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cover of episode AUSGABE 193 (Momentum für die Ukraine – ist die Zeit reif für den Frieden?)

AUSGABE 193 (Momentum für die Ukraine – ist die Zeit reif für den Frieden?)

2025/5/15
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LANZ & PRECHT

AI Chapters Transcript
Chapters
Markus Lanz and Richard David Precht discuss the current situation in Ukraine and the challenges of achieving peace. They analyze past peace negotiations and highlight the difficulties in finding a solution acceptable to both sides, considering the complexities of the conflict and the different interests involved.
  • Analysis of past peace negotiations and their outcomes
  • Discussion of the challenges in achieving a lasting peace in Ukraine
  • Assessment of the roles of various actors in the conflict

Shownotes Transcript

Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wo erreiche ich dich? In einem Tonstudio im Herzen von Düsseldorf. Weil? Was ist mit der Kriminalität passiert? Kein Internet. Ah.

An diesem Vormittag gibt es in dem Stadtteil, in dem ich wohne, kein Internet. Schön. Gut, dass die Digitalisierung Deutschlands voranschreitet. Ja, Deutschland im Jahr 2025. Ja gut, das ist, wenn man an einem so abgelegenen Ort in der Welt lebt, wie im Zentrum Düsseldorfs. Da ist ja klar, dass man da schon mal kein Internet hat. Aber was ist wirklich passiert? Kabel durch? Ja, ich nehme an, russische Agenten versuchen die Lage zu destabilisieren. Das liest man ja im Augenblick überall.

Du warst russischer Agent in Düsseldorf und zwar auf dem Weg zur Keminade, meinst du? Ja, genau. Und ein Kabel durchtrennt. Ja, aber doch nicht bei dir. Du bist doch so ein Russlandfreund.

Ja, aber die kennen da keine Freunde und keine Feinde. Wir sind ein einflussreicher Podcast, der ihnen insgesamt nicht gelegen sein kann. Jedenfalls bin ich nicht russlandfreundlich genug, um nicht Opfer solcher Anschläge zu werden. Ist richtig. Oh Mann, ey. Das gibt's doch gar nicht. Aber ich sehe, du siehst fantastisch aus, Richard. So? Irgendwie so erholt. Ja, ich habe im grellen Sonnenlicht gekärchert. Ja, wirklich? Ja, und das hinterlässt ein bisschen Farbe. Nee, nicht dein Ernst. Doch. Was hast du gekärchert? Ich habe eine Terrasse gekärchert. Ist das gut.

Mache ich gerne. Es ist eine unheimlich befriedigende Arbeit. Schöner als Texte schreiben. Weißt du, alles ist grau und dann gehst du mit dem Kärcher darüber und dann das Sandfarben hell. Ja. Ja, das ist schon wunderbar. Ich mag Rasen mähen. Da kommt so eine Ordnung wieder rein. Ja.

Du bist also dieser klassische Rasenmäher-Typ, der dann auch seinen Rasen da so tadellos pflegt und so weiter? Ja, also ja, mich entspannt das. Ich koche auch gerne. Wie oft in der Woche mähst du deinen Rasen? Wenn ich eine ungefähre Vorstellung von deinen Pathologien bekommen muss. Also ich sage mal, wenn der so ab Tag vier werde ich langsam nervös.

Alle vier Tage mähst du Rasen? Nein. Du weißt, was Reinhard May dazu sagen würde? Nee. Der hat doch mal irgendwie seinen Nachbarn als Garten-Nazi bezeichnet. Weil der ständig, ständig akkurat seinen Garten, also er selber hatte nicht den Nachbarn bezeichnet, sondern er hatte in einem Leserbrief irgendwas aufgegriffen. Also den Begriff Garten-Nazi, den hat er noch nicht mal geprägt, sondern den hat er nur weitergegeben.

Da hatte der mal eine Riesenaffäre in so einem Sommerloch vor 20 Jahren. Wirklich? Ja, da waren ja die Bild-Zeitungen und alle Journalisten vor seiner Haustür und so. Und die machten dann tagelang Schlagzeilen über die Garten-Nazi-Affäre. Der Inselrat tagt und so weiter. Kann ich mich noch daran erinnern. Wo war das? Auf Sylt. Ah, okay. Ja.

Ja, aber ich verstehe das. Ich verstehe die Obsession mit dem Rasenmähen. Ich verstehe das. So alle, wie gesagt, nach Tag vier werde ich langsam nervös und dann schreite ich wieder zur Tat. Weißt du, was ich daran mag? Aber wenn du jetzt mal weg bist, du warst ja glaube ich gerade im Senegal. Ja. Da gibt es relativ wenig Wiesen, die dich irgendwie nervös machen könnten. Da muss kein Rasen gemäht werden. Ja, da muss kein Rasen gemäht werden. Und wenn du dann zurückkommst und du siehst plötzlich, der ist jetzt schon sieben oder zehn Tage nicht gemacht. Was macht das mit dir?

Ich freue mich dann auf den freien Moment und dann lege ich wieder los. Weißt du was, das Rasenmähen genauso wie übrigens auch Joggen, Kochen, all diese Dinge, das ist einfach das große Nichts.

Man denkt an nichts. Es ist einfach so diese Lehre und die einfach mal zuzulassen. Das finde ich herrlich. Ich liebe das. Einfach etwas zu tun, was überhaupt keine Anstrengung erfordert. Aber man kann es auch umgekehrt sagen. Ich habe immer das Gefühl, wenn ich eine Terrasse kärche, dann mache ich etwas, was sinnvoll ist. Das auch. Bei den anderen Sachen, die man macht, da weiß man immer gar nicht, ob das am Ende sinnvoll war oder nicht. Aber da, wo man so einen praktischen Erfolg sieht, stellt sich dann sozusagen diese Sinnbefriedigung sofort ein. Das ist schön.

Und ich versuche da immer so ein bisschen buddhistisch unterwegs zu sein. Das gefällt mir. Aber du musst dabei was tun. Also du hast dann das laute Geknatter deines Rasenmähers, was sich ja jetzt nicht so kontemplativ anhört. Doch, ist es. Aber ich warte tatsächlich auf den Elektro-Rasenmäher. Ich warte überhaupt auf das Elektro-Zeitalter, Richard, weil du gerade Senegal sagtest.

Weißt du, was das Schönste war an der Rückkehr nach Deutschland und nach Hamburg? Das Schönste war, diesen Smog los zu sein. In einer riesigen Stadt wie Dakar, wo ich glaube im Einzugsgebiet auch sechs, sieben Millionen Menschen leben.

Du bist fertig, wenn du den ganzen Tag diese Abgase einatmest, auch noch voll verbleibt das ganze Zeug und so weiter, was da aus einem Knatter Diesel hinten rauskommt. Ich bitte dich, das ist der CO2-Ausstoß von ganz Eppendorf in einem Jahr. Und das musst du irgendwie, wir haben das vergessen.

Wie das war. Das war ja bei uns auch so. Wir haben das vergessen. Und deswegen haben wir das Gefühl, wir müssen eigentlich gar nichts mehr tun. Aber der Rest der Welt, wo Leute sich eben keine neuen Autos leisten können, die leben unter ganz anderen Bedingungen. Das ist so anstrengend. Das macht die Leute fertig. Das macht die Tiere fertig. Das macht dich kaputt. Du gehst am Abend komplett rammdösig irgendwie ins Bett.

weil du total benebelt bist von diesen Abgasen. Du kommst zurück und hast das Gefühl, okay, heute sauge ich an einem A3-Auspuff den ganzen Tag, dann habe ich immer noch weniger eingeatmet, als ich dort so nebenbei aufgenommen habe. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung, die wir produzieren und hinterlassen,

Ich glaube, wir haben das gar nicht drauf, welche Dimension das ist. Gerade in diesen riesigen Städten des globalen Südens, wie man heute sagt. Und da haben wir ein riesiges Thema. Und ich habe mich immer dabei ertappt, dachte, stell dir mal, nur mal als Vision. Du hast da diese Sonne, die brennt vom Himmel. Das ist ja am Eingang zur Sahara, wenn du dann da Richtung Norden fährst. Wir waren dann an der Grenze zu Mauretanien auch unterwegs.

Und da hast du Wüste, du spürst auch die Wüste. Ich liebe die Wüste, deswegen war das für mich wahnsinnig faszinierend. Und dann denkst du mal kurz, so träumst du vor dich hin und du denkst dir, okay, da könntest du überall Photovoltaik, du könntest Strom machen, grenzenlos, kostenlos. Und stell dir vor, du nimmst diese ganzen Stinkbomben einmal, eine große Hand nimmt sie einmal aus der Stadt raus.

Und er setzt sie durch kleine, smarte Elektroautos. Was wäre das für eine andere Lebensqualität für die Leute? Das kann man sich gar nicht vorstellen. Aber ist das dann nicht auch so, wie das früher bei uns war, dass man sich noch den Auspuff abgesägt hat, um besonders laut zu knattern? Also das natürlich auch so dieser maskuline Stolz, wer knattert am lautesten und so, den es ja bei uns früher auch gegeben hat, dass der da eine Rolle spielt.

Also Krach machen eben auch sozusagen ein Spaßfaktor in diesem Verkehr ist? Ja, das gibt es. In Dakar haben wir so Jugendliche gesehen, die auf so Motorrädern durch die Gegend ballern und dann absichtlich immer dieses Knallen hervorrufen. Man wirft einen Fuchs, glaube ich, so nennt man das. Und Lukas kennt sich da aus der ...

Das ist so sozialisiert worden und das ist knallt unfassbar. Das sind wie Maschinengewehrsalven und dann ballern die mit 30 Mann da durch die Innenstadt und es ist laut und es nervt und so weiter. Aber der allergrößte Teil ist einfach in sehr, sehr ärmlichen Autos unterwegs. Ich habe da wieder Autos gesehen. Du siehst vor lauter Menschen das Auto gar nicht mehr.

Ich habe unvorstellbare Bilder gemacht. Wir waren für Dreharbeiten da unterwegs, weil wir zum Thema Migration gerade drehen. Da viel gelernt. Und das ist einfach Fortbewegungsmittel. Und es ist auch interessant, das haben wir schon in Syrien gesehen. Ich habe das dann nochmal so für mich überrissen. Du siehst sozusagen, wie arm ein Land ist, unter anderem an der Zahl der Motorräder. Fahrrad kannst du kaum fahren, weil es einfach zu heiß ist.

Und das Motorrad ist sozusagen das Auto der armen Leute. Und deswegen setzt du dann die ganze große Familie auf dem Motorrad drauf. In Syrien, ich habe fünf Mann auf einem Motorrad gesehen, auf einem kleinen Moped. Das machen die nicht, weil es lustig ist, das machen die, weil sie es müssen, schlicht und ergreifend. Und ja, man lernt da wirklich viel.

Ja, Ria, das ist so ein bisschen die Lage. Und wie gesagt, optisch gratuliere dir. Du stehst gut im Saft. Ich liebe meinen neuen, durchtrainierten Richard. Das ist ja Wahnsinn. Das gibt mir Hoffnung, dass ich im hohen Alter auch nochmal irgendwie...

Ja, im hohen Alter. Schön, wie du an das Kompliment eine kleine Vergiftung dran gehängt hast. Ich dachte schon, zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen, aber was mich ja dann wieder entschwärzt. Ja, ich wollte gerade sagen, man muss das ja dann auch wieder brechen. Richard, es ist viel los gerade. März im Amt, hat ein paar interessante Dinge gemacht, aber vor allen Dingen Istanbul, Ukraine, der Krieg und irgendwie damit verbunden die Hoffnung.

dass es jetzt endlich mal was wird mit diesem Frieden. Und wir haben jetzt heute Donnerstag

Und lesen gerade wieder, dass die schlimmsten Befürchtungen, die Frederik Pleitgen und Paul Ronsheimer dieser Woche auch bei uns in der Sendung am Dienstag hatten wir die beiden geschaltet. Das war ein sehr interessanter Moment, weil der eine war in Kiew live dabei, als es passiert ist. Das Ultimatum und dann die Reaktion aus dem Kreml. Und Frederik Pleitgen war für CNN im Kreml und erzählte, wie er von neun Uhr morgens Samstag bis drei Uhr morgens nachts Sonntag

unentwegt im Kreml war und wie die dann alle so an ihm vorbeigelaufen sind, so der Lavrov und der Putin und dann saß er auf der Pressekonferenz morgens um zwei mit Putin, drei Meter von dem entfernt und hat versucht Spuren von Verfall zu entdecken und sagte, also die Hoffnung, dass

der irgendwann abdanken muss, weil er einfach gesundheitlich nicht mehr kann, die können wir uns in die Haare schmieren. Der ist erstaunlich fit, auch morgens um zwei. Und die haben versucht, eben irgendwie eine Reaktion zu finden. Und die Situation ist ja, März, Starmer, der britische Premier und Macron stellen dem ein Ultimatum und sagen, ab Montag gilt eine 30-tägige Waffenruhe. Pünktlich dazu wurde am Montag die Ukraine wieder richtig hart, ich glaube über 130 Mal beschossen.

Auch heute hat es wieder drei Tote gegeben. Also Putin denkt im Traum nicht daran, diese Waffenrohr.

Wir müssen das tun. Darauf gab es dann sehr viel Häme und sehr viel Kritik, die dann in die Richtung ging, mit Putin kann man nicht verhandeln aus moralischen Gründen und B, der will auch gar nicht verhandeln. So, dass wir jetzt einen neuen Bundeskanzler haben, der gesagt hat, jetzt müssen wir mal sofort in Verhandlungen treten und müssen versuchen, aktive Rolle zu spielen als Europäer, diesen Krieg zu beenden, das ist die gute Nachricht.

Und wunderbar, dass das funktioniert und wir sehen ja auch, die Russen hören ja auch zu und es gibt die eine oder andere Aussicht, jetzt mal irgendwie ins Gespräch zu kommen. Das ist das Gute. Das Schlechte ist, wenn man Friedensverhandlungen machen will, dann haben sowohl auf der einen Seite jetzt gerade die vier genannten, also Merz und Co., wie vorher Donald Trump.

Eindrucksvoll gezeigt, wie es nicht geht. Ich frage mich, was ist das für ein Spitzenpersonal, das nie in seinem Leben mal gelernt hat, wie man vernünftig verhandelt. Also bei Trump war das ja so, der hat den Nikolaus gespielt, hat den Sack aufgemacht und hat Putin gesagt, was willst du alles haben? Du willst die Ostgebiete der Ukraine haben? Ja, ja, die kannst du haben. Du willst keinen NATO-Beitritt haben? Ja, ja, kannst du haben. Willst du die Krim? Ja, willst du die Krim? Klar, akzeptieren wir und so weiter. Ich meine, was ist das denn für eine Art von Verhandlung? Also alles, was der andere will, kriegt er und dann brauchen wir auch nicht mehr lange verhandeln.

So, bei Merz, Tusk, Macron und Stammer ist die Gegenstrategie. Ja, ich stelle dir ein Ultimatum und erpresse dich. So funktioniert das natürlich auch überhaupt nicht. Wer wäre Putin denn, sich von denen jetzt erpressen zu lassen? Also als was für eine lächerliche Figur stünde er im eigenen Land da, wenn er gesagt hat, oh, ihr droht mir neue Sanktionen an. 30 Tage Waffenstillstand, ja, dann mache ich das mal unbedingt.

Also die wussten doch von Anfang an, da würde der niemals drauf eingehen, weil der wird sich niemals erpressen lassen. Also so funktioniert es auch nicht. Außerdem ist der Köder zu klein. 30 Tage Waffenstillstand wären im Zweifelsfall 30 Tage, die die erschöpfte ukrainische Armee dazugewinnt, 30 Tage, in denen man neue Waffen liefern kann in die Ukraine. Das beendet ja den Krieg nicht.

Putin sagt ja jedes Mal, ich rede mit euch über Frieden, aber lasst uns mal darüber reden, wie soll denn eigentlich nach Beendigung des Krieges die europäische Friedensordnung aussehen. Ja, weil Russland hat eine riesen Angst davor, dass der Krieg zu Ende geht und das nächste, was dann passiert ist, dass der Westen die Ukraine bis an die Zähne aufrüstet und die Ukrainer sich ihre im Krieg geklauten Gebiete wiederholen wollen.

Und umgekehrt haben die Ukrainer eine Riesenangst davor, dass Putin, wenn er sich jetzt mit seiner erschöpften Armee auf einen Frieden einlässt, die nächste Gelegenheit nach ordentlicher Aufrüstung nutzt, um sich mehr zu holen. So, und auf diese beiden Ängste und diese beiden Bedrohungsszenarien, dafür muss eine Lösung gefunden werden. Davon braucht man Strategie, davon braucht man Gehirnschmalz, davon lange, lange Verhandlungen. Und davon ist im Augenblick nicht die Rede. Das heißt, gut an Merz ist, dass er die Initiative mitergriffen hat.

Schlecht an Merz ist, dass er mit leeren Händen angereist ist.

Mir ist das ein bisschen zu schablonenhaft, Richard. Ich meine, das eine, was man mal festhalten muss, ist, da sind Profis am Werk. Das sind ja keine Deppen. Das sind Leute, die wissen sehr genau, was sie da tun. Und ich bin sehr gespannt, was da kommt. Also wenn man sagt, Erpressung ist das falsche Wort. Der Pressersitz, den man in Moskau hat. Wir sagen, wir stellen ein Ultimatum. Wir wollen, dass das aufhört. Wir drohen dir sozusagen für den Fall, dass du es nicht endlich beendest.

dann wird das eine harte Konsequenz für dich haben. Das finde ich erstmal eine richtige Ansage. Das ist das, was viel zu lange nicht gekommen ist. Und was ja letzten Endes auch in Moskau, das war sehr interessant, wie Friedrich Pleitgen das schilderte, das hat etwas mit den Russen gemacht. Damit haben die nicht gerechnet, dass das so kommt in der Klarheit. Und die haben den ganzen Tag gebraucht. Samstag sozusagen bis Sonntagmorgen um drei oder um zwei Uhr.

Bis sie dann klar hatten, was eigentlich ihre Position ist, die sie dann da nachts vor diesen müden Reportern vorgetragen haben. Das heißt, denen war klar, da müssen wir jetzt darauf reagieren. Diese Art von Erpressung, wie du es nennst, hat in jedem Fall funktioniert. Ich würde es einfach eine überfällige Ansage nennen.

Aber es hätte auch ohne die überfällige Anlage funktioniert. Also die Russen haben das Problem, sie dürfen sich nicht erpressen lassen, weil sie dann vor der Weltöffentlichkeit und vor allem vor der eigenen Bevölkerung lächerlich dastehen. Und auf der anderen Seite wollen sie signalisieren, dass sie einem Friedensprozess interessiert sind. Und da ging es darum, die richtigen Formulierungen zu finden. Dafür hättest du aber die Erpressung nicht machen müssen. Du hättest auch genauso gut sagen können, wir machen ein Treffen in Istanbul und jetzt lasst uns das endlich begradigen. Hättest genau dasselbe Ergebnis gehabt.

Das mag sein. Ich finde aber trotzdem, dem einen Nachdruck zu verleihen, erstmal prinzipiell gut, eine neue Entschlossenheit zu zeigen. Das muss eine neue Regierung, die schauen auf Deutschland. Ja, das ist aber eher eine innenpolitische Geste. Ja, vielleicht ist es auch eine innenpolitische Geste. Genau, die Nachricht soll zurück nach Hause gehen. Dennoch wichtig, ich fand es super, dass er direkt, wie man überlegt, wie lange Olaf Scholz gebraucht hat, bis er das erste Mal überhaupt in die Ukraine gefahren ist. Da bin ich auf deiner Seite. Das habe ich aber auch gesagt. Ich habe bei meinem

lachenden und meinem weinenden Auge gezeigt. Und ich finde es wahnsinnig gut, dass jetzt Bewegung reinkommt und dass Europa dabei eine Rolle spielt, jetzt wo die Amerikaner weggefallen sind und Trump sich wie ein Hampelmann benommen hat, in dem Versuch, da Frieden zu stiften. Es ist natürlich großartig, dass die Europäer jetzt die Initiative ergreifen und sagen, wir machen das. Ich hätte das gerne von Anfang an gewollt. Und ich finde es super, dass es mit Merz möglich ist, was mit Scholz nicht möglich ist. Und das begrüße ich ganz außerordentlich.

Jetzt wird aber die spannende Frage doch darin sein und davon habe ich bisher überhaupt noch nichts gehört. Jetzt kannst du sagen, ja, das liegt ja daran, ein guter Verhandler, der legt ja nicht die Karten auf den Tisch. Aber wir brauchen doch eine Idee davon. Ich lese auch in unseren Zeitungen und auch von unseren Leitartiklern und so weiter nichts darüber. Wie könnte denn eine Lösung, die für beide Seiten nicht nur akzeptabel ist, sondern eine Lösung, die einen dauerhaften Frieden in Europa für viele Jahrzehnte garantiert, aussehen?

Und da sind wir im Augenblick noch sehr, sehr, sehr schwach. Ja, das ganze Ding und wenn es nur im Zweifel für die Linkspartei ist, wenn es für Sarah Wagenknecht ist, wenn es für ein paar andere auch in der AfD mal klar wird,

Vielleicht verstehen die jetzt, mit wem sie es da eigentlich wirklich zu tun haben. Also spätestens jetzt hat doch der Letzte verstanden, wie sehr Putin wirklich an Friedensverhandlungen und überhaupt an Frieden interessiert ist. Also zu sagen, ich akzeptiere diese 30-tägige Waffenruhe nicht, aber biete euch stattdessen Gespräche in Istanbul an, was so klingen soll wie, ich fahre da hin, sehr schlauer Move übrigens von Zelensky, direkt zu sagen, also...

Paul Ronsamer hat das erzählt, wie diese sehr junge Beratergruppe um Selenskyj herum binnen Minuten darauf reagiert hat und sagte, pass auf, klar, dann kommen wir. Ich werde persönlich in Istanbul erscheinen und ich werde dort auf Putin warten. Wer jetzt nicht kommt, ist Putin. Es kommt noch nicht mal Lavrov. Es kommt gar keiner. Es kommt genau die unterste Liga, die unterste Riege Verhandler,

Das sind die Spielchen, das sind die diplomatischen Spielchen. Putin kommt am Ende, wenn es darum geht, einen Vertrag zu unterzeichnen, der setzt sich mit Zelensky nicht an einen Tisch, sondern jetzt beginnen genau diese Spielchen, die Profis miteinander spielen. Zelensky mag sich da hinsetzen, er hat auch die Kameras der Welt dahinter sich und so weiter und auch die Meinung natürlich der Öffentlichkeit in der westlichen Welt und so, das ist alles richtig.

Aber auf der anderen Seite beginnt jetzt die Spielerei. Jetzt kommt der lange, lange Weg von den unteren Chargen zu Lavrov und am Ende ist Putin ein einziges Mal dritter in Erscheinung und nur ein einziges Mal sitzt der Selensky gegenüber, wo der Friedensvertrag unterzeichnet wird.

So laufen diese Spielchen ab. Ja, nur wenn du sozusagen eine gewisse Ernsthaftigkeit demonstrieren willst, dann machst du das nicht mit der gleichen Gruppe von Diplomaten, die schon im März 2022 dort unterwegs waren. Ich denke, die machen das deswegen, weil die genau den gleichen Vertrag, der dann Ende des Frühjahrs 2022 offensichtlich auf dem Tisch lag, weil sie den gerne nochmal hätten. Sie wollen auf das gleiche Ergebnis raus, das man schon mal erzielt hatte.

So ungefähr wird der Frieden am Ende auch aussehen. Das ist ja etwas, was vollkommen inakzeptabel ist. Damals bei diesem Vorschlag standen ja Dinge im Raum, jetzt mal abgesehen von den vier Oblasten, um die es da geht, die schon in der russischen Verfassung stehen, obwohl man sie noch nicht mal wirklich erobert hat. Das ist ja alles auch ein Trauerspiel aus militärischer Sicht, muss man ja mal deutlich sagen. Ich habe

Das ist übrigens ganz meine Meinung. Für die Russen sind diese drei Jahre ein Desaster. Selbst wenn die schlimmsten Niederlagen recht früh kamen, aber das ist ein Riesendesaster. Das ist übrigens auch der Grund, Markus, warum ich mich vor den Russen nicht fürchte. Also wer militärisch da so wenig in der Ukraine vorangekommen ist, der stellt auch für Westeuropa keine Bedrohung dar.

Man kann nicht auf der einen Seite sich darüber lustig machen und sagen, wie unglaublich schwach war die russische Armee im Vergleich dazu, was man ihr zugetraut hat. Und auf der anderen Seite zu glauben, dass die durch Weißrussland, Polen bis nach Deutschland marschiert. Also das ist ein völliger Widerspruch. Ja, das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch. Da würde ich aber Einspruch einlegen, Richard. Haben wir uns auch schon mal drüber gestritten.

Ich habe an dieser Tage auch nochmal so mit ein paar Leuten gesprochen, die wissen, was auf den Schlachtfeldern der Ukraine zu finden ist. Und die sagen, die Waffen, die die Russen dort einsetzen, sind nach wie vor die alten Waffen, zum Teil sehr, sehr alte Waffen aus den 60er, 70er Jahren und so weiter.

Das heißt, das ganze neue Zeug, das die gerade produzieren und zwar in einer großen Dimension produzieren, wandert alles direkt in die Lager. Da wäre ich wirklich vorsichtig. Ja, das liegt aber auch daran, dass es in diesem Krieg um Landgewinn ja auch nicht in dem Ausmaß geht, wie wir uns das immer vorstellen. Dieser Krieg wird ja nicht entschieden an der Front. Dieser Krieg wird entschieden durch die Zerstörung der Ressourcen des Anderen.

Da gibt es zwei Kategorien von Ressourcen. Das eine ist das Material und das andere sind Menschen. Und dieser Krieg würde langfristig von Russland gewonnen, weil die Ukraine irgendwann nicht mehr genug Soldaten hat, die sie an die Front schicken kann.

Und daran wird sich am Ende entscheiden, wer diesen Krieg gewinnt und nicht in der Frage, ob man noch die eine oder andere kaputt geschossene kleine Bergbaustadt erobert an der Grenze oder nicht und welche Waffen man da einsetzt. Und deswegen gerät viel modernes Kriegsgerät wird für diesen aufreibenden, fürchterlichen Krieg an der Front gar nicht erst eingesetzt.

Ich weiß nicht, ob dir der Name Jörn Lehnhardt was sagt, Professor für neuere und neueste Geschichte in Freiburg an der Uni. Der hat ein Buch gemacht, letztes Jahr kam das irgendwann raus oder vorletztes Jahr, 23 war das, über Kriege und wie man sie beendet.

Und das fand ich sehr interessant, weil er sagt, es heißt immer wieder in der Debatte, dieser Krieg und jeder Krieg endet am Verhandlungstisch. Und er sagt, das ist nicht so. Er sagt, es gibt Kriege, die brennen sozusagen gewissermaßen aus, ohne dass es regelrechte Verhandlungen gibt. Andere Kriege enden mit einem absoluten Minimum an Kommunikation.

sozusagen ein fast eingefrorener Konflikt. Er sagt das Beispiel Iran-Irak-Krieg, der fast zehn Jahre, 1980 bis 1988,

der dann mit einer UN-Resolution einfach zu Ende ging, also eine Erklärung, der einfach keiner widersprochen hat. Und er sagt sowas wie die großen Friedensverhandlungen. Das ist spannend, da mal einen kleinen historischen Rückgriff zu machen. Der Dreißigjährige Krieg. Ja, der Westfälische Friede. Genau. Das ist sozusagen ja immer noch...

ja, wie soll man sagen, eine Art Leuchtturm, oder so nehme ich das wahr. Das wird ganz häufig zitiert. Warum ist das so, Richard? Na ja gut, wir haben nach 30 Jahren Krieg, wo man sich überhaupt gar kein Ende vorstellen kann, weil dieser Krieg sich ja verselbstständigt hatte. Es ging am Ende nicht mehr um große Kriegsziele. Worum ging es da überhaupt?

Ganz viele verschiedene Dinge auf einmal. Also natürlich ging es um Protestanten gegen Katholiken und es ging natürlich auch um territoriale Einflussnahmen. Die Schweden waren ja stark involviert. Aber es ist natürlich ein Witz, das als Glaubenskrieg darzustellen. Alle Kriege, die als vermeintliche Glaubenskriege geführt werden.

Ja, wir reden von 1618 bis 1648. Das Entscheidende an diesem Krieg war, dass der Krieg sich verselbstständigt hatte, weil diese Oberbefehlshaber wie Tilli und Wallenstein und so weiter riesige Armeen hatten, die sie ja versorgen mussten.

Ja und der Krieg ernährt den Krieg, war der berühmte Satz. Das heißt man musste also immer wieder erobern und plündern, um die eigene Armee zu erhalten und damit verselbstständigte sich der Krieg. Das heißt man musste den Krieg um des Kriegsführen Willens machen und diese Soldaten konnten auch nicht einfach nach Hause gehen, weil sie aus Landstrichen kamen, die komplett verwüstet waren, wo nichts mehr wuchs und so weiter, wo ihre Bauernhöfe abgebrannt waren.

Und dann irgendwann hatte sich quasi die gesamte Infrastruktur im zentralen Europa massiv verändert. Und da konnte man sich dann irgendwann gar nicht mehr vorstellen, dass es überhaupt noch zu einem Frieden kam und dass man dann den westfälischen Frieden hingekriegt hat in Münster.

Dass es dann am Ende tatsächlich dazu gekommen ist, dass dieser völlige Erschöpfungskrieg durch eine Verhandlungslösung, die ja dann auch sehr lange gehalten hat, beendet wurden. Das gilt fast als eine Art historisches Weltwunder.

Also es sah damals quasi aus wie in Afghanistan. Wenn du moderne Begriffe für den 30-jährigen Krieg benutzen würdest, würdest du sagen, es ist ein Warlord-Krieg gewesen. Spannend. Er wird immer wieder abgehoben und als Referenz benutzt. Der westfälische Friede, der 30-jährige Krieg. Lernhardt sagt, dass sozusagen mit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist es

im Grunde dazu gekommen, dass Kriege immer änderten mit formalen Friedenskonferenzen, Friedensverträgen und so weiter. Und sie sagt, nach dem Ersten Weltkrieg waren das mehr als 80 Prozent aller Kriege. Aber dann...

beginnt dieser Wert plötzlich deutlich zu sinken und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs liegt er plötzlich nur noch bei 15 Prozent. Also im 20. Jahrhundert enden immer weniger Kriege mit Friedenskonferenzen und er sagt, selbst der Koreakrieg, 50er Jahre reden wir da, also Beginn 50er bis in die 70er, geführte dann auch Vietnamkrieg zum Beispiel, münden alle nicht.

in klassischen Friedenskonferenzen, sondern in besseren Waffenstillstandsvereinbarungen, die dann immer wieder gebrochen werden, in Korea bis in die Gegenwart. Der Koreakrieg aus den 50er Jahren, der ist ja bis heute nicht offiziell beendet. Ja, die einfachsten Verhandlungen passieren ja immer zwischen, wenn ein Land völlig überlegen das andere besiegt hat, dann gibt es einen Friedensvertrag. Und zu den Bedingungen des Siegers, da muss man sich ja nicht einigen.

Das sind ja keine Einigungen. Das sind ja Kapitulationen. Das heißt, die eine Seite bestimmt, wie der Frieden auszusehen hat und die andere ist gezwungen, es zu unterschreiben. Und dann hast du einen Friedensvertrag. So wie die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn du aber einen Erschöpfungskrieg hast, wo keiner von beiden wirklich besiegt ist, aber keiner von beiden gewonnen hat, dann gibt es sehr, sehr lange Verhandlungen. Also wenn man sich mal überlegt, der Vietnamkrieg geht Ostern 75 zu Ende und seit Anfang der 70er Jahre hat man sich in Paris getroffen und hat verhandelt, verhandelt, verhandelt und verhandelt.

Diese ganzen Verhandlungen haben eigentlich überhaupt gar nichts gebracht. Genau. Das ist exakt das, was wir jetzt möglicherweise gerade wieder erleben. Du erinnerst dich, wir haben vor einiger Zeit über Syrien gesprochen und ich bin da hingefahren mit dem Gefühl, da gibt es jetzt diese neuen Machthaber, das ist alles, wir haben schon darüber geredet, dann etikettiert man Syrien.

Islamisten, Al-Qaida-Chefs, etikettiert man plötzlich einfach zu Rebellen um und dann passen die plötzlich sozusagen wieder ins westliche Narrativ und dann sagen wir, das sind jetzt unsere Leute und auf die können wir uns jetzt verlassen. Die gemäßigten Terroristen. Genau, dass du 10 Millionen Dollar Kopfgeld auf Scharad, den neuen Machthaber in Syrien, angesetzt hattest.

Das vergisst du dann einfach und das ist wirklich bizarr, wie schnell das geht, wenn du diese Bilder siehst, wie Trump in Doha, glaube ich war es, diesen Mann jetzt trifft, den die USA mit 10 Millionen Dollar Kopfgeld noch gesucht haben vor wenigen Wochen. Nach der Logik, ist das der Schurke der anderen oder ist es unser Schurke? Ja genau, wesentlich Schurke ist es, ganz genau.

Und ich bin ehrlich gesagt sehr desillusioniert aus Syrien, was das angeht, zurückgekommen und fühle mich durch das Buch von Leonhardt auch völlig bestätigt. Er sagt im Grunde genau das Gleiche. Ein Krieg, ein Konflikt wie in Syrien, das

da dominieren so Bürgerkriegskonstellationen. Der hat Elemente eines Bürgerkriegs, der hat Elemente eines Religionskriegs, der hat eine Internationalisierung durch eine Beteiligung von Vielzahl von Akteuren. Und allein die Frage, und das ist ja ganz simpel und so einleuchtend, aber auch irgendwie wichtig, sich darüber mal nach einen Gedanken zu machen, wer unterschreibt denn da? Wer sitzt da am Ende? Wer soll dieses Papier unterschreiben und unterzeichnen? Genau.

Das ist die Frage, an der es dann schon scheitert. Und wir haben das dort gesehen. Da spielen Kurden eine Rolle, dann hast du die Alawiten. Allein religionsmäßig hast du so viele verschiedene Akteure. Dann hast du diese Internationalisierung, von der spricht der Iran mischt damit, Israel mischt damit, die Amerikaner mischen mit, die Russen, die Türken. Alle mischen dort mit.

Und das alles auf dem Rücken dieser armen Leute, die im Grunde nicht wissen, wie ihnen geschieht und die getrieben werden sozusagen von einer Ecke in die andere. Und er sagt, der andere Grund ist, und das wollte ich dich mal fragen, Richard, wer könnte das sein? Er sagt, wenn man sich anschaut, wie zum Beispiel auch der Erste Weltkrieg zu Ende ging,

Da muss man sagen, dann hatte das viel mit den Amerikanern zu tun und mit der Glaubwürdigkeit von Wilson, des Präsidenten. Das heißt, du brauchst eine integere, zentrale, wirklich glaubwürdige Figur. Und mit Blick auf die Ukraine zum Beispiel. Ja, gibt sie nicht. Genau. Da ist was dran. Muss man allerdings auch sagen, weil der Vergleich ist hinkt. Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren. Wir haben also wieder die Struktur, wir haben Sieger und Besiegten.

Nur war der Besiegte nicht im eigenen Land kaputt gemacht worden, anders als im Zweiten Weltkrieg. Das heißt also, die Moral der Bevölkerung war noch nicht gänzlich gebrochen und das Bewusstsein der Niederlage war auch noch nicht in allen Köpfen. Man hatte also den Krieg gewonnen, aber man hatte Deutschland nicht total zerstört. Es waren Millionen toter Soldaten und so weiter, aber die waren überwiegend in Frankreich gestorben, im Ausland nicht auf deutschem Boden.

Und es war aber klar, ich meine die oberste Heeresleitung hat kapituliert, Deutschland hat an der Front diesen Krieg verloren. Und das war die Bedingung für den Frieden. Und Wilson war dann sozusagen der Friedensmanager mit seinen 14 Punkten. Das ist eine ambivalente Rolle, muss man auch dazu sagen. Weil er auf der einen Seite den Frieden und den Friedensvertrag, den Versailler Vertrag hinbekommen hat und auf der anderen Seite war es ein Diktatfrieden.

Und hat dazu geführt, dass in Deutschland der Revanchismus blühte, der am Ende in den Zweiten Weltkrieg führte. Du hast ja ganz oft Florence Gaub zitiert und von schlechten Friedensverhandlungen gesprochen. Also der häufigste Kriegsgrund ist ein schlechter Frieden vorher. Schlampige Verhandlungen. Schlampige Verhandlungen oder wie im Falle des Versailler Vertrags ein Diktatfrieden, mit dem der Besiegte nicht zufrieden ist und kaum hat er sich in seinen Ressourcen wieder erholt, hat er versucht den rückgängig zu machen.

Das war also so sofortiges Ziel von Hitler war, den Versailler Vertrag zu zerreißen und das alles wieder rückgängig zu machen. Und das ist ein schlechter Frieden, der nicht passieren darf. Und jetzt haben wir in der Ukraine die Situation, wir haben keinen Sieger.

Wir werden auf absehbare Zeit auch keine haben. Ist schon klar, die Russen haben militärisch 19 Prozent der Ukraine eingenommen, aber als großer strahlender Sieger, da sind wir uns einig, kann man das nicht sehen. Hunderttausende von Soldaten verloren, bei weitem nicht so vorangekommen, wie man sich das vorgestellt hat. Militärische Spezialoperationen, stattdessen drei Jahre grausigen Krieg. Also wir haben eine Situation A, wo es keinen klaren Sieger gibt. Es gibt einen stärkeren und einen schwächeren, aber es gibt keinen klaren Sieger.

Das Zweite ist, wie du gerade bei Syrien gesagt hast, Internationalisierung des Konflikts. Die internationale Allianz, die der Ukraine geholfen hat, drei Jahre lang durchzustehen, hat auch ihre Interessen und spricht bei all diesen Verträgen natürlich ein Wort mit und übernimmt zum Teil jetzt die Initiative. Also das alles spielt auch eine große Rolle. Und es hat auch sogar Elemente von Bürgerkrieg deswegen, weil es sich um zwei Brudervölker handelt. Mhm.

Das sind nicht zwei völlig verschiedene Kulturen, die da aufeinandertreffen, sondern das ist ein Krieg zwischen zwei Ländern, die über viele Jahrzehnte in der Sowjetunion Teile eines gemeinsamen Reiches, sondern eines gemeinsamen Landes gewesen sind. Und immerhin zwei Ukrainer waren sowjetische, drei Ukrainer waren sowjetische Staatschefs gewesen. Also die Länder sind ja aufs engste auch miteinander verknüpft gewesen, kulturell und historisch und auf familiärer Ebene. Also das ist ja auch eine spezielle Situation.

Und deswegen würde ich auch erwarten, schnelle Friedensverhandlungen, schnelle Ergebnisse sind überhaupt nicht zu erwarten. Und deswegen ist es ja vom Gedanken her richtig zu sagen, also brauchen wir jetzt nicht erstmal ganz schnell irgendeinen Friedensvertrag, der es nicht bringt und der den nächsten Krieg wieder provoziert, sondern wir brauchen eigentlich eine Waffenruhe. Aber warum 30 Tage? Das habe ich nicht richtig verstanden. Also warum war das Ultimatum nicht, wir machen erstmal einen endgültigen, unbefristeten Waffenstillstand?

Weil die Friedensverhandlungen, die werden Jahre dauern. Die Friedensverhandlungen beim Westfälischen Frieden dauerten auch lange. Von Vietnam habe ich gesagt, haben mehrere Jahre gedauert. Und den Wiener Kongress. Der Wiener Kongress ging ja im Vergleich noch relativ schnell. Ja, weil Napoleon war besiegt und die Sieger mussten das Fell des Bären verteilen.

Aber diese schwierige Situation, wenn es keinen klaren Sieger gibt, dann dauern diese Verträge ewig und drei Tage an. Und deswegen sollten wir nicht die Erwartungshaltung haben, dass jetzt Ukraine und Russland irgendwie in den nächsten Monaten einen Friedensvertrag unterzeichnet, sondern wir sollten die Bedingungen schaffen, unter denen ein dauerhafter langfristiger Waffenstillstand von beiden Seiten unterzeichnet wird. Du hast vorhin, Richard, etwas sehr Interessantes gesagt, nämlich...

Das ist klar, dass die Russen das nicht machen, weil die wollen nicht als Deppen auf der Weltbühne dastehen. Die wollen sich nicht lächerlich machen. Das geht in die Richtung von Leonard, der auch sagt, wer die Besiegten demütigt, der macht einen Frieden zum Waffenstillstand. Also es heißt, es ist wichtig, dass man sozusagen denen die Möglichkeit gibt,

egal was sie verbrochen haben, in irgendeiner Form das Gesicht zu wahren. Man könnte auch einfach salopp sagen, das auch zu Hause sozusagen entsprechend politisch zu verkaufen. Sonst passiert, was im Ersten Weltkrieg passiert ist. Die Deutschen haben im Versailler Vertrag ihr Gesicht verloren. Und dann kam mit Hitler der ganz große Revanchismus und der Zweite Weltkrieg. Also es muss ein gesichtswahrender Frieden für beide Seiten sein. Und wenn wir darüber nachdenken, wie der möglich ist, dann wissen wir sofort, das ist eine verdammt schwere Aufgabe.

Ja, wie soll Zelensky sein Gesicht wahren, wenn er seine ganzen Ostoblasten an Russland verliert?

Wie sollte Putin sein Gesicht wahren, wenn er hunderttausende von Soldaten in diesen Krieg reingeschickt hat und am Ende mit irgendwie was bei rauskommt, wie wir frieren jetzt mal hier irgendwie die Frontlinie ein und irgendwann kommt ein anderer amerikanischer Präsident und die Ukraine kommt doch in die NATO und dann hat er am Ende doch nichts erreicht und so weiter. Und deswegen ist dieses wichtige Thema die Nachkriegsordnung wichtig.

Ich würde Leonard gerne ergänzen und sagen, einen stabilen Frieden gibt es, wenn es die Hoffnung auf eine für beide Seiten erfreuliche Nachkriegsordnung gibt.

Und das ist die große Aufgabe, für die wir jetzt stehen, eine Sicherheitsarchitektur für Europa zu entwerfen, in dem sich nicht zwei feindliche Blöcke gegenüberstehen. Und das dauert Jahre an Verhandlungen, aber das ist die Aufgabe, das ist die große historische Aufgabe, vor der wir stehen. Interessant ist auch, wie sich die Vorstellung vom Frieden gewandelt hat, historisch. Also die ältere Auffassung...

dass sozusagen Frieden einfach nur die Abwesenheit von Waffen, militärischer Gewalt und so weiter bedeutet, die ist, so beschreibt es Leonhard, im 20. Jahrhundert einer ganz hohen Erwartung gewichen. Frieden nämlich als Umsetzung von Gerechtigkeitsnormen, Verfolgung von Kriegsverbrechen, ganz wichtig, Aufarbeitung, Anerkennung der Opfer und so weiter. Also all diese Dinge.

Und ich wusste das nicht, er sagt, das war bis zum Ersten Weltkrieg anders. Ja, hat man nicht gemacht früher. Genau, und da gab es eine Formel, seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, da enthielten Friedensverträge eine Formel vom, ich zitiere, wohltätigen Vergessen.

Also sozusagen Schwamm drüber. Das ist uns heute völlig fremd geworden. Und das bedeutet etwas. Das ist gut gemeint, aber es baut enorme Hürden auf, wenn immer wieder jemand kommt und sagt, ja, aber da, das müssen wir nochmal hier ganz genau, was habt ihr da eigentlich gemacht und so weiter. Und ich habe mich, als ich das so gelesen habe, dachte ich,

Wahnsinn, das ist das, was dir in der Ukraine an jeder Ecke begegnet. Du triffst kaum einen Ukrainer, eine Ukrainerin, die nicht irgendeine Horrorgeschichte über Russen zu erzählen hat. Und das zu überwinden… Aber war das nicht nach dem Ende des Jugoslawienkrieges dasselbe?

Da konnte auch jeder Bosnier eine Horrorgeschichte über Serben erzählen und Kroaten und so weiter. Also Kroaten über Serben und Serben über Kroaten und so weiter. Und trotzdem hat es sich, ich meine, wir wissen, dass die Situation nicht stabil ist im ehemaligen Jugoslawien. Gar nicht. Die Wunden sitzen bis heute. Ich rede oft mit Leuten von Beidem.

oder über zwei Jahrzehnte lang immerhin irgendwie funktioniert hat. Das Wohltätige oder das Wohlmeinende vergessen, ich glaube, das krasseste Beispiel dafür ist Ruanda. Ja, absolut. Wenn man sich überlegt, dass da also die Mehrheit, die Hutus, die Minderheit, die Tutsis,

In einem Jahr 800.000 Menschen umgebracht. Unfassbar. Ja, und das nicht mit einer Atombombe, sondern mit Macheten. Die Flüsse, haben mir die Menschen in Ruanda erzählt, waren voller Leichen. Es gab Kinder, die ihre eigenen Eltern umgebracht haben, wenn einer der beiden Elternteile ein Tutsi war.

Das hat einen Hass gegeben, Leute in Kirchen zusammengetrieben, die Kirchen haben die Leute aufgenommen und dann haben die Hutus die Kirchen abgebrannt und so weiter. Also grauenhaft. Und anschließend wurde mit Paul Kagame ein Tutsi, nach diesem Krieg, ein Tutsi Staatspräsident gewählt.

In Ruanda. Und was sich da ereignet in Ruanda ist, dass es jetzt nicht eine Riesenaufarbeitung des Ganzen gab, sondern man hat um den Frieden und die Stabilität wiederherzustellen, quasi wie nach dem 30-jährigen Krieg, ist man auf dieses Wohltätige vergessen gegangen. Ich meine, Kagame ist immer noch an der Macht und wir alle wissen, dass sich aus diesem vorbildlichen Herrscher,

ein Diktator inzwischen entwickelt hat, mit gewaltigen Schattenseiten. Das ist immer derselbe Mist, wenn jemand zu lange an der Macht ist. Macht ohne Missbrauch verliert ihren Reiz, wie ich immer Grau-Tschomarx zitiere und Kagame ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Aber auch da haben wir dieses Beispiel des wohltätigen Vergessens. Und das ist etwas, ist ja in der Situation wie heute, kann man sich das ja nicht vorstellen. Man kann sich nicht vorstellen, dass die Ukrainer den Russen diesen völkerrechtswidrigen brutalen Angriff verzeihen werden.

Das kann ich mir jetzt alles nicht vorstellen. Aber die Frage ist, normalerweise braucht sowas Jahrzehnte, bis sich das irgendwo rauswächst. Weißt du, wo mir das begegnet ist immer wieder? Diese Idee, diese Vorstellung, als wir vor ein paar Jahren in Russland gedreht haben. Die Russen reden ja vom großen Vaterländischen Krieg. Die reden nicht vom Zweiten Weltkrieg, das ist der große Vaterländische Krieg.

Und die sehen sich sozusagen als diejenigen, die Deutschland von den Nazis befreit haben. Und auch da ist interessant. Ist ja auch nicht abwegig, muss man mal dazu sagen. Also erstmal, dass wir den großen Vaterländischen Krieg sehen, 27 Millionen Tote auf dem Boden der Sowjetunion in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Und dann bis Berlin durchmarschiert und so weiter. Sie waren nicht die einzigen, die Deutschland von den Nazis befreit haben, aber sie haben wesentlich dazu beigetragen. Wenn man sich diese Karten von damals mal anschaut, irgendwie jetzt so rund um den 8. Mai, wie das so richtig in die Zange genommen wurde und wie lange es dann aber doch gebraucht hat, bis bei uns sozusagen die Erkenntnis gewachsen ist, dass es tatsächlich eine Befreiung und keine Niederlage war. Aber in Russland habe ich das gehört, immer wieder.

Und wenn wir angefangen haben zu fragen nach dem Zweiten Weltkrieg, dann sagten die einfachen Leute auf der Straße immer, lass das mal. Es ist gut. Es ist gut. Ihr habt uns damals wahnsinnig wehgetan. Die haben diese 27 Millionen Toten nicht vergessen. Aber es ist jetzt gut. Und das hat mich damals wahnsinnig beeindruckt. Diese Fähigkeit sozusagen zum Verzeihen und es gut sein zu lassen, ist ja auch ein zutiefst christlicher Gedanke, wenn du so willst.

Und dem gegenüber steht dieses brutal Rachsüchtige. Das siehst du an so einem Putin, der offenbar nie damit fertig geworden ist, dass 1989 passiert ist, dass die Sowjetunion einfach schlicht Pleite war. Das siehst du aber auch an so einem Trump jetzt, der rachsüchtig ist bis ins Magie. Ich glaube, ganz viele Teile der Politik von Trump verstehst du mit Rachsucht. Das siehst du an Benjamin Netanyahu.

Ich muss auch sagen in dem Zusammenhang, wir reden jetzt gerade so unglaublich viel über Frieden in der Ukraine. Nur als in Klammern dazu gesagt, wir haben in dieser Woche wieder eine Sendung dazu gemacht. Ich finde es skandalös und immer skandalöser, wie wir den Krieg und das, was da in Gaza passiert, einfach ausblenden. Und wie du Politiker lebst, und das ist etwas, wovon ich wirklich glücklich

Entschuldige, wenn ich jetzt ein bisschen emotional bin, aber ich habe unfassbar genug davon, dass du offizielle Verlautbarungen hörst.

Die da lauten, Staatsräson und ein israelischer Regierungschef muss immer die Möglichkeit haben, Deutschland zu besuchen, auch wenn er mit internationalem Haftbefehl gesucht wird und so weiter. Dasselbe fordern wir aber dann von der Mongolei ein, wenn Putin nach Ulaanbaatar reist und sagen wir, wieso nehmt ihr den nicht fest, der wird auch mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Ich verstehe die historische Dimension, ich verstehe das alles. Aber was ich nicht verstehe ist und was ich auch irgendwie nicht mehr akzeptieren kann, auch als Bürger dieses Landes, ist, dass die dieselben Leute, dieselben Leute, nicht die gleichen Leute mit unterschiedlichen Meinungen, dieselben Leute,

die du triffst und die dir vor einer Kamera sagen, das ist alles Verteidigungspolitik, das dient der Sicherheit Israels, ich kann da keine Kriegsverbrechen erkennen beispielsweise in Gaza, die dir dann, wenn die Kameras aussehen, sagen,

Natürlich haben wir da ein riesiges Thema. Natürlich finden da Kriegsverbrechen statt. Natürlich müssen wir darüber reden, ob da Hunger plötzlich als Waffe eingesetzt wird. Warum sind wir nicht in der Lage, Dinge einfach dann mal klar und deutlich zu sagen, so wie es Macron in dieser Woche gemacht hat, in einem großen Interview im französischen Fernsehen. Ich verstehe, dass ein deutscher Kanzler nicht reden kann wie Macron. Das verstehe ich.

Aber es gibt auch noch was dazwischen. Und diese Art von Doppelmoral, das ist das, was du auch auf Reisen erlebst, wenn du gerade im Nahen Osten unterwegs bist. Das ist das, was uns, glaube ich, unglaublich viel Glaubwürdigkeit kostet. Und auch da will ich nochmal was sagen. Es ist nicht so, dass die Leute in Syrien zum Beispiel auf dich zukommen und sagen, ah, ihr seid Deutsche und diese Doppelmoral und ihr liefert Waffen an Israel. Sondern das kommt ganz fein.

Die Kritik ganz vorsichtig vorgetragen. Das ist nicht der Vorschlaghammer. Das ist nicht, wie könnt ihr nur. Die Leute sind sehr wohl in der Lage zu differenzieren, aber die sind sehr vorsichtig und sagen, findet ihr das eigentlich gut, eure Position? Müsstet ihr nicht den Israelis, also nicht.

Nicht Israel, sondern diesem Regierungschef deutlich sagen, dass das so nicht geht. Und habt ihr nicht das Gefühl, wenn ihr dahin Waffen liefert, dass ihr euch unter Umständen beteiligt an Kriegsverbrechen? Ich meine, heute kommt die Meldung, dass wieder drei arme Ukrainer

durch Beschuss von Putin gestorben sind. Während wir das aussprechen, während wir diesen Satz aussprechen, sterben in Gaza in der vergangenen Nacht 80 Menschen. Und das findet irgendwie, wir sehen dieses Grauen und da denke ich immer,

Wie soll das bloß gehen? Wohltätiges vergessen. Ich glaube auch, dass da Medien eine große Rolle spielen. Weißt du, heute sind die Dinge anders dokumentiert als damals. Ich hatte jetzt gerade einen Rettungssanitäter aus Berlin zu Gast in der Sendung. Thorsten Schröer, sehr beeindruckender Mann.

der das vierte Mal jetzt in Gaza im Einsatz war und der sagt, ja, dann versuchen die Geißeln zu befreien und dann sterben nebenbei halt 400 andere. Das ist dann eben so. Oder er erzählte von einem Polizeiauto, das da getroffen werden sollte. Das war offensichtlich ein israelisches Ziel. Die hatten das über Drohnen gesehen und gesagt, in diesem Polizeiauto sind möglicherweise Hamas-Terroristen drin. Kann ja alles sein.

Und er beschreibt diese Gnadenlosigkeit und Erbarmungslosigkeit. Er sagt, wenn du einfach nur drei Minuten abwartest, bis dieses Auto weiter weg ist vom Marktplatz, dann hast du das Polizeiauto, das du erwischen wolltest, erwischt.

Aber du bist nicht mehr auf dem Marktplatz. Aber beschossen wird es auf dem Marktplatz. Und alle, die drum herum stehen, sind auch alle tot. Und das ist diese Erbarmungslosigkeit, die wir da sehen. Und zwar nicht nur gegenüber der palästinensischen Zivilbevölkerung. Und er erzählt ja sehr eindrucksvoll darüber,

dass ein Großteil dieser Toten sind unschuldige Kinder und sind Frauen. Das sind keine Hamas-Terroristen, die trifft man hoffentlich auch, aber du triffst ganz viele Kinder und Frauen und das ist das, was nicht mehr vermittelbar ist und ich immer denke, was ist das für ein dröhnendes Schweigen letzten Endes und für ein Drumherum-Gerede um etwas, was jedem klar sein muss. Und was man Netanjahu ja vorwerfen muss, ist,

diese Erbarmungslosigkeit gegenüber beiden Seiten. Da ist ja nicht nur diese Erbarmungslosigkeit gegenüber der Bevölkerung im Gazastreifen, sondern da ist ja auch diese Erbarmungslosigkeit gegenüber den eigenen Geiseln. Und deswegen gibt es ja auch wöchentlich Demonstrationen gegen ihn und diese Art und Weise, mit diesen armen Leuten, die da immer noch in Geiselhaft sind, umzugehen. Ja, ich sehe das ähnlich wie du und ich frage mich auch,

Wo sind denn da die Woodrow Wilsons, die vermitteln? Wo sind die Initiativen der europäischen Politiker, der Deutschen ganz freundlich mit dabei, nicht an erster Stelle und schon gar nicht mit dem moralischen Zeigefinger sich daran zu beteiligen? Das ist ein ganz, ganz großes Problem. Eine wertegeleitete Außenpolitik muss sich an diesen Werten, die sie in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt, orientieren. Und da kennt sie keine Ausnahmen.

Ja. Das heißt also, wenn bestimmte Vorstellungen von Humanität meinen Wertekosmos lenken, von Freiheit, von Humanität, von Selbstbestimmung, von Gültigkeit des Völkerrechts, dann muss das genau so für jedes Land der Erde gelten. Dann kann ich nicht sagen, naja, da sehe ich das jetzt mal ein bisschen anders und da sehe ich es mal ganz, ganz streng. Dann ist eine wertegeleitete Außenpolitik unglaubwürdig und dann macht sie sich in den Augen ihrer Gegner lächerlich. Mhm.

Ja, es ist auch, weil du gerade Kriegsziele sagst. Daniel Gerlach hat in der Sendung nochmal darauf hingewiesen, ein wirklich intimer Nahostkenner ist der Chefredakteur von Zenit. Das ist ein spannendes Magazin, ein Nahostmagazin, der sagt, Netanyahu hat nie gesagt, das Kriegsziel ist, die Geiseln zu befreien und dann endet dieser Krieg.

Aber was ist das eigentliche Kriegsziel? Darüber müsste man mal ernsthaft verhandeln. Und es gibt in Israel viele Menschen, die auch sagen, es relativiert das, was am 7. Oktober passiert ist, in keinster Weise. Auch ich tue das nicht. Und

Und ich verstehe, wie tief dieses Trauma sitzt. Natürlich. Aber der juristische Begriff der Verhältnismäßigkeit, die Frage, was Völkerrecht eigentlich ist, die Frage, warum du als Macht, die irgendwo reingeht und für die bestimmte Regeln dann in Kampfhandlungen aufgehoben sind. Als Soldat darfst du mehr denn als Zivilist. Und du wirst nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn du den Gegner, einen Hamas-Terroristen im Kampf umbringst.

Aber du hast gleichzeitig auch den Auftrag, dich um den Schutz der Zivilbevölkerung zu kümmern. Und du kannst da nicht hingehen und sagen, wir schneiden die jetzt seit 70 Tagen, schneiden wir die ab. Und zwar von allem, nicht ein bisschen was, von allem. Von Essen und Trinken, von allem, was da notwendig ist. Über Medikamente haben wir da noch gar nicht gesprochen. Das ist etwas, nämlich finde ich, wir machen uns da schuldig, wenn wir dazu schweigen. Das muss man in der Klarheit benennen. Ja.

Und wohin das am Ende führt, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht. Wir haben uns zum Völkerrecht als Deutschland deutlich bekannt. Wenn dann jemand wie Friedrich Merz sagt, und ich weiß, dass das in der CDU eine sehr, sehr umstrittene Aussage ist, das würde wahrscheinlich keiner offiziell sagen, wenn Netanjahu auf Deutschlandbesuch kommt, hat er jetzt nochmal wiederholt, dann muss das natürlich möglich sein. Ich verstehe sozusagen die große Idee dahinter.

Die politische Dimension. Aber Friedrich Merz ist Jurist. Wer weist denn dann im Zweifel den Berliner Staatsanwalt den Zuständigen an? Unabhängige Gerichtsbarkeit bitte. Wer weist denn den an und sagt, lass das jetzt bitte. Nimm den nicht fest. Wer macht denn das? Also du meinst, Merz hat das gar nicht zu entscheiden? Im Zweifel nicht. Ich weiß nicht, ob die Berliner Justizsenatorin, Frau Babenberg, ob die dann hingehen würde und würde sagen, so mein lieber Staatsanwalt, das lässt du jetzt mal bleiben.

Ich habe da meine Zweifel. So funktioniert ja auch unser Land nicht. Das ist ja auch gut, dass es Gewaltenteilung gibt und dass Dinge unabhängig voneinander laufen. Wenn es nicht so läuft, siehst du ja, was gerade in Amerika passiert. Da fallen Urteile, da werden Urteile gesprochen und da sitzt im Weißen Haus einer und sagt, interessiert mich aber nicht, ist mir egal.

Wie im Fall dieses Mannes Garcia, der jetzt in El Salvador einsitzt und wo die einfach sagen, sind wir nicht mehr zuständig, der ist ja jetzt in El Salvador. Und in El Salvador sagt man, ja, aber ist ja auch nicht unser Thema, weil wer ist denn das überhaupt? Und dann sagt das Gericht, den müsst ihr bitte wieder zurückbringen nach Amerika zu seiner Familie, weil es ist ja gar nicht bewiesen, dass der Teil eines miesen Kartells oder einer Gang oder was auch immer ist,

Nee, machen wir einfach nicht. Ich meine, wenn das nicht mehr funktioniert, wenn wir uns darauf nicht mehr einigen können, dann wird es irgendwann schwierig mit der Demokratie. Ja, das sehe ich auch so. Richard, danke dir sehr. Ja, ich danke dir auch. Und wir haben Donnerstag. Wir wissen nicht, was in Istanbul passiert. Aber ich kann nur wiederholen, der Friedensprozess wird Jahre dauern. Was wir jetzt erreichen müssen, ist einen dauerhaften Waffenstillstand. Und das ist das Verhandlungsziel.

Und das Entwickeln von Ideen für eine Nachkriegsordnung, je mehr produktive Ideen wir dafür haben,

umso wahrscheinlicher wird auch der Waffenstillstand. Ja, und ich muss sagen, es ist so traurig und so tragisch in dem Moment, dass die Amerikaner ausfallen. Noch mal daran erinnern, vor 30 Jahren, genau vor 30 Jahren war es Reprimitsa. Ich weiß nicht, ob du das so präsent hast. Sehr präsent. Vor 30 Jahren haben die Amerikaner Frieden auf dem Balkan hinbekommen. Das war eine unglaubliche diplomatische Leistung, eine Top-Leistung.

Und dass diese Amerikaner, die man so braucht und in solchen Momenten auch so sehr mag, dass die jetzt ausfallen, das hat echt was Tragisches. Ja, aber andererseits kann man das, wenn man es positiv wendet, sagen, das ist die Aufgabe, an der die Europäer wachsen müssen. So, vielleicht ist das der Punkt. Ja, und es wäre eine ganz große Leistung, wenn unter Beteiligung von Friedrich Merz hier eine dauerhafte Begegnung

Stabile Nachkriegsordnung hinbekommen, die uns davon entbindet, Billionen für Waffen ausgeben zu müssen. Du hast das mitgekriegt, die erschreckenden neuen Vorstellungen der NATO, nicht mehr nur 3% des Bruttoinlandsproduktes, sondern um 1,5% plus als...

Also das sind solche unfassbaren Summen, mit denen man nicht nur den Hunger in der Welt besiegen könnte, sondern auch Deutschland zukunftsfähig machen könnte. Es darf nicht passieren, dass wir keine andere Wahl haben, als so viel Geld für Rüstung auszugeben. Und was sehr, sehr viel günstiger wäre, wären gute Ideen für eine stabile Nachkriegsordnung nach dem Ukraine-Krieg. Die wird uns Billionen sparen helfen.

Guter Satz. Richard, danke dir sehr. Ich danke dir auch, Markus. Wir hören uns nächste Woche. Bis dann. Ciao. Tschüss. Eine Produktion von mkuch2 und Podstars bei OMR im Auftrag des ZDF.