Ist die Welt noch zu retten? Das Radio 3 Klimagespräch.
Etwa 55 Prozent der Abfälle in Deutschland stammen aus der Baubranche. Jede Sekunde werden deutschlandweit über 7,3 Tonnen Bauabfälle erzeugt. So zumindest sagen es Zahlen aus dem Jahr 2020. Und schon länger wird überlegt, wie man statt ressourcenintensiven Abriss und Neubau in der Architektur anders vorgehen kann. Heute Vormittag hat sich die Initiative A.A.
AAA, das steht für Anti-Apris-Allianz für Umbaukulturen Berlin vorgestellt. Mit dabei war Leon Beck von den Architects for Future und ihn begrüße ich jetzt auf Radio 3. Hallo. Hallo. Leon Beck, Sie sind selbst Architekt und Designer, setzen sich in vielerlei Hinsicht für Transformationsprozesse ganz lokal auch ein. Welche Idee genau steckt hinter dieser Anti-Apris-Allianz? Die Anti-Apris-Allianz?
hat sich, wie der Name schon sagt, das Ziel gesetzt, Abrisse zur Ausnahme zu machen. Und ist eine Allianz, ein breites Bündnis von über 40 Organisationen, vom Denkmalschutz über soziale Belange bis zum Umwelt- und Klimaschutz. Also komplett interdisziplinär. Was hat es mit dieser Interdisziplinarität auf sich?
Ja, sowohl interdisziplinär von den Betätigungsfeldern als auch von den Strukturen. Heißt, wir haben Verbände mit dabei, haben Vereine mit dabei, den Verband der Landesdenkmalämter, also auch Teile der Verwaltung, die Architektenkammer Berlin und probieren so eigentlich in der Breite abzubilden, was in der Architekturszene aktuell diskutiert wird und
die vielfältigen Aspekte, die mit einem Abriss verloren gehen, auch darzustellen. Das eine ist der Klimaaspekt, das andere eben auch der soziale. Wie bauen wir, für wen bauen wir, wie bauen wir nachhaltig, wenn wir bauen? Aber Sie haben gerade gesagt, es geht ja um die Anti-Abriss-Allianz, die eben Abriss vermeiden möchte, aber stattdessen muss ja etwas anderes passieren. Was denn genau?
Umgebaut werden muss. Mit dem Bestand gearbeitet, denn der Bestand hat ein immenses Potenzial. Es wird geschätzt, dass sich allein aus dem Bestand jährlich 100.000 neue Wohnungen schaffen lassen.
Und dieses Potenzial zu nutzen, das ist die große Aufgabe. Und das versuchen die Initiativen der Allianz sowie auch die Allianz gemeinsam auf unterschiedlichen Ebenen zu erreichen, zu befördern.
Sie setzen sich seit Jahren für eine Umbauordnung ein, also Bauordnungen sollen in Zukunft Umbau eben fördern statt Abrisse. Hier kommt also auch die Verwaltung und der Gesetzgeber ins Spiel. Haben Sie denn ein Beispiel für gelungene Umsetzungen, die es ja sicherlich auch schon gab?
Es gibt jetzt gerade jüngst publiziert eine sehr schöne Sammlung von gelungenen Umbaubeispielen. Der Umbauatlas des BDA, des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, auch einer der Bündnispartner in der Allianz, in dem ganz unterschiedliche Umbauprojekte gezeigt werden, von großem Wohnkomplex bis hin zu einer kleinen Scheune. Und ein Projekt, tatsächlich eine Scheune, ist mir da besonders interessant,
Dann ist es eine kleine Transformation, die aber den Anstoß gegeben hat für ganz viele weitere Umbauten in und um Tübingen herum. Das heißt, Umbau kann auch über das einzelne Haus hinaus wirken.
Vorgestellt wurde heute auch die Volksinitiative Bauwende für Berlin. Was verbirgt sich dahinter genau? Die Volksinitiative Bauwende für Berlin ist eine Initiative von Klimaneustart Berlin und sie setzen sich mit Fokus auf Berlin für Klimaschutz.
Ziele ein, heißt Nutzungsänderungen zu vermeiden und Wohnnutzung zu erhalten, Leerstand zu vermeiden und sind dazu im Prinzip das, was sie auch mit AAA fordern und wollen und unterstützen möchten. Genau, nur noch mehr expliziter und auch direkt an den Senat gewandt. Schauen wir auch noch mal weiterhin konkret nach Berlin, Umbau Stadt Abris, da ist
In der Diskussion zum Beispiel seit vielen Jahren, seit 2002, das überwiegend leer stehende SEZ, das Sport- und Erholungszentrum. Das ist ja ein Riesenbau aus der ehemaligen DDR, der soll abgerissen werden. Warum eigentlich? Der bietet sich sicherlich auch für einen Umbau an, oder?
Das ist eine sehr gute Frage, weshalb der abgerissen werden soll. Ich kann sie nicht beantworten. Ich sehe nur, dass es ein sehr besonderes Gebäude ist, auch von der Entstehungsgeschichte, als eine Kooperation der DDR mit westdeutschen Unternehmen, auch im Hinblick auf die Technik vor Ort. Es gibt eine Wärmepumpe, die
die Abwärme der Eisbahn nutzte, um damit die Schwimmbecken zu heizen. Sie waren sehr progressiv. Ja, sehr progressiv, ein sehr innovativer Bau. Ja, das ist mir nicht verständlich. Und was wäre Ihre Vision für das SEZ?
Persönlich habe ich keine explizite Vision. Ich meine aber auch, dass das nicht das Ziel sein sollte, sondern dass es mehr um die Frage geht, was die Vision der Menschen in der Umgebung, in dem Quartier, die also einen ganz direkten Bezug zu diesem Gebäude haben, ist. Und die Initiative SEZ für alle fordert daher auch ein fünfjähriges Abrissmoratorium um einen Wettbewerb,
Und eigentlich genau diese gemeinsame Vision herauszuarbeiten. Und damit haben Sie auch einen weiteren Baustein der Initiative AAA genannt. Es geht um gesellschaftliche Bedarf und nicht um egozentrische Selbstverwirklichung, sage ich mal, von irgendwelchen Star-ArchitektInnen zum Beispiel. Auch das klingt ja alles mit in einer solchen Initiative.
Ja, Initiative. Sie wollen sich auch dem Kulturerbe widmen, fordern Machbarkeitsstudien darüber, wie bestehende Bauten erhalten werden können.
Haben Sie da Beispiele für derzeit bedrohte Architektur, die kulturell bedeutend ist oder war? Da gibt es leider, muss man sagen, vielfältige Beispiele. Also einen Überblick gibt in jedem Fall der Abrissatlas sowie auch die roten Listen des Kulturerbenetzes.
Das heißt, die zeigen den großen Überblick und Einzelbeispiele, um nur ein paar herauszugreifen, wäre der BR-Studio-Bau in München, der bayerische Rundfunk nach wie vor vom Abriss bedroht ist. Oder eben das SEZ, das ist ja doch auch ein
Ja, einen kulturellen Wert in mehrfacher Hinsicht hat. Auch ein Riesenareal letztlich ist, also eine große Fläche.
In etwa einem Monat gibt es dazu auch eine Ausstellung in Berlin unter dem Titel Let's Fix It – Umbau statt Abriss in der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst am Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Wie widmen sich Künstlerinnen wie zum Beispiel Jim Avignon oder Julius von Bismarck dem Thema? Diese Ausstellung Let's Fix It, die Teil der europäischen Bürgerinitiative House Europe ist,
für die wir aktuell Unterschriften sammeln, zeigt nebst Kartenmaterial zu Umbauprojekten künstlerische Positionen, indem beispielsweise bei Julius von Bismarck und Marta Diaschenko in dem Werk Neustadt
Gebäude gezeigt wurden, ehemalige verlorene Industriearchitektur in Form von Modellen, die dann an Orten der Industriearchitektur vorbeitransportiert wurden und so eigentlich wieder einen Bezug schaffen. Und diese sowie weitere Arbeiten werden dort zu sehen sein.
Zum Schluss noch ein Blick über den Tellerrand. Ich habe gerade von Beispielen wie zum Beispiel in den USA gehört, in Chicago der Leerstand von Büroräumen durch Smart Work oder Home Office, es wird ja ganz unterschiedlich benannt, hat sich da auch in unserer Arbeitsweise ja viel getan, sodass Bürogebäude, die Innenstädte oft verwaist sind. Ein sehr berühmtes Beispiel ist San Francisco.
Das ist wirklich deprimierend, wenn man da durch die Innenstadt geht. Und auch da machen sich Architektinnen und Architekten ran und bauen um, nutzen um, schaffen neue Wohnflächen, Lebensflächen, Lebenswerte, Umgebungen. Es scheint ja dann doch eine globale Bewegung oder ein globales Umdenken zu geben. Oder sind das wirklich nur Tropfen auf den heißen Stein? Wie bewerten Sie das?
Es ist eine globale Herausforderung, aber es werden nach wie vor neue Büroräume gebaut im großen Stil. Und ich glaube, das ist ein Punkt, wo wir genau hinschauen müssen und schauen müssen, wie können wir vielleicht auch bestehende Bürogebäude dann wieder ertüchtigen als Bürogebäude.
dann man muss natürlich auch sehen, dass sich nicht jedes Gebäude mit humanem Aufwand in jede andere Nutzung transformieren lässt, sondern dass natürlich eine Nutzungsänderung auch immer eine Schwierigkeit mit sich bringt.
Aber das Bewusstsein scheint geschärft für solcherlei Alternativen. Die AAA, Anti-Abriss-Allianz für Umbaukultur, wurde heute in Berlin vorgestellt. Was sich genau dahinter verbirgt, darüber habe ich mit dem Architekten und Designer Leon Beck von den Architects for Future auf Radio 3 gesprochen. Dafür herzlichen Dank. Dankeschön. Und falls Sie Interesse an der gerade angesprochenen Ausstellung haben, die ist vom 6. bis zum 9. März zu sehen, und zwar in der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst.
Am Alexanderplatz in Berlin-Mitte gezeigt werden dann gelungene Projekte aus dem Umbau Atlas. Kunstwerke etwa von Jim Avignon kommen noch hinzu und Julius von Bismarck, Volke Köberling und Zenru Liang.