebuch ist eine reine Fiktion, aber es liest sich wirklich wie ein furchtbarer Horrorroman. Und diesen Horrorroman, den überreicht sie dem Oberarzt. Anfang 2016 sperrte mein Mann mich regelmäßig in alle möglichen Räumlichkeiten ein.

und holte mich nur dann raus, wenn wir Kunden erwarteten. Er sagte mir immer wieder, ich würde dort so lange drinbleiben, bis ich schließlich zu einer Hochzeit zustimmen würde. Nachdem ich damals unter schlimmen Schmerzen zugestimmt hatte, fand genau an meinem 18. Geburtstag die Hochzeit von meinem Mann und mir sowie zeitgleich die Hochzeit von meinen Eltern statt. Für einen Tag war alles harmonisch. Am Abend vergewaltigte mich mein Mann und anschließend betrug er mich mit meiner jüngeren Cousine.

Das sind dramatische und drastische Schilderungen von Gewalt, von furchtbarer Gewalt. Und wenn sie tatsächlich stattgefunden hätte, hätte man natürlich hier ermitteln müssen. Diese Gewalt hat aber nicht stattgefunden. Josefine ist eine psychisch kranke junge Frau. Welche Diagnose sie hat, dazu kommen wir noch, Alex. Wir müssen an dieser Stelle einmal sagen, dass die meisten psychisch Kranken sich selbst schaden und nicht anderen Menschen.

Hier ist es aber so, dass Josefine anderem geschadet hat. Es geht nicht um Scheinerinnerungen, um Suggestionen oder sowas, sondern es geht um bewusstes Lügen. Warum tut sie das, Alex? Gibt es in ihrer Vergangenheit ein traumatisches Erlebnis? Gibt es in ihrer Vergangenheit Missbrauch, Misshandlung? Ich habe aus den Akten und aus meinen eigenen Recherchen nichts finden können, wo klar ist,

dieser Missbrauch oder diese Misshandlung, die hat tatsächlich stattgefunden. Wir wissen, es gibt unglaublich viele Misshandlungen, die angeblich stattgefunden haben, laut Josefine, aber nichts, wo wir uns sicher sein können, das gab es wirklich. Was allerdings klar geworden ist, sowohl während meiner Recherche als auch vor Gericht ist,

dass Josefine es sehr genossen hat, die Aufmerksamkeit von Psychologen, Psychiatern, von Familienhilfe und Jugendamt zu erfahren. Und Josefine spürte, dass sie, um die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, immer wieder neue Geschichten erzählen musste. Und so kam eins zum anderen. So kamen aus den ersten Schlägen, die sie angeblich bekommen hat, bald sexuelle Misshandlungen.

Und auch das wurde bei Gericht sehr deutlich, dass sowohl die Familienhelferin als auch die Mitarbeiterin des Jugendamts immer wieder Suggestivfragen gestellt haben, die Josefine zu neuen Ideen der Misshandlung gebracht haben. Die wurden also unfreiwillig zu Gehilfinnen? Ja, in gewisser Weise schon. Also man stelle sich das ungefähr so vor. Josefine sagt, meine Mama, die hat mich früher geschlagen.

Dann fragt die Jugendamtsmitarbeiterin, ja gab es denn auch Vorfälle von sexueller Gewalt? Und dann sagt Josefine, ja, ja, das ist mir auch passiert. Und so steigerte sich das immer weiter. Und die Mitarbeiterin souffliert ihr schon so ein bisschen, was noch passiert sein könnte. Genau, ja. Wie erfährt denn Enrico von den Ermittlungen der Polizei? Befragen die ihn auch? Also bestellen sie ihn ein? Nein, die Polizei befragt ihn zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht.

Er spürt zum einen nach wie vor ein großes Misstrauen, das vom Jugendamt und von dem Oberarzt ausgehen, mit denen er immer wieder auch in Kontakt ist und sich wundert, was haben die gegen mich?

Und dann kommt der Tag, wo plötzlich ein Gerichtsvollzieher vor der Tür steht und ihm ein Ernährungsverbot ausspricht. Gegen seine Frau Josefine, seine Ex-Frau. Genau. Das kommt für ihn aus heiterem Himmel. Der einzige Hinweis, den er hätte haben können, ist, dass der Oberarzt ihn kurz zuvor gefragt hat, ob er seine Frau schon mal geschlagen hat. Genau so ist es, ja. Und was macht Enrico dann? Also wie reagiert er auf dieses Ernährungsverbot?

Enrico war fassungslos und er hat mir das ziemlich genau geschildert, wie er den Moment erlebt hat. Da lese ich mir diesen ganzen Müll erstmal in Ruhe durch. Vergewaltigung, häusliche Gewalt. Da dachte ich mir, krass, krass, ich glaube, ich springe jetzt vom Zug. Das war mein erster Gedanke gewesen. Ich glaube, ich springe jetzt aus dem Zug oder springe aus dem Fenster jetzt. Weil das sind schon Anschuldigungen gewesen, in dem Sinne eigentlich, die tief sitzen halt, ne.

Wir reden ja wirklich von einem Delikt, was zu Recht gesellschaftlich extrem geächtet ist. Zu Recht. Und wenn man dieses Stempel einmal auf der Stirn zu kleben hat, das geht nicht weg. Das geht nicht weg. Und ich habe immer noch das Gefühl, dass es auf meiner Stirn klebt. Das ist so, hier steht irgendwo ganz klein vergewaltiger auf der Stirn. Und das kriegst du einfach nicht weg. Musik

Und das ist erst der Anfang. Es wird noch viel, viel größer und noch viel dramatischer. Auch die Gewaltschilderungen von Josefine werden noch viel expliziter. Und wir möchten an dieser Stelle einmal sagen, dass die Polizei über die gesamte Zeit hinweg sehr, sehr gut ermittelt hat und dass es auch hier richtig ist, dass die Polizei den Anschuldigungen von Josefine nachgeht.

Es gibt mitten in Deutschland Frauen, die jeden Tag Gewalt erfahren von ihrem Partner oder ihrem Ex-Partner. Jeden dritten Tag versucht ein Mann, seine Frau oder seine Ex-Frau zu töten. Hier, jetzt aber bei Josefine, geht es um eine Falschbeschuldigung, die Dutzende von Leuten in den Abgrund gerissen hat.

die die Justiz über Monate beschäftigt hat. Polizei, Staatsanwaltschaft und das Gericht. Und das Gericht und die Staatsanwaltschaft haben nicht so eine gute Arbeit geleistet. Auch dazu werden wir noch kommen. Weil die Falschbeschuldigungen eine solche Monstrosität entfalten und die ganze Justiz beschäftigen, berichten wir darüber in vier Folgen.

In der nächsten Folge wollen wir über die Zimmernachbarin sprechen, die Josefine an Weihnachten 2020 in der Psychiatrie bekommt, Miriam. Und mit ihr, Alex, so viel kann man glaube ich sagen, wird sich Josefines Wahn dann endgültig entfalten. Genau, Anne. Und es ist kaum zu glauben, in welches Geflecht aus Lügen und Manipulation Josefine und Miriam einen ganzen Justizapparat verstricken werden.

Vielen Dank, Alex, dass du uns diese Recherche mitgebracht hast. Und wir hören in der zweiten Folge, das ist eine Bonusfolge, von Miriam und den Wirren in der Psychiatrie.