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Große Frage immer wieder in unserem Radio 3 Klimagespräch, in dem es heute um den Weltbienentag geht und vielleicht auch um einen Irrtum, dem viele von uns, ich auch, offensichtlich aufsitzen. Denn wir denken ja, dass wilde Gärten in den Städten, dass unsere Blumenwiesen, Blumentöpfe auf unseren Balkonen eine Hilfe sind für die bedrohten Bienen. Aber...
Ist das wirklich so? Darüber wollen wir reden. Jetzt da im Mai alles blüht und grünt und Urban Gardening und Guerilla Gardening sich so großer Beliebtheit erfreuen. Darüber wollen wir jetzt reden mit Elke Zippel. Sie ist Leiterin der Saatgutbank des Botanischen Garten Berlin. Jetzt im Studio. Schönen guten Abend. Einen schönen guten Abend. Also wie ist das mit diesen Samenbomben, die wir gerne irgendwo hinwerfen und denken, wir tun was Gutes. Ist das so? Ich muss mal sagen, das kommt ganz drauf an. Mhm.
Wir müssen natürlich immer erstmal berücksichtigen, wenn wir irgendwo Samen hinwerfen, irgendwelche Samenbomben hinwerfen, brauchen die Samen natürlich entsprechende Möglichkeiten, entsprechende Standortbedingungen, überhaupt auflaufen, Keimen auflaufen zu können und sich etablieren zu können. Und wenn man jetzt also irgendwie so eine Samenkugel irgendwo hinwirft,
Dann gehe ich mal in den meisten Fällen davon aus, dass das Substrat nicht stimmt, der Ort nicht stimmt und viele von diesen Auflaufenden, wenn sie denn Keim auflaufen, wenn die Keimlinge auflaufen, dann doch kaputt gehen. Und dann gibt es aber auch ein ganz großes Problem. Es kann durchaus sein, dass in diesen Samenmischungen, in diesen Seedbombs, irgendwelche Arten drin sind, irgendwelche Samen von Arten, die
einfach bei uns nicht hingehören, die auch die Biodiversität kaputt machen können. Also die Artenvielfalt eher zerstören?
sich breit machen und kontrolliert irgendwo ausbüxen und die heimische Flora oder das, was bei uns hier noch davon übrig ist, also förmlich überrennen und kaputt machen. Aber was heißt das jetzt? Das heißt, wir müssen uns diese Samenbomben ganz genau angucken, wenn wir sie kaufen oder geschenkt bekommen. Also ich habe sie geschenkt bekommen, ehrlich gesagt. Also wir müssen uns ganz genau angucken, was sind da für Samen drin und wir müssen uns dann den passenden Ort aussuchen, wo die Samen auch aufgehen können? Zum Beispiel. Also auf alle Fälle schauen, sind da potenziell invasive Arten
drin und das ist natürlich ein Problem, das so der Laie gar nicht mal auf den ersten Blick erkennen kann.
Vielfach wird auch gar nicht drin draufstehen auf den Packungen, was letztendlich in den Bomben da nun drin ist. Und dann ist es so, wenn ich jetzt da also allerwelts Arten habe, wie die Ringelblume oder ein bisschen Mohn oder Rittersporn, dann kann ich das natürlich in meinem Balkonkasten tun. Aber ich muss nicht dann denken, dass ich dann also groß was für die Natur und für die biologische Vielfalt tue. Das ist letztendlich ja Gardening. Es ist für uns hübsch anzusehen, aber...
Der biologischen Vielfalt und unserer Vielfalt von Pflanzen und Tieren und auch Pilzen wird das in der Regel nichts bringen. Also wir bilden uns ein, dass das was Gutes ist für Stadtklima und auch für unser eigenes Wohlbefinden, weil wir es halt gerne angucken. Okay und wie ist das jetzt? Wir haben ja heute den Welttag der Bienen und ich gehöre auch zu denen. Auf meinen kleinen Balkonen habe ich hier bienenfreundliche Pflanzen. Wurden sie mir jedenfalls so verkauft und da sind auch immer ganz viele Tierchen.
Und ich glaube, es sind ja eher Wespen, aber egal. Ist das jetzt was Kluges, was Richtiges, was Gutes, was ich da tue oder nicht? Ach, das kann man auch so pauschal einfach gar nicht sagen. Also auf alle Fälle ist es für Sie was Schönes. Sie können Natur beobachten, Sie können Bienen beobachten, Wespen, Wildbienen. Wespen gehören ja auch zu den Bienen.
Aber wogegen ich mich immer wehre, es ist dieser Stempel insektenfreundliche oder bienenfreundliche Pflanze. Es gibt nicht die bienenfreundliche Pflanze oder die bienenfreundliche Pflanze. Schon allein die Tatsache, dass wir über 550 Wildbienenarten bei uns in Deutschland haben und übrigens über 33.000 verschiedene Insektenarten, zeigt schon, dass wir im Prinzip ja gar nicht allen diesen
Insektenarten dann mit einer oder mit wenigen Pflanzen, die für uns schön aussehen, dann aber auch irgendwas bieten können. Und was immer gerne vergessen wird, dass es ja nicht nur die Biene gibt, die also dann die Blüten aufsucht, sondern es gibt auch ganz andere Insektenarten,
Entwicklungsstadien der Insekten und eine Biene, viele verschiedene Wildbienenarten brauchen auch ganz, ganz verschiedene Möglichkeiten, ganz verschiedene Lebensbedingungen, um die Eier abzulegen, um dann sich als Larve zu entwickeln. Und das ist irrsinnig komplex, ganz, ganz vielfältig. Und da kann ich also mit ein, zwei blühenden Pflanzen mir was Gutes tun, aber der
Der positive Effekt auf die Bienen ist, sag ich mal, überschaubar, zumal wir häufig meistens auch damit sehr häufige Arten fördern. Das heißt, ich sitze letztlich einem Marketing-Gag auf, weil es steht da immer dran an den Pflanzen, die ich da kaufe. Insektenfreundlich oder Bienenfreundlich. Also okay, danke für die kleinen Worte.
Letztendlich ja, aber wie gesagt, ich möchte das nicht alles immer ganz negativ machen. Die Frage ist ja, was kann ich besser machen? Also wenn ich nicht auf diesen Marketing-Gag reinfallen will in Zukunft, was kann ich besser machen? Das Erste, was jeder besser machen kann, sich erstmal wirklich mit den heimischen Arten, sowohl Pflanzen als auch Tieren, wirklich intensiv beschäftigen. Je mehr ich mich mit den Arten beschäftige, sie kennenlerne, ihre Lebensbedingungen, ihre Standortansprüche kennenlerne,
Und das verstehe und vor allen Dingen erstmal auch beobachte, desto besser bekomme ich ein Gefühl dafür und desto mehr verstehe ich auch die Komplexität dieser ganzen Geschichte und verstehe, dass es auch Bienen, dass den vielen Wildbienen gar nicht nur mit einer, ja, mit Blüten gehäufen ist, sondern die also entsprechende Nistmöglichkeiten benötigen. Nicht diese Insektenhotels, die im Zweifel aus gespritztem Holz bestehen und wo dann also die Larven noch zerquetscht werden. Also diese
Insektenhotels, die sie in Baumärkten kaufen können, sondern es reicht wirklich manchmal ein Lehmhügel, ein Sandhügel im Garten, der aber dann auch wirklich über einen langen Zeitraum dort stehen bleiben muss. Also diese ganze Entwicklung von Pflanzen und Tieren wirklich auch in der Zeit und auch im Raum, das verstehen lernen, das ist, denke ich, der erste Schritt. Und das gilt dir
Eigentlich für alle drei Personengruppen, über die wir jetzt sprechen. Also die, die quasi in der Stadt irgendwo eine Samenbombe fallen lassen und hoffen, dass dann was Schönes entsteht. Dann für mich, für meine Balkonpflanzen und dann für als dritte Personengruppe diejenigen, die einen Schrebergarten haben.
Und da irgendwie was Schönes draus machen wollen. Alle informiert euch und guckt genau nach und versteht, was ihr da tut, was ihr da treibt. Genau, wenn wir alle wirklich die heimische Flora kennenlernen und auch die Fauna, ihre Ansprüche, dann können wir eine ganze Menge tun. Aber auch hier nochmal die Frage, es heißt ja immer in den letzten Jahren regionale Pflanzen. Regionale Pflanzen, regionale und nochmal regionale Pflanzen. Aber was heißt denn das genau? Was auch in Brandenburg im Wald, im Kiefernwald irgendwie sich durchsetzt oder was ist damit gemeint für unsere Region?
Gut, im Kiefernwald wächst nun vergleichsweise wenig an Arten. Wollte ich nämlich sagen. Genau, aber regionale Pflanzen sind ja jetzt nicht nur Kiefernwaldpflanzen, sondern wir haben ja auch in unserer Kulturlandschaft, wie wir hier sind,
zumindest früher, auch ausgedehnte Wiesen gehabt, die mittlerweile immer artenärmer werden. Und viele von diesen Wiesenpflanzen gibt es noch hier und da. Und das sind durchaus wunderschön blühende, auch sehr attraktive Arten. Der Wiesensalber ist dabei oder das Labkraut und andere. Es gibt eine ganze Reihe wunderschöner Arten. Und regional heißt, dass diese Wiesen,
also wenn ich jetzt Saatgut kaufe oder Pflanzen kaufe aus regionaler Herkunft, das sind Pflanzen beziehungsweise Samen, die hier in der Region von solchen regionalen Herkünften produziert werden. Und das Besondere ist oder das Wichtige daran ist,
dass das also praktisch Pflanzen sind, die sich an unsere Klimabedingungen, Standortbedingungen, die wir hier in unserem trocken-warmen Berlin-Brandenburgischen Klima haben, angepasst sind.
die haben sich zusammen natürlich auch mit Insekten und anderen Tieren zusammenentwickelt. Das heißt, da gibt es also auch im Rahmen der sogenannten Ko-Evolution ganz enge Beziehungen. Teilweise sind die Blütezeitpunkte und zum Beispiel die Flugzeitpunkte von Insekten ganz eng aufeinander abgestimmt. Okay, aber nun kann ja nicht jeder eine Expertin sein wie Sie, die das alles ergründet und vielleicht auch weiß und vielleicht auch so aus dem Handgelenk dann schütteln kann. Also ich meine, das ist ja fast schon ein Studium, dass Sie da...
Auch von mir unterm Strich verlangen, oder? Genau, nein. Ich möchte auch wirklich darauf hin. Das ist eine sehr komplexe Geschichte, ein sehr komplexes Thema. Und es gibt regionales Saatgut zu kaufen, wo man allerdings auch wirklich sehr genau hinschauen muss. Da gibt es auch leider viele schwarze Schafe.
Und letztendlich auch wieder zurück zu der Schleife ist es wirklich zuerst hilfreich, sich damit zu beschäftigen, die Pflanzen und Tiere kennenzulernen und dann gefühlt zu entwickeln. Und dann werde ich auch diese Zusammenhänge begreifen und dann werde ich auch verstehen, ach, ich kann ja auch erstmal gucken, was bei mir im Garten überhaupt von sich aus wächst. Ist das wirklich jetzt was Heimisches und vielleicht kommt dann auch mal eine seltene Art raus.
Und diese Zusammenhänge zu begreifen, ist, denke ich, der allererste wichtige Schritt. Da wir hier aber auch den Monat Mai haben, in dem sowieso alles grünt und blüht, das ist auch der Monat, in dem man besser nicht Rasen mähen soll. Da kam ich gerade drauf, als Sie von den schönen Wiesen, da hatte ich so eine schöne Wiese im Kopf und dachte, okay, dann gehe ich mit dem Rasenmäher drüber und das war es dann.
Sollten wir uns daran halten, im Mai besser nicht Rasen mähen? Da muss ich sagen, auch das kommt wieder ganz drauf an. Zurück zum Studium so ungefähr. Es kommt einfach drauf an, was es für eine Fläche ist. Generell kann man sagen, ja klar, also erstmal wirklich blühen lassen.
Und man kann es im Mai blühen lassen, man kann es auch im Juni blühen lassen. Je verschiedener das Pflegeregime, das Matregime einer Fläche ist, desto mehr Vielfalt wird sich einstellen. Allerdings gibt es durchaus Flächen, gerade jetzt bei uns in der Stadt,
Da ist eine frühe und häufige Mahd sehr angebracht, nämlich da macht sich ja gerade eine sehr invasive Art bei uns in Berlin breit. Das ist die Hybrid-Luzerne, die also wirklich jetzt ganze Straßenzüge inzwischen eingenommen hat.
Und da ist es also durchaus empfehlenswert, der ständig eins über die Mütze zu geben und die abzumähen, um schlicht und einfach da ein bisschen den Schach zu halten. Aber vielleicht vorher auch erstmal angucken, wie die aussieht. Genau. Damit sind wir wieder beim Studium der heimischen Pflanzen. Aber ein Punkt zum Schluss noch. Sie arbeiten ja in einem sehr, sehr großen Garten, in dem Botanischen Garten Berlin. Haben Sie auch einen eigenen? Ja. Okay, und wie sieht der aus?
Es ist ein Unkrautgarten mit Gemüse. Und das lassen Sie so wachsen und wuchern? Ich lasse es wachsen und wuchern, da wo es wachsen und wuchern darf. Und wo ich dann meinen Salat und meine Tomaten haben möchte, da stehen dann meine Tomaten und mein Salat.
Und das ist richtig so? Alles richtig und Sie fühlen sich wohl damit? Das ist genau das, was Sie sich letztlich auch von uns wünschen oder von anderen Schrebergärtern, Gärtnerinnen und Gärtnern? Was ist richtig, was ist falsch? Das ist eine ganz, ganz schwierige Geschichte und ich möchte keinem irgendwie auch die Freude an Zierpflanzen vermiesen. Ich habe auch einige Zierstauden bei mir im Garten und das ist auch völlig legitim. Aber ganz wichtig ist einfach zu schauen, sind das vielleicht auch wirklich Arten, die ausbüxen können?
die also invasiv werden können
Und je mehr Arten ich bei mir habe und je mehr ich also auch wirklich auf diesen regionalen Schwerpunkt gucke und wirklich das kommen lasse, was da ist, desto mehr werde ich dann also auch für die heimische Biodiversität was tun können. Und wenn uns das wirklich wichtig ist, das nehme ich jetzt mit, wenn uns die Natur wichtig ist, wenn uns der Schutz der Insekten wichtig ist, der Bienen, der Pflanzen, des Stadtraums natürlich, wenn uns das alles wirklich wichtig ist, dann informieren wir uns bitte gefälligst. Genau, das ist das Allerwichtigste.
Guerilla Gardening und Urban Gardening, so einfach ist es nicht mit dem wilden Begrünen der Städte. Das ist nicht die Lösung für alle Probleme, die Insekten haben, die Bienen haben zum Beispiel. Das war Elke Zippel, Leiterin der Saatgutbank des Botanischen Gartens Berlin. Ich danke Ihnen sehr für den Besuch im Studio und dass Sie die Geduld hatten, mir das alles zu erzählen. Ja, gerne doch, Herr Schmidt. Vielen Dank auch meinerseits.