Schönen guten Morgen, Richard. Guten Morgen, Markus. Wo erreiche ich dich?
Du erreichst mich in der Nähe des Mont Ventoux. Mont Ventoux, das ist ja mehr als Radfahrer, Tour de France, oder nicht? Ja, gut. Da bist du? Ja, also für jetzt Leute, die jetzt nicht über umfassende Allgemeinbildung verfügen, ist der Mont Ventoux natürlich durch das Radfahren bekannt. Aber es gibt natürlich einen Grund, warum er sehr viel berühmter ist.
Weil es eine der ganz wenigen Stellen in Europa ist, wo man alle vier europäischen Geierarten an einem Ort beobachten kann. Und deswegen bin ich hier. Wow. Ja. Warum überrascht mich das nicht? Also ich fahre jetzt hier nicht bei 36 Grad mit dem Rennrad da hoch, sondern ich klettere bei 36 Grad auf den Kairo-Felsen, der hier in der Nähe ist. So heißt der? Ja, genau, so heißt der. Und der sieht aus wie so ein Westernfelsen.
Also er ist nicht so hoch wie der Mont Ventoux. Sieht aber wirklich aus wie aus Monument Valley. Und dort oben nisten eine riesige Kolonie an Gänsegeiern, die größte in Europa. Also es gibt hier in der Region 300 Gänsegeierpaare. Und es gibt zwölf Mönchsgeierpaare. Und es gibt einen Schmutzgeier, der sich hierhin verflogen hat. Der heißt so? Der heißt tatsächlich Schmutzgeier. Er ist so ein süßer kleiner Vogel, sieht aus wie Rod Stewart. Ja.
Und es gibt einen einzigen Bartgeier, der hier mal in der Nähe irgendwo im Zoo erbrütet, hier freigelassen wurde. Und natürlich besteht die ganz große Kunst darin, also einen Vogel, von dem es nur ein Exemplar hier in der Gegend gibt, den tatsächlich zu finden. Fortpflanzung, oder? Ja, ist noch ein Jungvogel.
Das kann man bei den Vögeln auch gut sehen, aber da sollen natürlich weitere folgen. Oder man hofft, dass er irgendwo hinfliegt, so 200, 300 Kilometer weit, wo er andere Bartgeier findet. Und die wohnen alle auf dem Kairo-Felsen? Ich finde das nett, dass du das Wohnen nennst, also die Nissen.
Also nicht die beiden Einzelgänger hier, aber die anderen. Die zählt man dann im Gutpaaren und die nisten nicht alle auf dem Kairofelsen. Aber Kairofelsen ist quasi der Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit. Der ist auch relativ klein. Also die Geierdichte ist enorm. Also wenn du da hoch gehst, dann schweben Dutzende von Geiern sehr nah über deinem Kopf.
Irre. Und die erschrecken Sie auch nicht? Die attackieren dich nicht, wenn du kommst? Nein, nein, nein. Also es ist interessant, wenn man sich hier vorbereitet, dann gibt es eine Seite, wo diese Geiergesellschaft, die Freunde der Geier ein bisschen bewerben, was hier passiert. Deswegen hatte ich auch erwartet, es gibt Millionen von Touristen. Ich dachte, wir kommen da gar nicht hoch.
Aber bis auf ein ziemlich dehydriertes holländisches Pärchen haben wir bei dem Aufstieg niemanden getroffen. Wir waren also ganz alleine untergegangen. Überraschend, sehr überraschend. Genau. Und zu den am häufigsten gestelltesten Fragen gehört die Frage, attackieren die meinen Hund? Gehen die auf meinen Hund? Nein, also es ist die Frage, die andere Leute stellen. Ich bin ja ohne Hund. Und die wahre Antwort wäre gewesen, nur wenn er tot ist. Hahaha.
Weil Geier ja bekanntermaßen nicht jagen, sondern nach Kadavern Ausschau halten. Ja, sie sind Aasfresser. Also vielleicht, wenn so ein ganz, ganz bisschen Leben noch in ihr drin ist, dann können sie das verschmerzen. Also so halbtot würde vielleicht auch reichen. Ja, Wahnsinn.
Da liegt ja ein Kadaver. Es kommt in so einem Text von, ich glaube, Wolfgang Amos vor. Und nochmal ganz kurz, das ist kein, wie soll man sagen, kein touristischer Hotspot, wo du da bist. Du bist da sehr einsam mit zwei Holländern und sehr vielen Bartgeiern. Ja, sehr vielen Gänsegeiern. Also wie gesagt, der Bartgeier ist ja nur einer. Aber es ist so. Es ist eine der leersten Gegenden Frankreichs. Und deswegen hat man die Geier da auch angesiedelt.
Damit die sich so richtig schön da entfalten können und dann siehst du dann hier bei mindestens 36 Grad, wie die in der Mittagshitze schweben. Aber wenn man dann so da hoch geht, auf den Felsen und so, kommt man natürlich auch in einen speziellen Zustand. Mir läuft ja Schweiß so ins Gesicht, dass hier die Augen brennen und so weiter, bis klatschnass und so. Und da braucht man doch sehr, sehr viel Interesse.
Dass man tatsächlich noch den Kopf in den Nacken legt und das Fernglas ansetzt, irgendwo so zwischen dem Schutt und dem Geröll, über dem man dann da hochgegangen ist, ist auch schon so ein bisschen mühselig, der Aufstieg. Aber man wird halt mit den Geiern belohnt.
Ja, also so wie du das beschreibst, wird es diese sehr leere Gegend bleiben. Also das war jetzt kein großer Werbespot für die Gegend. Du möchtest, dass es so bleibt, du möchtest, dass da gar kein anderer ist, außer deine Mönchsgeier und so, wer da alles so rumkreucht und fleucht. Genau, und zu einem richtigen Geiererlebnis gehört Einsamkeit dazu. Und wo wohnst du da?
Es gibt ja kleine Orte hier und in den kleinen Orten gibt es die Dinge, so eine kleine Ferienwohnung gemietet. Ich glaube, die sind froh, dass sie die mal vermietet gekriegt haben. Das ist wirklich sehr beschaulich und zusammen mit einem sehr, sehr guten Freund, Lutz heißt er, und wenn der nicht wäre, dann wäre er nicht da.
Dann hätten wir jetzt überhaupt kein Gespräch, weil der hat überhaupt diese Internetverbindung, die hier sehr mühselig ist aus dieser Gegend, überhaupt möglich gemacht. Na gut, der Geier an sich braucht ja auch kein Internet. Genau, ja. Der kommt ja auch ohne WLAN klar. Ornithologen sind ja auch normalerweise eher schweigsame Leute. Also ich bin ja ein vergleichsweise gesprächiger Ornithologe.
Die meisten Vogelkunden da reden nur, wenn es unbedingt nötig ist. Herrlich. Wie lange seid ihr jetzt da, du und Lutz? Eine Woche. Eine Woche? Aber das ist am Ende doch eine überschaubare Zahl an Geiern. Die kennst du doch dann nach zwei Tagen alle. Also ich habe ja gesagt, 300 Gänsegeierbrutpaare,
Ja, das ist schon ziemlich viel. Aber willst du die alle persönlich? Nee, aber ich wäre froh, also ob ich den Bartgeier und den Schmutzgeier hier sehe, weiß ich nicht. Wobei man sagen muss, Bartgeier habe ich noch nie in der Natur gesehen, das wäre schon ganz toll. Schmutzgeier habe ich schon mal auf Menorca gesehen. Es gibt auf Mallorca keine, aber es gibt auf Menorca welche.
Und Mönchsgeier habe ich natürlich auf Mallorca gesehen, weil ich glaube somit die größte Brutkolonie an Mönchsgeiern befindet sich ja in der Tramontana in Mallorca. Aber so viele Gänsegeier auf einmal ist schon sensationell. Also das kann ich ehrlich mit gutem Gewissen jedem empfehlen, der sich für Geier interessiert, dass er hier mal zum Kairo-Felsen kommt. Wollte ich das immer mal fragen, Richard, du und die Vögel.
Was ist das? Was fasziniert dich so an Vögeln? Ich meine, ich habe die Faszination auch. Ich sehe da immer die Falken und dann sehe ich, wie die im Sturzflug, also wirklich Geiersturzflug mäßig nach unten gehen. Dann fehlt plötzlich auf dem Bauernhof nebenan wieder ein Huhn und so. Und die greifen da sehr regelmäßig zu. Also die kümmern sich nicht um Aas, sondern die machen... Die schlagen Beute. Entschuldige, sie schlagen Beute.
Und ich finde das alles faszinierend. Und Adler insbesondere finde ich wahnsinnig faszinierend. Die gibt es ja auch. Ich habe mal gesehen, wie ein Adler vor meinen Augen hat an ein Murmeltier gepackt. Und das war so irre, weil Murmeltiere, die gehen ja immer raus aus ihrem Bau und dann gucken sie sich so um und dann...
sehen die irgendwie einen Menschen oder irgendwas und dann wird gepfiffen und alle anderen wissen Bescheid. Aber was sie häufig nicht verstehen ist, dass das Elend von oben kommt. Genau so war es. Der hat den gepackt und hat den einfach so als Ganzes weggetragen und ich finde das so brutal, weil die leben ja dann noch ewig. Mit wem hast du dich denn identifiziert? Mit dem Adler oder mit dem Mugeltier? Ich glaube...
Daran kann man Menschen gut unterscheiden. Fangfrage, im wahrsten Sinne des Wortes in dem Zusammenhang. Fangfrage ist der richtige Ausdruck. Also das Mobiltier hat das große Problem, dass es nicht drei völlig verschiedene Warnlaute hat, ob der Angriff von oben kommt, ob der Angriff von unten kommt oder auf anderer Ebene. Andere Tiere haben das.
Also Erdmännchen haben verschiedene Warnrufe, je nachdem, ob die Bedrohungen aus der Luft kommen, also ob die jetzt vom Kampfadler kommen in dem Fall, ob die vom Leoparden kommen oder ob die von der Schlange kommen. Ist das unser legendärer afrikanischer Kampfadler? Über den reden wir? Ja, ja, genau. Der legendäre afrikanische Kampfadler ist eine große Bedrohung für Erdmännchen. Und zum Beispiel grüne Meerkatzen haben das auch. Die haben auch diese drei unterschiedlichen Warnrufe, weil das Fluchtverhalten muss sich danach richten.
Ja, ist schon klar. Werde ich aus der Luft attackiert? Oder werde ich von einer Schlange attackiert? Oder ist der Leopard hinterm Felsen? Jedes Mal muss ich mich ja anders verhalten. Aber soweit ich weiß, Murmeltiere haben das nicht. Das ist ein tragisches Tier eigentlich. Ja, aber ein süßes Tier. Erinnerst du dich an unser Kampfadler-Foto aus Afrika? Ja, natürlich erinnere ich mich daran. Das hast du mir ja auch mal geschenkt und das steht ja auch in meinem Zuhause, wo ich auch meine Vögel habe.
Und kommt da sehr gut zur Geltung. Ich sage das nur deswegen oder erwähne das, weil das ein besonders schöner Teil und mir besonders ans Herz gewachsener Teil unseres kleinen Podcasts ist. Und in dem Zusammenhang will ich nur heute ganz kurz darauf hinweisen. Richard, mir war das auch nicht klar, aber die Kollegen haben das getan. Wir machen heute gerade die 200. Folge. Wahnsinn. Wusstest du das? Nee.
200. Wusste ich nicht. Ich habe auch nie so richtig durchgezählt. Da würde man jetzt als alter Mann sagen, Kinders wie die Zeit vergeht. Das kommt einem gespenstisch vor. Das heißt, wir machen das jetzt hier schon über vier Jahre.
Ja, ja. Oder so um die vier Jahre.
Und das Gefühl habe, dass wir doch dem einen oder anderen irgendwie was bedeuten und was geben. Und ich höre ganz oft den Satz, ich lerne oft was bei euch. Manchmal ist es lustig, wenn Richard von seinen Vögeln und Bartgeiern und Mönchsgeiern erzählt.
Und manchmal ist es kontrovers und so weiter. Also offenbar gibt es da etwas, was wir da nervt getroffen haben. Und das freut mich sehr und ist sozusagen eine Bestätigung, weiterzumachen. Mich hat das ganze Ding, ich weiß nicht, wie es dir da geht, Richard, um einmal ganz kurz einen Satz darüber zu reden.
Mich hat das völlig überrollt und auch überrascht. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Also ich, ganz wahrheitsgemäß, als du mich fragtest, ob wir einen Podcast zusammen machen wollten, wusste ich nicht, was ein Podcast ist. Ja, ich weiß. Wir hatten uns ja beide nie mit dem Thema, die Genese. Wir hatten den Gedanken, was zusammen zu machen, ja schon deutlich länger, als wir den Podcast gemacht haben und wir wussten nicht so richtig, was.
Und als du dann gesagt hast, lass uns einen Podcast machen, ich hatte das Wort Podcast schon gehört, aber so eine richtige Vorstellung, was das sein würde und was das bedeuten würde, hatte ich überhaupt nicht.
Ja, es war ja auch, wir saßen zusammen nach einer Sendung, saßen wir kurz zusammen und haben so überlegt und es gab immer mal wieder diesen Gedanken diesbezüglich was zu machen und ich habe das immer weit von mir gewiesen irgendwie, weil ich dachte, nee, wir haben auch genug zu tun und ich weiß noch, du sagtest damals, ein Podcast darf ja nicht einfach die Fortsetzung von Fernsehen mit anderen Mitteln sein.
Und das leuchtete mir sehr ein. Und ich habe dann am nächsten Morgen, war ich dann laufen und habe nochmal über diesen Satz so nachgedacht und dachte, weißt du was, ich rufe den jetzt an, rufe dich an und frage dich auf, wenn ich einfach mal eine Folge aufnehmen wollte und mal gucken, ob uns das Spaß macht, was daraus wird und so weiter. Und so ist das alles entstanden. Das stimmt. Und das ist so klein und unschuldig entstanden, dass man das, was dann mal daraus werden würde, sich gar nicht hätte vorstellen können. Ja.
Ja, es gibt natürlich immer so die klassische journalistische Frage. Das war so, als ich Wer bin ich geschrieben habe. Haben Sie gedacht, als Sie das Buch geschrieben haben, dass Sie einen Bestseller schreiben? Ja, also wie verrückt hätte man sein müssen, um zu sagen, ja, ich habe so damit gerechnet, zwei, drei Millionen Mal sollte sich das schon verkaufen. Also ist ja totaler Schwachsinn. Man hat gehofft, dass man da Leser findet und dass es irgendwie halbwegs erfolgreich ist.
Und das war, als wir mit dem Podcast angefangen haben, im Grunde genommen genauso. Absolut, ja. Ich konnte auch den Markt nicht einschätzen. Ich konnte nicht einschätzen, wie groß das Interesse daran sein würde. Und deswegen ist natürlich die journalistische Frage, haben Sie sich vorstellen können, dass Sie da irgendwie zu den meistgehörtesten Podcasts oder so? Die Frage ist absolut absurd. Natürlich nicht. Das kann man ja auch nicht planen. Weißt du, ich finde in...
Lass uns das auch beenden, uns ein bisschen selbst zu feiern. Nur eine Sache ist mir noch wichtig zu sagen. Der arrogante Teil beginnt da, wo man glaubt, dass man das alleine ist. Wichtig ist zu verstehen, dass man es nie alleine ist. Wir haben hier im Podcast ein kleines, aber sehr, sehr gut eingespieltes, feines Team, bei dem man sich dann auch mal sehr klar und ausführlich bedanken muss, die jede Woche großartige Arbeit machen, mit denen wir uns austauschen. Das ist sehr fruchtbar, dieser Austausch.
Und dafür ganz herzlichen Dank. Es ist der Sender, passt sozusagen das Produkt zu dem Sender. Das gleiche Ding, dasselbe Ding, das wir beide machen im Fernsehen oder auch Podcast, würde woanders möglicherweise ein totaler Rohrkapierer sein. Wir wissen es nicht, wir werden es nie erfahren. Dann trifft es auf einen bestimmten zeitlichen Kontext, auf Umstände. Die Welt ist heute so, wie sie ist.
Und deswegen haben offenbar Leute das Gefühl, es könnte sinnvoll sein, das zu nutzen. Und das macht dann am Ende den Erfolg aus. Und die Arroganz beginnt dann, wenn man anfängt zu glauben, das ist man alles ganz alleine. Man ist es natürlich nicht. Und das sage ich wirklich aus tiefer Überzeugung. Und dann gehört natürlich auch einfach Glück dazu. Ich meine, es waren ganz viele glückliche Umstände, die uns beide, und ich glaube, so ist es bei jedem Menschen,
Dann auf den Weg gebracht haben, auf dem wir heute unterwegs sind und das ist glaube ich auch die große Gnade und überhaupt das große Glück, wenn du sozusagen den Segen hast in deinem Leben irgendwann das eine Ding zu finden, das wirklich wie nichts anderes nur zu dir ganz perfekt passt.
Das ist ein großes Glück und das Glück haben viele Leute nicht, weil sie gar nicht in die Umstände kommen. Und dafür muss man wirklich dankbar sein. Das ist alles nicht selbstverständlich. Natürlich, die dauerhafte Unselbstverständlichkeit des Erfolges, vor der man immer eine gewisse Ehrfurcht und Respekt haben muss. Richtig.
Das sehe ich auf jeden Fall auch so. Und dann kamen wir jetzt mit unserem Podcast in den letzten vier Jahren in eine Zeit zunehmenden politischen Interesses herein. Man denke mal an die soziale Symmetrie der Merkel-Ära, über sehr lange Zeit jedenfalls, wo eigentlich nichts wirklich so ganz gravierendes politisches geschehen ist. Und wenn du jetzt auf die letzten vier Jahre zurückkommst, also während der Corona-Pandemie, den Russischen Krieg, den Nahostkrieg,
Donald Trump, die vorgezogene Bundestagswahl, das Scheitern der Ampeln und so weiter. Die große Orientierung, die Neuaufstellung Europas und wie soll das sein und so weiter. Im Grunde genommen nehmen wir in einer Zeit ganz viele große Fragen. Und vor zehn Jahren war das nicht so. Da lebten wir eigentlich gar nicht. Also vielleicht bis die große Migration losging. Also Syrien, Krieg und Migrationswelle und so. Aber davor war zum Beispiel eine ganz, ganz ruhige Zeit.
Und natürlich nicht in der ganzen Welt, aber in der Wahrnehmung Deutschlands und so hat man das Gefühl, so viel verändert sich gerade nicht in der Welt. Das geht jetzt irgendwie nur so weiter und wir werden dauerhaft ein bisschen reicher und vielleicht noch ein bisschen freier und das Leben wird noch ein bisschen schöner und so. Aber diese ganz große strukturelle Unsicherheit unserer Zeit...
Das ist natürlich so ein bisschen eine Folie, die auch unter unserem Podcast liegt. Absolut, absolut. Und weißt du, eigentlich schließt sich da ein interessanter Kreis, Richard. All das führt ja also zwangsläufig zu Fragen der Identität. Wer sind wir und wenn ja, wie viele? Und in diesem wirklich berühmten Buch weißt du ja eigentlich nach, so hat es, glaube ich, Harald Welzer neulich formuliert, dass es gar kein Ich gibt, sondern nur eine Idee davon. Mhm.
Ja, das war der Ausgangspunkt, der natürlich mit dem Titel zusammenhängt. Die Erfindung des Titels ist eine andere Geschichte, die ich oft erzählt habe. Aber warum dieser Titel passend ist, ist einfach, weil es ein Kapitel über das Ich darin gibt und dass aus Perspektive der Neurobiologie, der Hirnforschung, es nicht ein Ich im Gehirn gibt, sondern es gibt sieben oder acht verschiedene Ich-Zustände, die in unterschiedlichen Hirnregionen erzeugt werden. Mhm.
Und zum Beispiel ist das Körper-Ich, das in diesem Moment merkt, dass ich hier auf diesem Stuhl sitze und dass ich nicht mir selbst gegenüber sitze oder an einem anderen Ort im Raum ist, etwas, das teile ich mit jedem Hund und jeder Katze. Das ist ein ganz primitives Ich im Grunde genommen. Aber mein autobiografisches Ich, das weiß, dass wir 200 Folgen Podcast aufgenommen haben und wie das mal anfing, das teile ich jetzt mit den allermeisten Säugetieren nicht.
Und so gibt es verschiedene Hirnregionen, Hippocampus, wo die Erinnerung drin ist, wichtig für das autobiografische Ich oder ganz elementare Ich-Zustände und so weiter, die vielleicht auch im limbischen System erzeugt werden, Zwischenhirn. Und das große ungelöste Geheimnis ist, wie sieben oder acht verschiedene Ich-Zustände entstehen.
so zusammenspielen, dass daraus die Melodie des Ich entsteht. Das heißt so etwas wie das Gefühl, sich zeitlich als ein und dieselbe Person durchzuhalten, also Identität. Und das ist nicht gelöst. Das wissen wir bis heute überhaupt nicht, wie das funktioniert. Wie also diese gefühlsechte Illusion, ein Ich zu sein, die sich in den Köpfen von acht Milliarden Menschen befindet, wie die erzeugt wird.
Und da habe ich ein längeres Kapitel zugeschrieben in Wer bin ich und darauf bezieht sich dann auch der Titel. Ich meine, die Frage, wer wir sind und wer wir sein wollen, das ist ja eine, die uns gerade unglaublich umtreibt. Du hast es irgendwie mal schön formuliert, du sagtest, wir leben in so einer Welt des Als-Ob-Weltes.
Beispiel Amerika. Wir leben in einer Welt, in der wir so tun, als ob das gute alte Amerika irgendwann wieder zurückkehren würde. Und sagt, das wird aber nicht so sein. Verabschiedet euch davon. Das ist eine große Illusion. Es ist jedenfalls ausgesprochen unwahrscheinlich, dass das zurückgeht. Sondern ich glaube eher, dass es eine sich fortsetzende Entwicklung sein wird. Und diese Entwicklung würde ich jetzt so beschreiben, dass ich sage...
Wir leben in kapitalistischen Gesellschaften. Der Kapitalismus ist mit Abstand die erfolgreichste Wirtschaftsform, die es in der Geschichte der Menschheit je gegeben hat. Er hat sich immer weiter durchgesetzt. Er hat auch alle systemischen Konkurrenten, die Planwirtschaft, den Staatssozialismus und so weiter, weit hinter sich gelassen. Bis auf Nordkorea sind alle Länder der Welt kapitalistisch. China ist sogar viel kapitalistischer als Deutschland. Der hat sich überall ausgebreitet.
Jetzt kann sich der Kapitalismus ja nicht nur auf dem Globus ausbreiten, sondern er breitet sich auch in einer Gesellschaft, in einer Kultur aus. Das heißt, ein sehr, sehr fortgeschrittener Kapitalismus ist dann erreicht, wenn jeder Mensch in einer Gesellschaft wie ein Kapitalist denkt.
Wie erwirtschafte ich in meinem Leben so viel Spaß wie möglich, so viel Sinn wie möglich, so viel Glück wie möglich? Ich überlege aus all den Möglichkeiten der Abendgestaltung, versuche ich die optimalste daraus zu suchen. Ich möchte bei der Partnerwahl den optimalst möglichen Partner haben und so weiter. Das ist eine Form von Konsumverhalten. Ich will das nur beschreiben, nicht kritisieren. Das hat viel für sich.
Aber es führt irgendwann dazu, dass wir alle eigentlich nur noch nach Marktnormen funktionieren und dass das, was in der Menschheit, in der Kultur sonst immer so eine große Bedeutung hatte, die sozialen Normen, immer geringer werden. Die sozialen Normen, das sind immer das, was ich früher übernommen habe. Religion.
Traditionen, Sitten, Gebräuche, althergebrachte Normen, Milieus und so weiter. Und das ist alles so der Bereich, den der Kapitalismus eigentlich braucht für eine gute Gesellschaft. Das heißt, die brauchen sich gegenseitig quasi als Gegensätze oder der Kapitalismus braucht das als Leitplanken? Nicht sie brauchen sich. Also Sitten und Gebräuche brauchen nicht den Kapitalismus. Es gab über Jahrtausende. Aber der Kapitalismus braucht die Sitten und Gebräuche. Ja, wenn er die nämlich nicht mehr hat und die Leute...
Also wenn keiner mehr fair spielt im Grunde genommen. Er muss Fairness voraussetzen. Er muss Ehrlichkeit voraussetzen. Und er muss einen funktionierenden Sozialstaat zum Beispiel voraussetzen. Weil sonst versinkt alles im Chaos. Und die Frage ist immer, woher sollen diese ganzen Sozialnormen kommen, wenn sie durch die Marktnormen kannibalisiert werden. Wenn sie so schon Stück für Stück oder transformiert werden. Und das ist sozusagen etwas, und deswegen komme ich auf Donald Trump,
Donald Trump ist jetzt wahrnehmbar ein Präsident, für den es keine sozialen Normen mehr gibt. Es gibt nur noch Kapitalismus, es gibt nur noch Marktnormen. Das USA wird von nun an geführt, ohne Werte, ohne Weltanschauungen, ohne Empathie, ohne die Verlässlichkeit von Bindungen, von ethischen Verabredungen. Alles keine Rolle mehr. Und das ist sozusagen der pure Kapitalismus. Und ich würde mir immer sagen, ist ja auch logisch.
Wenn der Kapitalismus immer weiter in den Gesellschaften des Westens fortschreitet und mittlerweile genauso in China und so weiter, dann bleibt am Ende auch nichts mehr übrig und dann darf man sich nicht wundern, wenn Politik durch und durch kapitalistisch wird und dass man dann ein Land führt wie eine Firma.
Ja, wie eine Immobilienhaie Firma. Und das heißt, du sagst, Donald Trump ist kein Unfall der Geschichte, sondern es ist eine konsequente Entwicklung. Das ist eine konsequente Entwicklung aus einer Entwicklung, die längst im Gange ist. Er ist natürlich, muss ja zwei Sachen unterscheiden.
Er ist als Person natürlich irgendwie auch clownesk, wenn auch vielleicht ein böser Clown. Und vielleicht ist er auch ganz einfach, einfach ein infantiler Narziss, der von seinen Launen getrieben und so weiter ein großes Bedürfnis hat, den dicken Haus zu spielen. Eine relativ simple Sache. Das ist nicht der Teil, der mich interessiert.
Ich finde ihn als Symptom interessanter, dass in einer Gesellschaft so eine Figur zum zweiten Mal Präsident werden konnte, sagt etwas über den Zustand der Gesellschaften aus. Und das ist meine Logik vom Durch- und Durchkapitalismus, was am Ende übrig bleibt und wo in dem ich Angst habe, dass es sukzessive und in kleinen Schritten international Schule machen wird. Dass das quasi jetzt die nächste Phase von Politik ist, die wir auch in anderen Ländern erleben könnten.
Hast du die Bilder aus diesem Gefängnis gesehen, das wir dann in Everglades bauen wollen? Nee. Hast du das zufällig mit dir? Nee, du bist ja auf dem Cairo-Felsen. Ja, unter Geiern. Unter Geiern, genau, ganz alleine. Die Bilder, die da in dieser Woche entstanden sind, die fand ich wirklich heftig.
Man hat sich ja an so vieles gewöhnt, aber die Bilder, was die da dann auch gepostet haben, so mit drei Krokodilen und so weiter, so nach dem Motto, wenn du Immigrant bist, ja, wir schieben dich da hinab in diesen Knast, den wir bauen, so ein Hochsicherheitsgefängnis mitten in den Everglades, ja, in den Sümpfen da von Florida.
Und dann geht er hin und gibt Tipps und sagt, wenn du abhauen willst, dann musst du zickzack laufen. Und vielleicht schaffst du es zu überleben. Eine Sekunde. Weil die Werte in diesem Gefängnis, das werden Krokodile sein. Und dann spricht ihn eine Reporterin an und sagt...
Alligatoren. Und er sagt, nein, nein, Krokodile, das ist die nächste Stufe. Die können ein bisschen mehr. Die haben mehr drauf. Stimmt. Die muss man dann aber aus Südostasien holen. Also du müsstest Leistenkrokodile, sind die gefährlichst. Ja, Nierlkrokodile sind schon nicht schlecht, aber Leistenkrokodile, das ist das gefährlichste Krokodil. Wird auch sieben Meter lang. Die müsste man dann in die Everglades bringen. Da würde natürlich jeder Biologe rebellieren, weil die würden die Alligatoren sofort verdrängen.
Also da müsste ich jetzt schon aus ökologischen Motiven sofort einschreiten und sagen, das ist eine invasive Art, die gehört da nicht hin. Als ich das jetzt gesehen und gelesen habe, diese Inszenierung und dachte, Gott ist das ekelhaft und ich muss dir ehrlich sagen und deswegen fand ich das vorhin so interessant, als du sagtest, das erzählt ja ganz viel auch über unsere Gesellschaft, das ist so.
Dass der das tut, ist das eine, aber dass der Aufschrei darüber, über diesen Zynismus vollkommen ausbleibt, ist das andere. Wo siehst du den Unterschied? Ob ich in den Everglades einen Knast baue, der von Krokodilen umgeben ist, oder ob ich früher Alcatraz gebaut habe, das von Haien umgeben war?
Das ist doch eigentlich die gleiche Logik. Das will er ja auch wieder reaktivieren. Das will er ja auch wieder reaktivieren, sagt er ja auch. Das ist der Traum, Alcatraz zu reaktivieren, von Haien umgeben. Das ist das berühmte Gefängnis da in San Francisco. San Francisco Bay und in Alcatraz, in den Everglades. Aber das zeigt dir sozusagen, in welche Welt wir da reingehen. Und das
Das ist im Grunde dieser brutale, in dem Fall tatsächlich dann auch wirklich mal passend, weil buchstäblich Raubtierkapitalismus, das ist das, wo wir da reingehen. Ja, das ist so und das Interessante ist, dass der Raubtierkapitalismus jetzt nicht ein Element ist.
Ja, aber wenn er das früher gemacht hat, wie zum Beispiel das Dritte Reich, das auch raubtierkapitalistisch andere Länder überfallen hat vom Gruseligsten.
Dann war das immer verbrämt mit Ideologie oder Weltanschauung, ja, mit einer Rassenlehre und diesen ganzen Blödsinn, den man erzählt hat über Lebensraum im Osten und, und, und. Ja, das heißt also, früher hat man das alles ideologisch verbrämt. Und bei Donald Trump, und das ist sozusagen der Kapitalismus, der zu sich selbst kommt, der braucht überhaupt keine ideologische Verbrämung mehr. Der redet gar nicht mehr über Werte oder irgendwas und höhere Ziele und so weiter, sondern
Der versucht gar nicht, was anderes zu sein. Der steht da völlig hier, ganz ehrlich, so bin ich. Und so ist es halt. Und das ist das, worauf es im Leben ankommt. Und das ganze andere Gewäsch lassen wir jetzt mal weg. Ich meine, wenn man sich das mal anschaut, gerade wenn man Amerika auch ein bisschen kennt,
Wenn du diese Zeltstädte, so muss man es ja nennen, innerhalb der Städte, weil wir gerade über San Francisco gesprochen haben, kennst. Ich meine, wir sind dort am helllichten Tag überfallen worden. Wir haben uns alles geklaut, irgendwie beim Mittagessen. Du wirst gewarnt, wenn du aus dem Hotel gehst, zum Teil, geh bitte nicht nach links, sondern geh nach rechts, weil rechts ist einigermaßen sicher und links wissen wir nicht so genau, was passiert.
Und das ist ja am Ende eine hart tickende soziale Frage, die du da besichtigen kannst. Und du siehst das aus diesen Türmen heraus. Elon Musk, wenn der im X-Tower sitzt, sieht das. Der hat das direkt vor der Nase. Der sieht das. Der sieht die Obdachlosenzelte.
Trump sieht das auch. Du musst beim Weißen Haus nur einmal kurz um die Ecke gehen, dann hast du auch dort mittlerweile Obdachlose. Washington war schon immer, muss man sagen, eine Stadt mit viel sozialem Elend und enormer Kriminalität. Und dann gehst du hin und erhöhst die Verteidigungsausgaben, senkst die Steuern für diese unglaublich reichen Menschen, die es in Amerika zuhauf gibt.
und kürzt die Sozialausgaben. Das ist das, was du machst. Das ist Kapitalismus in reinster Form. Also mehr geht eigentlich nicht. Und ich bin diesbezüglich auch nochmal jetzt, passt eigentlich gar nicht dahin und irgendwie doch, ich weiß nicht, ob du die Bilder von Jeff Bezos Hochzeit in Venedig gesehen hast. Nein, ich bin nicht so Yellow Press interessiert. Ja, Hochzeiten, Hochzeiten, da kann ich nicht mitkommen. Also
Ich gucke nicht die Hochzeiten anderer Leute, die ich nicht kenne, an. Ich auch nicht, aber dem konnte man nicht entkommen. Und es hat auch eine interessante Debatte ausgelöst, nämlich die Frage, ist das eigentlich obszön? Was passiert da eigentlich? Im Grunde wurde diese Hochzeit in Venedig quasi zu einem Symbol eines Systems, das Reichtum feiert.
Aber erstaunlich wenig Beitrag leistet sozusagen, um die Gesellschaft vielleicht zu einer besseren Gesellschaft zu machen. Und in dem Zusammenhang habe ich eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung gelesen, die kam mir irgendwie unter. Die sagte, dass bis heute zahlt Amazon weltweit, obwohl sie Milliardenumsätze machen,
kaum Steuern. Und bis heute bezahlt jeder kleine Buchhändler pro Euro Umsatz das Dreifache an Steuern im Vergleich zum großen Amazon.
Das heißt, der Reichtum von Besos Fuß sozusagen, so haben die das dann beschrieben, auf Ausbeutung. Steuerhinterziehung, legaler Steuerhinterziehung. Das ist der Punkt. Es ist dann ja in dem Fall auch gar keine Steuerhinterziehung mehr, sondern es ist alles ganz legal. Ja, es ist im Grunde, ist es genau das, was sozusagen dieser Kapitalismus, wenn du es nur noch so denkst, was im Grunde die logische Konsequenz ist. Und
Das heißt, du hast ja dann noch viel mehr. Du hast 100 Privatjets, mit denen da die Gäste anreisen. 100. Die verursachen zusammen 350 Tonnen CO2. Das ist ungefähr so viel CO2, wie 30.000 Autos an einem Tag ausstoßen. Venedig sinkt.
Das Wasser steigt. Im letzten Jahrhundert ist der Meeresspiegel, glaube ich, schon um 30, 25 bis 30 Zentimeter gestiegen. Im selben Zeitraum ist Venedig ungefähr um 25 Zentimeter abgesackt.
Das heißt, während sozusagen, das war das Resümee der Autorin, die sagte, während Venedig buchstäblich untergeht, feiern die Überreichen, als gäbe es kein Morgen. Und ich finde, da hat sie tatsächlich einen Punkt. Ja gut, das ist ein schönes Bild. Es ist folgenfrei und es ist schamfrei. Also mit den Steuern, das finde ich jetzt spannender als die Hochzeit. Das Spannende ist ja, die Unkenntnis der Steuergesetze schützt ja nicht vor Strafe.
Aber die Kenntnis der Steuergesetze, die schon, das ist ein sehr guter Gedanke. Und ich meine, es gab dann die Debatte darüber, was Jeff Bezos darf und was er nicht darf. Und ich muss ehrlich sagen, ich tue mich damit immer so ein bisschen schwer. Natürlich muss man sagen,
Da gibt es Leute wie Jeff Bezos und auch noch ein paar andere, die verdienen unvorstellbar viel Geld. Ich meine, Larry Page von Alphabet, der verdient, glaube ich, ungefähr eine Million Dollar pro Stunde. Mark Zuckerberg macht ungefähr zwei Millionen Dollar pro Stunde. Und Jeff Bezos hatte eine Zeit, da hat er knapp fünf Millionen Dollar pro Stunde gemacht. Ich meine, das musst du dir mal vorstellen. Das heißt, wenn diese Hochzeit 50 Millionen kolportiert gekostet hat,
juckt denen das nicht so richtig. So kann man das sehen. Man kann es auch anders sehen. Man kann auch sagen, Jeff Bezos hat so viel Wohlstand geschaffen, Wohlstand für andere. Aber müsste man die jetzt, wenn man das jetzt unter Moralgesichtspunkten sieht oder volkswirtschaftlich...
Mit dem aufrechnen, was an anderer Seite andere Leute nicht verdient haben. Also Buchhändler zum Beispiel oder andere Geschäftsmodelle, die wegen des Versandhandels zugrunde gegangen sind. Also es ist ja nicht neu erzeugtes Geld, oder? Es ist doch eigentlich verschobenes Geld.
Ja, mein Punkt ist ein anderer, Richard. Ich tue mich immer wahnsinnig schwer. Die Frage sozusagen der Gerechtigkeit. Dann werden auch häufig diese beiden Begriffe so gleichgesetzt. Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit wegen Ungleichheit. Ungleichheit und Ungerechtigkeit ist nicht das Gleiche. Und Jeff Bezos, ich habe mich dann oft gefragt, auch so in Diskussionen mit Freunden, wenn dann wieder dieses Thema kam, dieser obszöne Reichtum von amerikanischen Tech-Milliardären.
Da habe ich immer gesagt, ich tue mich wirklich wahnsinnig schwer. Ich bin selber eine sehr neidfreie Zone. Ich tue mich wahnsinnig schwer, Jeff Bezos irgendwas vorzuwerfen. Ich meine, das ist ein Computer-Nerd, der war ja früher an der Wall Street.
hat dann mal sehr genau beschrieben, wie er das gemacht hat. Er hat gesagt, okay, was ist sozusagen der Internetladen, den ich aufziehen kann, wo ich die allermeisten, die allermeisten Gegenstände sozusagen online verkaufen kann. Er sagt, das sind Bücher, weil jedes Jahr erscheinen ein paar Millionen Bücher weltweit und die müssen alle irgendwie zu ihren Besitzern kommen. Und so hat er sich überlegt,
Das könnte ein geniales Geschäftsmodell für einen Internetversandhandel sein. So fing das an, mit so einer ganz nüchternen Analyse und der Erfolg gibt ihm recht. Ich werfe dem gar nichts vor. Doch Steuervermeidung, das werfe ich ihm absolut vor. Genau, das ist die Debatte, die du in Amerika auch hast.
über diese Philanthropen, ja, die dann, dann hat man Stiftungen und dann macht man Charity-Galas und hast, und ich denke immer, nein, lass das alles, zahl deine Steuern. So, das ist das einzige Ding. Und das ist der Teil, der dir im Grunde aber sagt, auf welchem Weg wir da sind. Und ich, ich, mal sozusagen zum Schluss nochmal ein Gedanke, Richard, ist das, wenn wir mal ganz ehrlich sind, wir sind ja dann auch immer sehr schnell aus deutscher Sicht so sehr moralisch und sagen, ja, da gibt es diese riesige soziale Ungerechtigkeit in Amerika und so weiter. Ja,
Die Wahrheit ist, dieses System ist ja auch eines, das wir sozusagen konsequent im Grunde in diese Richtung weiterentwickeln, muss man mal sagen. Es gibt nirgendwo so viele Milliardäre nach USA und China wie in Deutschland, obwohl wir im Vergleich dazu ein geradezu winzig kleines Land sind. 71 Prozent des Vermögens in Deutschland sind noch nicht mal selbst erwirtschaftet, die sind einfach nur geerbt.
Also im Schnitt dazu weltweit sind wir bei 36 Prozent. Der größte Teil des deutschen Vermögens wird vererbt und dann auch entsprechend besteuert. Deutschland ist eine Steueroase, deswegen gibt es ja auch so viele Stiftungen, deswegen gibt es ja so viele Möglichkeiten sozusagen Kapitalerträge deutlich geringer zu besteuern als Einkünfte aus Arbeit usw. Richtig.
Das sind alles Signale, die dir sagen, in diese Richtung geht es jetzt eigentlich hin. Und ich kann irgendwie nicht erkennen, dass wir da in irgendeiner Form den Kurs korrigieren. Nee, glaube ich auch nicht. Würde ich jetzt auch von einer künftigen Regierung nicht erwarten. Also wo und wann wäre denn da mal je eine Kurskorrektur gekommen? Also dass wir Gewinne in der Finanzwirtschaft geringer besteuern als sie in der Realwirtschaft.
Das kommt aus der Schröder-Zeit. Das war die Deregulierung der Finanzmärkte und so weiter. Es waren linke Politiker, die das angestoßen haben. Es waren sogenannte linke Politiker, die das gemacht haben. Tony Blair, Schröder. Ich kann mir im Augenblick gar keine Regierung vorstellen in der Bundesrepublik, die das rückgängig macht. Das ist auch übrigens kein großes gesellschaftliches Thema.
Weißt du, das sind ja immer so, man sieht das mit Bezos, man findet das obszön. Ja, ich denke auch, wenn ich so reich wäre wie Bezos, ich würde es nicht machen. Du wahrscheinlich auch nicht. Nein, sicher nicht. Aber ich werde mir das nicht vor. Aber nochmal, das ist kein moralisches Verbrechen der höchsten Kategorie, das da begangen wird. Das ist eher so, dass er das innere Gefühl für Anstand sagt, muss das sein, so abzureißen.
Aber es ist jetzt nicht das ganz große Verbrechen. Das ist eher die Steuervermeidung. Wenn die größten Konzerne der Welt, und da ist Amazon ja nicht alleine da, mehr oder weniger alle keine oder sehr, sehr, sehr wenige Steuern zahlen, dann ist das natürlich ein riesiges Problem, weil das ist ein Geld, was den Staaten fehlt. Unter anderem ihre Sozialstaaten, ihre Bildung und was weiß ich was zu finanzieren. Und darin sehe ich den Skandal und den sehe ich jetzt nicht in der Hochzeit. Und nochmal das System dahinter, Richard.
Du hast auch in dem Gespräch mit Harald Welzer darauf hingewiesen, das fand ich eine interessante These. Du sagtest, ich glaube, eigentlich entwickeln wir das deswegen so konsequent weiter, um an anderer Stelle, wo es eigentlich wirklich für uns als Menschheit entscheidend wäre, weiterhin sagen zu können, da ist eigentlich gar nichts. Stellt euch nicht so an. Stichwort Klimaveränderung, Stichwort Veränderung der Natur. Ich meine, wir haben gerade darüber gesprochen, bei welchen Hitzen du da gemeinsam mit zwei armen Holländern Berge besteigst in Frankreich.
Wir haben hier in Deutschland mittlerweile 40 Grad. Das ist alles Wetter, das verstehe ich schon. Das ist nicht Klima. Aber ich sage mal, die Ereignisse, die Wetterereignisse, die dir irgendwie signalisieren, pass auf, da passiert gerade was, die häufen sich.
Und ich habe nicht das Gefühl, dass wir als Menschheit gerade in der Lage sind, das in irgendeiner Form zu korrigieren. Ganz im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, wir geben uns zum, das würde mich mal sozialpsychologisch interessieren, wir geben uns eigentlich so einem Fatalismus hin und damit einhergehend auch so einem Hedonismus nach dem Motto, okay, wir wissen eh, worauf es hinausläuft.
Und deswegen, lass uns nochmal richtig einen drauf machen. Ich glaube, dass das tatsächlich der Subtext ist. Also natürlich, wir haben niemanden in unserer jetzigen Regierung, der sagen würde, der Klimawandel, der menschengemachte Klimawandel existiert nicht. Ich wüsste von keinem. Das heißt also, alle akzeptieren das und sagen, das ist so. Es gibt auch niemanden, der nicht sagen würde, das ist alles in allem wahrscheinlich das größte Problem der Menschheit mit all den Folgen, die das für künftige Generationen hat, würden auch alle sagen.
Das Problem, was wir haben, besteht also nicht darin, dass wir von Klimaleugnern regiert werden, sondern von Leuten, die überhaupt keine Klimaleugner sind, denen die ganze Ernsthaftigkeit des Problems bewusst sind und die es trotzdem in ihrer täglichen Arbeit komplett marginalisieren und runterspielen.
ja, wir müssen ja jetzt hier nicht Klimaweltmeister werden und das muss ja auch alles bezahlbar werden. Es gibt hundert Gründe, die dann kommen. Und aus der Sicht der Politik ja auch nicht ganz unverständlich, weil man mit wirklich konsequenter Klimapolitik, das haben wir jetzt gesehen, wirst du von deinen Wählern abgestraft. Und die Folge ist dann, dass sich doch eigentlich in jedem unserer heutigen Spitzenpolitik, ob das Merz oder Klingbeil ist oder so, irgendwie im Bewusstsein gesetzt haben muss, ja,
Dass wir verloren haben. Das ist nicht geht. Das ist offensichtlich. Das ist nicht geht. Ich wüsste nicht, sonst müsstest du eine ganz andere Politik machen und da hättest du wieder das Problem, du würdest die Wähler verlieren. Aber Richard, wenn das der Befund ist, dann heißt das, wir haben aufgegeben. Ich glaube, dass wir uns selber nicht bewusst gemacht haben, dass wir aufgegeben haben, aber ich glaube, dass wir stillschweigend in uns aufgegeben haben.
Also viele Menschen, mit denen ich mich in meinem Umfeld, in meinem Bekanntenkreis unterhalte, die sagen so Sätze wie, ist das toll, dass ich hier noch beim Tauchen und so Great Barrier Reef, dass ich das alles noch gesehen habe. Meine Kinder, meine Enkelkinder, die werden das alles nicht mehr erleben können.
Und die, die auch gesagt haben, wir konnten noch mit halbwegs gutem Gewissen jedenfalls vor einigen Jahrzehnten um die Welt fliegen und so weiter. Künftige Generationen werden das ja alle nicht mehr tun können. Und dann einfach so denken, wie gut, dass wir es noch alle gehabt haben. Das ist ja überwiegend die Boomer-Generation, die sagt, wir haben das alles noch richtig genießen können und so weiter. Und die eigentlich alle so davon ausgehen, die Zukunft wird diesbezüglich, was Klimawandel anbelangt, Umweltzerstörung anbelangt, fürchterlich.
Solche Sätze hörst du nicht von Politikern.
Ich kenne keinen einzigen Politiker, der sagt, im Grunde genommen haben wir die Schlacht um das Klima verloren. Niemand sagt das. Jeder sagt, es ist ein wichtiges Thema und spielt natürlich eine wichtige Rolle und dann werden wir hier und dann werden wir das machen und so weiter. Aber die wissen auch, dass das, was sie tun, natürlich viel, viel, viel zu wenig ist. Die können aber irgendwie gut schlafen dabei. Und wenn sie dabei gut schlafen können, muss ich voraussetzen, dass sie insgeheim umstill wissen, dass sie das Ding nicht mehr rumgerissen kriegen.
Und wenn sie es nicht rumgerissen kriegen, die Probleme werden ja immer größer, die künftigen Generationen auch nicht. Und das bedeutet schon so etwas wie sich innerlich, ohne sich das bewusst gemacht zu haben, sich damit abgefunden zu haben, dass wir den Kampf um eine zukünftig bewohnbare Erde verlieren oder schon verloren haben.
Ich meine, nochmal Bezos, ich habe gerade zitiert, die 100 Privatjets, die dort angekommen sind. Also jeder mit seinem Flieger fliegen ist mir privat völlig wurscht. Also das dürfen die alles machen. Nur an einem Punkt kriege ich ein Problem. Wenn da drin unter anderem jemand wie Leonardo DiCaprio sitzt, der vor ein paar Jahren noch mit Obama bedeutungsschwangere und sehr emotional triefende, betroffene Interviews zum Thema Klimawandel gemacht hat.
Und dann sehe ich, wie der regelmäßig auf irgendwelchen Superjachten vor Saint-Tropez und anderswo rumcruist.
Dann denke ich immer, okay, also mit dieser Widersprüchlichkeit, die müssen wir doch irgendwie mal auflösen. Wir können doch nicht sozusagen verbal uns immer wieder zu Dingen bekennen und sagen, ja, das ist so, das nehmen wir wahr. Wir sehen, dass der Twades Gletscher beispielsweise in der Westantarktis jetzt auch plötzlich in Bewegung kommt. Also Antarktika, um das nur mal klar zu machen, wenn es in der Antarktis wirklich schmilzt,
Dann haben wir ein echtes Problem. Dann reden wir über 50, 60 Meter Meeresspiegelanstieg. Das heißt mit anderen Worten, das darf nicht passieren, wenn wir nicht von diesem Planeten verschwinden wollen. Dann können ja nicht alle in den Alpen wohnen. Aber auch da passiert es ja. Da hast du mittlerweile drei Grad fast im System und du siehst, wie viele Berghänge plötzlich ins Rutschen kommen. Also die Häufigkeit, mit denen ich plötzlich Videos sehe. Das hat auch was mit den überall verfügbaren iPhones und so weiter zu tun. Das verstehe ich schon alles.
Aber dennoch sagen dir Klimaforscher, da kommt wirklich buchstäblich was ins Rutschen, da passiert gerade was. Das heißt, wir wissen das alles auf einer sozusagen rationalen Ebene.
Wir fühlen das auch, glaube ich, auf einer emotionalen Ebene. Du hast es ja gerade gut geschildert. Wir spüren als Menschen, haben wir ein Supersensorium, wir spüren diese Bedrohung. Wir merken es, wenn wir rausgehen, wenn auf Mallorca plötzlich 44 Grad sind. Das kriegen wir mit. Wir kriegen als Menschen ganz genau mit, ab wann es für uns tatsächlich lebensbedrohlich wird. Aber ins Handeln kommen wir nicht.
Weil, dann haben wir ganz viele Gründe, wo wir sagen, naja gut, wir Deutschen allein können das sowieso nicht und so weiter. Und dann hast du doch irgendwie das Gefühl, es gibt nicht so ein richtiges Generationendenken. Das gibt es vielleicht so ein bisschen mit den eigenen Kindern, aber so dieses Denken, wir können doch künftigen Generationen die Erde nicht so überlassen und ihnen diese unlösbaren Probleme auftischen, das spielt dem Alltagsbewusstsein der Menschen irgendwie keine Rolle.
Ja, Menschen sind auch deswegen immer sehr erfolgreich, weil sie sehr gut verdrängen können. Und das ist das ganz große Verdrängungsthema unserer Zeit. Kurze Zeit, so in Zeiten von Greta oder so, da sind wir so ein bisschen nervös und sensibel und so geworden. Das gab mal Zeiten, da wollte Barack Obama unbedingt ein Foto mit Greta.
Das ist noch gar nicht lange her. Heute würde er alles tun, um es zu vermeiden. Um dieses Foto, dass es nirgendwo abgedruckt wird oder nirgendwo erscheint. So schnell ändert sich das. Ich meine, das wäre nochmal ein spannendes Thema, Richard. Wir sollten das aufgreifen. Ähm,
Und ich glaube, die Kollegen, ich schaue gerade zu Lukas, die haben das auch in Planung, Sommergespräche. Wir werden uns einen Gast dazu holen. In einer der nächsten Folgen wird Luisa Neubauer bei uns sein. Und dann sollten wir dieses Thema mal vertiefen, weil mich auch sozusagen die Frage des Umgangs damit sehr interessiert. Also das eine ist sozusagen...
das Problem zu beschreiben, aber dann auch ganz pragmatisch zu gucken, was kann man eigentlich dagegen tun. Und mir ist da häufig zu viel Apokalypse drin. Ich denke immer, mein Gott, ich verstehe das auf einer theoretischen Ebene, das ist apokalyptisch.
Aber wir brauchen doch als Menschen und auch mit Blick auf unsere Kinder brauchen wir doch ein bisschen Zuversicht, weil sonst geht es in jedem Fall nicht weiter. Ja, also ist doch völlig klar, also der berühmte Goethe-Satz, dass nur die Sache verloren ist, die man aufgibt, die gilt. Und selbst wenn man die Erfolgswahrscheinlichkeit, wie das bei mir der Fall ist, nicht mehr für besonders hoch hält, halte ich es dennoch für meine Verpflichtung, alles dafür zu tun.
dass es nicht allzu bald zu dieser Katastrophe kommt, die übrigens nicht schlagartig einsetzen wird, sondern eine kontinuierliche Verschlechterung der Lebensbedingungen. Es gibt nicht den Big Bang, also die Klimakatastrophe ist kein Meteoriteneinschlag. Aber es gibt die berühmten Kippphänomene, das heißt das, wovon du gerade gesprochen hast, wenn das arktische oder antarktische Eis im großen Stil schmilzt und sich die Meeresspiegel rasant erhöhen, dann
Das ist keine kontinuierliche Entwicklung. Da geht plötzlich innerhalb ganz kurzer Zeit etwas, was lange langsam gegangen ist, das geht auf einmal ganz schnell. Und davon werden wir einige dieser Phänomene erleben. Also so sprunghafte Zäsuren, die die Lebensbedingungen auf diesem Planeten, die ziemlich optimal für den Menschen sind, so ins Ungleichgewicht bringen, dass dann viele Regionen der Erde nicht mehr für Menschen bewohnbar sein werden. Und was das an sozialen Folgen bringt, brauchen wir uns gar nicht ausrechnen.
Und da ich ja gerade hier unter Geiern bin, die Geier werden das überleben. Also so viel Aas kann man sich gar nicht vorstellen. Und die sind unheimlich resistent und die macht das gar nichts aus, bei 36 Grad Träge um die Felsen zu segeln. Und das können die auch noch bei 40 Grad.
Also, Richard, hab eine gute Zeit. Das hat Spaß gemacht, sich mit dir über diese große Distanz auszutauschen. Unsere 200. Folge. Dank dir sehr. Dass wir mal über Geier, Alligatoren, Krokodile und so weiter reden würden, das ist mir ein großes Vergnügen gewesen. Es passt in die Zeit. Es passt in die Zeit. Raubtiere überall. Also, in diesem Sinne, danke dir sehr. Ja, ich dir auch. Tschüss, Markus. Ciao.
Eine Produktion von mk2 und Podstars bei OMR im Auftrag des ZDF.