Lernt ein bisschen Geschichte, dann werdet ihr sehen, wie der Reporter sich damals entwickelt hat. Hallo und herzlich willkommen bei Geschichten aus der Geschichte. Mein Name ist Daniel. Und mein Name ist Richard. Ja, und wir sind zwei Historiker, die sich Woche für Woche eine Geschichte aus der Geschichte erzählen. Immer abwechselnd und immer so, dass der eine nie weiß, was der andere ihm erzählen wird. Genau so ist es.
Bevor es hier jetzt aber weitergeht, kommt noch eine kleine Werbeeinschaltung. Richard. Daniel. Du weißt, ich wohne in Bayern und hier werden sehr viele unterschiedliche Arten von Brezen in großen Mengen verspeist. I do, I do. Und ich möchte mich da nicht ausnehmen.
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Vieles, vieles nicht. Wir haben nur noch zwei Folgen zur 500, das heißt wir sind angelangt bei Folge 498. Hervorragend. 498 und ich will gar nicht um den heißen Brei herumreden. Wir haben letzte Woche nämlich auch schon eine Geschichte gemacht, die habe ich erzählt. Und weißt du noch, worum es da ging?
Ja, du hast die Geschichte eines Erfinders erzählt, eines etwas unglücklichen Erfinders, wenn man so will. Der Herr Dreis. Der Herr Dreis, der nicht die Dreisine erfunden hat, die wir kennen, aber der für einen Vorläufer des Fahrrads zuständig war. Richtig, die Laufmaschine. Die Laufmaschine. Ja, und wie soll ich sagen, ein bisschen ein tragisches Leben.
hat er gehabt. Also hier so ein bisschen zwischen den Welten auch. Ja, wie so oft bei diesen Biografien, die wir erzählen oder eigentlich bei ganz vielen Biografien auch im 19. Jahrhundert, die enden oft so ein bisschen traurig und tragisch. Ja, leider. Aber heutzutage ist er schon auch bekannt als
Einer der Erfinder des Fahrrads. Absolut. Ich meine, er hat immerhin mit der Laufmaschine das Zweiradprinzip etabliert und damit so die Voraussetzungen fürs Fahrrad geschaffen. Das in den Köpfen der Leute war. Man kann auch auf zwei Rädern unterwegs sein. Ja, genau.
Und man kann fahren, ohne auf dem Pferd reiten zu müssen. Genau. Es hat natürlich so Buggys für Pferde auch gegeben, aber das sind die zwei Räder natürlich nicht hintereinander, sondern nebeneinander. Genau, ja. Also es gab ja auch so diese Gefährte mit vier Rädern und mit drei Rädern, die gab es schon. Aber wirklich so eben dieses Zweiradprinzip, dieses Balancieren auf zwei Rädern, das war neu. Sehr gut.
Ja, Richard, was soll ich sagen? Normalerweise würde ich dich jetzt fragen, hey, hast du auch eine Geschichte vorbereitet für diese Woche? Aber nach 498 Folgen können wir ja davon ausgehen, dass das eigentlich immer der Fall ist, oder? Genau. Daher würde ich sagen, ich bin mal gespannt, worum es heute geht. Daniel, stell dir vor, enge, dunkle Gassen, massive Mauern, eine befestigte Stadt im Herzen Spaniens.
So alt, dass selbst ihre Steine noch flüstern. Von Macht, von Wissen und von Dingen, über die man besser nicht spricht.
Die Stadt, von der ich spreche, ist Toledo. Vielleicht erinnerst du dich an meine Folge über Boabdil, den letzten Nasriden-Herrscher von Granada, GHG 476. Und Toledo war wie Granada Teil jener Welt, in der Araber, Juden und Christen über Jahrhunderte zusammenleben und einander auch prägen, sprachlich, kulturell und intellektuell.
Im 12. Jahrhundert gehört die Stadt nach Jahrhunderten unter arabischer Herrschaft wieder den Christen. Also König Alfonso VI. hat sie zurückerobert. Was hier aber jetzt folgt, das ist kein Bruch, kein Ende, sondern eher ein Höhepunkt. Toledo wird zu einem Ort der Begegnung, wenn man so will. Wissen wird übersetzt, Texte wandern und viele Gedanken, die kreuzen sich. Aber Toledo hat auch noch ein zweites Gesicht.
Eines, das, wenn man so will, sich nicht in der Sonne zeigt. Also wer zu jener Zeit das Recht sucht zum Beispiel, der geht nach Bologna. Wer auf der Suche nach den Künsten ist, geht nach Paris. Wer allerdings Dämonen beschwören, mit Engeln sprechen oder geheime Formeln lernen will, der muss nach Toledo. In den Schatten dieser Stadt nämlich, in den Gewölben, in den Kellern, vielleicht sogar in unterirdischen Schulen.
Da sollen folgende Dinge liegen. Bücher voller Zauber, voller Rituale und, wie sich manche auch erhoffen, voller Macht. Toledo heißt zu jener Zeit, ist das Tor zur Welt der magischen Bücher. Und genau um diese Bücher wird es in dieser Folge gehen.
Wir nennen sie Grimoires und in dieser Folge werden wir sie aus den dunklen Ecken der Geschichte holen. Wir werden uns anschauen, woher sie kommen, was sie versprechen, wer sie benutzt hat und warum sie uns bis heute nicht loslassen. Richard, ein fantastisches Intro. Gratulation dazu. Ich freue mich auf die Folge. Sehr gut.
Es ist so, seit Menschen begonnen haben, Zeichen und Symbole auf Oberflächen zu ritzen, besteht eine enge Verbindung zwischen dem Schreiben und der Magie. Ein Beispiel dafür sind zum Beispiel die chinesischen Orakelknochen, über die ich im absoluten Frühwerk gesprochen habe, in GAG 20. Vielleicht erinnerst du dich noch. Und diese Verbindung...
die ist mehr als nur pragmatisch. Das geht tiefer. Es geht nicht bloß darum, Rituale oder Zaubersprüche festzuhalten, weil das gesprochene Wort vielleicht vergessen werden könnte. Im Grunde ist es der Akt des Schreibens selbst, der hier als etwas Mächtiges und vielleicht eben auch als etwas Okkultes verstanden wird. Vielleicht erinnerst du dich auch an meine Einleitung zur Folge über verlorene Bücher, GAG 451. Da habe ich auch über die Klasse der Schriftgelehrten in Mesopotamien gesprochen.
denen auch magische Eigenschaften zugeschrieben wurden, weil sie diejenigen waren, die Dinge aufgeschrieben haben.
Wie es der US-amerikanische Medievist Richard Kiekeffer recht treffend formuliert hat, ein Buch der Magie ist auch ein magisches Buch. Also dahinter steckt die Vorstellung, dass solcher Text nicht nur ein Behälter für Wissen ist, sondern selbst auch Teil der Magie. Also die Schrift, das Buch, das Aufgeschriebene, all das wird zu einem Werkzeug.
Das ist ein Denken, das sehen wir in vielen Kulturen. Also zum Beispiel bei den Batak auf Sumatra, da schreibt der Datu, Priester und Magier, der schreibt seine Zauber auf einen Teil des Alim-Baums und diese Bücher, Poistaha genannt, die werden dann wie so Ziehharmonikas gefaltet und hier schreiben auch keine neutrale Technik, sondern es ist Teil dieser magischen Praxis.
Und zieht sich ja auch durch die Zeiten diese Vorstellung. Zum Beispiel im Buch Numeri, da wird beschrieben, wie ein Priester einen Fluch aufschreibt, diese Tinte dann mit Wasser abwäscht und die beschuldigte Person, die muss dieses Wasser dann trinken. Und die Worte tragen selbst in dieser Auflösung dann noch eine Macht.
Es gibt ähnliche Vorstellungen in anderen Teilen der Bibel auch, grundsätzlich auch im christlichen Glauben. Heilige Texte werden da manchmal auch gegessen, sie werden als Schutz getragen oder zum Beispiel auf Amuletten aufgeschrieben und bieten damit Schutz oder Hilfe.
Und damit ist im Grund die Saat gelegt für die Entstehung dieser Grimoires, also Büchern, die nicht nur Sprüche sammeln, sondern selbst auch dann zu magischen Objekten werden.
All diese Texte, diese Anleitungen, die in früher Zeit auf unterschiedliche Medien geschrieben worden sind, die wollen eben gesammelt werden. Es ist so ein Impuls, der zeigt sich schon im alten Babylon zum Beispiel, wird aber vor allem greifbar im gräkorömischen Ägypten. Also da gibt es Papyri, die verschmelzen dann ägyptische, griechische und jüdische Einflüsse.
Und das ist auch der Zeitpunkt, wo sich der Fokus der Dinge, die aufgeschrieben werden, so ein bisschen verschiebt. Ursprünglich waren es Sprüche, die dafür gesorgt haben, dass man geschützt wird oder die heilen sollen. Jetzt verändert sich das hin zu persönlichen Wünschen, zu Macht und auch zu Einfluss. Und in diesem Kontext taucht dann auch eines der frühesten Beispiele eines solchen Grimoires auf.
Bevor ich aber darüber spreche, du hast dich sicher schon gefragt, was eigentlich soll Grimoire bedeuten? Woher kommt das? Was ist das für ein komisches Wort? Darum sagst du nicht einfach Zauberbuch. Es ist interessant. Es ist nämlich nicht ganz klar, woher dieses Wort kommt.
Manche vermuten, dass es sich vom italienischen Rimario ableitet, also ein Buch voller Reime oder Bibelverse. Wahrscheinlicher ist allerdings was anderes, und zwar, dass es vom französischen Wort Grammaire kommt, das ursprünglich einfach ein in Latein verfasstes Werk bezeichnet. Und im Frankreich des 18. Jahrhunderts beginnt sich dann die Bedeutung dieses Begriffs zu verschieben. Also Grammaire wird jetzt zunehmend mit Zauberbüchern assoziiert.
weil viele dieser Werke in lateinischer Sprache kursieren, während der Rest des Buchmarkts zu jener Zeit hauptsächlich französisch ist. Und bald wird dann dieses Grimoire auch im übertragenen Sinn gebraucht. Also wenn was Unverständliches oder Rätselhaftes erscheint, sagt man, es ist wie ein Grimoire. Ah, okay. Es ist dann erst im 19. Jahrhundert als...
werden wir nachher auch noch darüber sprechen, so ein Interesse an okkultem Wissen, vor allem unter der gebildeten Schicht wieder aufflammt, dass dieses Wort dann auch außerhalb von Frankreich und vor allem im englischen Sprachraum verwendet wird und so ein bisschen zum festen Bestandteil der esoterischen Literaturgeschichte wird. Okay, verstehe. Also Grimoire ist so der Überbegriff zu Büchern, die in irgendeiner Art und Weise magisches Wissen enthalten. Genau.
Genau, werden wir auch noch ein bisschen drüber sprechen, was genau eigentlich dort drin ist. Also unser Buch ist kein Grimoire. Unser Buch ist kein Grimoire. Jedenfalls zurück zu einem der ersten und wahrscheinlich bekanntesten Grimoires, dem sogenannten Testament Salomos.
Es wird manchmal auch bezeichnet als das erste überlieferte jüdische Grimoire. Wahrscheinlich entstanden irgendwo zwischen dem ersten und fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Und in diesem Testament Salomos, da wird nicht einfach die bekannte biblische Geschichte von König Salomo erzählt. Stattdessen geht es um Magie. Also es geht um Dämonen, es geht um Bannworte und vor allem geht es auch um Kontrolle.
Also Salomo, so heißt es, erhält vom Erzengel Michael einen magischen Ring.
mit dem er Dämonen beherrschen kann. Und diese Dämonen, die stören nämlich den Tempelbau, sie plagen die Arbeiter und einer nach dem anderen müssen sie jetzt vor den König treten, sich selbst benennen, ihre dämonischen Kräfte offenbaren und was hier auch ganz entscheidend ist, sie verraten jetzt auch, wie man sie kontrollieren kann. Das passiert dann oft auch zum Beispiel durch das Schreiben bestimmter Wörter, also der Dämon Autotit zum Beispiel,
Der bekennt, dass er vor allem Streit und Zwietracht sät. Man könnte ihn aber bannen, indem er Alpha und Omega niederschreibt. Und solche Kombinationen aus Namen, Kräften und Anleitung zur Bannung, die werden dann so ein bisschen zur Blaupause vieler weiterer Grimoires. Auch
Das berühmte Salomons-Siegel wird manchmal als Pentagramm gezeichnet, manchmal als Hexagramm, manchmal so als Kreis dargestellt und taucht hier zum ersten Mal auf und wird sich durch die Geschichte der magischen Literatur ziehen.
Dass es sich bei diesem Testament nicht nur um, wie soll ich sagen, so Erzählungen handelt, sondern um ein echtes Arbeitsbuch, das zeigt dann auch eine mittelalterliche Handschrift, die jetzt in der British Library liegt, mit handschriftlichen Notizen des Besitzers. Da gibt es dann Hinweise auf Exorzismen, auf Rituale, auf magische Praxis usw.
Und dieses Werk, dieses Testament Salomos, das wird ab dem Zeitpunkt, ab dem es zum ersten Mal auftaucht, weit verbreitet. Also in hebräischer, arabischer und lateinischer Sprache. Und während dieses Testament Salomos einen frühen Einblick in jüdische magische Literatur gibt, gibt es archäologische Funde, die auch auf noch ältere Formen solcher Texte hinweisen. Es gibt zum Beispiel Kaiserslautern.
keine klare Spur eines sogenannten achten Buchs Mose, wie es später mal dann in der populären Magie kursieren wird. Aber es werden später sechste und siebte Bücher Mose erscheinen, die voll sind mit magischen Siegeln, mit Darstellungen von Amuletten, mit Zauberformeln. Und die gehen wahrscheinlich auf ältere, mündlich überlieferte oder eben auch nur fragmentarisch erhaltene orale Traditionen zurück.
Im Mittelalter schließlich treten dann jene Grimoires hervor, wie sie uns heute wahrscheinlich am bekanntesten sind, also als richtige Handbücher der rituellen Magie. Und ein Beispiel dafür ist das sogenannte Almandal. Das ist im Grunde ein recht einfaches und klares Werk zur Anrufung von Engeln.
Erhalten ist es in lateinischer und deutscher Sprache, letzteres aus dem 15. Jahrhundert. Und der Name verweist dort auf das arabische Wort für eine Wachstafel. Und genau so eine Wachstafel spielt in diesem Werk auch eine zentrale Rolle. Also...
Da geht es darum, der Magier ritzt mit einem Silberstift göttliche Namen und auch eben solche Salomo-Siegel in die Wachsplatte. Dazu kommen dann Gebete, Gesten, Objekte. Also so eine Magie, die sich nicht nur auf das Wort, sondern auch auf das gesamte Materielle stützt. Was hier auch interessant ist, dieses Alman-Dal beschreibt auch, wie sich die Engel zeigen werden. Das heißt, diese Anleitungen erfüllen zwei Zwecke, sie zeigen.
zeigen, wie man Engel anruft, aber geben einem auch dann Hinweise darauf, wie man zwischen Engeln und Dämonen zum Beispiel unterscheidet. Für den Fall, dass man irgendwie aus Versehen an Dämonen anruft und der dann kommt statt am Engel. Also was uns solche Werke zeigen, das Grimoire entwickelt sich vom erzählenden Text zur praktischen Anleitung für die Ausübung von Magie.
Und da wird vor allem auch die Art und Weise, wie so ein Grimoire hergestellt wird, immer bedeutender. Also Tinte und Pergament zum Beispiel spielen eine zentrale rituelle Rolle. Tinte gilt dabei eben nicht nur als Schreibmaterial oder Schreibmittel, sondern auch als der Träger magischer Kraft. Zum Beispiel, wenn sie mit Mürre oder sogar mit Blut versehen ist. Meistens Tierblut, sehr selten Menschenblut.
Und manche der Zauber, die dann aufgeschrieben werden in so einem Grimoire, die verlangen auch geweihte Tinte, um die göttliche Energie in diese Schrift zu leiten. Und auch beim Pergament, aus dem die Grimoires anfangs entstehen, das ja eigentlich Tierhaut ist, da ist die Reinheit entscheidend. Also besonders begehrt sind Jungtier- und sogar ungeborenen Pergament, das oft unter einem riesigen Aufwand hergestellt werden muss,
und es braucht viele Tiere, um so ein Grimoire dann tatsächlich herstellen zu können.
Und diese Entwicklung dieses Grimoires, das wäre allerdings ohne kulturelle Austauschzentren mehr oder weniger undenkbar. Und hier kommt jetzt das eingangs erwähnte Toledo wieder ins Spiel. Also Ende des 12. Jahrhunderts wird Toledo zu so einer Art Schmelztiegel des esoterischen Wissens. Also ein Ort, an dem sich die intellektuellen Strömungen unterschiedlichster Kulturen kreuzen und auch miteinander so verweben. Und
Und aus genau dieser Verflechtung entsteht dann auch dieses Zentrum der abendländischen Magie, wenn man so will. Also nach der Rückeroberung der Stadt durch Alfonso VI. im Jahr 1085, also Alfonso VI. von Kastilien, der sich angeblich einmal als Imperator der zwei Religionen bezeichnet hat, ist aber nicht ganz sicher, ob das tatsächlich er war.
Jedenfalls unter ihm bleibt Toledo so ein Ort der Vielfalt. Also ein Großteil der muslimischen Elite verlässt zwar die Stadt, aber viele arabisierte Christen und auch jüdische Gelehrte, die fließend Arabisch sprechen, die bleiben. Und dazu kommt dann aber so eine französisch geprägte Geistlichkeit. Und es kommen ständig neue Gelehrte, Pilgernde und Neugierige, die sehen wollen, was es mit dieser Stadt auf sich hat. Es ist ein intellektuelles Klima, das ist
in Europa so bis zu dem Zeitpunkt nicht gegeben hat. Und im Zentrum dieses Ganzen steht ein riesiges Übersetzungsprojekt. Im Grunde das Wissen aus der arabischen Welt, das heißt jetzt medizinisch, philosophisch, astrologisch und magisch, das wird jetzt ins Lateinische übertragen. Und damit dann auch zum ersten Mal zugänglich für die weitere europäische gelehrten Welt.
Aber weil ich vorhin ja auch vor allem das Schreiben als magischen Akt selbst erwähnt habe, Sprachenreihen sind solche Grimoires selten. Also von Anfang an werden hier Sprachen und Schriften vermischt. Also Latein dominiert natürlich recht früh als Sprache der Kirche und der Gelehrtenwelt. Es taucht aber auch griechisch auf, vor allem in Texten wie dem Testament Salomos.
Und Hebräisch gilt als eine heilige Sprache, also göttliche Namen in hebräischen Buchstaben, die sollen dadurch ihre magische Wirkung entfalten, manchmal sogar auch nur in imitierter Form, so eine Art Pseudoskript. Und mit dem Einfluss arabischer Gelehrsamkeit finden sich dann auch arabische Begriffe und Zauberformeln in diesen europäischen Grimoires, besonders wenn es um so Astralmagie geht.
Und bei dieser Mischung an Sprachen, da geht es tatsächlich darum, die Aura des Geheimen zu verstärken, teilweise auch Inhalte zu verschleiern und einfach grundsätzlich die Macht dieser Schrift zu erhöhen. Es ist so ein magischer Mix, mit dessen Hilfe dann diese Grimoires einerseits zum Werkzeug werden, andererseits aber auch zu so einer Art Rätsel.
Und einer der vielen, die von diesen Rätseln angezogen werden, ist ein gewisser Daniel of Morley, ein Kleriker aus Norfolk. Und der ist unzufrieden mit dem, was er in Paris findet. Er reist nach Spanien, um, wie er es selber sagt, den weisesten Philosophen der Welt dort zu lauschen. Und er kehrt dann zurück nach England mit einem wahren Schatz an Büchern. Ja.
Und seine Geschichte, die ist so sinnbildlich für einen größeren Trend zu jener Zeit. Also eine intellektuelle Wanderbewegung in Richtung Toledo. Und mit dieser Wanderbewegung beginnt dann ein Strom von Ideen, von Texten und eben auch dieser Grimoise in den Rest Europas.
In dieser Zeit wird auch ein Werk ins Lateinische übersetzt, das eine wahnsinnige Wirkung haben sollte, nämlich der Picatrix. Im arabischen Original heißt Gayat al-Hakim das Ziel des Weisen und das ist eben so ein Handbuch der Astralmagie. Also beschreibt recht detailliert, wie man astrologische Talismane herstellt, indem man die Kräfte von Sternen und Planeten und der damit verbundenen Geister nutzen kann.
Der Text selber stammt von einem arabischen Gelehrten aus dem 12. Jahrhundert, wurde zeitweise fälschlich einem Mathematiker zugeschrieben, wird aber dann unter der Schirmherrschaft Alfonso des Weisen, also Alfonso X von Castilian und Leon, übersetzt und auch der europäischen Gelehrtenelite zur Verfügung gestellt. Picatrix heißt das? Picatrix. Picatrix.
Dieser Austausch in der mittelalterlichen, vor allem Mittelmeerwelt, das ist allerdings keine Einbahnstraße. Also neben der Übertragung arabischer Ideen in den Westen findet auch so eine Art Rückkoppelung statt. Wird besonders sichtbar mit der Entwicklung der Kabbalah. Also diese jüdische Mystik, die entsteht im 12. Jahrhundert in der Provence und wird dann in Spanien weiterentwickelt. Und
Die Kabbalah ist zwar in erster Linie ein theologisches und philosophisches Projekt innerhalb der jüdischen Welt, aber ihre praktische Anwendung wird dann auch stark geprägt vom okkulten Denken dieser Zeit, vor allem eben auch in Verbindung mit dieser arabischen Astralmagie. Also der Glaube, dass Hebräisch als Sprache Gottes besondere Macht besitzt, das wird hier auch offensichtlich.
Und aus diesen Durchmischungen entstehen dann auch neue Textformen und auch neue Arten von Grimoires. Also Grimoires, die astrologische Magie, kabbalistische Elemente und im Grunde ein sehr breites Spektrum spiritueller Eigenheiten besitzen. Und die Autoren dieser Texte, die greifen jetzt auch zu einem Trick,
um die Autorität ihrer Texte zu festigen. Sie berufen sich auf große Namen und das ist etwas, was sich durchziehen wird durch die Geschichte dieser Grimoires. Also Salomo haben wir ja schon gehört oder Salomon, aber auch andere antike Gestalten wie zum Beispiel Hermes Trismegistus. Und den, den kennen wir aus deiner Folge zu Athanasius Kirche. Ja, ja.
Ich habe nämlich die ganze Zeit schon Athanasius Kirche im Kopf, weil ich denke mal, der hätte sich für diese ganzen Texte bestimmt sehr stark interessiert. Absolut. Also der Name ist mir jetzt auch untergekommen, während ich für diese Folge recherchiert habe. Er selber hat keine Grimoires geschrieben, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er Grimoires besessen hat. Das war GHG 479 übrigens, falls sich jemand fragt. Ein anderer Name, der auch gern verwendet wird, um dem ganzen Gewicht zu geben, ist Vergil, der römische Dichter.
Dem im Volksglauben eben magische Kräfte zugeschrieben werden. Und diese Zuschreibungen, die erhöhen das Ansehen dieser Texte, verankern sie in so einer Linie großer, weiser Männer und zeigen vor allem eines, Magie, die will nicht nur wirken, sondern sie will auch als Wissen anerkannt werden. Als was Uraltes, als was Mächtiges und was Legitimes.
Abseits dieser tatsächlich sehr gut dokumentierten magischen Traditionen, vor allem des Mittelmeerraums, also dieser griechisch-ägyptischen, jüdischen und arabischen Einflüsse, da entwickelt sich aber auch im Norden Europas eine ganz eigenständige Buchmagie, in Skandinavien vor allem. Also
Besonders im mittelalterlichen Island, da entstehen Zauberbücher, die nicht nur im Alltag, sondern auch in kirchlichen Schriften Erwähnung finden. Also ihr Erscheinen in Kirchenstatuten zeigt, wie präsent sie auch im kollektiven Bewusstsein dieser Gesellschaft waren. Und anders als die klassischen Grimoires des Südens zeichnen sie sich, eines davon ist das sogenannte Galdrabug-Gesetz.
oder Galdrapuk, ich habe unterschiedliche Aussprachen gelesen, zeichnen die sich vor allem durch einen besonderen Bestandteil aus, nämlich Runen. Und diese Runen, die gelten nicht nur als Alphabet, sondern auch als Träger magischer Kraft. Und die werden in diese Texte integriert, verleihen den Büchern dann auch ihren ganz eigenen Charakter.
Und im 14. Jahrhundert tauchen sie dann auch in italienischen Handschriften auf, was darauf hinweist, dass hier auch eine Bewegung stattfindet. Dieses magische Wissen, das wandert nicht nur von Süden in den Norden, sondern auch vom Norden in den Süden. Es gibt eine ständige Wechselwirkung.
Und jetzt kommen wir zu einem Punkt, der in der Entstehung und Verbreitung dieser Grimoires natürlich eine der wichtigsten Rollen spielt, nämlich der Buchdruck. Und die Wurzeln dieses Buchdrucks, die reichen aber weiter zurück, als wir jetzt meinen würden. Also lang bevor in Europa die Druckerpresse erfunden wird,
Da entstehen zum Beispiel in Asien Techniken, um Texte zu vervielfältigen. Ein bisschen habe ich darüber auch gesprochen im Zuge meiner Folge über die große Welle, also diese Holzschnitttechniken. Zwar gibt es aus China oder auch Indien keine klassischen Grimoires im europäischen Sinn,
Es wird von dort aus aber auch magisches Wissen über Schrift und eben eine solche Reproduktion verbreitet. Ein interessantes Beispiel dafür sind die sogenannten magischen Quadrate, die im ersten Jahrtausend aus China über persische und arabische Handelsnetze in Richtung Westen wandern. Mit diesen magischen Quadraten gelangen nicht nur mathematische und astrologische Systeme nach Indien und den Nahen Osten,
Vor allem auch das chinesische Papier tritt jetzt hier seine Reise an. Das wird dann im 8. Jahrhundert in die islamische Welt eingeführt und bildet dort dann auch die Grundlage für eine neue Schriftkultur. Also Magie, Papier, das reißt alles so miteinander dann durch die Welt. Und obwohl diese asiatischen Drucktechniken, wie zum Beispiel der Holzschnitt, nicht für Zauberbücher genutzt werden, zeigt es doch...
Schon früh entstehen hier unterschiedliche Wege, magisches Wissen nicht nur zu bewahren, sondern auch so gezielt zu verbreiten. Und als dann um 1470 rum die große Revolution kommt mit der Druckerpresse, da lässt sich die Verbreitung der Grimoasen immer aufhalten. Also sie werden jetzt nicht mehr mühsam abgeschrieben.
sondern sie werden gedruckt, sie werden verkauft und sie werden relativ zur Masse der Leute, die damals existierten, massenhaft verbreitet. Aber verlieren die da nicht ein bisschen ihren Zauber, weil das Handschriftliche ist ja auch noch gleichzeitig so… Guter Punkt. Guter Punkt. Unterschiedlich. Werde ich nachher noch ein bisschen drauf eingehen, aber es wird auch hier tatsächlich im Gedruckten was gefunden, was das Handgeschriebene nicht zur Verfügung stellt, wenn man so will. Ja.
Sagen wir mal, wie reagiert eigentlich die Kirche auf diese Grimoires? Also fördert die diese Art von Wissen oder bekämpft die die eher? Beides. Beides ist richtig. Also die Rolle der Kirche ist, um es gelindert zu sagen, ziemlich widersprüchlich. Also
Offizielle Verbote auf der anderen Seite und heimliche, manchmal auch praktische Nutzung durch eigene Vertreter der Kirche auf der anderen Seite. Also auf institutioneller Ebene, da ist die Botschaft klar. Magie gilt als heidnisch, ketzerisch und teuflisch. Also schon im frühen Christentum werden Kampagnen gegen okkulte Literatur geführt. Also nicht nur um angebliche Irrlehren zu tilgen, sondern auch um die Bekehrung von Heiden zu erleichtern.
Und im Verlauf des Mittelalters, da häufen sich dann Verbote, Edikte, auch Bücherverbrennungen. Besonders mit der Reformation wird diese Haltung dann aber systematisiert. Also die päpstlichen Indexe verbotener Bücher, da sind zahlreiche Grimoires drauf, die aus dem öffentlichen und auch aus dem kirchlichen Raum verbannt werden sollen.
Hinter dieser offiziellen Linie allerdings, da verbirgt sich auch noch eine ganz andere Welt. Vor allem der niedere Klerus, also Landpfarrer, Mönche ohne großen Einfluss, denen wird eine sehr rege Beschäftigung mit diesen Grimoas nachgesagt. Sie
Sie kennen die Rituale, sie kennen die lateinische Sprache und sie haben auch Zugang zu diesen Manuskripten. Also in Klöstern zum Beispiel, da werden diese Grimoires aufbewahrt, in Universitäten, die damals ja noch fest in kirchlicher Hand sind, da werden Werke über okkulte Wissenschaften kopiert und studiert und so entsteht fernab von der Kanzel so eine Art klerikales Untergrundmilieu der Magie. Also
Im 14. Jahrhundert zum Beispiel ist belegt, schenken mindestens fünf Mönche dem Kloster St. Augustine in Canterbury über 30 solcher magischen Texte. Darunter wahrscheinlich auch das Testament Salomons oder wie es auch damals genannt wird Clavicula Salomonis, also der Schlüssel Salomons.
darunter auch eines, das heißt Grimoire des Papstes Honorius, das angeblich von Papst Honorius selbst im 12. Jahrhundert zusammengestellt worden ist, aber nicht wirklich, bezieht sich eigentlich auf einen ganz anderen Honorius. Aber hier sehen wir auch wieder das, was ich vorhin angesprochen habe, diese Verknüpfung mit weisen Personen oder Personen, die ja Autorität haben, um dem Ganzen noch mehr Gewicht zu verleihen. Interessant, weil so wie ich die Kirchengeschichte so ein bisschen im Kopf habe,
ist es ja so, dass die Kirche eigentlich versucht, so gegen den Aberglauben anzukämpfen, also alles, was mit Zauber und so zu tun hat. Gleichzeitig waren es aber Dinge, die sehr stark im Volksglauben verankert waren. Und dann hat die Kirche halt oft auch einfach diese Sachen übernommen und hat sie eben so eingebaut und in die eigene Lehre ein Stück weit integriert. Ein Stück weit, genau. Also die Dinge, die sie nicht wirklich unterdrücken haben können, die haben sie dann halt übernommen.
Aber da geht es natürlich auch um die unterschiedlichen Stufen. Also sind es jetzt die, die tatsächlich nah am Volk sind oder sind es die, die ganz oben sind und im Grunde das kirchliche Recht sprechen, wenn man so will. Und kirchliche Gerichte, die fördern dann auch immer wieder einiges zu Tage hier. Also ein gewisser Don Campana, ein Priester aus Modena, der gesteht 1517 im Rahmen einer Inquisition, dass er Bücher wie zum Beispiel diese Clavicula Solomonis veröffentlicht.
verwendet hat, vor allem auch für Anleitungen zur Liebesmagie. Also verwendet, eher besessen und später verbrannt. Aber was er damit gemacht hat, das können wir uns vorstellen. In Carcassonne, da wird der Mönch Pierre Ricordi zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er Frauen anhand von Wachspuppen und dämonischer Beschwörung kontrollieren wollte. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass er dafür auch Grimoires zu Rate gezogen hat.
Und im 17. Jahrhundert zeigt sich auch, dass diese Praktiken nicht irgendwie aussterben. Also ein Mönch namens Zorzi, der nutzt 1643 ein Werk, das heißt das Teufelsgeißel, nicht um Dämonen zu vertreiben, sondern um sie zu beschwören und auch um Talismane für Glücksspiel zu weihen. Ja.
Ein Arzt namens Menuchier, der wird auch von einem kirchlichen Gericht befragt und zwar vor allem über seine Kenntnisse zu Werken von gewissen Agripper, das ist auch ein Renaissance-Gelehrter, ähnlich wie Paracelsus, der auch so ein bisschen in diesen Kreis fällt. Paracelsus wird gern erwähnt und wird gern zu Rate gezogen in diesen Grimoires und vermischt mit diesen unterschiedlichen Zaubersprüchen, die da drin existieren.
Und falls du dich fragst, in welcher Verbindung Krimoas eigentlich zu den Hexenprozessen der Neuzeit stehen...
Kann ich das sagen? Das wäre tatsächlich, ich habe mir gerade auf meinem Zettel notiert, Hexenprozesse? Also es ist recht vielschichtig hier, wenn man will, diese Beziehung der Grimoires zu den Hexenprozessen. Natürlich werden diese Bücher als Werkzeuge des Teufels angesehen, vor allem weil es dort auch genaue Anleitungen zum Beispiel zur Dämonenbeschwörung gibt.
In der Praxis allerdings, also in der Praxis, wenn es jetzt um Personen geht, die im Zuge dieser Hexenprozesse angeklagt wurden, da spielen sie in wenigen dieser Prozesse eine tatsächliche Rolle. Interessant aber, und ich habe vorher noch Island erwähnt, in Island, da spielen sie eine auffallend große Rolle. Also viele Verfahren beziehen sich dort auf schriftliche Zauber oder Runen, die direkt aus solchen Büchern stammen.
Aber wir wissen ja, die Grimoasis Nordens, die sind ein bisschen anders gestaltet als die im südlichen Europa. Und im südlichen Europa, da richtet sich ja auch der Fokus der Hexenverfolgung vor allem auf arme, nicht schriftkundige Frauen. Während die gelehrten Besitzer dieser Zauberbücher mehr oder weniger unbehelligt bleiben. Es gibt zwar diese Vorstellung von einem Teufelsbuch, das Hexen mit ihrer Unterschrift besiegeln,
Das vermischt sich in der Wahrnehmung auch so ein bisschen mit der Grimoire-Tradition, ist aber mehr so ein mythisches Motiv als ein tatsächliches Buch. Wie verwoben Magie auch in weiterer Folge bleibt, das zeigt uns dann die Aufklärung. Du hast es ja auch schon ein bisschen in deiner Folge über Athanasius Kirche angesprochen oder wir haben es so ein bisschen diskutiert, dieser Übergang von quasi diesem
magischen Mittelalter, wenn man so will, in eine aufgeklärte neuere Zeit. Und interessanterweise die Aufklärung oder während der Aufklärung erleben Grimoires absolute Blütezeit. Jetzt werden mehr Zauberbücher gedruckt, verbreitet und genutzt als je zuvor. Nicht nur von jenen, die in den Universitäten sitzen,
oder sich mit okkultem Wissen beschäftigen, sondern im Grunde quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Und wesentlicher Motor ist hier natürlich die explodierende Druckkultur. In Frankreich entsteht die sogenannte Bibliothek Bleu, ein neues, recht günstiges Buchformat, kleine, einfach gedruckte Hefte. Und darin finden sich dann nicht nur Kalender und Heiligenwissen, sondern eben auch handfeste Magie.
Werke wie das vorhin erwähnte Grimoire von Papst Honorius, die werden zu Massenprodukten. Und Städte wie Rouen oder Paris, die entwickeln sich zu Zentren magischer Druckerzeugnisse. Draußen am Land, da tragen dann die sogenannten Colporteurs, also wandernde Buchhändler, diese Texte bis in die entlegensten Dörfer. Allerdings nicht nur in Frankreich. Deutsche Verlage, vor allem in Frankfurt, die übernehmen dieses Modell, übersetzen französische Grimoires wie den «Dragant Rouge».
Mithilfe dessen zum Beispiel ein Minister des Teufels, Lucie Fugé-Rofocal, beschworen werden kann. Aber sie drucken auch vor allem diese sechsten und siebten Bücher Mose, die erfreuen sich in Deutschland zu jener Zeit größter Beliebtheit.
Und eine Person, die ab dem 18. Jahrhundert auch in etlichen dieser Grimoires auftaucht, ein gewisser Dr. Faustus, der vielleicht auch bekannt ist. Also Dr. Faustus, historisch Georg Faust, ist tatsächlich eine reale Figur gewesen. So ein wandernder Magier, Zeitgenosse eben auch vom vorhin erwähnten Agrippa und Paracelsus.
der vor allem Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland für Aufsehen sorgt. Der Fürst der Nekromanten wird er auch bezeichnet. Martin Luther erwähnt ihn im Jahr 1537. Und nach seinem Tod, so um 1540 rum, da beginnen sich dann auch Legenden zu häufen. Also von teuflischen Pakten, von Zaubereien. Und ein Buch von 1587, das erzählt dann von seinem Pakt mit dem Teufel, von seinen magischen Abenteuern.
Und wie ihn dann schließlich der Teufel selbst zerreißt. Und dieses Volksbuch, das wird zu jener Zeit schon ein Hit, prägt so das Bild vom magischen Sünder. Es wird übersetzt, es wird verbreitet und auch dramatisiert. Marlow macht ihn zu einer Theaterfigur und wir wissen natürlich alle von Goethe, der ihn auch verarbeitet hat.
Vorher ist er eine Urfaust, oder? So wird er genannt. Ich glaube, in der Literaturwissenschaft wird er so genannt. Die Grimoase, in denen er vorkommt, die tragen Namen wie Faustshöllenzwang, Faustsgeisterkommando. Angeblich sind die von ihm selbst verfasst. Also voll mit Dämonennamen, Beschwörungen, Teufelspakten, Dämonen.
Das wird so weit verbreitet, dass zum Beispiel auch in Dänemark Menschen seinem Beispiel folgen. Also ein Schuster schreibt dort seinen eigenen Pakt mit dem Teufel.
Was jetzt aber auch mit dieser massenhaften Verbreitung von Grimoires klar wird, diese Bücher sind auch für viele Leute keine bloße Lektüre. Sie werden genutzt und eben nicht nur von, wie man sich das vorstellen würde, irgendwelchen Männern in Roben, die in Katakomben stehen, um Dämonen oder den Teufel selbst zu beschwören.
sondern vor allem von denen, die im Alltag viel mit Krankheit, mit Unglück oder auch mit Liebeskummer zu tun haben. Also bei uns sind solche bekannt als zum Beispiel Kräuterhexen. In Großbritannien heißen sie die Cunning Folk, also weise Frauen und Männer, Heilerinnen, Seher, die arbeiten mit diesen Texten.
Was sie allerdings nicht machen, ist hier irgendwie komplizierte Beschwörungsformeln zu lesen, sondern sie entnehmen vor allem Fragmente, die ihnen nützlich erscheinen. Also Namen, Symbole, Schutzsprüche, Dinge, die sich für Talismane, für Liebeszauber oder auch so Dinge wie den Haussegen eignen.
Und es reicht dort oft schon einmal der bloße Besitz eines dicken Buchs mit rätselhaften Zeichen, um entweder Vertrauen oder auch Furcht zu wecken bei den Menschen. Es gibt einen Fall der Rosé Perret aus Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und hier ist bezeichnend, sie nützt den Petit Albert. Und der Petit Albert, das ist so ein Klassiker der volkstümlichen Grimoires. Und sie nützt ihn für Heilrituale.
Und in anderen Prozessen, da wird von Dorfbewohnern auch erklärt, wie sehr sie Zauberer mit solchen Büchern fürchten. Also wer so ein Grimoire besitzt, davon gehen die Leute aus, kann Dinge tun, die anderen verwehrt sind. Die Kirche beobachtet diese Entwicklung natürlich zu Recht besorgt. Also diese spirituelle Autorität, die ehemals exklusiv war, die wird jetzt durch diese billigen Zauberhefte auch infrage gestellt.
Es gibt immer wieder Gegenkampagnen, Predigten natürlich, Pamphlete, öffentliche Warnungen, die sollen das Vertrauen in diese Grimoires untergraben. Erfolg ist begrenzt. Also der praktische Nutzen, den die Leute in diesen kleinen Büchlein sehen, der ist einfach zu groß. Und die Sehnsucht der Menschen nach Kontrolle über das Nichtsichtbare ist einfach zu groß.
Wir sehen also, Aufklärung bringt das Licht der Vernunft, aber wirft halt auch neue Schatten. Grimoires verschwinden nicht, sie passen sich an, wandern von der Klosterbibliothek in die Hände zum Beispiel der Kräuterfrau und von diesen verbotenen Regalen dann in große Druckereien wie in Paris oder in Rouen. Und was auch passiert, sie gehen auf Reisen, ja.
Wir haben ja vorhin davon gesprochen, wie nördliche Grimoires den Süden beeinflussen. Jetzt ist es vor allem auch so, dass wieder diese Grimoires aus dem Süden Europas wieder in den Norden reisen. Also vor allem in Dänemark und Schweden entwickeln sich jetzt im 18. Jahrhundert Nördliche.
neue magische Traditionen, die eben sehr vom vor allem deutschen Grimoire-Schrifttum geprägt sind. Was neilig ist, ja, also kulturelle Nähe, gemeinsame Handelsrouten, auch militärische Verbindungen rund so um die Ostsee. Das begünstigt dann regen Austausch und dieser Austausch, darüber haben wir auch schon oft in Folgen gesprochen, dieser Austausch, der besteht nicht nur aus Waren, sondern auch aus Ideen und in diesem Fall auch vor allem aus Zauberbüchern.
Es gibt zum Beispiel den Romulus Bog, das ist ein Text aus Skandinavien, der orientiert sich am deutschen Romanus-Büchlein. Und das Romanus-Büchlein ist im Grunde die deutschsprachige Variante dieses französischen Petit Albert, also so ein volkstümliches Grimoire. Und es gibt in Skandinavien zu jener Zeit Legenden über Menschen, die angeblich im Besitz dieser sechsten und siebten Bücher Moses seien.
Und einen handfesten Beleg dafür, dass die auch in Skandinavien verwendet werden, liefert ein dänischer Schatzsucher namens Jens Clemmensen. Der wird 1802 mit einem deutschen Zauberbuch festgenommen. Das heißt Julius Ciprianus XII. und D.J. Faustus Drei-Pfeizes-Höllenschwang. Das Buch existiert übrigens heute noch in der dänischen Nationalbibliothek.
Es gibt auch andere Geschichten aus Skandinavien. In Schweden zum Beispiel, da werden zwischen 1680 und 1789 mindestens 29 Personen wegen versuchten Pakt mit dem Teufel angeklagt. Darunter auch auffallend viele Soldaten, die sich Kugelsicherheit, Reichtum anbieten.
Oder ein langes Leben erhoffen. Und als ich das gelesen habe, ist mir auch aufgefallen, über was wir gesprochen haben bei Plus Ultra. Kannst du dich noch erinnern an diese Dinge, die sie auf Zettel schreiben und sie dann essen? Genau, und sie dann in den Mund nehmen oder essen und dann fühlen sie sich geschützt vor feindlichen Kugeln. Ganz genau.
Ein interessanter Unterschied zur übrigen europäischen Buchmagie zeigt sich hier aber auch im Status des Drucks. Und du hast ja vorher gefragt, wie ist das, wenn hier jetzt gedruckt wird und nicht mehr aufgeschrieben, verliert das dann nicht irgendwie an Wirkung? Tatsächlich wird jetzt einfach dem Druck was ganz Eigenes zugeschrieben. Also in Skandinavien ist es so, dass der Druck den Grimoires tatsächlich Legitimität verleiht.
Es gibt mehrere Grimoires, die berufen sich explizit auf Druckausgaben, also eine bestimmte Druckausgabe aus dem Jahr 1699 und geben dann auch stolz anderen, dass das von diesem gedruckten Exemplar abgeschrieben worden ist. Und einer dieser Volkszauberer, wenn man so will, Kunigemand, also quasi ein dänischer Volkszauber, der erklärt auch,
dass seine Kenntnisse aus einem solchen Buchstaben, das von Cyprianus verfasst, aber in roten Buchstaben gedruckt worden ist. Also hier ist der Druck fast wichtiger als das Handgeschrieben. Mhm.
Und auch jenseits des Atlantiks finden Grimoires ein Zuhause. Anfangs eher leise, zögerlich, regional sehr unterschiedlich. Also viele der europäischen Siedlerinnen und Siedler, die kommen mit den eigenen Zauberbüchern. Es dauert aber eine Zeit lang, bis die dort, wie soll ich sagen, ihre Wirkung entfalten.
Es ist dann vor allem mit dem Aufschwung des Transatlantik-Handels im 18. Jahrhundert und am noch steteren Strom von Auswanderinnen und Auswanderern, dass diese Grimoires auch in der neuen Welt verwurzelt werden. Spanische Kolonien, da wacht die Inquisition mit Argus-Augen über diese Dinge. Grimoires gelten dort weiterhin als gefährliche Träger teuflischen Wissens, werden systematisch unterdrückt.
Anders ist es in den französischen Besitzungen, vor allem in der Karibik. Also dort entfalten diese vorhin erwähnten günstigen Bibliothek-Blö-Ausgaben jetzt ihre Wirkung. Und die fließen auch tatsächlich in medizinische, spirituelle und magische Praktiken ein, verschmelzen auch mit afrikanischen und indigenen Traditionen und dadurch entsteht dort auch so eine ganz eigene Magiekultur.
Aber Voodoo ist älter, oder? Das hat damit nichts zu tun. Also Voodoo ist schon auch was Eigenständiges, aber es kann gut sein, dass das auch quasi mit beeinflusst oder zumindest von Art befruchtet worden ist von diesen Dingern. In Nordamerika, also besonders in den britischen Kolonien,
Da gibt es auch so eine Entwicklung, anfangs auch eher schleichend, dafür aber nachhaltig. Hier sind es vor allem die deutschsprachigen Einwanderergruppen, vor allem im heutigen Pennsylvania. Dort entstehen schon frühe Bibliotheken mit esoterischer und magischer Literatur. Hier eben interessanterweise vor allem dieser Renaissance-Gelehrten wie Agrippa und auch Paracelsus.
Und diese Werke, die beeinflussen nicht nur die deutschstämmige Bevölkerung, sondern sickern so ein bisschen in die amerikanische Volkskultur, führen dort auch zu neuen Formen dieses spirituellen Heilens. Manchmal führen sie auch zu Konflikten. Also es gibt Prozesse in Predigten und auch Pamphleten, wird immer wieder der Vorwurf laut, dass gewisse Bücher den Teufel rufen könnten oder auch unamerikanische Praktiken fördern.
Aber wir kennen das natürlich, gerade solche Kontroversen sorgen dafür, dass diese mythische Aura immer größer wird. Währenddessen erwacht mit der Romantik in Deutschland ein neues Interesse an der Kultur des einfachen Volkes und damit eben auch an diesen Zauberbüchern.
Und interessanterweise auch beeinflusst durch die Gebrüder Grimm. Also diese Märchensammlungen, das hängt hier auch alles zusammen. Lustigerweise natürlich Gebrüder Grimm namentlich. Gibt es hier keine Verbindung zu den Grimoires, aber es passt. Also obwohl Grimoires schriftlich überliefert sind, rücken sie dann schon auch ins Blickfeld der entstehenden Volkskunde, weil sie halt weiterhin so populäre Glaubenspraktiken beeinflussen.
Goethe übrigens sammelt auch solche Werke, nicht aus magischer Überzeugung, sondern mehr so aus antikvarischer Neugierde und eben auch für seine eigene literarische Verarbeitung, wie wir am Faust sehen. Das ist ja auch was, was man sehen kann, dass diese ganzen magischen Sachen auch eine Faszination ausüben auf Literaten und so. Also Leute, die das eben auch so weiterverarbeiten, dann in zum Beispiel Texten. Genau.
Also das Grimoire wird in dieser Zeit auch nicht einfach nur als ein kulturelles Relikt angesehen, sondern als Zeugnis vergangener magischer Vorstellungen, das jetzt so seinen Platz findet in der Geschichtsschreibung und eben auch in Sammlungen gelehrter Menschen. Dass das Grimoire nur ein Relikt sei, davon will man in den USA aber schon gar nichts wissen. Im Gegenteil, da werden nämlich im frühen 20. Jahrhundert die Grimoires nicht nur überliefert,
sondern regelrecht vermarktet. Einer der schillerndsten Akteure dieser magischen Unternehmenskultur ist ein gewisser William Lauren DeLawrence, ursprünglich so ein Travelling Salesman aus Ohio, also jemand, der so von Tür zu Tür geht, steigt er zum transatlantischen Verleger magischer Literatur auf. Er gründet eine Firma, die heißt DeLawrence Scott & Company.
Und passenderweise hat dieser Scott wahrscheinlich gar nicht existiert. Hat er nur dazu geschrieben, um sich mehr Gewicht zu geben. Und dieser DeLawrence verkauft nicht nur Grimoire. Also er verschickt auch Talismane, magisches Zubehör, Amulette und er verschickt es per Post und über Katalog. Besonders erfolgreich ist seine überarbeitete Ausgabe der sechsten und siebten Bücher Mose, was eben auch auf diesen Einfluss der Siedlerinnen und Siedler aus Deutschland hindeutet. Mhm.
Und was so als ein ziemlich gutes Geschäftsmodell beginnt, das entwickelt dann auch so ein bisschen ein Eigenleben und kulturelle Sprengkraft. Die Lawrence-Bücher nämlich, die finden Verbreitung unter afroamerikanischen Heilkundigen, unter karibischen Obea-Priesterinnen und Priestern und finden sogar Verbreitung in Westafrika. Also in Nigeria beeinflussen diese Publikationen religiöse Bewegungen wie die Mami Wata-Verehrung und
Sie verändern auch den Blick auf die Ursprünge magischer Medizin dort. Also die Wimbum-Volk in Kamerun greifen auf seine Texte zurück. Auch die Ibibo im Südosten Nigerias, bei denen Anthropologen in den 1980er Jahren auch dokumentieren, dass die Menschen, obwohl es sehr teuer ist, weiterhin magische Artikel bei die Lawrence bestellt haben. Mhm.
Auch die Church of the Lord, gegründet vom Yoruba-Propheten Josiah Olunowo Oshitelu, übernimmt Inhalte aus den Büchern von die Lawrence. Und in der Karibik, da wird er im Grunde zu einer fast mythischen Figur. In Jamaika ist sein Name sehr bekannt. Seine Bücher beeinflussen dort auch spirituelle Wurzeln, zum Beispiel auch des Rastafarianismus. Und in Trinidad-Cortez
finden seine Texte dann auch Eingang in die Rituale der Spiritual Baptist Church. DeLawrence ist tatsächlich so präsent in dieser Region, dass sein Name in Jamaika gleichzeitig als spirituelle Macht und als Bezeichnung für spezifische okkulte Krankheit verwendet wird. Interessant. Dabei habe ich den Namen vorher noch nie gehört. Ja, da bist du halt auch nicht in okkulten Kreisen. Ich dachte nur an DeLaurian, aber das ist wieder was anderes.
Naja, und während die Lawrence also seine Bücher meistens in recht edlen, gebundenen Ausgaben verkauft, entsteht parallel dazu auch eine ganz neue Welle, und zwar das Zeitalter der Pulp Magic. Also günstiges Papier macht es jetzt möglich, magische Ratgeber als tatsächlich billige Massenware zu verbreiten. Autoren wie ein gewisser Louis de Clermont, wahrscheinlich ein Pseudonym,
vom Betreiber der Occult Products Company, die veröffentlichen dann Werke mit so Titeln wie The Ancient Book of Formulas and Legends of Incense, Herb and Oil Magic oder The Seven Keys to Power. Diese Bücher werden vor allem beliebt, nachdem die Ausgaben von DeLorens in Ländern wie Jamaika verboten werden. Mhm.
Was wir hier jetzt also sehen, ist mehr als ein rein kommerzielles Phänomen. Es ist im Grunde der Übergang des Grimoires vom geheimen Manuskript zur Ware für die breite Masse und zeigt auch, dass selbst im Zeitalter von Elektrizität und Auto und Flugzeug dieser Markt einfach nicht versiegt. Ja, da sind wir jetzt quasi im Bereich der modernen Esoterik. Ja, obwohl es wirklich Teil auch von Religionen wird. Ja.
Und es ist interessant, sogar in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, da spielt es auch noch eine gewisse Rolle. Es gibt einen deutschen Hexenforscher namens, oder gab einen deutschen Hexenforscher namens Johann Kruse und der strengt noch in den 1950er Jahren Prozesse gegen Verleger des sechsten und siebten Buchs Mose an, weil er davon überzeugt ist, dass die Inhalte schädlich für Menschen sind.
Und heute hat das Grimoire tatsächlich noch immer nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Also eher im Gegenteil. In der modernen Literatur und Popkultur, da ist das Grimoire eigentlich ständig präsent. Also diese Faszination mit Dämonen und Beschwörungen.
Das speist sich vor allem auch aus dieser Tradition der Fiktionalisierung, die er dem Grimoire selbst von Anfang an inne wohnt. Also bewegt man sich ständig zwischen Wahrheit, Täuschung und Fantasie und vor allem im 20. Jahrhundert verschmilzt es dann mit einer neuen literarischen Strömung und zwar dem Fantastischen. Und hier sticht natürlich ein Autor besonders hervor, ein gewisser Howard Phillips Lovecraft.
Besser bekannt natürlich als H.P. Lovecraft. Und Lovecraft, der ist ja der Schöpfer des Cthulhu-Mythos, der bringt dann 1922 zum ersten Mal ein fiktives Zauberbuch ins Spiel, das berühmte Necronomicon. Und das ist heute wahrscheinlich die bekannteste literarische Erfindung im Stil eines solchen Grimoires. Mhm.
Lustigerweise hat Lovecraft eigentlich kaum Kenntnis der tatsächlichen okkulten Traditionen gehabt. Er stützt sich auf die Encyclopädie der Britanniker in erster Linie und irgendwann bekennt er dann auch recht freimütig, dass er erschreckend unwissend sei auf diesem Gebiet. Aber er hat es trotzdem so gut getroffen.
Aber wahrscheinlich ist es gerade diese Distanz, die es ihm erlaubt, dieses eigene zu schaffen. Also eine neue künstliche Mythologie. Er nennt es New Artificial Myths. 1927 verfasst Lovecraft dann auch so eine kurze fiktive Geschichte des Necronomicon, also inklusive seines ebenfalls fiktiven Autors Abdul Alhazred. Natürlich um dem Buch so eine reale Vergangenheit zu geben.
Und er imitiert damit bewusst diese pseudohistorischen Legenden, wie sie ja auch oft echten Grimoas anhängen. Und was dabei recht raffiniert ist, der Inhalt des Necronomicon bleibt immer vage, angedeutet, nie offensichtlich. Also man weiß ja genau, ist es ein dämonologisches Handbuch, ist es so eine Art kosmisches Evangelium oder ist es einfach nur eine Sammlung von Ritualtexten. Und es ist vor allem diese Unklarheit, die den Reiz dieses Necronomicons ausmacht.
Lovecraft selbst wird schreiben, dass reale Fassungen niemals so furchtbar und eindrucksvoll sein können wie das, was sich die Leser und Leserinnen darunter vorstellen. Dass das in Ekonomikon dann schließlich auch in gedruckter Form auftaucht, in sehr vielen mehr oder weniger ernst gemeinten Ausgaben, das ist da jetzt natürlich kaum mehr vermeidbar.
Und damit verschwimmen auch endgültig diese Linien zwischen Realität und Erfindung, was ja im Grundkern eines solchen Grimoases ist. Und Lovecraft war natürlich nicht der Letzte, der sich mit solchen Grimoas beschäftigt hat. Gegenwartsliteratur findet man auch einiges davon. Zum Beispiel Arturo Perez-Revertes, veröffentlicht im Jahr 1993.
den Roman Der Club du Mar, wo es auch um ein Grimoire geht. Noch deutlicher wird das Ganze in
der Verfilmung von Roman Polanski und hier steht auch ein fiktives Grimoire im Zentrum, das Buch der Neuen Pforten zum Königreich der Schatten. Ein angeblicher Druck aus dem 17. Jahrhundert, dessen Autor von der Inquisition verbrannt wurde. Nur drei Exemplare sollen existieren und die enthalten eben das Wissen, um den Teufel persönlich zu beschwören.
Also es ist im Grunde eine Geschichte, die mehr oder weniger die Geschichte des Grimoires in ihrer eigenen Geschichte zusammenfasst. Erfolgung durch kirchliche Autoritäten, geheim gehaltene Texte und dann natürlich diese dämonischen Rituale. Tja, und das, lieber Daniel, war meine Geschichte über die Grimoires, die weit mehr sind als bloße historische Artefakte. Sie sind kulturelle Symbole, die über Jahrhunderte hinweg unsere Vorstellungskraft beschäftigen,
Vor allem, weil sie zwei uralte Sehnsüchte bedienen. Und zwar die Sehnsucht nach Wissen und die Sehnsucht nach Macht. Richard, fantastisch, weil es ist einfach ein unfassbar faszinierendes Thema. Ich habe tatsächlich auch schon länger darüber nachgedacht, über Magie und irgendwie Okkultes oder so mal eine Folge zu machen. Aber das über die Quinoas zu machen, war eine sehr, sehr gute Idee. Ich danke dir.
Weil wie du jetzt am Ende ja sagst, so dieses magische Wissen ist einfach was, unabhängig davon, also unabhängig jetzt von der Aufklärung oder so, einfach was es schon lange gibt und was natürlich bis in die Gegenwart auch fasziniert.
Was immer ein Teil bleibt auch. Also ich habe es jetzt nicht erwähnt, aber es gibt ja dann vor allem in den 60er und 70er Jahren auch so ein Revival der Magie, also vor allem mit so Sachen wie Wicca oder Magic, wie es dann gerne auch geschrieben wird, mit K am Ende, was übrigens auch eine frühe Schreibweise von Magie ist, aber im Grunde nicht die Art und Weise ändert, was das beschreiben soll, aber dort dann eben verwendet wird vor allem. Das heißt, es gibt diese Entwicklung
Auch und es ist ganz lustig, es gibt die Grimoire Encyclopedia von David Rankin und David Rankin ist ein Autor und selber praktizierender Okkultist und Magier. Die haben natürlich diese Encyclopedia gekauft.
Zwei Bände sind es und da sind, er beschreibt dort einfach alle bekannten Grimoires sehr detailliert mit, was drinsteht, welche unterschiedlichen Geister oder Dämonen oder was auch immer angerufen werden dabei, auf was sie sich beziehen. Also es ist so eine Mischung aus
im Grunde Erklärung, was drinsteht und aber auch historischer Bearbeitung. Also hervorragende Geschichte. Und ich habe mir gedacht, wenn ich eine Geschichte mache über Grimoise, dann muss ich natürlich diese Enzyklopädie schon besitzen. Sehr gut. Hast du vielleicht auch irgendwie einen Zauberspruch für uns oder für mich, den du...
Also ein Zauberspruch nicht, aber ich kann ein bisschen erklären, wie diese Dinge dort beschrieben werden. Obwohl, ich muss das gar nicht erklären, das ist ja das Lustige, weil wir kennen es im Grunde aus der Literatur, die wir im Laufe unseres Lebens auch gelesen haben. Also nicht zuletzt aus so Sachen wie, keine Ahnung, Harry Potter, das sich natürlich auch mit solchen Dingen beschäftigt.
Aber im Grunde stehen in solchen Grimoires genau solche Anleitungen wie nimm den Flügel einer Fledermaus, verwende das Pergament eines ungeborenen Kalbs und mach die und die Dinge und dann wirst du das und das kriegen. Und alles natürlich sehr kompliziert und komplex, was er für sich auch seinen eigenen Zweck hat.
weil wenn es nicht funktioniert, dann kann man immer sagen, ja, okay, vielleicht hat es nicht funktioniert, weil das Blut, das ich hier verwendet habe, nicht genau um Mitternacht abgezapft worden ist, sondern eine Minute davor oder eine Minute danach und solche Dinge.
Und es gibt ja auch in der Geschichtswissenschaft sehr viel Arbeiten auch dazu. Also da wird sich sehr viel damit beschäftigt, auch gerade so um dieses okkulte Wissen in der frühen Neuzeit, weil es ja auch so wichtig ist, um in die Gedankenwelt der frühen Neuzeit einzutrauchen, so zu verstehen, wie diese Gedankenwelt funktioniert hat. Und da ist dieses magische Wissen ja total wichtig. Absolut. Also es ist ja auch so, dass...
Bei uns jetzt nicht mehr spätestens, seit deiner Geschichte über Athanasius Kircher, dass gern so angenommen wird, dass es so eine Progression ist. Von Magie, Religion zum wissenschaftlichen Zeitalter und alle anderen Überbleibsel, die sind jetzt getilgt. Aber in Wirklichkeit ist es ja ständig verwoben und wir sehen, dass es auch heute noch verwoben ist, weil es unterschiedlichste Kulturen gibt, wo all diese Dinge noch immer ein fester Bestandteil sind. Ja.
Und was mir da auch einfällt ist, ein Bereich, den du jetzt nicht genannt hast, aber wenn man sich mit Quellen beschäftigt, kommt man ja meistens oder häufig auch mit Gerichtsakten in Kontakt, weil das einfach häufig die Quellen sind, die überliefert sind.
Und ich kann mich erinnern an eine Arbeit, die in meinem Diplomaten-Seminar geschrieben wurde. Da ging es nämlich um Schatzzauber und um Leute, die quasi diese Schatzzauber verwendet haben, um Leute abzuziehen oder zu betrügen. Ja, ist ein riesiger Teil der Popularität von Grimoire auch gewesen, nämlich Schätze zu finden. Also Schätze zu finden, das war ein wichtiger Teil.
Vielleicht fast noch mehr als das, keine Ahnung, Krankheiten heilen oder sonst wie. Aber Schatz finden, das zieht sich auch so durch. Das ist wirklich eine ganz spezifische Eigenart auch der Grimoise.
Vielleicht noch ein bisschen mehr zur Literatur. Also David Rankin ist eben jener Autor, der diese Grimoire Encyclopedia verfasst hat. Für tatsächlich die historische Bearbeitung habe ich mich gestützt auf Owen Davis. Owen Davis, der forscht schon recht lang dazu, der hat geschrieben im Jahr 2009 oder veröffentlicht Grimoire's A History of Magic Books.
Und vor kurzem, nämlich 2023, das habe ich mir natürlich auch besorgt, besorgen müssen, Art of the Grimoire, an illustrated history of magic books and spells. Also diese Bücher, diese Enzyklopädie und auch dieses Art of the Grimoire, das sind jetzt Bücher gewesen, die ich mir nach langer Zeit wieder einmal physisch bestellt habe.
Ja, weil es ist natürlich viel besser, wenn es so ein Buch ist, voll ist mit Illustrationen, unterschiedlichster Grimoire, wenn du es in Händen halten kannst. Und es sind beide hervorragend. Also das Buch zur Geschichte aus dem Jahr 2009 ist sehr, sehr ausführlich und detailliert.
Und das Art of the Grimoire ist sehr gut, weil es kurzen Abriss zu den unterschiedlichen Aspekten gibt und dazu eben auch sehr viel Anschauungsmaterial. Das ist der Zauber der Bücher, wenn man sie dann physisch in der Hand hält. Und jetzt ist die Frage, wie kann man quasi dieses esoterische, magische Wissen übertragen dann in E-Books? Es müsste jetzt irgendwie einen Weg geben, um zu sagen, eigentlich steckt die Magie in den E-Books.
Naja, wenn Sie es geschafft haben zu sagen, gut, in Wirklichkeit ist der Druck das Wichtige und nicht das Handgeschriebene, dann gibt es sicher auch Möglichkeiten, das umzusetzen aufs Digitale. Also hier vielleicht die Tatsache, dass es halt im Kern nur Nullen und Einser sind. Das ist für sich ja schon sehr esoterisch, wenn man so will. Ja, stimmt. Sehr gut. Ja, gibt es da Hinweisgeber oder Hinweisgeberinnen?
Tatsächlich nicht. Ich bin über einen Artikel, wo das Buch von Owen Davis besprochen worden ist, also das Art of the Grimoire, bin ich drauf gestoßen und dann habe ich mich ein bisschen verbissen in die Geschichte. Sehr gut. Gut.
Jetzt geht es eh schon lang, aber es ist halt auch eine ausführliche Geschichte dieser Grimoires, die bis heute existieren. Was ich ja auch gar nicht erwähnt habe. Grimoires spielen ja im Grunde in allen Fernsehserien oder Filmen, wo es irgendwie um so okkulte Geschichten gibt, eine Rolle. Weißt du, ob du gesehen hast, früher Charmed mit den drei Hexen. Die haben ja dieses Buch, das bei ihnen im Dachboden steht.
das im Grund fast in jeder Folge vorkommt. Harry Potter habe ich schon erwähnt, da gibt es auch so Art Grimoires, die glaube ich auch sogar so heißen teilweise. Also ja, ständig verbreitet. Ich spiele gerne Magic the Gathering, wo man Zauber wirkt die ganze Zeit. Ja, du bist sowieso mittendrin. Du bist unser David Rankin. Gut, ja, dann würde ich sagen, gehen wir über zum Feedback-Hinweis-Blog. Machen wir das.
Wer Feedback geben will zu dieser Folge und anderen, kann das per E-Mail machen, feedback at Geschichte.fm. Wir sind auch auf den diversen Social-Media-Plattformen unterwegs, dort heißt man gemeinhin Geschichte.fm. Außer wer uns im Fediverse folgen will, da haben wir einen Mastodon-Account, den findet man, indem man Geschichte.social in einen Browser eingibt.
Und wer uns reviewen will, Sterne vergeben und all solche Dinge, kann es zum Beispiel auf Apple Podcasts tun oder grundsätzlich einfach überall, wo man Podcasts bewerten kann. Man kann es lesen und zwar haben wir das Buch geschrieben, Geschichten aus der Geschichte. Es gibt Merch unter Geschichte.shop und es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Podcast werbefrei zu hören. Bei Apple Podcasts gibt es den Kanal Geschichte Plus und bei Steady kann man sich den Feed kaufen für 4 Euro im Monat. Da gibt es alle Infos unter Geschichte.fm. Steady.
Wir bedanken uns in dieser Woche bei Susanne, Nikolas, Röhl, Nadja, Matthias, Maria, Tobias, Christopher, Miriam, Thomas, Markus, Michael, Gerald, Lukas, Dominik, Pauline, Barbara, Marie, Julia, Joe, Björn, Daniela, Michael und Jakob. Vielen, vielen Dank für eure Unterstützung.
Ja, vielen herzlichen Dank. Und Dank an Lene Kieberl fürs Schneiden dieser Folge. Und dann würde ich sagen, Richard, wie geht der Zauberspruch, um so eine Folge zu beenden? Der Zauberspruch, um eine solche Folge zu beenden, geht so. Jetzt geben wir dem einen das letzte Wort, das immer hat. Warte, das müssen wir gemeinsam sagen. Auf drei. Eins, zwei, drei. Bruno Kreisky. Lernen wir ein bisschen Geschichte.
Lernt ein bisschen Geschichte, dann werdet ihr sehen, wie der Reporter sich damals entwickelt hat. Wie der sich damals entwickelt hat.