Land und Recht.
Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Richard, besondere Woche. Friedrich Merz trifft auf Donald Trump und ohne jetzt auf die Einzelheiten eingehen zu wollen, mir auf der Fahrt hierher ins Studio überlegt, dir folgende Frage zu stellen. Welches Europa trifft da eigentlich auf welches Amerika? Was ist das für ein Treffen zwischen diesen beiden? Das ist ja weit mehr als ein Treffen zweier Staatsoberhäupter. Ja, würde ich auch sagen. Also unter völlig veränderten Vorzeichen und Koordinaten.
Ich denke, über die amerikanische Seite haben wir ja schon sehr viel gesprochen. Und ich finde es sehr interessant, die europäische Seite zu beleuchten. Also welches Europa repräsentiert Friedrich Merz? Als was für ein Vertreter Europas kommt er zu Donald Trump? Und da stellen sich sehr viele Fragezeichen und wie ich gleichzeitig auch glaube, ein ernsthaftes philosophisches Problem. Nämlich?
Ja, da muss ich natürlich ein bisschen weiter ausholen. Also wir wissen ja, dass Friedrich Merz gerne das europäische Projekt fortsetzen möchte. In einem Punkt unter veränderten Vorzeichen. Wir müssen jetzt nicht nur eine wirtschaftliche Großmacht sein und möglichst bleiben, sondern auch eine militärische Großmacht werden.
Und er weiß natürlich, dass in diesem Europa da nicht alle im Gleichschritt mitgehen und auch nicht die gleichen außenpolitischen Ansichten haben wie er. Stichwort Viktor Orban, das gleiche gilt natürlich auch für Fizo. Wir haben gerade die Wahl in Polen. Wir haben einen polnischen Präsidenten, der die Welt deutlich anders sieht als der polnische Ministerpräsident. Das meine ich. Ja, also auch einen Rechtspopulisten. Wir hatten die Wahl in Rumänien, wo ganz, ganz, ganz haarscharf der rechtspopulistische Kandidat unterlegen ist.
Wir können damit rechnen oder müssen damit rechnen, dass vielleicht in zukünftigen Europa wir zunehmend rechtspopulistische Regierungschefs haben könnten.
Und Friedrich Merz ist der Vertreter eines Europas, das gegen diesen Rechtspopulismus gerichtet ist. Also das alte, liberal-demokratische Europa, was er jetzt forcieren möchte. Bislang hat er das versucht mit Macron zusammen, zum Teil bezeichnenderweise mit Stama, also mit den Briten, die gar nicht mehr in der EU sind. Und ich weiß nicht, wie lange er das noch mit Donald Tusk machen kann.
Denn das große Problem besteht darin, dass Polen hier ja auch nicht mehr mit einer Stimme spricht. Das heißt also, es ist so ein bisschen das, was wir gerne Kerneuropa nennen, könnte im Laufe der nächsten Jahre auch so eine Art Resteuropa werden. Und das ist, glaube ich, eine ziemlich schwierige Situation, weil es gäbe jetzt grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist, ein Kerneuropa isoliert sich,
Von den Ländern, von denen es das Gefühl hat, dass es die klassischen liberalen Werte der Europäischen Union nicht teilt. Und die andere Möglichkeit ist, dieses Europa passt sich an die veränderten demokratischen Gegebenheiten in seinen Mitgliedstaaten an. Merz ist bisher ein Kandidat des Weges 1, aber ich glaube, dass der Weg 1 dauerhaft nicht erfolgversprechend sein kann. Und mit dieser Unsicherheit im Gepäck reist er jetzt zu Donald Trump.
Zu einem Amerika, das in vielerlei Hinsicht überhaupt nicht mehr das ist, was unseren klassischen Vorstellungen von den USA gesprochen hat. Das ist genau der Punkt. Ich habe dieser Tage mal wieder ein langes Interview gelesen und genossen von Ivan Krastev, Süddeutsche Zeitung. Und da hat, du schätzt den ja auch, dieser bulgarische Politologe, der sagte, das Jahr 25...
bedeutet eine ähnliche Zäsur wie das Jahr 89. Und er hat das dann sehr genau erklärt und sagte, beides hat begonnen mit dem Niedergang einer Supermacht.
1989 hört die Sowjetunion plötzlich auf zu existieren, hört auf ein kommunistischer Staat zu sein. Und er sagt, heute unter Trump hört Amerika auf, eine liberale Supermacht zu sein. Und er sagt, dass wir jetzt gerade erleben, und deswegen habe ich dir diese Frage gestellt, welche Idee von Weltordnung und Prinzipien trifft da eigentlich aufeinander in Washington? Was wir nun erleben, ist sozusagen das Ende des 20. Jahrhunderts.
Eine völlig andere Konstellation der Mächte. Und Krastev sagt, wir wissen aber nicht, und das ist das Thema dabei, wie sie aussehen wird. Das ist der Punkt, der dieses Gefühl eines radikalen Risses, so beschreibt er das, noch verstärkt. Und ich muss an diese Wahl in Polen denken, wenn man sich mal anschaut. Ich meine,
Um mal zu verstehen, was da wirklich passiert ist. Der Mann, der da unterlegen ist, der Warschauer Bürgermeister, knapp unterlegen ist, das ist ja nicht jemand, von dem man sagen muss, das ist jetzt jemand, der, ich habe viele Kommentierungen gelesen, jetzt rückt Polen ganz schwer nach rechts und so weiter. Und es klang immer so, als wäre da auf der anderen Seite ein Linksliberaler unterwegs. Aber so war das ja gar nicht. Das ist ja kein linksprogressiver Politiker. Der Raphael Tcharkowski heißt er, glaube ich, der Warschauer Bürgermeister.
Sondern es ist jemand, der könnte, sagen wir mal, auf Deutschland umgelegt wäre das eine klassische CDU-Position. Friedrich Merz. Ja, jemand, der eine strenge Migrationspolitik will, der harten Grenzschutz will, der konservative Werte betont, dem Gemeinschaft, Tradition, Sicherheit, all diese Dinge wichtig sind. Und ich glaube, Klaus Geiger war es, der in diesen Tagen sagte, aber das sind Dinge, die reichen jemandem wie Trump nicht mehr.
Die reichen jemandem wie J.D. Vance nicht mehr. Das heißt, dieses alte Europa, dieses wertekonservative Europa, wo man sagt, okay, da gibt es die Verbindung zu den amerikanischen Republikanern, das ist vorbei. Sondern da geht es um etwas ganz anderes. Da geht was kaputt. Ja, es ist interessant, dass wenn wir über Rechtspopulismus sprechen, sei es in der Form von Donald Trump und J.D. Vance oder von Rechtspopulismus in Europa,
Dann ist der allererste Reflex, den wir immer haben, zu sagen, die sind demokratiefeindlich. Die wollen keine Demokratie. Ich würde sagen, darüber kann man lange und ausführlich diskutieren. Etwas anderes ist doch viel offensichtlicher. Die haben ein Problem mit dem Liberalismus. Das sind zwei verschiedene Dinge. Zur Selbstdefinition der Europäischen Union gehört es, dass die Länder der Europäischen Union liberale Demokratien sind.
Ob rechtspopulistische Regierungen, wenn sie an der Macht sind, tatsächlich die Demokratie aushebeln, das wissen wir nicht. Es gibt die Vermutungen, aber da haben wir jetzt nicht so reichhaltiges Material drüber, dass wir sagen, das passiert ja überall. Was wir aber wissen ist, dass sie bestimmte liberale Entwicklungen nicht möchten und wieder zurückdrehen wollen. Mhm.
Und jetzt haben wir eine ganz eigenartige Situation. Wenn wir sagen, dass diese Länder, in denen die Rechtspopulisten stark sind, dass die ein anderes Europa wollen, dann sagen wir im Regelfall, das sind Feinde der EU. Richtig. Wir sagen, es sind Feinde der EU. Sie selber würden von sich sagen, sie sind Reformer der EU. Sie wollen nicht die Europäische Union abschaffen, sondern sie wollen eine nicht mehr liberale Europäische Union.
Und jetzt haben wir das Problem, wenn wir gegen diese Parteien vorgehen und wenn wir versuchen zu verhindern, dass sie an die Macht kommen oder wenn die klassische liberale EU kämpft gegen die Veränderung dieser EU, dann ist das ja nicht besonders demokratiefreundlich. Ja, ist richtig. Weil man muss sich ja, wenn in bestimmten Ländern eine rechtspopulistische Regierung gewählt wird, dann ist das die Meinung des Demos, also des Volkes. Das heißt, wir müssen, um unsere Liberalität zu bewahren,
die Demokratie im Zweifelsfalle reduzieren. Und das ist natürlich enorm gefährlich für die Entwicklung der Europäischen Union. Oder wir müssen anerkennen, dass sich die Europäische Union mutmaßlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sehr, sehr stark verändern wird, sodass sie vielleicht am Ende nicht mehr liberal ist. Und das ist deswegen philosophisch interessant,
Weil ich nicht weiß, welcher der beiden Wege, ich rede jetzt nicht von meinen persönlichen Präferenzen, sondern ich rede so ein bisschen so grundlagentheoretisch, sozusagen legitimer ist. Also ist es legitim, um die Liberalität der Europäischen Union zu erhalten, den Rechtspopulismus in Europa zu bekämpfen? Oder ist es illegitim, wenn dieser Rechtspopulismus doch von einer Mehrheit der Bevölkerung gewollt wird?
Auch auf Kosten dessen, dass die Europäische Union dann nicht liberal bleibt. Das heißt, man muss sich fragen, was ist wichtiger, das demokratische Element oder das liberale Element? Das heißt, du sagst, wenn die EU sozusagen demokratisch bleiben will, dann müsste sie bereit sein, sich entsprechend dem Wählerwillen, und es ist ja total spannend, das mal zu deklinieren, auch am Beispiel Rumänien. Das kann man, glaube ich, sehr gut erklären. Ja.
sich entsprechend diesem Wählerwillen in vielen Mitgliedstaaten gegebenenfalls stark zu verändern und dann leider nach rechts, muss man sagen. Und wenn sie liberal bleiben will dagegen, darf sie es nicht. Genau, dann muss sie diese Entwicklung bekämpfen, aber es ist nicht besonders demokratisch. Und genau das findet inzwischen ja Beispiel Rumänien statt. Also nach dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen
Der rechtspopulistische Kandidat Georgescu vorne lag, hat die EU Einfluss genommen, ebenso wie damals noch die US-amerikanische Regierung unter Joe Biden, Druck gemacht, diese Wahl nicht anzuerkennen.
So, da hatte man Argumente für, Geheimdienstinformationen, hat gesagt, Ceausescu, der ist da über irgendwelche Umwege, der hat es da bevorzugt worden in sozialen Netzwerken. Da stecken die Russen hinter und so weiter, genau. Er hat das bestritten. Es gibt auch unabhängige rumänische Journalisten, die gesagt haben, nee.
Das, was euch da ungereimt vorkommt, das geht nicht auf die Russen zurück. Das ist eine perfide Strategie gewesen, wie man mit den Hashtags des Gegners Aufmerksamkeit erzielt und, und, und. Jedenfalls eine ungeklärte Frage, ob da russische Einflüsse am Winter waren oder nicht. Aber die EU hat eigentlich wirklich ihrerseits viel getan, um zu sagen, der darf doch bloß nicht drankommen. Also um es mal klar zu sagen, die EU, auch das ist ja ein Gerücht, das in der Welt ist, kann keine Wahl in Rumänien annullieren. Und das hat sie im Fall von Rumänien auch gefordert.
Das Ganze geht ja zurück vor allen Dingen auf eine Aussage, auf ein Zitat von Thierry Breton, der zurückgetretene EU-Kommissar für den Binnenmarkt. Der hat am 9. Januar in einem Interview mit einem französischen Sender folgenden Satz gesagt.
Und der geht seitdem geistert herum, der geht viral. Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen. Das ist das Zitat, um das es geht, sorgt für große Empörung, wird sozusagen als Beweis dafür benutzt, dass die EU die Wahl in Rumänien gekippt hat. Und das auch im Fall von Deutschland vor hätte, falls die AfD die Wahl gewinne. Das allerdings hat Bretton nicht gesagt.
Er hatte gesagt, dass es die Aufgabe der Europäischen Kommission ist, darauf zu achten, dass im Sinne des Digital Services Acts die Betreiber großer Online-Plattformen sozusagen aufgefordert sind, die Verbreitung illegaler Inhalte wirksam zu bekämpfen. Das ist der entscheidende Punkt und das ist der Kontext.
Das Schwierige ist, man kann das ja nachvollziehen, dass wir keinen rechtspopulistischen oder manche meinen ja sogar rechtsextremen Präsidenten haben wollen in Rumänien. Das ist ja nicht unnachvollziehbar. Aber die EU ist in dieser Rolle auf der einen Seite parteiisch. Sie will den nicht, weil der kein liberaler Demokrat ist. Und auf der anderen Seite muss sie ja Gesetze machen, die die Meinungsfreiheit bewahren, die den Grundsatz der Demokratie nicht infrage stellen und so weiter.
Und da gerät die EU mehr und mehr in eine Defensive und geht gleichzeitig in die Offensive. Und das ist in einer ganz schwierigen Situation. Und wenn ich das jetzt so aus der Vogelschau-Perspektive mir angucke, ne?
stellt sich mir auch noch eine interessante Frage. Also die Europäische Union, ein Projekt, wo ich jetzt mal ausdrücklich sage, dass ich es sehr, sehr begrüße und dass ich es für eine ganz große Errungenschaft halte, dass es zur EU gekommen ist, über den langen Weg Kohle- und Stahlunion, Montanunion, EWG, die Älteren mögen sich erinnern, EG, EU. Also das Zusammenwachsen Europas, ein Zusammenschluss liberaler Demokratien, halte ich für eine ganz große Sache.
Aber man hat sich in dem Moment, wo die EU entstand, natürlich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, wie sich die Welt in den nächsten Jahrzehnten mal verändern könnte. Und dass es vielleicht denkbar ist, dass irgendwann in der Europäischen Union die Mehrheit der Bevölkerung bestimmte liberale Grundsätze ablehnt. Und was ist dann? Es ist ja immer das große Problem, wenn man etwas weltanschaulich auf Ewigkeit stellen will.
Die Europäische Union ist geboren einerseits aus dem Gedanken heraus des Zweiten Weltkrieges, des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Nie wieder Krieg in Europa. Aus ehemaligen Feinden. Frankreich der Erbfeind und Deutschland.
sollten Freunde werden, dauerhaft Freunde werden. Der zweite Gedanke, der hinter der Europäischen Union stand, war zu sagen, es gibt eigentlich keine Bodenschätze in Europa, wofür sich das Krieg führen noch lohnt. Lass uns gemeinsame Sachen machen, um ein starkes Europa in einer zukünftigen Weltordnung zu werden, weil wir als Nationalstaaten zu klein sind. Auch das eine sehr, sehr, sehr gute Überlegung.
All diese Überlegungen kombinieren in dem großen Friedensprojekt Europäische Union. Das wird jetzt ausgestattet mit einem Wertekorsett, guten Werten, universalistischen Werten, liberalen Werten. Und jetzt passiert das, dass diese Konstruktion irgendwann altert.
Nicht, weil die Werte nicht gut wären, nicht, weil die Grundsätze nicht her sind und gut sind, sondern weil sich drumherum die ganze Welt verändert hat. Weil sich die Menschen in den Ländern verändern, weil sich die Werte der Menschen in den Ländern verschieben, weil plötzlich andere Dinge wichtiger werden, weil sie Bedrohungen sehen wie Migrationsproblematik zum Beispiel, wo sie plötzlich den Schwerpunkt ihrer Werte stark verlagern.
bestimmte Werte treten zurück, andere Werte werden wichtiger, Nationalismus wird wieder stärker in diesem Zusammenhang als Abwehrbewegung. Wie geht die auf Ewigkeit gestellte Europäische Union damit um, dass sich die Zeitläufte verändern? Muss sie sich dem anpassen und dann ist sie nicht mehr genau das, was sie früher war oder muss sie es bekämpfen? Diese ganzen Fragen.
finden im Hintergrund, im Augenblick in äußerster Deutlichkeit und Heftigkeit statt, werden aber so eigentlich nie thematisiert. Ja, ist wahr. Deswegen ist es gut, dass wir es heute zumindest mal versuchen. Das ist ja alles wahnsinnig komplex.
Ich habe gerade vor Augen, vor meinem inneren Auge, Richard, ein sehr interessantes Stück von Frederik Schwilden. Das ist ein Autor, ich glaube Welt, der jetzt mehrere Jahre in Amerika gelebt hat. Ein guter Schreiber, toller Schreiber, der so schreibt, diese schönen Sommer, die er da in Atlanta, offenbar in Georgia und dann auch in einem Ferienhaus in Mississippi und so weiter verbracht hat und wie man auf der Terrasse sitzt und auf den Mississippi guckt und
und wie diese zwei Deckenventilatoren so ihre Kreise ziehen und wie die Sonne glutrot, dann hinter dem Horizont versinkt und die Zikaden ihr Lied spielen. So schreibt er, wir sind den ganzen Tag am Pool, es gibt Ginger Ale und Root Beer und für meine Frau und für mich ist das alles wahnsinnig schön. Und er schreibt dann, wenn ich jetzt daran denke, dass wir das bald alles nicht mehr haben, werde ich richtig traurig, weil es war alles wahnsinnig schön. Und dann beschreibt er, wie sehr er Amerika liebt.
Und wie wichtig ihm Amerika ist, weil er sagt, mir als Deutscher war immer klar, ohne Amerika, natürlich auch ohne Frankreich, ohne Großbritannien, auch ohne die Sowjetunion,
wären wir heute möglicherweise ein ganz anderes Land und ein ganz anderes System. Das heißt, diese Demokratie, diese deutsche Demokratie, die hat unheimlich viel auch mit dem Engagement Amerikas zu tun und deswegen haben wir als Deutsche Grund, diesem Land dankbar zu sein. Und dann beschreibt er aber sozusagen sein Unbehagen, das langsam in den letzten Jahren entstanden ist und der dieses Stück hatte, den Titel Demokratien weltweit schaffen Freiheiten ab und
um ihr eigenes Verständnis von Demokratie zu retten. Exakt das ist der Mechanismus, über den ich spreche und den wir auch auf europäischer Ebene im Augenblick erleben. Genau das. Genau, und dann beschreibt er, J.D. Vance sagt, es ist lächerlich, dass der Vizepräsident eines Landes
dass Bücher aus Bibliotheken verbannt und dass Handys von Wissenschaftlern durchsucht. Und ich kenne das selber von Freunden, die sagen, ich kann da nicht mehr hinfahren. Warum macht der sowas? Der war doch in München auf der Sicherheitskonferenz und ich dachte, das ist ein Freiheitskämpfer. Ja, pass auf, und er sagt, das ist lächerlich. Er hat uns doch die Leviten gelesen, dass bei uns hier Meinungsfreiheit rückgängig ist. Ja, pass auf, er sagt aber gleichzeitig...
Also so lächerlich das ist, dass einer, der zu Hause die Meinungsfreiheit so beschneidet und jetzt mit so einer Wokeness von rechts sozusagen kommt, der ist nicht glaubwürdig. Aber dennoch hat er möglicherweise einen Punkt, verweist auf diese amerikanische, auf die CBS-Dokumentation, du erinnerst dich, diese Staatsanwälte.
Andere Beispiel, in England wurde eine, ich wusste das nicht, die Geschichte kannte ich nicht, eine Daily Telegraph Kolumnistin wurde von der Polizei besucht und zu einer Vernehmung geladen, weil sie irgendwie einen polemischen Tweet abgesetzt hatte und so weiter. Er verweist auf Franziska Brandmann, die Vorsitzende der jungen Liberalen, die unter dem Slogan Kampf gegen Hass und Hetze antwortet.
eigentlich ein Geschäftsmodell entwickelt hat. Durchforstet eine KI sozusagen das Internet nach angeblichen oder echten Hasskommentaren. Und dann werden Menschen sozusagen angezeigt. In Schottland wurden mehr als 400 Meldestellen für Hasskriminalität eingerichtet und so weiter und so weiter. Und dann sagt er, da kommt dieser neue Koalitionsvertrag der neuen Regierung, schwarz-rot,
Und da wird zunächst von Desinformation gesprochen, um im nächsten Satz dann zu schreiben, man wolle gegen Hass und Hetze vorgehen. So, und verweist dann darauf, dass die Bundespolizei gerade Mitglieder einer rechtsextremen
Identitäre Bewegung hat die gerade am Flughafen in München an der Ausreise gehindert, weil sie zu einem Treffen von anderen gleichgesinnten Rechten in Italien wollten und so weiter. Das hat man auch früher mit Linksextremen gemacht und so weiter. Und im Nachhinein haben Gerichte, und darauf weist er hin, oft die Rechtswidrigkeit dieser Praxis festgestellt.
Und er sagt, dieses Gefühl des Unbehagens, das all das auslöst, ist genau das. Demokratien schaffen Stück für Stück Freiheiten ab, um ihr Verständnis von Demokratie zu retten.
Und weil du gerade Rumänien zitiert hast, im Grunde muss man sagen oder die Frage stellen und die stellen ja dann auch viele, hätte die EU sozusagen da auch eingegriffen, wenn es die andere, die EU-freundliche Kandidatin gewesen wäre? Ja, das kann man sich eben nicht ernsthaft vorstellen.
Also das ist das große Problem, wenn man in dem Versuch etwas Gutes zu retten, Mittel einsetzt, die diesem Guten gleichzeitig schaden. Und das ist die Situation, wir haben ja beim letzten Mal einen Podcast gemacht vor zwei Wochen, da haben wir vor allen Dingen über die interne Meinungsfreiheit gesprochen, hatten jetzt nicht im Mittelpunkt die Europäische Union, aber das Gleiche, was wir hier national diskutiert haben, stellt sich eben auch auf der europäischen Ebene dar.
Und hinter dieser Frage steht die Frage nach der Zukunft der Europäischen Union. Richtig. Als was möchte die Europäische Union überleben? Als das, was sie immer schon war? Dann wird sie solche Methoden weiterhin anwenden gegen all diejenigen, die eine andere EU wollen? Oder muss sie aus Gründen des Demokratieprinzips die Transformation der Europäischen Union in eine andere EU zulassen?
Und ich denke mal, dass diejenigen, die Verantwortung in der EU tragen, sich eindeutig für eins entschieden haben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ihnen das sehr schnell um die Ohren fliegt. Dass das sozusagen die rechtspopulistischen Tendenzen und die EU-skeptischen, EU-kritischen bis wirklich EU-feindlichen Tendenzen in sehr vielen Ländern ganz, ganz, ganz deutlich einheizt.
Und deswegen halte ich diese Strategie, die zunächst mal naheliegend ist, zu sagen, wir müssen unser Europa bewahren und all den Werten, die uns wichtig sind, in dem Moment, wo man solche Mittel nutzt, für gefährlich. Krass, Steph. Nochmal krass, Steph Richard. In dem Interview gibt es einen total interessanten Teil. Da redet er darüber, wie irritiert wir immer wieder davon sind, dass große Teile Osteuropas nicht so wählen, wie wir uns das vorstellen.
Und er sagt, wir haben da vieles nicht kapiert. Wir haben nicht verstanden, dass sozusagen der gesellschaftliche Wandel, der mit der Integration in die EU einhergegangen ist, für viele Osteuropäer zu schnell war. Er selber Bulgare, für die Bulgaren auch viel zu schnell war. Er sagte, wir hatten kein 68%.
Wir sind nicht mitgekommen, was sozusagen gleichgeschlechtliche Ehe betrifft, so beschreibt er das. Und daraus ist das Gefühl erwachsen, die westeuropäischen Länder wollen uns die ganze Zeit sagen, wie wir gefälligst zu leben haben, aber wir wollen nicht.
dass sie uns das sagen und er sagt, das Problem ist, Stichwort Rumänien, wenn dann plötzlich ein Ultrarechter gewählt wird, ja muss man mal deutlich sagen, jemand, der auch rumänischen Rechten noch zu rechts war. Er sagt, Populisten sind Meister darin, Ängste zu erkennen und anzufachen. Sie sind nicht gut darin, Lösungen anzubieten, Stichwort Migrationspolitik, aber er sagt, es ist ein Fehler linksliberaler Politiker zu sagen, das ist alles kein Problem, fürchtet euch nicht und ändern können wir daran leider auch nichts. Das
Das konntest du in Amerika sehen, das konntest du in Deutschland sehen. Und er sagt, man kann, und das ist der entscheidende Satz, man kann die Leute nicht dazu bringen, Achtung, dass sie dir überhaupt nur zuhören, wenn du zuerst nicht die Legitimität ihrer Ängste anerkennst. Überleg mal diesen Gedanken. Das ist ein richtig guter, kluger Satz. Und ich habe den wiedergefunden in anderer Weise,
in einer Sendung von dir, Glückwunsch zur Sendung mit Reckwitz, mit dem deutschen Soziologen, neben anderen, Steffen Mauer und so weiter. Empfehle ich sehr, Mediathek, bitte unbedingt ansehen. Reckwitz hat doch ein Buch gemacht über Verlust. Und
Und sagt auch da, da ist uns was flöten gegangen. Stichwort Verlust. Können wir gleich nochmal einen Satz darüber reden. Und das findest du so, das findest du in Osteuropa, das findest du in Ostdeutschland, das findest du im Mittleren Westen Amerikas, das findest du im Norden Frankreichs. Und ich würde ergänzen, als jemand, der das mit eigenen Augen gesehen hat und das geht mir seitdem auch nicht mehr aus dem Kopf, vor ein paar Jahren, das findest du im Nordosten Englands beispielsweise.
Wenn du sozusagen nicht die Legimität der Ängste der Leute anerkennst und erstmal sagst, pass auf, ich verstehe dich. Ich verstehe dich als Ostdeutscher, der du, als die Kommunisten übernommen haben, erstmal eine harte Erfahrung von Verlust gemacht hast. Plötzlich wird alles verstaatlicht, du wirst enteignet, dein Unternehmen, nichts mehr ist was wert. Dann kommt 89, ja.
Und dann hörst du so diesen Sound, mir hat neulich mal jemand gesagt, das ist ja so eine Herrschaft des Unrechts. Und du denkst, okay, warte mal, das ist zwar auf einer technisch-demokratischen Ebene verständlich, was du mir sagen willst, aber damit gibst du mir das miese Gefühl, dass ich Teil eines Unrechtssystems war. Und damit delegitimierst du alles, was ich dort vielleicht in meiner kleinen Welt aufgebaut und gemacht habe. Und daher kommt...
Diese, diese irgendwann diese tiefe innere Ablehnung von allem, was sozusagen so aussieht und so klingt wie, ich erkläre euch jetzt mal, was ihr gefälligst zu wählen habt, was ihr eigentlich denken sollt und was gefälligst demokratisch ist. Ja, ich bin da ganz auf deiner Seite. Also wir illegitimieren Verlusterfahrungen.
Ja, also wenn jemand, der in der DDR sozialisiert war, bestimmte Dinge betrauert, die er früher besser fand, dann kriegt er gleich die Keule übergebraten, weil wir dann sofort denken, er wird ja das ganze DDR-System besser gefunden. Und wir sind Fan der Stasi und er hat der Neunecker-Bild über dem Bett. Ja, nur weil er sagt, naja, aber ich fand zum Beispiel, dass es mit der Kinderbetreuung irgendwie besser war oder nachbarschaftlich hat man mehr zusammengehalten oder was auch immer jetzt die verschiedenen Gründe sind, wo er sagt, das hat früher besser funktioniert als heute.
Wir sagen, das ist illegitim, weil das DDR-System aus guten Gründen, wir das für äußerst kritikabel halten, darfst du nicht Elemente davon, die was mit deiner Biografie zu tun haben, mit deinen Emotionen, mit deinen Prägungen gut gefunden haben.
Das heißt, du darfst sie eigentlich auch gar nicht äußern, weil du dann sofort in Verdacht gerätst, immer noch ein verkappter Kommunist zu sein oder stalinistisches Gedankengut in dir zu tragen. Also wir haben enorme Waffen, mit denen wir auf jeden losgehen, der einfach meist nur Verlusterfahrungen überhaupt artikulieren will. Und Reckwitz sagt, das ist ein strukturelles Problem von Gesellschaften, die sich auf den Fortschritt verpflichten.
Wir sind ja seit dem Siegeszug des Kapitalismus, Anfang des 19. Jahrhunderts, Ende des 18. Anfang des 19. Jahrhunderts, seit diesem Siegeszug des Kapitalismus gibt es ganz viele Gewinne. Es geht heute materiell in der westlichen Welt sehr vielen Menschen wahnsinnig gut im historischen Vergleich. Muss die Welt nur 200 Jahre zurückdrehen und dann gucken, wie hat der Durchschnittsmensch in Deutschland, Frankreich, England und so weiter gelebt.
Aber wenn du dann hingehst und sagst, naja, aber es gab ja bestimmte Dinge, die waren auch vorher irgendwie gut und die sind vielleicht durch den Kapitalismus kaputt gegangen oder so. Oder durch den Fortschritt oder durch die Technik. Technik ist auch so ein Thema. Wir fetischisieren die Technik. Die Technik hat uns enorm geholfen, unser Leben zu verbessern. Enorm geholfen. Aber sie kann doch auch gleichzeitig ein paar Folgen haben, die wir nicht so gut finden. Richtig. Und diese Folgen können wir nicht artikulieren, dann stehst du als technikfeindlich darin.
Die FDP hatte immer den Begriff Zukunftsfeinde oder Zukunftsverweigerer. Nur weil du sagst, naja, aber das fand ich doch irgendwie gut. Also ich mochte die Zeit, als Eltern mit pubertierenden Kindern am Mittagstisch sitzen konnten, ohne dass sie die ganze Zeit auf ihr Handy geguckt haben. Das kann ich doch eine Verlusterfahrung nennen. Oder die ewige Allerreichbarkeitsanforderung, die wir durch das Smartphone an Menschen stellen.
Ist das ein Gewinn oder ist das ein Verlust?
Ja, rechts im Sinne von früher war in Deutschland alles besser, gab es noch nicht so viele Ausländer und so, wirst ja sofort in den Topf reingesteckt oder du bist zu alt, gerade wenn du technischen Fortschritt, die Kehrseiten davon thematisierst, dann bist du der Operner, der nicht mehr mitkommt.
Und das führt dazu, dass diese Verlusterfahrungen, dass sie sich anstauen. Du hast das Gefühl, du kannst sie nicht richtig artikulieren, kriegst sofort einen auf die Mütze und dann schwelen die im Untergrund. Und Reckwitz hat diese schöne Formulierung benutzt, dass er sagt, Populisten sind Verlustunternehmer. Richtig. Die machen quasi ihr Geschäftsmodell daraus, dass sie Verluste aufsammeln und alle Menschen, die starke Verlusterfahrungen gemacht haben und entsprechende Ängste und so weiter in sich rumtragen, die versammelst du alle hinter dir.
Und deswegen plädiere ich, und Reckwitz tut das ja auch dafür, dass wir viel offener und viel klarer über Verluste reden in der Gesellschaft und sie nicht illegitimieren. Und das gilt eben auch für das Thema, was wir letztens hatten. Verlust von Meinungsfreiheit muss etwas sein, was die Gesellschaft thematisiert, weil sie sonst allein ein Thema der Populisten wird. Ja, ich habe über dieses Thema Meinungsfreiheit immer noch eine Sendung dazu gemacht.
Und ich habe an den Reaktionen gemerkt, wie sehr den Leuten das Thema unter den Nägeln brennt.
Und wenn man sich einfach mal die Frage stellt, was ist, ich weiß, du schreibst gerade an einem Buch zu dem Thema auch, wo du, glaube ich, auch die Frage stellst oder der Frage nachgehst, was genau ist eigentlich Desinformation und wer entscheidet darüber? Und an der Art und Weise, wie sozusagen auch Demokratien immer näher sich daran robben und im Grunde sich dann irgendwann anmaßen zu sagen, okay, das ist aber jetzt Desinformation, das kann man auf einer, wie soll man sagen, abstrakten Ebene
kann man die Frage gut stellen und sagen, wir nehmen den Kampf gegen Desinformation und das ist ja ein riesiges Problem, was sich dann in den Echokammern teilweise dann für Geschichten halten und du kommst kaum noch dagegen an. Aber wenn du mal genauer hinschaust, den Einzelfall dir anguckst, der Satz
Die EU hat die Wahlen in Rumänien gekippt. Ist das schon Desinformation oder ist das schlicht eine Übertreibung? Die Behauptung, dass Putin nach der Ukraine auch vorhat, Polen und Deutschland anzugreifen, ist das Desinformation oder ist das vielleicht einfach nur eine Übertreibung?
sehr gut begründete Frage, die man stellen kann. Die Artikulation einer Befürchtung. Ist der Satz, Trump ist ein Faschist, ist der informativ oder ist der desinformativ? Oder der Satz, Corona ist wie eine Grippe, ist das Desinformation oder ist das medizinisch angreifbar? Beispielsweise. Oder zum Beispiel die Behauptung, Russland hat Nord Stream 2 gesprengt. Es gibt ja viele, gerade Transatlantiker, die das sehr lange, sehr beharrlich auch behauptet haben.
War das gezielte Desinformation? Also müsste man sie sozusagen dann im Sinne dieses Digital Services Acts von der EU dann im Grunde angehen und sagen, da habt ihr offensichtlich in einer sehr brisanten Sache etwas Falsches behauptet, vielleicht sogar wieder besseres Wissen? Oder ist das von der Meinungsfreiheit in dem Fall gedeckt? War das einfach eure echte Überzeugung? War das eine echte Überzeugung oder eine echte Vermutung? Also in all den Punkten stellt sich ja die Frage, wer sagt,
will das beurteilen. Was für Leute müssten in einem Gremium sitzen? Also der Koalitionsvertrag, der träumt ja von einem Gremium. Richtig. Ja, einem neutralen Gremium, einem unabhängigen Schiedsgericht quasi, das darüber urteilt. Wer soll denn da drin sitzen?
Ja, das kann ja nur eine KI dann am Ende machen, die irgendwie moralisch programmiert ist oder so. Nein, ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen. Also jeder Mensch bringt auch seine eigenen Vorlieben mit. Und da gibt es bestimmte Äußerungen, die gehen ihm total gegen die Hutschuhe, bei dem vielen, die du gerade aufgezählt hast. Dazu gibt es andere, die schenkt man her und sagt, egal. Ja.
Ich meine, wir haben in Deutschland jahrzehntelang ausgehalten, dass Leute Meinungen vertreten haben, die im breiten Spektrum von seltene Minderheitsmeinung bis Stuss oder gefährlicher Unsinn lagen.
Und das waren alles Dinge, die gehören zu einer liberalen Demokratie dazu. Menschen dürfen den menschengemachten Klimawandel offiziell bezweifeln. So, öffentlich. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt, aber ich würde nie jemanden versuchen jetzt zu sperren oder seine Beiträge aus dem Netz zu ziehen, der daran Zweifel legt.
Weil wir sind eine liberale Demokratie und jeder darf alles behaupten, auch den größtmöglichen Unsinn und Kokolores, solange es nicht eine tatsächliche schwere Beleidigung darstellt, ein Aufruf zu Gewalttaten ist oder zur Volksverhetzung.
Die Rechtslage haben wir dafür. Bestimmte Dinge darf man nicht und es ist auch gut, dass man die nicht darf. Aber warum muss das ausgeweitet werden? Ja, und was ich jetzt hier so persönlich erzähle, dass jeder das Recht hat, irgendeinen Blödsinn zu erzählen und falsche Fakten zu verbreiten und sowas. Ich meine, das gilt ja auch für Institutionen, das gilt ja auch für Medien. Also man will ja gar nicht wissen, in der Geschichte der Bild-Zeitung,
wie viele erfundene Wahrheiten, falsche Fakten dort ausgebreitet worden sind. Ohne dass man von staatlicher Seite gemeint hat, in den 60er, 70er, 80er Jahren und so weiter, man müsste jetzt mal gegen die Bild-Zeitung vorgehen und müsste mal alles, was sie schreibt, danach untersuchen, ob das jetzt wirklich Information ist oder ob das Desinformation ist. Oder um ein besonders dramatisches Beispiel zu nehmen, ich habe vor einigen Jahren in Linz
in einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Und da beschwerte sich ein leibhaftiger Bischof darüber, dass wir heute in der Welt so dermaßen viele Fake News hätten. Ich konnte mir natürlich nicht verkneifen zu sagen, ausgerechnet ein Bischof beschwert sich über Fake News. Die katholische Kirche hat 2000 Jahre lang von der Kanzel herunter Fake News und Desinformation verbreitet.
Aber soll das strafbar sein, wenn jemand sagt, die Welt ist von Gott in sechs Tagen geschaffen worden? Man könnte sagen, das ist eindeutig Desinformation und muss künftig aus dem Internet entfernt werden.
Aber meine Meinung ist, das darf man glauben, das darf man sagen, wie auch immer das gemeint ist. Es gibt ein gutes Recht dazu, diese Dinge behaupten zu dürfen und ich würde dieses Recht immer verteidigen, auch wenn ich persönlich der festen Überzeugung bin, dass das mit den sechs Tagen wahrscheinlich nicht stimmt. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es eher anders war. Aber dennoch, Richard, was du jetzt beschreibst, ist ja die juristische Dimension und der stimme ich zu 100 Prozent zu.
Aber was ist sozusagen mit der gesellschaftlichen, mit der psychologischen Dimension? Wenn du unter Dauerbeschallung wirklich von Fake News bist, nochmal nicht strafbar, alles von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber was macht das gesellschaftlich, wenn du dauerhaft sozusagen durchgehst,
Dinge hörst, die nachweislich nicht stimmen. Du kennst den Satz, jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht auf seine eigenen Fakten. Ich finde, da ist auf einer psychologisch-gesellschaftlichen Ebene natürlich schon was dran. Das kann man nicht einfach hinnehmen. Ja, ich verstehe die Sorge. Ich verstehe die Sorge, weil man sagen konnte, früher blieb das immer in Blasen.
Ja, also man wurde am Stammtisch irgendeinen Blödsinn behauptet oder in irgendeiner Kneipe irgendeinen Quatsch vorbereitet. Und nach dem siebten Bier hat man vier andere gefunden, die einem dann auch noch begeistert zugestimmt haben. Ja, und das war natürlich auch eine wunderbare Möglichkeit, Vorurteile loszuwerden, ja, chauvinistische Weisheiten von sich zu geben. Es ist alles richtig. Und dann hat man gesagt, okay, aber früher war es halt gesellschaftlich nicht irgendwie so gefährlich, weil die Leute das nicht im Netz gepostet haben.
Ich würde dagegen mal eines sagen. Ich glaube, dass die junge Generation, die mit dem Netz aufgewachsen ist,
Eine deutlich feinere Antenne im Durchschnitt, nicht jede hat. Da bin ich bei dir. Dafür hinter die Fichte geführt zu werden und eigentlich ganz vielem nicht traut, weil sie mit einem ziemlich großen, nicht unberechtigten Misstrauen durch die Medien surfen. Wogegen in früheren Zeiten Leute sehr leicht bereit werden, sehe das Beispiel mit dem Bischof, merkwürdige Dinge zu glauben.
Also ich glaube, dass die Urteilskraft insgesamt zugenommen hat. Vielleicht hat sie nicht genug zugenommen. Wir wissen, es gibt Leute, die sind verführbar, wenn man ihnen Blödsinn im Netz erzählt und so weiter. Ich weiß, dass es das alles gibt. Aber ich glaube in der Fläche, dass gerade die junge Generation sehr viel skeptischer beim Aufnehmen von Informationen ist, als beispielsweise die Generation meiner Großeltern.
Was ist, Richard, eigentlich das Phänomen dahinter? Ich bin immer wieder sozusagen auf ein Argument gestoßen, das für mich ein sehr…
gutes Argument ist, warum sind Menschen gerade so anti in Teilen der westlichen Welt insbesondere. Wir haben gerade darüber gesprochen. Wenn man sich das mal anschaut, du triffst das insbesondere dort, wo die Deindustrialisierung besonders hart zugeschlagen hat. Das ist so mein Eindruck. Wenn du dir mal anschaust,
Wie viele Jobs plötzlich weg waren, wie viele Menschen plötzlich arbeitslos waren nach 1989 in Ostdeutschland. Wenn du dir anschaust, was da im Nordosten von England passiert ist. Wir haben häufig gesprochen über den Mittleren Westen in den USA. Wenn du dir anschaust sozusagen, was Politiker auf der einen Seite versprochen haben, was dann auf der anderen Seite eingetreten ist. Ich meine Ronald Reagan damals.
Der hat den Amerikanern versprochen, sie würden die Gewinner der Globalisierung sein. Richtig ist, der Wohlstand der Menschen in Amerika ist auch in Deutschland tatsächlich gestiegen, aber vielleicht nur um ein Prozent pro Jahr. Während der Wohlstand eines chinesischen Arbeitnehmers ungefähr um zehn Prozent pro Jahr gestiegen ist. Die kommen von einem anderen Niveau, ist mir alles klar, ist ein ganz anderes Ausgangsniveau.
Aber du hast sozusagen insbesondere in dem, was du klassisch eigentlich den Westen nennst, da hast du die Verlierer. Und ich erinnere mich an Emmanuel Todd, glaube ich war es, Franzose, Historiker, der gesagt hat, es ist ein gut gehütetes Geheimnis der Globalisierung, dass insbesondere die Mittelschicht im Westen längst dabei ist, vollkommen unter die Räder zu kommen. Ja.
Und daraus ist dieses Gefühl entstanden. Das ist auch das, was Reckwitz, glaube ich, meint.
wenn er sagt, da ist vor allen Dingen in den letzten 10, 15, 20 Jahren und es beginnt schon in den 80er Jahren, da ist etwas entstanden, was man so lange nicht gesehen hat. Die Gesellschaft verliert den Glauben in ihre positive Zukunft und er sagt, das ist wirklich neu. Das hat er, glaube ich, bei dir in der Sendung gesagt. Da geht ein Optimismus flöten. Das ist sein Ausgangspunkt. Das ist historisch neu. Beschreib das mal. Guck mal, diese liberal-
Kapitalistischen Gesellschaften, die waren über die lange Zeit ihres Bestehens ein Erfolgsmodell. Man darf nicht vergessen, die haben auch irrsinnige Katastrophen angerichtet, Erster und Zweiter Weltkrieg. Aber wenn man es on the long run sieht, dann kann man sagen, in der Gesellschaft geht es heute natürlich im durchschnittlichen Deutschen jetzt rundherum mal besser, als es ihm damals.
im Jahr 1800 gegangen ist. Also wahnsinnig, überhaupt nicht zu vergleichen. Also der Fortschritt zwischen einem Bauern im alten Rom und einem Bauern von 1800, der war fast gleich null. Und von 1800 bis einem Bauern heute ist eine enorme Entwicklung gegangen. Und das gilt natürlich nicht nur für Bauern. So ist also eine ganz tolle Geschichte. Und da gehörte natürlich immer dazu, dass jede Generation damit aufwuchs, dass es ihr besser gehen würde als ihren Eltern. Mhm.
Das heißt, der technische Fortschritt würde die Arbeitsbedingungen immer weiter verbessern, würde die Produktivität immer weiter erhöhen. Die Liberalisierung der Gesellschaft hat die Freiheitsrechte immer weiter ausgedehnt, auch auf die Gruppen, die man am Anfang, wo man gar nicht hingeschaut hat. Ja, wir gehen heute einer mit unseren Kindern um. Wir haben heute eine sehr weitgehend erreichte Gleichberechtigung im Vergleich zu vor 200 Jahren.
Wir haben heute deutlich weniger, Gott sei Dank, Rassismus in der Gesellschaft als noch vor 50 Jahren. Das heißt nicht, dass Rassismus nicht immer noch ein Problem in unserer Gesellschaft ist, aber es war natürlich viel, viel stärker verbreitet in der Generation, die im Dritten Reich sozialisiert war. Also man kann sagen, Freiheitsrechte nehmen zu, Wohlstand nimmt zu. Und jede Generation hat immer optimistisch in die Zukunft geblickt und gesagt, mir wird es besser gehen als meinen Eltern. Und der Faden ist gerissen.
Wenn man jetzt Umfragen macht, ja, Reckwitz zitiert gleich am Anfang eine Studie, ja, ich glaube es waren 83 Prozent der deutschen Bevölkerung gehen davon aus, dass es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen. So, und das ist ein Bruch mit dem Fortschrittsoptimismus, der untrennbar bisher mit liberalen Demokratien verbunden war. Wir haben plötzlich ein Novum in der Geschichte.
Wir haben einen kapitalistischen Staat, eine liberale Demokratie, die glaubt, dass die Zukunft deutlich schlechter wird als die Vergangenheit. Das ist der Ansatzpunkt für Reckwitz Buch, weil er sagt, das hat es noch nie gegeben. Und zwar, es ist keine Geschichte des globalen Südens.
Das ist keine chinesische Geschichte. Nein, nein, nein. Das ist eine sehr europäische Geschichte. Das ist eine amerikanische Geschichte. Das ist eine europäische Geschichte. Also die Geschichte der alten Sieger. Richtig. Ich hatte gestern Abend auf der Terrasse Freunde zu Besuch. Und der allgemeine Tenor, der dort in wunderbarer Atmosphäre verbreitet wurde, war, bei uns geht eigentlich alles im Bach runter.
Also die Zukunft wird schlecht werden, wegen des Klimawandels, wegen der enormen ökologischen Herausforderungen, aber auch wirtschaftlich. Deutschland keine Geschäftsmodelle mehr für die Zukunft, der Westen ist am Ende, die Chinesen steigen auf und viele andere Länder auch. Also das war die allgemeine Stimmung. Und dahinter war so ein bisschen das Gefühl, die Welt geht dem Bach unter.
Und die Wahrheit dahinter ist natürlich, das ist die Sichtweise in einem klassischen Gewinnerland wie Deutschland, das Angst hat, kein Gewinner mehr zu bleiben. Richtig. Hätte ich dieses Gespräch in Saigon geführt, eine der aufstrebendsten Städte, mit jungen Vietnamesen, hätte kein einziger die Stimmung verbreitet, die Welt geht dem Bach runter. Sondern ganz im Gegenteil, die haben gesagt, so viele Chancen und Möglichkeiten wie heute gab es doch noch nie. Wir dürfen nie verwechseln.
dass es unsere Befindlichkeit ist. Im alten Europa, dass wir das Gefühl haben, es geht alles den Bach runter. Es ist nicht die Befindlichkeit der Weltbevölkerung. Genau das ist der Punkt. Also es ist unser Thema, es ist unsere Geschichte. Man kann es, glaube ich, sogar noch weiter verengen. Es ist sozusagen ein gut gehütetes, lange gut gehütetes Geheimnis der westlichen Mittelschicht gewesen. Man hat sich das nicht erzählt. Und Reckwitz beschreibt das ja auch so gut, finde ich. Und das hattet ihr auch in eurem Gespräch als Thema erwähnt.
Und deswegen will ich das gerne nochmal rezitieren. Im Grunde hat ja bis vor wenigen Jahrzehnten hat sozusagen der Fortschritt, der Gewinn, der daraus entstand,
sozusagen immer wieder dafür gesorgt, dass diese Verluste, die es tatsächlich auch gab, der Verlust von Jobs und so weiter, gesellschaftlicher Verlust, dass der immer wieder sozusagen abgefedert werden konnte durch eine neue, großartige Erfolgsstory aus der technischen Innovation herauskommen. Und das funktioniert nicht mehr.
Plötzlich liegt das alles offen da. Plötzlich schaut man da drauf und sagt, okay, warte mal, ich verliere hier, ich verliere da, ich verliere eigentlich nur noch. Und überleg dir mal die Absurdität eigentlich, Richard, dieser Situation. Da sitzt ihr zusammen und deswegen weise ich nochmal darauf hin, weil ich glaube, dieses...
Dieses Setting, diese Gesprächssituation gibt es gerade an sehr vielen Orten in Deutschland. Du hast diese lauen Sommerabende und man trinkt ein gutes Gläschen Rotwein und es ist eigentlich alles wunderbar und schön und es ist heiter und es scheint auch sogar die Sonne und es ist auch mal warm und trotzdem ist auf der Terrasse Weltuntergang.
Ja, und das... Da kommt auch noch die Stimmung dazu, wenn man um die 60 ist, dass man sich sagt... Okay, ich weiß nicht, wovon du redest. Dass man sich sagt, naja, aber wir haben immerhin ein gutes Leben gehabt. Und manche der fürchterlichen Entwicklungen kommen vielleicht erst in 30 Jahren, wenn man nicht mehr lebt. Das hat natürlich einen gruselig egoistischen... Finde ich auch. Ist eine ganz miese Nummer. Ich würde auch keine Werbung dafür machen. Aber das ist auch so, diese Dankbarkeit, dass man vom Schlimmsten noch
verschont ist, obwohl man selber genau der Generation angehört, die es maßgeblich noch mit verbockt hat. Von der man eigentlich hätte erwarten müssen, dass sie die Zügel irgendwie nochmal rumreißt oder so. Aber ich denke, vielen, die uns zuhören, wird die Situation bekannt. Das ist aber das Gute an dem Buch von Andreas Reckwitz übrigens. Der übrigens auch um die 60 ist.
Ja, ich weiß. Wir sind alle so. Wir sind es gerade, die so rumjammern die ganze Zeit und viele Junge nehmen uns deswegen auch nicht mehr ernst. Und sie haben auch recht damit. Aber was jammert ihr eigentlich hier Lappen? Aber tatsächlich ist das Buch von Reckwitz ja gar nicht so. Das Buch von Reckwitz ist nicht ein jammeriges, lappiges, lammeriantes Buch. Nein, nein, gar nicht.
Nein, das ist eine ganz brillante, präzise Analyse all der verschiedenen Verlusterfahrungen. Und das sind ganz, ganz viele, über die wir hier reden können. Mach mal ein Beispiel. Naja, es ist einmal die ökologische Verlusterfahrung. Das ist natürlich wahrscheinlich von allen Verlusterfahrungen die wichtigste. Das
dass wir sagen müssten, selbst wenn unser Wohlstand erhalten bliebe, dann bezahlen wir für diesen Wohlstand einen Preis, der den Planeten zerstört und unseren Enkelkindern jegliche Zukunftschancen nimmt. Das ist eine ganz wichtige Verlusterfahrung. Dann gibt es Verlusterfahrungen wie zum Beispiel Verlusterfahrungen von Zeit.
Wir leben heute in einer Welt, wo die Menschen das Gefühl haben, keiner hat mehr irgendwie Zeit in irgendeiner Form für irgendwas. Das gehetzte Leben, wo man sich dann auch immer fragt, mein Gott, wo ist mein Leben geblieben und wo ist die Ruhe geblieben? Und wir sind alle auf der Suche nach Besinnlichkeit und wir sind längst so getriebene Zombies, die überhaupt, selbst wenn sie endlich mal Ruhe haben, nicht zur Ruhe kommen und so. Das ist ja auch vieles, was sich verändert hat. Natürlich stark mit der Technisierung der Welt zusammen, die die Welt so stark beschleunigt hat, also das Thema von Hartmut Roser.
Ja, bei denen wir ja auch schon mal gesprochen haben, wenn wir hier die großen deutschen Soziologen aussehen. Großartiger Soziologe, wirklich hartmotoroser Bücher, muss man lesen, absolut. Ja, genau.
Ja, und das sind natürlich auch so Verlusterfahrungen wie Heimat, wie Regionalität, wie Nationalität, aus denen sich natürlich sehr viel auf die rechten Parteien speisen. Die sagen, früher war es doch idyllischer und früher war es doch beschaulicher und dann früher war mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft. Früher wurde mehr gemeinsam gemacht, da war nicht jeder in seinem eigenen Segment. Man denkt häufig, früher hätte es nicht so viele Blasen gegeben. Da habe ich jetzt schnell in meinem Buch noch einen Satz eingefügt, weil ich mich gefragt habe,
Stimmt das eigentlich? Hat nicht früher ein Bergmann in seiner Welt gelebt, die wenig Berührungspunkte hatte mit der eines 68er Studenten? Also, dass man in verschiedenen Blasen lebt, war wahrscheinlich immer schon in den Gesellschaften so. Aber es gibt heute noch viel diversifiziertere Blasen als in früherer Zeit. Und in Zeiten der sozialen Medien sind die Blasen viel auffälliger.
Also jeder posaunt quasi die Weisheiten seiner Blase in die Welt. Und früher blieb das, was in einer Blase war, in dieser Blase. Ja, es ist auch, du erinnerst dich, es gibt doch diesen interessanten Befund von Steffen Mau, der auch ganz bekannter deutscher Soziologe, der war auch irgendwann bei uns in der Sendung und der bis heute, und eigentlich kann man sich das gar nicht oft sozusagen nochmal vergegenwärtigen,
mit der These in die Öffentlichkeit geht, die da sagt, es gibt diese unterstellte deutsche Polarisierung gar nicht. Ja, da hat er ja auch völlig recht. Genau. Er hat ja völlig recht, weil diese Polarisierung ist keine, wir leben nicht in einer Zweilager-Gerichtschaft. Richtig. Das ist aber das Gefühl, das die Leute haben. Ja, es wird auch von den Medien immer wieder produziert, dieses Gefühl, weil man immer sagt, es gibt sozusagen die fortschrittlichen, die humanistischen, ja, die
Die Linken, die machen die Welt besser und es gibt die, die nicht mitkommen, die Abgehängten, die Nationalisten, die Traditionalisten, die alles bekämpfen und sagen, das ist Wogenes, mit dem Mist wollen wir nichts zu tun haben und so. Und darin würde unsere Welt zerfallen.
Und das kommt bei Mao noch nicht vor, weil das Buch ist erschienen vor dem russischen Angriffskrieg, es ist vor Gaza geschrieben und auch die Pandemie ist in dem Buch nicht mehr wirklich verarbeitet. Das Buch ist kurz vorher fertig geworden. Aber alle drei Beispiele, die ich gerade nenne, sind Beispiele, wo die Zwei-Lager-Theorie nicht stimmt.
Wenn man sich jetzt fragt, also in der Frage ist man, hat man sozusagen, fühlt man mehr mit den Israelis mit oder mehr mit den Palästinensern? Ist doch keine Frage, ob du traditionalistisch, nationalistisch konservativ bist oder linkshumanistisch fortschrittlich. Da entläuft doch, verläuft doch gar nicht der Graben. Auch bei der Frage nach der Unterstützung der Ukraine verläuft der Graben nicht.
zwischen den Traditionalisten, Nationalisten auf der einen Seite und den humanistisch Fortschrittlichen auf der anderen Seite. Und selbst in der Corona-Pandemie, bei den Leuten, die Zweifel an den staatlichen Maßnahmen haben, die kann ich nicht einem bestimmten gesellschaftlichen Milieu zuordnen und sagen, die sind alle rechtskonservativ oder so. Also ich habe
Es gibt sehr Linke, die die Corona-Maßnahmen kritisiert haben. Es gibt Rechte. Es gibt auch Leute aus der Mitte der Gesellschaft, die bestimmte Maßnahmen kritisiert haben. Du kannst das nicht alles immer in diese Schablone machen. Diese Schablone ist ein sehr beliebtes Bild, das eher von der progressiv-liberalen Seite aufgebaut wird, um zu sagen, dass die Leute, die die aktuelle Politik kritisieren, die zurückgebliebenen Denker von gestern sind. Falls Denker hier das richtige Wort ist.
Und deswegen kann man Mao sehr dankbar sein, dass er diese These von der sauberen Polarisierung der Gesellschaft, die fortschrittlichen auf der einen Seite und die rückständigen auf der anderen Seite, dass er das Bild mal aufgemischt hat. Es gibt, Richard, noch ein anderes interessantes Phänomen, über das wir jetzt vielleicht zum Schluss nochmal reden sollten.
Wenn es um die Frage geht, warum fällt uns Veränderung so schwer, warum haben wir dann diese Verlustängste? Du kennst Stefan Klein, glaube ich, einer der erfolgreichsten deutschen Autoren. Früher beim Spiegel. Physiker, Philosoph, Bestsellerautor. Der hat ein Buch gemacht, Aufbruch.
Und da redet er über den sogenannten Besitztumseffekt für dessen Entdeckung der Verhaltensökonom Richard Thaler, glaube ich, 2017 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat. Und für seinen Nudging-Thesen. Nudging, ja. Wie man jemanden mental schubsen kann und schubsen muss und so weiter. Also wirtschaftspsychologische Arbeiten. Und dieser Besitztumseffekt sagt, das ist sehr interessant, Menschen verlangen mehr für den Verzicht auf einen Besitz,
als sie selbst zahlen würden, um das gleiche Objekt zu bekommen. So ist das. Kannst du das mal erklären? Ja, also das, was man hat und das, was einem gehört, wird durch die eigene Subjektivität aufgewertet. Dadurch, dass etwas meins ist, bekommt es als Besitz eine andere Bedeutung, als wenn es mir nicht gehört. Es wird sozusagen von meiner Subjektivität gedrängt. Mhm.
Das ist der Grund, wenn jemand sein Haus verkauft oder seine Wohnung, dann glaubt er immer, dass das unendlich viel wert ist. Richtig. Viel mehr wert, als er bereit wäre, für dieses Haus zu bezahlen, wenn es nicht seins wäre. Das heißt, wir messen Dingen, die uns gehören, einen überverhältnismäßig großen Wert bei, weil es unsere Sachen sind und weil unser Ich da in gewisser Hinsicht drinsteckt.
Und interessant ist eben auch, jemand was wegzunehmen, ist unendlich viel schmerzhafter, als wenn wir es nie bekommen hätten. Du kannst das Experiment machen und gibst deiner kleinen Tochter, inzwischen ist sie aus dem Alter raus, aber zum ersten Mal Schokolade. Ein Kind isst zum ersten Mal Schokolade, gibst ihr mehrere Stückchen, drei Stücke oder so.
So und dann nimmst du die Tafel und räumst die weg. Du hast gesehen, die war bei jedem dieser Stücke unendlich glücklich und es ging ihr wahnsinnig toll. Aber in dem Moment, wo die Verlusterfahrung kam, so und von nun an kriegst du jetzt überhaupt keine Schokolade mehr, dann ist ein Katzenjammer da, der schlimmer ist als die Freude, die vorher da gewesen ist an der Schokolade.
Das heißt also, Verlusterfahrungen schlagen viel stärker ins Kontor als Glückserfahrungen. Und das ist der Grund, warum Menschen sich im Regelfall eben auch häufig von ihren Dingen, von Dingen nicht trennen könnten. Oder warum sie eben das, was ihnen gehört, maßlos überschätzen. Ich würde gerne hinzufügen, das gilt übrigens nicht nur für Besitztümer, das gilt auch für geistige Fähigkeiten. Ja, wahrscheinlich ist das so. Zum Schluss gesagt, Richard,
Auch Reckwitz hat eine gute Botschaft. Wenn du unterstellst, dass die Dinge, und vielleicht ist das wirklich wahr, vielleicht müssen wir uns damit abfinden, vielleicht wird dieses Aufstiegsversprechen nie wieder so funktionieren, wie es in den letzten 150 Jahren funktioniert hat. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass bestimmte Dinge nicht einfach immer endlos gut weitergehen werden.
In der Geschichte war das ja in den allermeisten Zeiten nicht der Fall. Frühere Gesellschaften haben ja ohne dieses Aufstiegsversprechen, ohne dieses ständige Versprechen, dass alles besser wird, ja auch funktioniert. Genau das Gegenteil. Das Mittelalter hat darüber funktioniert, dass sich nichts verändern durfte, weil Gott hatte die Ordnung festgelegt und die Spielregeln ein für alle Mal bestimmt.
Da haben die Menschen tausend Jahre gelebt, ohne dass es ein gesellschaftliches Veränderungsversprechen gab. Richtig. Da muss man sich mal klar machen, das was wir als gesetzt annehmen, war in der allermeisten Zeit der Menschheitsgeschichte ja gar nicht gesetzt. Das ist das eine. Und Reckwitz sagt, gesetzt den Fall, dass das jetzt schwierig wird mit diesem Aufstiegsversprechen und dieser endlosen, immer weiter prosperierenden Zukunft.
Gibt es denn noch etwas, auf das wir uns dann konzentrieren könnten? Und was vielleicht auch der Ausweg wäre, er sagt Resilienz ist das Zauberwort. Warum? Resilienz ist natürlich grundsätzlich immer das Zauberwort. Das muss man mal dazu sagen. Und ich würde mal zwei Sachen unterscheiden, die psychologische und die gesellschaftliche Resilienz. Und Reckwitz verdient es, dass er sich für das Zweite interessiert. Also der psychologische Trick, der Fisherman's Friends Logik. Wenn das zu stark für dich ist, bist du zu schwach.
Ja, dass man einfach sagen, du regst dich über das und das alles auf. Wie wäre es denn mit immer ein bisschen deinen Widerstandskraft und deinen Widerstandsgeist und so weiter. Du musst ein bisschen härter und belastbarer werden. Mein Gott, ja, so leicht fällst du auch nicht um und so weiter. Ja, also man könnte auf diese Art und Weise psychologisch die Resilienz stärken. Das wäre wunderbar, wenn wir das tun würden. In der Erziehung unserer Kinder wäre das eine ganz, ganz wichtige Aufgabe. Aber er geht auch mehr darüber hinaus und sagt, also gesellschaftliche Resilienz ist eigentlich das Entscheidende.
Nun kommen wir allerdings in eine Denkfigur, die sich ein bisschen, wo die Katze sich in den Schwanz beißt. Weil er sagt, gesellschaftliche Resilienz würde zum Beispiel da entstehen, wo das Vertrauen wächst. Also wenn wir mehr Vertrauen haben, dass unsere Regierung das schon halbwegs irgendwo hinkriegt, dann sind wir auch nicht ständig wegen allem enttäuscht, weil wir sagen, ja okay, das war jetzt nicht so gut, aber die werden das schon irgendwie machen. Ja, also man muss, Vertrauensvorschuss muss man geben. Das große Problem ist nur, wo soll der im Augenblick herkommen?
Da wir also alle auch auf der psychologischen Ebene nicht mehr so resilient sind wie frühere Gesellschaften, spendieren wir auch kein Vertrauen mehr in Regierungen oder in Institutionen. Es ist schon so ein bisschen eine zirkuläre Struktur. Aber mir fällt ja in meinem Meinungsfreiheitsbuch auch nichts anderes ein, als am Ende zu sagen, wir müssen als Gesellschaft lernen, wieder resilienter zu werden und mehr auszuhalten.
Es ist schon, wir leiden schon insgesamt an einer gesellschaftlichen Überempfindlichkeit, die dann am Ende dazu führt, dass die Freiheitsspielräume schwinden, weil ständig irgendjemand sich von irgendetwas...
schlecht behandelt fühlt, auf den Schlips getreten fühlt, nicht genug geachtet fühlt, nicht genug gewertschätzt fühlt und so weiter. Ich würde mir ja wünschen, wir leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen sich selber so sehr wertschätzen, dass sie nicht die ständige Bestätigung von außen brauchen.
Also wahre Resilienz besteht darin, eine gesunde innere Wertschätzung für das, was man tut, zu entwickeln, die nicht auf ein permanentes Feedback von außen angewiesen ist, sodass ich pausenlos enttäuscht werde. Da sind wir ja gerade auf keinem guten Weg umgekehrt.
Nee, da müssen wir das Schiff beidrehen. Das ist wahr. Richard, schönes Schlusswort. Danke dir sehr. War ein guter Austausch. Und wir schauen weiter auf die EU und gucken, was sich da entwickelt. Das machen wir. Und finden die EU bitte weiterhin auch gut in diesem Sinne. Selbstverständlich. Richard, danke dir sehr. Hat Spaß gemacht. Bis bald. Tschüss. Ciao. Eine Produktion von M-Koch 2 und Podstars bei OMR im Auftrag des ZDF.