Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wie geht es dir am Ende einer Woche, in der ich am Dienstag dachte, jetzt geht endgültig die Welt unter und dann stellte sich raus, es geht einfach nur weiter? Ja.
Ich hatte von Anfang an das Gefühl, es geht einfach nur weiter. Das kennt man ja vom Leben, dass es einfach nur weiter geht. Weltuntergangsstimmung habe ich keine gehabt. Du nicht, aber ich dachte am Dienstag kurzzeitig, das ist ganz interessant, wie geht es den meisten Leuten da draußen so, die nicht so in dieser medialen Wirklichkeit leben, weil bei uns in den Medien, und ich sage ganz bewusst,
Bei uns war Apokalypse, Abgrund, Baby, Abgrund. Ja, so hat sich immer in der Süddeutschen Zeitung beschrieben. Und ich dachte, nee, für die meisten Menschen ist heute nicht Abgrund, für die meisten Menschen ist einfach Dienstag. Ja, also ich glaube, viele Leute haben den Kopf geschüttelt und das so ein bisschen als absurdes Theater gesehen. Aber so eine apokalyptische Stimmung unter den Menschen habe ich nicht wahrgenommen. Also ich glaube, das war eine Schleife, die die Medien gedreht haben.
Die haben deine Sache auch ein bisschen größer gemacht, als sie eigentlich ist, oder? Die misslungene erste Wahl von Merz, ja. Also wenn man das so hört, dann dachte man, okay, mein Gott, jetzt schaut Deutschland endgültig in den Abgrund. Und wenn du dann so einen Schritt zurücktrittst, und das haben auch ein paar Kollegen bei der Süddeutschen, finde ich, sehr schön beschrieben, dann stehst du da und denkst, okay, wenn das schon Abgrund ist, dann wollen wir den echten Abgrund gar nicht sehen.
Ja, wir waren so viel Ordnung gewöhnt, dass es immer so brav und ordentlich mit der Kanzlerwahl geklappt hat und selbst wenn man wie Schmidt nur eine oder wie Brandt nur zwei Stimmen Mehrheiten hatte, dann hat das immer so brav und ordentlich funktioniert und so brav und ordentlich sind die Menschen heute nicht mehr. Es gibt da irgendwie vielleicht ein paar Irritierte und auch vielleicht ein paar Rachsüchtige und so weiter darunter. Die Gesellschaft hat sich halt irgendwie auch verändert und
Vielleicht damit auch so dieser Kadavergehorsam oder die Disziplin und dann wird sowas schon mal möglich.
Du meinst, das hat auch was mit Zeitgeist und mit der neuen Zusammensetzung des Bundestags zu tun? Natürlich. Wir leben heute in einer sehr individualisierten Gesellschaft. Und da gibt es den einen oder anderen, der sagt, ich kann ihn aber nicht leiden. Und der kriegt jetzt mal einen Denkzettel von mir. Und egal, was das für ein Signal aussendet und egal, wie das im Ausland wahrgenommen wird und egal, wie historisch das ist, ich mache das jetzt. Also irgendwie so wird es ja wohl gewesen sein. Denkzettel ist so ein Wort, das häufiger gefallen ist, dass es da offenbar Leute gab,
Die Denkzettel verteilen. Ich finde es ja immer ganz interessant, dass von Bundestagsabgeordneten dann ja immer zu Recht darauf hingewiesen wird, dass ja der Bundestagsabgeordnete ist ja frei in seiner Entscheidung, egal in welcher Partei er ist.
Und eigentlich nur seinem Gewissen verpflichtet. So steht es ja im Gesetz, im Grundgesetz. Aber die Leute haben ja dann innerhalb weniger Stunden ihr Gewissen stark verändert. Im ersten Wahlgang Gewissensbisse und ein paar Stunden später nicht mehr. Das ist exakt das. Und das fand ich so schön. Kurt Kister hat das in der Süddeutschen so schön beschrieben. Der sagt, es ist ein bisschen so, wie wenn man vormittags sagt, ich kaufe mir ein Fahrrad.
und sich dann am Nachmittag doch wieder für einen Mercedes Diesel entscheidet. Das ist eigentlich der Vergleich. Das ist ein bisschen seltsam. Ich nehme an, dass die Leute, die da nicht für Merz gestimmt haben, einfach kalkuliert haben, ihm im ersten Wahlgang vor die Pumpe laufen zu lassen, aber nicht vorhatten, die Kanzlerwahl dauerhaft zu verhindern. Denn sonst hätten sie sich ja nicht
Serap Güller hat vor dem zweiten Wahlgang dann davon gesprochen, da könne es möglicherweise auch persönliche Befindlichkeiten geben. Und Kurt Kister hat daraus dann gemacht, die Frage, ob das Gewissen eine persönliche Befindlichkeit ist,
müsste man vielleicht mal wirklich ausführlicher diskutieren. Und zwar in einem Gespräch mit Peter Sloterdijk, Kardinal Marx, Heidi Reichenegg und Markus Lanz. Das hat mir gut gefallen. Das bringt es sehr süß für Sand alles auf den Punkt. Aber ich glaube, dass da was dran ist. Also ich glaube, dass das Gewissen heute viel stärker eine Befindlichkeitsangelegenheit ist, als es das in früheren Jahrzehnten war. Ich glaube, da hat sich das Land stark verändert. Wie meinst du?
Früher sind die Leute stärker in Weltanschauungen und in konkrete Weltbilder hineingewachsen. Und heute sind wir nicht nur beim Glauben Heimwerker, sondern auch in unserer politischen Befindlichkeit.
Und ich glaube, dass unser Gewissen heute starken Stimmungsschwankungen unterliegt und sich sehr schnell ändern kann. Und dass es nicht mehr so von so dauerhaften Prägungen bestimmt wird, wie das in früheren Zeiten war. Das ist interessant. Kister hat es ein bisschen anders, aber dann doch in der Richtung ähnlich aufgedröselt. Er sagte, man könnte in dem Zusammenhang auch nochmal über Gesinnungs- und Verantwortungsethik sprechen.
Also Gesinnungsethiker sind die, die ihrer persönlichen Überzeugung folgen, ohne dabei die Konsequenzen zu bedenken oder in den Vordergrund zu stellen. Und Verantwortungsethiker sozusagen wägen die Folgen ihrer Entscheidung ab. Wobei er sagte, fast alle Gesinnungsethiker streiten ab, Gesinnungsethiker zu sein, weil das will man eigentlich nicht. Aber das ist völlig meine Meinung. Also ich habe auch in meinen letzten Büchern immer geschrieben von der gesinnungsethischen Überanstrengung. Ja, genau.
Dass wir also denken, die Welt müsste jetzt ruckartig besser gemacht werden und gerechter gemacht werden und brauchen eine wertegeleitete feministische Außenpolitik und so weiter. Und am Ende klappt das dann immer alles nicht. Und dann sind wir enttäuscht und werden sauer und werden aggressiv und so. Und das liegt tatsächlich daran, dass die moralische Frage, gerade bei vielen Jüngeren, nicht bei allen,
zu einer reinen Gesinnungsfrage geworden ist und nicht mehr zu einer Frage, die realistisch abschätzt, ob das, was ich gesinnungsethisch für richtig halte, nicht am Ende vielleicht folgenzeitig die schlecht sind und die vielleicht das Gegenteil von dem erreichen, was ich eigentlich erreichen will. Also ich glaube schon, dass das völlig richtig ist. Wir leben in einer Zeit gesinnungsethischer Überanstrengung und wir haben zu wenig Verantwortungsethik.
Nur das ist eine allgemeine große Beobachtung über die Zeit. Ja, aber es ist interessant. Ob ich jetzt die jetzt auf Friedrich Merz und den ersten Wahlgang unbedingt anwenden würde, weiß ich nicht. Nee, aber es ist eine interessante gesellschaftliche Beobachtung, finde ich. Und wozu führt das dann? Das hängt mit den Gefühlen zusammen. Genau. Also Emotionen. Das hängt einfach damit zusammen. Es geht um meine moralischen Gefühle. Es geht nicht mehr so sehr um meine moralischen Prinzipien oder um so Leid- und Richtlinien fürs Leben.
Oder das, was man früher Tugenden nannte, wie man einmal hatte und dann auch nie wieder aufgibt.
Sondern es geht einfach darum, man ist immer so moralisch, wie man sich gerade fühlt und man möchte, dass die anderen genauso fühlen. Das hängt einfach damit zusammen, dass Emotionen, die ja bis vor wenigen Jahrzehnten überhaupt keine Rolle spielen durften, schon gar nicht in der Politik und auch nicht bei Weltanschauungen, dass die heute das Kommando übernommen haben. Und das ist ja eng verlinkt, auch ein Thema eines deiner Bücher mit so einem altmodischen Begriff wie Pflicht, ne?
Das ist ja damit verbunden in gewisser Weise. Ja, das ist eben, Pflichtgefühl ist etwas, was ziemlich ausstirbt, was auch keiner gerne hat. Das wurde einem ja früher über die Erziehung eingetrichtert. Also Pflichtgefühl ist so ein kontraintuitives Gefühl. Als Kind hat man nicht so gerne Pflichten, sondern das färbt sich irgendwie gefühlsmäßig nicht gut an. Und das war immer die lange Kunst der Erziehung, etwas, was man eigentlich nicht will.
Ja, den Menschen so nahe zu bringen, dass sie dann irgendwann gerne ihre Pflicht tun. So, und das ist was, also was in unserer Gesellschaft heute eigentlich kaum noch eine Rolle spielt. Bis zum gewissen Teil ist das gut. Man muss überlegen, um was für Pflichten es sich früher auch handelte. Also Untertanengeist und der Pflicht und solche Dinge.
Und die spielen heute in der Gesellschaft eigentlich alle keine so richtige Rolle mehr. Aber ich habe ja dann in meinem Buch über die Pflicht überlegt, was wird aus einer Gesellschaft, die gar kein Pflichtgefühl mehr kennt. Und die wird sich irgendwann auch auflösen und die wird auch keine Gemeinwohlorientierung ab einem bestimmten Punkt mehr haben können.
Ja, das meine ich. Und damit eng verzahnt genau dieses Thema. Also dass du sozusagen die Gesinnungsethik in den Vordergrund stellst und sagst, okay, das mache ich jetzt mal so. Wenn du die Verantwortungsethik, das Ding vom Ende her bedenkst, die Pflicht, was ist jetzt sozusagen staatspolitisch gerade der Auftrag, dann würdest du eben morgens nicht sagen, okay, ich kaufe mir das Fahrrad, um am Nachmittag dann doch den alten Mercedes zu kaufen. Genau.
Genau, dann würdest du sagen, ich habe zwar ganz viele Vorbehalte gegen Friedrich Merz, aber ich kann das jetzt nicht bringen, die auf meinem Stimmzettel zum Ausdruck zu bringen. Genau, so war es früher und so ist es heute nicht mehr so sehr. Und trotzdem finde ich, und das ist vielleicht der letzte abschließende Gedanke dazu, ich sage mal, das ist die Art von Krise, um die uns andere eigentlich beneiden, ne?
Würde ich auch sagen. Also ich meine Menschen, die in Italien groß geworden sind und du hast ja eine Affinität dazu, die kennen ja ganz andere Verhältnisse. Die würden sagen, also so eine geregelte Kanzlerwahl ist ja schon enorm beeindruckend. Das ist alles eine Frage der Relation. Deutschland funktionierte in diesen Dingen wie ein Uhrwerk früher.
Und die Zeiten sind eben vorbei. Wir werden eine normale Nation. Also das, was so typisch für die Deutschen war, dieses starke Pflichtgefühl, ein sehr deutscher Begriff von der Pflicht, das schwächelt alles ein bisschen in globalisierten Zeiten. Ja, das ist wahr.
Und weil wir auch darüber reden, wir reden ja über einen zutiefst demokratischen Vorgang. Wir reden über interessante Allianzen, die wir da gesehen haben, über interessante Bilder, die da entstanden sind. Ich fand eigentlich am spektakulärsten Jens Spahn im intensiven Austausch mit Heidi Reichenegg. Das hat mir gut gefallen.
Ja, also von wegen Unvereinbarkeitsbeschluss und andere Dinge. Plötzlich brauchte man die. Und plötzlich muss man dann, ob es dir gefällt oder nicht, aufeinander zugehen. Und das war mein Moment der Woche, wie Carsten Linnemann bei uns in der Sendung davon erzählte, dass er wirklich keine Telefonnummer von relevanten Menschen aus der Linkspartei hat. Der Generalsekretär der CDU. Und es ist offenbar Alexander Dobrindt. Und das hat er bedauert oder?
Das ist jetzt eine gute Frage, ob er das wirklich bedauert hat. Ich hatte das Gefühl, er war zutiefst davon überzeugt, dass es eine gute Sache ist, ihn nicht zu haben. Aber es ist offenbar so, an dem Punkt gewesen, dass man Alexander Dobrindt, den neuen Innenminister, brauchte, der als einziger eine relevante Nummer hatte.
Und der dann ins Gespräch mit den Vertretern der Linkspartei gehen konnte, weil die brauchte man, um am selben Tag nochmal wählen zu dürfen, brauchtest du diese Zweidrittelmehrheit, du brauchst jetzt die Grünen und du brauchst jetzt die Linkspartei. Und die Grünen nehmen das auch für sich in Anspruch und sagen, jetzt haben wir schon das zweite Mal das Gesäß gerettet. Liebe CDU, seid mal gefälligst ein bisschen nett zu uns und vergessen haben die natürlich nicht,
wie insbesondere Leute wie Markus Söder und andere über sie im Wahlkampf gesprochen haben. Und ich sage mal so, da wäre jetzt die Chance, das eine oder andere wieder gut zu machen. Aber ich fand es interessant, diesen demokratischen Vorgang zu sehen, zu sagen, ach guck mal, das ist das, wozu dann am Ende diese Staatsform, die wir haben und an der wir alle hängen und für die manche sagen, darauf kommt es jetzt an, ist ein entscheidender Moment,
in dieser deutschen bundesrepublikanischen Geschichte, die zwingt dann auch Leute wie Jens Spahn ins Gespräch mit Heidi Reichenegg zu gehen. Und ich glaube, beide fanden das gleichermaßen nicht so richtig knorke. Da trete ich, glaube ich, keinem zu nahe, wenn ich das so sage. Und weil wir gerade auch über Demokratie sprechen, Richard, ich hatte...
In diesen Tagen kommt ja vieles zusammen. 8. Mai, 80 Jahre Kriegsende. Ich hatte mal wieder das Vergnügen, mit Harald Jena zu sprechen. Ich weiß nicht, ob du den persönlich mal erlebt hast. Das ist der Autor von Wolfszeit.
Ja.
Und darauf baut das Ganze auf. Ich nehme an, er meint das im doppelten Sinne, oder? Also er meint auf der einen Seite, wie ist eine solche enorme positive Veränderung möglich? Genau. Das ist die positive Aussage. Richtig. Und die Fragezeichen-Aussage ist, wie ernst ist das, wir haben ja gerade über Gesinnung und Gewissen geredet,
eigentlich gewesen? Also was ist denn in diesen Menschen wirklich vorgegangen und waren sie wirklich, nachdem sie zumindest formal und äußerlich zehn Jahre später alle gute Demokraten waren, waren sie das auch tatsächlich innerlich? Und wie verlässlich ist der Opportunismus? Richtig. Das beschreibt er ja in seinem Buch, beschreibt er das ja natürlich auch, dass ein solcher Wechsel kann ja nicht zu 100 Prozent glaubwürdig sein. Und wir alle wissen ja auch, was es da in dieser Zeit an Verdrängung gegeben hat.
und du willst nicht wissen, wie Stammtischgespräche Anfang der 15er Jahre ausgesehen haben, dann hättest du nicht das Gefühl gehabt von sauberen Demokraten. Ja, hast du das noch erlebt? Das würde mich wirklich interessieren. In deiner Kindheit, Jugend, du warst ja wahrscheinlich ein sehr waches, vielleicht auch etwas schweigsames, aber dennoch sehr genau zuhörendes Kind. Hast du solche Gespräche noch aktiv mitgekriegt? Ich habe die so ab und zu mal, fiel da so ein komischer Satz, wo man als Kind so aufhorcht und dachte, ah...
Okay, dahin geht die Reise also. Hast du das erlebt? Ja, also ich würde mal sagen, in dem Milieu, in dem meine Eltern lebten, da fielen diese Sätze natürlich nicht, weil die ja nun wirklich dezidiert links waren und auch überwiegend umgeben waren von Menschen, die also...
den Muff des Dritten Reiches weder früher schon nicht gelebt hatten. Ich habe es auch von meinen Großeltern nicht gehört. Aber ich weiß natürlich, wie Sätze, für die man heute inkriminiert würde, wie mit welcher Selbstverständlichkeit die geredet wurden, Witze über Sinti und Roma gemacht wurden oder über Schwarze oder so. Also ich frage mich immer, muss ich mal sagen,
Nicht nur in der Wolfszeit von 1945 bis 1955, sondern sagen wir mal 1970. Die Tochter kommt mit einem schwarzen Schwiegersohn nach Hause, einem schwarzen Freund, will ihn möglicherweise heiraten.
Überleg mal, wie viel Prozent glaubst du wohl der bundesdeutschen Eltern hätten das begrüßt oder hätten ihn mit offenen Armen empfangen? Also das wäre noch in dieser Zeit eine verschwindend kleine Zahl gewesen, die das interessant gefunden hätten. Alle anderen hätten gedacht, was ist bloß mit meiner Tochter los, sie schwindet, da ist irgendwas fürchterlich schief gelaufen und so weiter.
Nein, natürlich hatte man offiziell nichts gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe, aber irgendwie hatte man das ja doch. So ist es auch heute nicht gänzlich verschwunden, dieses Gespenst. Aber das war natürlich in den Jahrzehnten meiner Jugend und so weiter viel, viel ausgeprägter, als das heute ist.
Ich fand interessant, wie Jena das begründet, was da eigentlich passiert ist. Er sagt, die Alliierten, die Briten, die Amerikaner, die sind davon ausgegangen, dass sie auf großen Widerstand stoßen würden. Die hatten insbesondere Respekt vor der Hitlerjugend, vollkommen ideologisch verblendet, fanatisiert.
Und die rechneten mit Partisanaktionen, mit Racheakten und so weiter. Weil Goebbels noch zwei Monate vor Kriegsende den insbesondere jungen Leuten eingeimpft hat. Also wenn die anderen kommen, dann werdet Wehrwölfe. Das war der Begriff. Und bringt jeden Amerikaner und Engländer um, den ihr irgendwie zu fassen kriegt. Das heißt, davon sind die ausgegangen und waren dann völlig überrascht,
Dass sich sozusagen fast über Nacht der Faschismus, so schreibt er das ja, in diesen deutschen Seelen aufgelöst hatte und nichts dergleichen geschah, sondern am Straßenrand standen jubelnde Menschen, die von den Besatzern die Schokolade nur allzu gern genommen haben, weil sie unglaublichen Hunger hatten.
Ja, also sie konnten sich auf etwas verlassen, womit sie gar nicht gerechnet haben. Sehr viele Deutsche, die deswegen auch Nazis gewesen sind, weil sie sich als Sieger fühlen wollten, als überlegen und als was Tolles gegenüber anderen Völkern und auch geglaubt haben, sie gewinnen den Zweiten Weltkrieg.
Die haben sich dann an die neuen Sieger gehalten, damit sie wieder zu den Siegern dazugehörten. Das ist ein nicht unwesentlicher Grund, dass die USA, die ja nicht das Hauptfeindbild der Nazis waren, das galt natürlich für schwarze US-Amerikaner, die waren das und die Musik, die Jazzmusik und so weiter, das waren alles so Feindbilder, aber es waren ja nicht die Hauptfeindbilder.
Die Hauptfeindbilder, das waren die Juden und das waren die Slaven. Richtig, die Russen. Ja, genau, die Russen und Sinti von Romas auch. Aber das gehörte nicht zu den Hauptfeindbildern und deswegen fiel es einem leicht, die Koordinaten zu verändern, weil die Feinde ja auch blieben. Also das Verhältnis zu den Juden veränderte sich ganz, ganz schnell, aber das Verhältnis zu den Russen nicht.
Der Ivan war ja immer noch die Bedrohung und die Gefahr und so weiter. Also man konnte ja sogar ein einiges von vorher unter leicht veränderten Vorzeichen wieder anknüpfen. Aber das ist insgesamt natürlich eine wahnsinnig spannende Zeit, wie ein hoch fanatisiertes Volk in so kurzer Zeit sich verändert. Und alles in allem ist es natürlich auch eine positive Erfolgsgeschichte, selbst wenn die ersten zehn Jahre eine sehr ambivalente Geschichte waren.
Ja, also Jena sagt, das hat auch damit zu tun und das muss man sich alles nochmal so vergegenwärtigen. Ich hatte Ruth Winkelmann zu Gast in der Sendung, die sehr, sehr interessante Frau, die mich wirklich bewegt hat, die mir erstmal die Leviten gelesen hat, weil sie sagte, es war hinter den Kulissen, total süß, ich soll nicht immer so streng zu Politikern sein.
Und sagte dann zu mir, so privat sind Sie doch eigentlich viel konzilianter und viel netter und viel zugänglicher. Und ich habe ihr dann gesagt, dazu ist es aber nur dann, wenn sich Leute so im rhetorischen Unterholz verlaufen. Dann versuche ich ihnen manchmal ein bisschen wieder rauszuhelfen und die immer gleichen Stanzen und Floskeln von sich geben. Aber wir sprachen dann darüber, wie das für sie war, die ist 96 Jahre alt.
96 Jahre alt, unglaublich wach im Kopf, hat so süß erzählt, wie sie extra für uns, für die Sendung ihren Saunatag abgegeben hat. Sie geht immer am Mittwoch in die Sauna, sagte sie, aber für sie habe ich das heute bleiben lassen. Sie hat dafür ihren Saunatag verzichtet. Ist insofern eine unheimlich bewegende Geschichte, auch weil sie erzählt hat, wie sie ihre Familie verloren hat. In Berlin lebend, die Mutter Christin, der Vater jüdisch,
Und die Eltern werden dann zu einer Scheidung gezwungen. Das heißt, plötzlich zerbricht diese warme, schöne Familie, so hat sie das beschrieben. Und sie sagt, ich habe bis zur Geburt meines ersten Sohnes, da ging es mir wirklich kalt runter den Rücken, bis zur Geburt meines ersten Sohnes, sagte sie, Mitte der 60er, bin ich durch die Straßen von Berlin gelaufen, stand ich in der Straßenbahn, stand ich irgendwo auf öffentlichen Plätzen herum.
und habe nach Männern Ausschau gehalten, die mein Vater sein könnten. Der ist in Monowitz, das Nebenlager von Auschwitz, umgebracht worden. Das hat sie erst jüngst erfahren, wirklich für sich dann auch erfahren, hat die Listen gesehen.
Und es erinnerte mich sehr an andere Gespräche, die ich mit Holocaust-Überlebenden hatte, mit Eva Schloss zum Beispiel, die heute in London lebt, eine Freundin damals von Anne Frank, die Ähnliches erzählt hat. Ich stand damals daneben in Auschwitz, als sie das erste Mal schriftlich, da war sie schon eine hochbetagte Frau, 85,
Als sie das erste Mal gesehen hat, schwarz auf weiß, auf einer Liste in Auschwitz-Birkenau, da stand der Name Heinz, das war ihr geliebter Bruder und der Name auch ihres Vaters. Da hat diese 85 Jahre alte Frau das erste Mal für sich akzeptiert, dass die wirklich nicht mehr zurückkommen würden. Und so ähnlich war es bei Ruth Winkelmann auch. Die brauchte sozusagen diese Liste zurück.
um wirklich zu akzeptieren für sich, dass ihr Vater nicht wieder zurückkommt. Aber es hat mich wirklich bewegt, weil sie mit ihren 96 Jahren da saß und sagte, das tut immer noch gleich weh. Daran hat sich nichts verändert. Was dir mal wieder zeigt, du lernst irgendwann mit Wunden, die das Leben so schlägt, vielleicht umzugehen. Aber du wirst sie nicht wirklich los, diese Verletzungen.
Und sie hat das so berichtet, wie diese letzte Kriegsphase war und hat Harald Jena recht gegeben, der sagte, einer der Gründe, warum die Deutschen dann so schnell und auch in gewisser Weise auch ehrlich zu Demokraten wurden bzw. verstanden haben, was das für eine Ideologie ist,
hatte damit zu tun, dass in dieser letzten Kriegsphase die Nazis wirklich ihr wahres Gesicht gezeigt haben. In dieser letzten Kriegsphase sind ja die allermeisten Menschen dann nochmal gestorben in wenigen Monaten. Ja, ein Drittel aller Opfer. Das muss man sich mal klar machen. Die haben einfach alles an die Front geworfen, was da war und insbesondere sehr junge und sehr alte Menschen.
die dann nochmal so ganz zynisch einfach in die Schlacht geworfen wurden. Volkssturm. Genau, um wie Jena sagt, um irgendeinen dämlichen Hügel oder eine blöde Brücke zu verteidigen, von der du wusstest, es ist völlig egal, ob diese scheiß Brücke auch noch weg ist. Den Hürzgenwald und die Ardennen und so. Genau. Und das war sozusagen, das war der Moment, in dem den Deutschen so beschreibt, dass plötzlich klar wurde,
was da wirklich passiert ist. Und das andere war auch, und das ist, glaube ich, die Doppeldeutigkeit, auf die du anspielst, sozusagen die Umdeutung des Narrativs. Wir sind ja auch Opfer. Wir sind ja dem Hitler auf den Leim gegangen. Ja gut, das war dann die große, muss ich ja fast schon sagen, Verschwörungserzählung, die dann als Entlastungsgeschichte war, dass die Deutschen auf einmal alle Opfer waren und keiner war Täter gewesen. Richtig. Und Jena sagt...
Das ist aber, weil ich ihn dann gefragt habe, ich sagte, ist das vielleicht etwas, das psychologisch sogar zwingend notwendig ist, auch wenn es komisch klingen mag, um überhaupt weiterleben zu können an einem solchen Nullpunkt überhaupt.
wo du merkst, was du da eigentlich wirklich angerichtet hast und was das für ein Grauen ist und was das wirklich für ein Abgrund ist, in den du da geguckt hast. Und da meinte er, ja, das ist in gewisser Weise konstitutiv für das Selbstverständnis und das Entstehen auch der Bundesrepublik. Kein neuer Geist ohne Mythen. Genau, genau.
Also Halbwahrheiten und Lügen und Mythen und Verbrämungen und so weiter gehören immer zur Neubegründung einer Identität dazu. Richtig.
Und auch dieses psychologische Momentum, deswegen mag ich Jena so gerne, weil er in der Lage ist, sich so unglaublich gut reinzuversetzen, ein toller Schreiber, sich reinzuversetzen, wirklich in diese Zeit und wirklich in diese Menschen fast reinzukriechen. Er sagt, überleg dir mal, was das war für die Deutschen, die so an Recht und Ordnung, vor allen Dingen an Ordnung hingen und plötzlich hast du nur noch Chaos.
Was muss das gewesen sein für diese Leute, die plötzlich mit dem Chaos zurechtkommen mussten?
mit dieser Anarchie. Das finde ich einen interessanten Gedanken und meinte ganz eng damit verbunden sind die Schwarzmärkte. Die Deutschen, die irgendwie versuchen mussten, sich auf Schwarzmärkten für horrendes Geld irgendwie was Essbares oder auch ein paar Zigaretten oder irgendwas zu besorgen. Und diese Schwarzmärkte spielen eine ganz entscheidende Rolle bei der sozusagen Bundesbürgerwerdung dieser Menschen, weil
Weil er meinte, da haben die lernen müssen, wem du über den Weg trauen kannst und wem nicht. Und das hat interessanterweise Ruth Winkelmann auch bestätigt und meinte, ich sitze nur deswegen heute hier, weil ich bei dieser wichtigen Frage, wem kannst du, halb Jüdin, wem kannst du über den Weg trauen und wem nicht,
habe ich immer den richtigen gepickt. Ich habe immer mich auf den richtigen verlassen. Hätte ich mich einmal auf den falschen verlassen, wäre ich verraten worden, wäre ich vielleicht in Auschwitz gelandet und wäre ich weg gewesen. Das hat mich sehr bewegt. Ja, also ich glaube, dass es sehr interessant ist, darüber zu reden, das Bedürfnis nach Ordnung. Dann kommt die Schwarzmarktphase,
Die Zeit der Menschenkenntnis. Ja, genau das. Aber auch das Chaos des sich selbst Organisierens, nicht funktionierender Verwaltungen, Regeln, Grauzonen. Menschen werden kleinkriminell, die sich das vorher nicht hätten erträumen können. Richtig. Aber was mir natürlich auch immer in Erinnerung bleibt, ist, wenn mein Vater über seine Jugend erzählt. Mein Vater ist 33 geboren und ich meine mit der Jugend jetzt nicht seine Kindheit, sondern ich meine so die Zeit in den 50er Jahren.
wo er immer sagt, dass einem die gleichen Leute, die im Dritten Reich brave Nazis gewesen sind, anfingen, einem etwas von Sitte und Anstand und Ordnung und so zu erzählen, wenn man die Haare zu lang trug. Das sagte jener auch. Und in diesem Punkt, also sozusagen diese Ästhetik, was ist ein anständiger Deutscher? Der ist fleißig, der ist pünktlich, der trägt das Haar knapp am Kragen und so weiter. Also diese ganze
Die Vorstellung davon, die ist natürlich erhalten geblieben. Auch wenn man sich anschaut, sagen wir mal, was für Frisuren hatten die Nationalspieler beim Wunder von Bern in den 50er Jahren, die sahen nicht anders aus als die Frisuren in den 30er Jahren. Also es gab eine erstaunliche ästhetische Kontinuität in der Vorstellung, was ein anständiger Deutscher ist.
Und das, obwohl man ja gerade den Beweis angetreten hat, dass man völlig unanständig, und das ist ja eine wahnsinnige Untertreibung, sondern die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte von diesem Volk begangen wurden und Leute gewählt wurden, die sie begangen haben und so weiter und so weiter.
Und gerade deswegen scheint es so wichtig gewesen zu sein, weißes gestärktes Hemd. Ich weiß das noch, dass mein Großvater immer erzählt hat, das war ihm wichtig in den 50er Jahren, als man so wenig hatte. Dass man immer ein sauberes Hemd hatte, dass man immer blank geputzte Schuhe hatte, dass man keine schief getretenen Absätze hatte. Also die Weste mochte noch so schwarz von Dreck sein. Es war wichtig.
Dass das blütenweiß gestärkte Hemd nicht nur sauber war, sondern rein. Also diese Doppelmoral, die ist schon wirklich interessant.
Ja, genau. Im Grunde eigentlich egal, wie verschmutzt die Seele ist, die Weste muss aber sauber sein, nach außen sozusagen. Ja, das ist überhaupt die Psychologie, das ist das, was Harald Jena eben immer so gut beschreibt. Er sagt zum Beispiel, nach dem Krieg wurden aus diesen Untertanen plötzlich Menschen,
die sich wie im Wilden Westen, ich fand diesen Vergleich total gut, ich dachte, ja, genau so muss das gewesen sein. Wenn du auch so die letzten großen epischen Werke von Kevin Costner, die du dir so anguckst, der hat immer so Wilder Westen, so wie es wirklich gewesen sein könnte. Das ist ja immer so ein großes Thema bei dem. Und ich dachte, ja, genau so war das. Jeder ist sich selbst der Nächste. Und er sagt, aber aus Untertanen wurden da plötzlich Menschen, die sich um sich selber kümmern mussten.
Und vielleicht ist auch das sozusagen einer der Gründe, warum das dann mit dieser Bundesrepublik passiert.
erstaunlich schnell dann doch funktioniert hat und gut gegangen ist. Du meinst der Schwarzmarkt als Gründungsurkunde des deutschen Wirtschaftsbundes? Da hat der deutsche Unternehmergeist. Ja, würde ich sagen. Also ich als jemand, der Stonk rauf und runter gesehen hat, würde ich sagen, definitiv war das so. Und weil wir gerade über Kapitalismus oder über Marktwirtschaft sprechen,
Er sagt auch, der Ausgleich zwischen den Deutschen, die alles verloren hatten, und denen, die noch was hatten, das war ein sehr langwieriger, schwieriger Prozess. Und auch spannend, wenn du mal darüber nachdenkst, vielleicht liegt da sozusagen einer der Ursprünge, wenn du über diesen schon sprichwörtlichen deutschen Neid nachdenkst, der angeblich in diesem Land so weit verbreitet ist, sich
Ich glaube, dass er tatsächlich weit verbreitet ist. Aber auch nicht mehr als in anderen Ländern, finde ich immer. Findest du? Ja, finde ich. Ich finde, er ist bei uns sehr viel stärker.
Man könnte aber an dem unangenehmen Gefühl des Neids eine positive Pointe sehen. Und die besteht darin, Neid ist eine enttäuschte Fairness-Erwartung. Nur in Gesellschaften, in denen die Menschen davon ausgehen können, dass es doch eigentlich chancengerecht und fair zugeht, kann der Neid gedeihen.
In Gesellschaften, in denen die Abgehängten und die Unteren überhaupt keine Chance haben, je irgendwas zu werden oder zu irgendwas zu kommen, das sind keine neidischen Gesellschaften. Weil sie auch prinzipiell gar nicht die Möglichkeit dazu haben, weil sie überhaupt keine berechtigten Fairness-Erwartungen haben können. Und deswegen findest du in vielen Entwicklungsländern diesen Neid nicht, den du in Ländern wie Deutschland hast.
Also ich glaube, dass der Neid sozusagen die negative Seite ist, also eine enttäuschte Fairness-Erwartung und das nur in Gesellschaften, in denen man unterstellen kann, dass es halbwegs fair zugeht, der Neid überhaupt blühen kann. Also da gebe ich dir recht. Ich würde aber dennoch immer sagen, dass das, was ich vorhin meinte,
Es wird ja dann immer gesagt, in Amerika, wenn du dann Ralf Möller zuhörst oder anderen, in Amerika ist das alles viel besser. In Amerika, da ist keiner neidisch. Und in Amerika, da hast du dann die dicke Karre vor der Tür und so weiter. Und dann geht man höchstens hin und fragt, es ist ja cool, dass du da deinen dicken Porsche hast und so. Wie hast du das geschafft? Und wie komme ich auch an einen Porsche? Und warum hast du eigentlich nicht einen zweiten? Weil es würde dir doch gut zu Gesicht stehen. Ich
Ich bin immer ein bisschen vorsichtiger. Ich habe manchmal das Gefühl, das hat eher was mit gewissen Höflichkeitsfloskeln zu tun. Aber im Kern, da gebe ich dir recht, es ist enttäuschte Fairness-Erwartung und da sind die Amerikaner exakt so wie die Deutschen auch. Sie tarnen es nur manchmal besser. Ich hoffe, ich trete da keinem zu nahe, aber...
Ich gehe den Weg nicht mit, dass die Deutschen angeblich exklusiv neidisch sind und der ganze Rest der Welt ist es nicht. Das sehe ich nicht so. Das mit der Fairness ist ein guter Gedanke. Aber Richard, anderes Thema, eng verbunden aber damit. Wenn du dir den 8. Mai anschaust, das Gedenken dir anschaust.
Wenn du hörst, was bei dieser gescheiterten ersten Wahl von Merz da so gesprochen wurde, dann fällt immer wieder ein Begriff, Markus Söder hat ihn auch benutzt, ein Hauch von Weimar.
Und das führt sozusagen dann direkt in der nächsten Stufe dann zur AfD. Also du kommst direkt sozusagen vom 8. Mai in direkter Linie zur AfD. Und ich sage dir ganz ehrlich, um es vorweg zu schicken und um gleich klar zu machen, wie ich das sehe, bin gespannt, wie du das einschätzt, mir geht das zu weit. Ich finde diese Verkürzung nicht zulässig. Also so zu tun, als würden wir kurz vor dem nächsten Hitler stehen, ist eine unzulässige Überdramatisierung der
die die politische Atmosphäre dann so aufheizt und hysterisiert, dass es nicht gut ist. Wie siehst du das? Ich sehe das ganz genauso wie du. Also unsere liberale Demokratie hat sich immer schon schwer getan mit deutlich Andersdenkenden. Das muss man sagen. Also wir haben 1956 die KPD verboten, die in der Tat eine andere Bundesrepublik wollte. Also eine sozialistische.
Sie hat eine Diskussion darüber geführt, unter anderem angestrengt von Franz Josef Strauß Anfang der 80er Jahre, ob man nicht eigentlich die Grünen verbieten müsste.
Ja, vom Verfassungsschutz beobachten und ob man die nicht eigentlich verbieten will. Also immer wenn irgendwas als Fundamentalopposition erscheint, dann kommt der erste Schrei, die dürfen hier zu dem Club nicht zugehören und die ruinieren alles. Solche Sätze hat es auch über die Grünen gegeben. Ich weiß, wie Otto Graf Lambsdorff, damaliger Wirtschaftsminister der FDP, gesagt hat, er werde nicht tatenlos zusehen, wie die Grünen Deutschland zu einer Republik aus Marx und Morgenthau machen.
Also er glaubte, das wird hier A Sozialismus und B Deindustrialisierung geben. Und da gab es genauso diese Haltung, das ist verfassungsfeindlich und die werden ganz Deutschland zerstören und so weiter. Und genauso reagieren wir jetzt auf die AfD. Und jetzt muss man sagen, die AfD ist ja im Kern eine wirtschaftsliberale Partei. Also in ihrer Wirtschaftspolitik unterscheidet sie sich ja nicht fundamental von den Parteien der Mitte.
Sie möchte ja nicht die Herrschafts- und Klassenverhältnisse verändern. Also wird ja nicht die Industrie irgendwie enteignet oder verstaatlicht. Es soll auch nicht irgend so ein völlig anderer Gesellschaftsentwurf an diese Stelle gesetzt werden. Ich wüsste gar nicht, wie eine AfD-Revolution aussehen sollte. Und das wären ja jetzt Gründe, warum man sagt, verfassungsrechtlich kann man gegen jemanden vorgehen oder müsste jemanden verbieten, der einen vollkommen fundamental anderen Staat will.
So, das steht nicht im Parteiprogramm. Das haben wir ja hier an dieser Stelle auch mal besprochen.
Und das kann man auch nicht der AfD als Ganzes nachsagen. Was man natürlich findet ist, man findet von AfD-Wählern und auch von AfD-Mitgliedern sehr viele Aussagen, die, wenn man sie zu einer großen Collage zusammenstellt, mehr als Unbehagen erzeugen. Und sagt, mein Gott, was sind das für fürchterliche Sätze. Wieso kann Alice Weidel sich eigentlich nicht entblöden zu sagen, der 8. Mai war für sie in erster Linie eine Niederlage und eben keine Befreiung.
Dann denke ich aber auf der anderen Seite wieder, eine Demokratie muss auch solche Sätze aushalten. Alfred Dregger hat, nachdem Richard von Weizsäcker 1985 zum 8. Mai seine berühmte Rede gehalten hat, der damalige Bundespräsident, und gesagt, dieser Tag war ein Tag der Befreiung und nicht der Niederlage. Da hat der damalige Hessen-CDU-Vorsitzende Alfred Dregger, war glaube ich sogar mal Fraktionsvorsitzender im Bundestag,
Der CDU gesagt, er wäre Leutnant gewesen im Zweiten Weltkrieg und für ihn wäre das eine Niederlage gewesen und keine Befreiung. Man hat natürlich immer als Linker die Meinung vertreten, dass Alfred Reger zum rechten Rand gehört. Aber der war damals mit seinem rechten Rand noch irgendwie Teil der CDU und irgendwie noch integrierbar. Und solche Leute finden sich heute in größerer Zahl bei der AfD.
Aber ein Dräger hat die Bundesrepublik überlebt und die Frage ist, kann sie solche Äußerungen von AfD-Politikern nicht auch überleben? Es ist total interessant, dass du mit Dräger gerade sagst, der sagt, ich war Leutnant und das waren Helden und so weiter.
Lest ihr mal einen anderen Satz vor in dem Zusammenhang. Unsere Vorfahren waren große Männer und Frauen. Es waren Helden, es waren Vorbilder. Und jeder von uns ist aufgerufen, daran zu arbeiten, dass er den Maßstäben unserer Vorfahren gerecht wird. Das ist so ein Satz. Ich glaube, Dregger hätte gesagt, ja. Ja, kann doch jeder sagen, mit den Vorfahren, da war Bismarck gemeint und Goethe gemeint, Luther oder wie auch immer. Das ist ja kein dezidiertes Lob des Dritten Reiches.
So, der Satz ist von Maximilian Krah, dessen Opa NSDAP-Mitglied war. Genau, da kann man sich denken, an welche großen Männer er gedacht hat, was er nicht explizit sagt und was man ihm deswegen auch nicht explizit vorwerfen kann.
Genau. Krah, dessen Opa NSDAP-Mitglied war, sage ich, sagen Quellen, sage ich nach der Lektüre von Quellen, er selbst bestreitet das, ausdrücklich dazu gesagt. Aber das ist so ein Satz, der sich jetzt auch unter anderem in diesem Bericht des Verfassungsschutzes wiederfindet.
Und das ist auch so ein Thema. Du wirst jetzt ritualhaft erleben immer wieder, dass man AfD-Vertretern sagt, sie sind ja gesichert rechtsextrem. Wie würdest du das überhaupt definieren, Richard? Das ist die spannende Sache.
Also rechtsextrem ist irgendwie nicht ganz dasselbe wie rechtsextremistisch und es ist auch nicht dasselbe wie rechtsradikal. Aber es ist natürlich auch nicht dasselbe wie rechts. Es ist wirklich schwierig, den Begriff zu definieren. Und jetzt gibt es ja sozusagen die Gelenkstelle. Also das habe ich jetzt gelernt bei der Frage, inwiefern ist die AfD rechtsextrem?
Also gesichert rechtsextrem, weil sie will ja nicht, soweit wir das jedenfalls wissen, bereitet sie keinen Putsch vor, sie will die Regierung nicht stürzen, sie will keinen autoritären Staat errichten nach dem Führerprinzip, sie will die Wahlen nicht abschaffen und so, also alles das ja nicht. Sondern der Punkt, den man ihr vorwirft, ist, dass sie eine ethnische Definition von Volk hat.
Das ist der zentrale Punkt. Also das Grundgesetz bekennt sich zu ganz moralischem Universalismus. Danach ist das Leben eines jeden Menschen prinzipiell gleich wert und zwar egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, egal welche Hautfarbe und wo er geboren wurde. So und das ist etwas, was die AfD, so jedenfalls der Vorwurf, im Prinzip nicht unterschreibt, sondern sagt, es gibt quasi bevorzugte ethnische Gruppen und weniger bevorzugte und dann wird da unterschieden.
Und das, was deutsch ist, wird völkisch-national mit rassistischen, rassischen Färbungen versehen. Und das ist sozusagen das, was dem Geist des Grundgesetzes widerspricht. Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr viele Menschen in der AfD gibt, die da tatsächlich große Unterschiede machen. Auch hier gilt wieder der Satz, nicht nur bei AfD-Wählern gibt es das, sondern es gibt es auch bei Wählern anderer Parteien.
Und das Zweite ist, ich muss jetzt nachweisen, dass das quasi die Essenz der AfD ist. Denn wenn ich sage, die Partei ist gesichert rechtsextrem und nicht die Aussage mache, es gibt eine Menge rechtsextremer Äußerungen von Parteimitgliedern, sondern sage, die Partei ist das, sozusagen der Markenkern dieser Partei ist das.
Dann ist das ein sehr, sehr großer und sehr, sehr schwerer Vorwurf, von dem ich mir nicht vorstellen kann, dass er im Falle eines denkbaren Verbotsverfahrens sich tatsächlich bewahrheiten lässt. Denn es macht einen Unterschied, ob da tausendmal Unsinn gequatscht wurde.
oder ob tausendmal Dinge gesagt wurden, die man zumindest aus dem Kontext gerissen als rechtsextrem interpretieren kann. Oder ob ich sage, die gesamte Struktur, diese gesamte Partei ist sozusagen von einem Geist beseelt, der der Verfassung widerspricht. Da ist ja ein riesiger Unterschied zwischen. Ja, es beginnt sogar noch ein bisschen weiter vorne, Richard. Das ist ein Punkt, der auch völlig unter den Tisch fällt.
Wenn du sagst, die Bundes-AfD ist jetzt gesichert rechtsextrem auf Bundesebene. Ich habe da einiges dazu gelesen und mich damit auseinandergesetzt. Dann wird dir irgendwann mal klar, auch der Verfassungsschutz ist föderal organisiert.
In jedem Bundesland hast du einen eigenen Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz in Thüringen ist zum Ergebnis gekommen, dass die Leute um Höcke, das sind Radikale, das sind Rechtsextreme.
In Sachsen genauso. Es gibt Länder, wo die gar nicht gesichert rechtsextrem sind oder gar nicht als rechtsextrem eingestuft worden sind und so weiter. Das heißt, wenn du über die Bundesebene redest, dann redest du eigentlich genau genommen über 15 Leute, die im Bundesvorstand sind.
Und du redest sozusagen dann noch über die Geschäftsstelle, die Bundesgeschäftsstelle und dann redest du vielleicht auch noch, wenn du sagst, auf Bundesebene die Mitarbeiter der Abgeordneten, die es da im Bundestag gibt, aber schon die Abgeordneten selbst, die kommen ja aus Ländern. Also das heißt, eigentlich betrifft die das genau genommen gar nicht. Also das heißt, die Verkürzung, das Gefühl, das gerade im Medial auch entsteht.
Da ist jetzt die gesamte AfD prinzipiell rechtsextrem, sagt der Verfassungsschutz. Muss man genau lesen, das sagt der Verfassungsschutz nicht. Und das ist auch etwas, man muss da sehr, sehr sauber und sehr präzise sein. Und das Zweite ist, womit sich auch Leute wie zum Beispiel Andreas Rosenfelder dieser Tage beschäftigt haben. Das finde ich ist ein guter Punkt. Die Frage der Meinungsfreiheit.
Das betrifft ja dann irgendwann auch die Meinungsfreiheit. Also wie weit tangiert das sozusagen, was du sagst, irgendwann mal Meinungsfreiheit? Meinungsfreiheit, wirklich hohes Gut. Und der nimmt als Beispiel, steht laut Auskunft des Verfassungsschutzes auch in diesem Bericht, Dennis Holoch. Das ist ein Mitarbeiter des Brandenburger Landtags, der irgendwann mal den Satz sagt, Vielfalt bedeutet Multikulti.
Und dann fragt er so rhetorisch, was bedeutet Multikulti, um dann selbst die Antwort zu geben. Multikulti bedeutet Traditionsverlust, Identitätsverlust, Verlust der Heimat, Mord, Totschlag, Raub und Gruppenvergewaltigung.
So, das ist eine hässliche Sprache. Das kann man aus guten Gründen polemisch finden. Aber wenn man sozusagen mal ganz nüchtern auf die Substanz guckt, so beschreibt es Andreas Rosenfelder, dann muss man sagen, sie enthält natürlich auch in der Substanz eine zulässige Kritik.
Und er macht dann das Beispiel, und deswegen fand ich das so gut, wie das im gediegenen, so nennt er das, Leitartikel-Sound klingen würde. Er sagt, im gediegenen Leitartikel-Sound würdest du das Gleiche sagen, aber ungefähr mit folgenden Worten. In Deutschland haben ein naiver Multikulturalismus und eine ungesteuerte Migrationspolitik dazu geführt...
das legitime Bedürfnis der Bevölkerung nach Identität und Heimat zu vernachlässigen. Und eine Folge davon ist ein wachsendes Unsicherheitsgefühl angesichts alltäglicher Gewaltkriminalität.
zu der immer öfter auch Messerattacken und Gruppenvergewaltigungen gehören. Und das ist eine rabiate Zuspitzung, kann man alles so sagen. Aber ist das der Beleg für ein ethnisch abstammungsmäßiges Volksverständnis? Weißt du, was ich meine? Also das ist der Punkt, wo man denkt, da kriegen wir jetzt die Rechten. Aufgrund dieses ethnisch-völkischen Belegs
dass dem moralischen Universalismus des Grundgesetzes widerspricht. Und außerdem hat der Verfassungsschutz natürlich ein Problem. Er beobachtet ja die AfD schon ziemlich lange und das kann er ja nicht dauerhaft machen. Du kannst nicht dauerhaft jemand als Verdachtsfall einstufen und nach zehn Jahren bist du immer noch zu keinem Ergebnis gekommen. Also irgendwann muss der Verfassungsschutz ja auch mal liefern und entweder muss er zu dem Ergebnis kommen, dass er zu Recht diesen Verdacht hatte
Oder er darf nicht weiter beobachten. Richtig. Ja, weil was soll denn 30 Jahre Rumbeobachterei oder sowas am Ende sein? Also irgendwann muss ja mal ein Ergebnis vorliegen. Und ist es ein Zufall, dass in den allerletzten Tagen von Nancy Faeser dieser Bericht kommt? Ja, das ist genau der Punkt. Der die Nachfolgeregierung mit einem riesigen Problem konfrontiert. Der Hypothek belastet. Denn wenn ich mir dieses Urteil des Verfassungsschutzes zu eigen mache und sage, das ist eine gesichert rechtsextreme Partei,
Dann hat das enorme gesellschaftliche Folgen. Dann musst du auch ein Verbotsverfahren einleiten, weil eine gesichert rechtsextreme Partei darf es in Deutschland nicht geben. Ist richtig. Die Konsequenzen, wenn man das ernst nehmen würde, wären gigantisch. Und ich persönlich glaube, dass wir uns darauf einigen werden, diesen Bericht des Bundesverfassungsschutzes nicht zu ernst zu nehmen.
Und dann sollten wir den schwierigen Punkt nicht unerwähnt lassen, dass dieser Bericht, ich meine, es werden ein paar Sachen daraus zitiert, manches von dem, was da drin ist, wissen wir. Wir hören, dass es in erster Linie aus Dingen besteht, die die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes aus öffentlichen Äußerungen zusammengetragen haben, dass also nur der kleinere Teil des Berichtes aus Observationen und aus geheimem Material besteht. Aber wenn das so ist,
Dann könnte man den kleineren Teil schwärzen und könnte den gesamten Rest öffentlich zugänglich machen, damit jeder ganz genau weiß, aufgrund welcher Indizienlage der Verfassungsschutz zu seiner Einschätzung gekommen ist. Und ich frage mich, warum das nicht passiert. Ja, das fragen sich viele. Denn spätestens wenn man ein Verbotsverfahren einleiten will,
Muss ja der Partei präsentiert werden, was ihr da alles zur Last gelegt habt. Genau. Das muss ja dann sowieso alles öffentlich gemacht werden. Was soll die Geheimniskrämerei, wenn es sich zu einem nicht unerheblichen Teil gar nicht um brisante Undercover-Informationen handelt? Ich sage dir ganz offen, ich bin da...
Wie soll man sagen? Ich habe da keine klare Antwort. Wenn du mit Leuten wie Justus Bender, über den wir uns hier schon ein paar Mal unterhalten haben, sprichst, dann sagt er auch, ich war überrascht über diesen Zeitpunkt. Zwei Tage bevor Nancy Faeser sozusagen aufhört, die Innenministerin, kommt dieses Ding. Und sie sagt auch, ich habe das gar nicht wirklich so geprüft und so weiter, aber ich habe mich entschieden, das jetzt zuzulassen. Sie hätte auch sagen können, pass auf, wir veröffentlichen das jetzt nicht.
Und ich höre und lese auch, dass es wichtige Leute aus ihrem Haus, Beamte gab aus dem Innenministerium, die genau das wollten. Die sagten, mach das nicht. Das ist jetzt ein nicht wirklich gutes, kluges politisches Signal. Es gibt andere Leute wie Michael Brücker, die sogar sagen, das ist doch wirklich frech, das so zu machen. Und Bender sagt das auch. Man hat die ganze Zeit die Frage im Kopf, warum?
Alexander Dobrindt davon, der neue Innenminister. Und ich höre aus der CSU, der wusste offenbar nichts davon. Also kann es sein, dass da jemand eine solche Entscheidung getroffen hat, das zu veröffentlichen, weil er meint,
dass Herr Dobrindt das vielleicht nicht will oder will man schon mal Fakten schaffen, bevor Alexander Dobrindt ins Amt kommt und so weiter. Also man hat irgendwie den Eindruck, dass irgendwas hinter den Kulissen gelaufen, das ist irgendwie intransparent, das ist alles so ein bisschen seltsam. Andererseits, und das wäre sozusagen die Gegenrede, finde ich,
Ein Rechtsstaat darf nicht taktisch sein. Ein Rechtsstaat darf sich nicht taktisch verhalten. Und wenn du irgendwann Indizien dafür hast, dass die tatsächlich die Demokratie untergraben, dass die verfassungsfeindlich sind, dann ist das nicht so.
Dann musst du das klar benennen. Und der zweite Punkt ist, ein Argument, das immer kommt, ist, die sind jetzt zu groß, um sie möglicherweise zu verbieten. Und da sagt jemand wie Justus Bender, auch das muss im Zweifel egal sein. Es muss egal sein, ob die AfD 10, 20, 50 oder sogar 90 Prozent Zustimmung hat. Wenn eine Behörde, ein Staat der Meinung ist, die untergraben dieses System, dann haben wir die Pflicht, das anzugehen und dann muss man den Versuch machen, sie zu verbieten.
Das teile ich. Du erinnerst dich, dass wir am Anfang über Gesinnungsethik und über Verantwortungsethik gesprochen haben. Wenn du eine Partei, die einen so hohen Prozentsatz in der Bevölkerung hat, im Osten weit über 30 Prozent verbietest, dann musst du dir nicht nur gesinnungsethisch sagen, ja, das muss ich jetzt im Sinne der Verfassung machen, weil die stehen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes und so weiter, die sind Verfassungsfeinde.
Das ist die gesinnungsethische Perspektive. Die verantwortungsethische Perspektive muss sich überlegen, was passiert, wenn ich das tue. Richtig. Und kann das sein, dass ich dann nicht nur 30, sondern vielleicht auch 40 oder 50 Prozent der Bevölkerung verliere im Osten?
Kann das nicht sein, dass dann sich dann auch viele Leute, die bislang nicht AfD gewählt haben, sagen, was ist denn das für eine Meinungsfreiheit, wenn man diese Partei, die ich nicht wählen würde, die ich für falsch halte und so weiter, aber einfach verbietet, weil man offensichtlich nicht damit umgehen kann, dass die so stark ist und so eine Resonanz in der Bevölkerung hat?
Und könnte es nicht sein, dass ich dann am Ende einer antidemokratischen Entwicklung Vorschub leiste? Also diese verantwortungsethische Dimension, die spielt doch auch eine große Rolle. Es geht ja nicht nur darum, im Sinne der Verfassung jetzt erstmal sozusagen voller moralischer Empörung über die Verfassungsfeinde etwas zu machen, was sie am Ende noch stärken. Ja, und die Frage ist auch, wird da versucht auf juristischer, verwaltungstechnischer Ebene etwas zu lösen, was eigentlich politisch gelöst werden muss?
Also du nimmst sozusagen den Verfassungsschutz und sagst, die sagen das ja und deswegen ist das jetzt auch so und deswegen passiert jetzt eins, zwei, drei. Es ist aber auch schon klar, dass der, nochmal ganz deutlich, der Verfassungsschutz ist keine wissenschaftlich arbeitende Forschungseinrichtung.
die jetzt zehn Jahre sich mit der AfD beschäftigt hat und am Ende mit einem wissenschaftlichen Gütesiegel zu der Aussage gesichert rechtsextrem gekommen ist. Sondern es ist eine weisungsgebundene Behörde, die in letzter Instanz dem Innenministerium oder den Innenministerien der Länder untersteht. Und genau daraus entsteht ja dieses Stilgefühl. Das heißt also etwas, was man politisch instrumentalisieren kann und das über jeden Verdacht erhaben sein müsste in dieser Situation.
etwas mit Instrumentalisierung zu tun zu haben. Deswegen ist es einfach keine gute Entscheidung von Nancy Faeser, ihrem Nachfolger dieses tausendseitige Manuskript auf den Schreibtisch zu legen. 1100 Seiten. Letzte ironische Wendung nochmal, Richard, im Jahr 1930.
versuchen preußische Beamte die NSDAP zu verbieten. Und die Regierung lehnt es ab, weil sie sagt, wir wollen die Nazis lieber politisch stellen. Robert Kemper war ältester Sohn einer liberalen Berliner Familie, jüdische Wurzeln und so weiter, seine Eltern bekannte Leute, Wissenschaftler am Robert-Koch-Institut. Und im Jahr 1930 wird Kempner von einem Staatssekretär gebeten,
drei anderen Beamten beim Verfassen eines Gutachtens über die NSDAP zu helfen. Dann schreiben sie gemeinsam etwas, das man heute als Materialsammlung sozusagen des Verfassungsschutzes wahrscheinlich bezeichnen würde. Sie nennen es damals eine Denkschrift mit dem Titel »Die nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei als staats- und republikfeindliche hochverräterische Verbindung«.
Natürlich erfüllt die NSDAP die Kriterien für ein Verbot, das weiß man heute. Aber 1930 war eine andere Zeit. Und das ist der Grund, warum ich bei dem Thema so zerrissen bin. Also in Weimar haben wir die Situation gehabt, dass die NSDAP nicht die einzige Partei war. Das gleiche gilt natürlich auch für die KPD.
die die Republik von Weimar stürzen wollte und durch eine völlig andere Staatsform ersetzen wollte. Also es gab mehrere Parteien, die nicht auf dem Boden der Weimarer Verfassung standen und die die liberale Demokratie grundsätzlich abgelehnt haben. Und natürlich war das ein großes Problem, weil diejenigen, die die liberale Demokratie getragen haben, so schwach waren und diejenigen, die sie abschaffen wollten, von Anfang an stark waren und dann im Zuge der Wirtschaftskrise immer stärker und immer stärker geworden sind.
Das heißt also, sie war nicht von einem liberal-demokratischen Bewusstsein getragen und die meisten Menschen haben die Demokratie abgelehnt. Wenn du dir die Bundesrepublik des Jahres 2025 anguckst und dir die Meinungsumfragen anguckt, finden sie die liberale Demokratie eine gute Staatsform. Dann hast du Zustimmungswerte von weit über 90%.
Und deswegen ist die Situation bei uns überhaupt nicht mit der Weimarer Situation zu vergleichen. Das heißt also, wenn hier eine Partei versuchen würde, die Grundsätze der liberalen Demokratie außer Kraft zu setzen,
Also tatsächlich einen Staatsstreich zu machen, Ermächtigungsgesetz, wie die Nazis das damals gemacht haben, würde das hier nicht von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen, sondern von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, egal welche Partei sie derzeit wird, abgelehnt werden. Das ist, glaube ich, ein ziemlich großer Unterschied gegenüber Weimar. Wir sind nicht wie in Weimar auf diese Art und Weise gefährdet. Und dann muss man dazu sagen, dass die NSDAP nie den geringsten Hehl daraus gemacht hat, dass sie die Republik von Weimar beseitigen will.
Wogegen die AfD antritt als eine Partei, die auf dem Boden der Verfassung und der liberal-demokratischen Grundordnung, die wir haben, nur eine in einigen Punkten, noch nicht mal in allen Punkten, deutlich alternative Politik machen will zu den bisherigen Parteien der Mitte. So, das alles ändert nichts daran, dass wir diese Äußerungen haben, die da in diesem Dossier zusammengestellt sind. Es ändert nichts daran, dass wir Menschen in der AfD haben,
die rechtsextremistische Gesinnungen haben. Das glaube ich alles gerne. Aber zu sagen, dass die ganze Partei so ist, da scheint mir die Beweislage nach wie vor dürftig zu sein. Und deswegen ist das Mindeste, was man machen müsste, wäre, den Verfassungsschutzbericht öffentlich zu machen. Dann hätten wir auch eine Grundlage, darüber zu diskutieren, ob wir glauben, dass das Fazit, was da gezogen wird, durch das Material, was da aufgefahren wird, belegt wird oder nicht. Ich
Ich würde nur noch gerne in dem Zusammenhang, weil es alles wieder gerade so verhärtet und man das Gefühl hat, okay, der Graben wird noch tiefer und wir kommen überhaupt nicht mehr miteinander ins Gespräch, auf eine Kleinigkeit hinweisen, die in diesen Tagen passiert ist und die weitestgehend untergegangen ist. Tino Chrupalla hat, ich glaube, bei den Kollegen vom Deutschlandfunk in diesen Tagen gesagt,
Wir haben da Fehler gemacht. Wir müssen unsere Sprache verändern. Wir müssen uns anders präsentieren. Wir als AfD. Und ich dachte, das klingt doch nach Einsicht. Das klingt doch irgendwie nach jemandem, der verstanden hat, dass man diesen Weg der immer stärkeren Radikalisierung, den es zweifellos gibt in der AfD, die Gründungs-AfD hat mit der AfD von heute nicht mehr viel zu tun,
dass wir diesen Weg vielleicht nicht weiter beschreiten können. Und ich denke manchmal, dann lass uns doch dieses Gesprächsangebot von Tino Chrupalla einfach ernst nehmen, aber lass uns auch bitte die 1100 Seiten der Beamten vom Verfassungsschutz genauso ernst nehmen. Und wenn wir dann merken, es ist aber gar nicht ernst gemeint, dann müssen halt Behörden, die zuständig sind, irgendwann die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Aber erstmal kann man das einfach mal beim Wort nehmen.
Richard, ich danke dir sehr, war intensiv, wünsche dir eine gute Woche. Ja, wünsche ich dir auch. Tschüss Markus. Ciao, ciao.