Das Politik-Teil, der wöchentliche Politik-Podcast von Zeit und Zeit Online. Herzlich willkommen an Sie, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich hier jetzt im Livestream von ZON zur Bundestagswahl zuschauen und natürlich auch an alle Hörer und Hörerinnen, die diese Live-Wahl-Sonderausgabe von Das Politik-Teil ab morgen Dienstag anhören können, überall, wo es Podcasts gibt. Und
Und unser besonderes Willkommen gilt natürlich Ihnen, Herrn Professor Herfried Münkler, Politikwissenschaftler hier aus Berlin. Wir sind wahnsinnig froh, dass Sie heute unser Gast sind. Schon vor dreieinhalb Jahren haben Sie uns ja geholfen, nach der Bundestagswahl so ein bisschen die Unordnung zu ordnen und den Blick zu schärfen für die klaren Linien. Und umso froher sind wir, dass Sie heute auch wieder bei uns sind. Herzlich willkommen. Gerne, gerne.
Ja und da hier bei den geschätzten Kollegen und Organisatoren hier vom Livestream ein strikteres Zeitregime geführt wird als bei uns im Politikteil, haben wir heute auch nur 45 Minuten Zeit und deshalb wollen wir auch, haben wir eigentlich vorgestellt, wer wir beide sind? Wissen wir das schon? Ne. Also das ist Jana Grabitz, ich bin Peter Dausend und wir wollen jetzt gleich loslegen mit der ersten Frage. Herr Münkler, wir sind jetzt ungefähr 19,5 Stunden Nachschließung der Wahllokale.
Wenn Sie sich das Ergebnis noch mal vergegenwärtigen, was hat sich in Deutschland Ihnen da offenbart? Also natürlich hat es einen Rechtsruck gegeben. Es macht keinen Sinn, das wegzureden. Andererseits kann man sagen, wenn man die Stimmen der Linken und der Grünen addiert, kann man sagen, dem steht auch eine linke, linksliberale bis linkere Opposition gegenüber. Sodass also man sagen kann,
Die politische Mitte ist schmal geworden. Sie hat gerade so eine Mehrheit und die beiden Flügel sind sehr viel stärker geworden, wobei man noch überlegen kann, ob man die Grünen nicht eher der Mitte zurechnen müsste inzwischen als der Linken. Das hat sich verändert.
Ich weiß nicht, ob man so weit gehen kann, wie das einige Kommentatoren getan haben, die gesagt haben, das sei die letzte Chance für die demokratische Mitte. Mit 20 Prozent für die AfD habe ich tendenziell auch im Vorfeld gerechnet. Das war auch das, was die Umfragen vorhergesagt haben. Insofern ist das jetzt doch nicht so die große Überraschung, wie dann natürlich getan worden ist in der Kommentierung des Abends. Und
Ich glaube, dass die Regierungsbildung schwerer werden wird, als sich das jetzt auf dem Papier ausnimmt. Es war ja so, dass nach dem Ampelbruch und nach diesen teils etwas frustrierenden Erlebnissen der dreieinhalb Jahre Ampel, dass der Wunsch nach Aufbruch und Erneuerung, vielleicht auch Disruption hieß es hier und da, sehr groß war.
Die Große Koalition, auf die es ja wahrscheinlich jetzt hinausläuft, ist eigentlich alles andere als das. Man hätte eher das Gefühl, vor dreieinhalb Jahren wären wir sehr enttäuscht gewesen, wenn wir nochmal eine Große Koalition gehabt haben. Wie gucken Sie auf dieses Ergebnis? Ist es eine Chance oder erfüllt sie da auch ein bisschen Ernüchterung?
Was für mich wichtig war von Anfang an, war, dass es eine Zweierkoalition wird. Denn wenn man genauer hinguckt, muss man sagen, die Ampel war die erste wirkliche Dreierkoalition in der Geschichte der Bundesrepublik. Man muss der CSU da diese Scharade, sie sei da gewissermaßen schon immer der Dritte oder der Zweite in Koalitionen gewesen, nicht abnehmen. Die Zentrifugalkräfte einer Dreierkoalition sind die,
doch so stark, dass der Kanzler, egal wer das wäre, eigentlich immer schwach aussieht. Ich will jetzt nicht sagen, wie der Hausmeister des Kanzleramts, aber tendenziell wie der Generalsekretär des Kanzleramts. Die Macht ist aus dem Kanzleramt selber in den Koalitionsausschuss übergewechselt.
Das konnte man auch ganz gut sehen an der Berichterstattung über die Politik der Ampelzeit. Sozusagen Koalitionsausschüsse mit den vorfahrenden Limousinen, das war gewissermaßen Standardbild geworden. Daneben
hatte der Kanzler eigentlich keine Chance zu führen. Insofern war das natürlich auch eine Ungeschicklichkeit, mindestens von Scholz, dass er gesagt hat, wer bei mir Führung gestellt bekommt, hat sich keine Gedanken darüber gemacht. Ja, aber glauben Sie wirklich, dass das sozusagen zurückwandert ins Kanzleramt, die Macht und dass der neue Kanzler, Friedrich Merz höchstwahrscheinlich, dass der dann diesen Führungsanspruch, den er ja verkörpert und den er auch für sich in Anspruch nehmen will, man hört ihn ja permanent dazu,
Dass er das wirklich umsetzen kann. Ich höre immer von Koalitionspartnern, den kleineren Koalitionspartnern, es gibt gar keine Richtlinienkompetenz des Kanzlers eigentlich. Weil wenn er versucht, die durchzusetzen gegen uns, ist diese Koalition beendet. Also es gibt ein Höchstmaß an ministerieller Autonomie,
dass der Kanzler nicht einfach sowas machen kann. Und wo ist der Scholz, das kurz zu ergänzen, wo der Scholz es gemacht hat, da sei das im Vorfeld, nämlich bei der Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke um drei Monate, da sei das im Vorfeld auch unter den Partnern schon abgesprochen gewesen. Von daher, gibt es diese Richtlinie? Ist das nur eine Formalienrichtlinie? Naja, ich meine, nach wie vor gibt es sie. Die Frage ist, sind die Umstände so,
dass der Kanzler die Richtlinienkompetenz einsetzen kann, ohne das Ende der Koalition zu provozieren. Das Beispiel, das Sie beschreiben, zeigt, wenn in sozusagen Richtlinienkompetenz war in der Ampel eine abhängige Größe von Absprachen der Koalitionäre.
Das ist im Prinzip in zweier Koalitionen anders, wenn man nicht nach zwei Seiten gucken muss, sondern eigentlich nur nach einer Seite. Aber das wäre wahrscheinlich für Merz leichter, wenn die Sozialdemokraten sehr viel weniger verloren hätten, als sie jetzt verloren hätten. Wenn sie drei oder vier Prozent verloren hätten, dann wären sie im Prinzip ein
Ja, zufriedengestellter, jedenfalls einigermaßen heil davongekommener Koalitionspartner. Jetzt müssen sie eine neue Führung aufstellen. Jetzt müssen sie das Parteiprofil wieder schärfen und vieles andere mehr. Das heißt, sie werden witterborstiger sein als sie früher.
Jetzt wird sich ja auch personell einiges verändern bei der SPD. Olaf Scholz wird sich zurückziehen, hat er gestern Abend bekannt gegeben. Zumindest natürlich aus den prominenten Positionen. Christian Lindner werden wir verlieren aus dem politischen Portfolio. Also Politiker, die wir sehr lange gekannt haben und rumgezogen haben.
Robert Habeck hat eben auch angekündigt, dass er künftig keine Führungspositionen mehr übernehmen möchte. Um wen von den dreien tut es Ihnen eigentlich am meisten leid? Zweifellos um Habeck, der in schwierigen Situationen, egal ob das Angriff auf Gaza war, also der Überfall der Hamas, aber auch gestern Abend die Erläuterungen zu diesem Ergebnis gab.
der Intelligenteste war und der etwas Eigenes sagen konnte, während von den anderen, die sie erwähnt haben, ja eigentlich nur die Schablonen gehört hatte, die ihnen vorgestanzt sind und in denen sie sich bewegen. Also, ja, also um Habeck tut mir es wirklich leid, aber vielleicht tut es ihm selber gar nicht so leid, denn ab und zu hatte ich den Eindruck, Politik ist ein zu rauhes Geschäft für jemanden, der intellektuelle Qualitäten hat.
Ich freue mich so ein bisschen, wir kommen später noch intensiver darauf zu sprechen, eine sehr schwierige außenpolitische, geopolitische Zeit momentan gerade, sehr große Veränderungen, Verwerfungen und wir verlieren da doch jetzt an der Spitze von bedeutenden Parteien erfahrene Leute. Macht Ihnen das so ein bisschen Sorge, dass wir nicht hinreichend politische Erfahrung haben für diese schwierige Zeit in den kommenden Monaten und Jahren?
Scholz hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er in der Frage der Ukraine-Unterstützung sich permanent an Biden orientiert hat. Trump sozusagen die neue Herausforderung, da hat er sich gar nicht bewährt. Ich glaube auch nicht, dass er sich da bewährt hätte, wenn er die Zeit noch gehabt hätte. Lindner hat eigentlich nicht sehr viel anderes gehabt als Aufrechterhaltung der Schuldenbremse. Sodass man sagen muss, das ist jetzt kein dramatischer Verlust.
Was mir mehr Sorge macht, ist, dass wir generell eigentlich kaum noch strategisch denkende Köpfe in der politischen Klasse haben. Versierte Taktiker in jedem Falle, Leute, die Kompromisse von hinten schmieden können. Das ist sozusagen die Karriere-Schiene, das, was man beherrschen muss, um da voranzukommen. Aber
Riskant zu denken, auch eine Vorstellung davon zu haben, was sein könnte, wenn der Westen als transatlantisches Sicherheitsbündnis kollabiert. Das ist denen verloren gegangen. Das trauen sie sich auch teilweise nicht. Sind in hohem Maße abhängig von dem, was ihnen die Demoskopen zuflüstern. Das ist eigentlich mehr meine Sorge. Wie wird man bekommen, jemanden, der in der Lage ist,
Das Gewicht Deutschlands in Brüssel, sowohl NATO als auch EU in die Waagschale zu bringen und der gleichzeitig in der Lage ist, auch die deutsche Bevölkerung mitzunehmen auf einen politischen Kurs, über den man in den letzten 30 Jahren im Ernst nicht geredet.
nämlich die Ersetzung einer regelbasierten durch eine machtbasierte Ordnung. Das ist ja das, was sich zurzeit abspielt. Wie erklären Sie sich, dass dieser Politikertypus uns abhandengekommen ist? Ist das ein deutsches Phänomen? Ging es uns vielleicht auch einfach lange zu gut? Also sozusagen, dass wir uns gar nicht, dass die Politiker...
an die gar nicht die Anforderungen gestellt wurden, die Sie da eben formuliert haben. Wie erklären Sie sich das? Eine Erklärung ist sicherlich der Blick aufs Wahlsystem. Wenn man eine Präsidialverfassung hat oder die Verfassungsordnung eine Präsidialverfassung hat, dann geraten eher Leute, die sehr auf Sichtbarkeit ausgerichtet sind, auf eigene strategische Überlegungen an die Spitze. Das kann man in Frankreich ganz gut beobachten. Andererseits der Umstand, dass Leute,
Leute, die strategisch denken, nur wenig Motivation haben, sich um ihren Wahlkreis besonders zu bekümmern. Die haben andere Probleme.
Die müssten auf der Landesliste abgesichert werden, aber die Landesliste inzwischen ist so quotiert und es gibt keine Quote für strategische Köpfe, sodass also die keinen Platz haben. Und dann sicher das, was Sie angesprochen haben, strategischen Denker in der Geschichte der Bundesrepublik, das waren alles noch Leute, die in irgendeiner Weise aus dem Zweiten Weltkrieg kamen.
Helmut Schmidt, Franz Josef Strauß und andere, ob man das damit jetzt einverstanden war oder nicht. Und diese lange Friedenszeit hat natürlich auch dazu geführt, dass Leute politische Karriere gemacht haben, die sich eigentlich mit Plan B oder so etwas nie beschäftigt haben, weil es die Erfordernis dazu gab.
jedenfalls dem Augenschein nicht gab. Und plötzlich ist die Situation so, dass man nicht nur einen Plan B, sondern vielleicht auch noch einen Plan C und C1 und C2 erbraucht. Und ja, da gibt es schon vielleicht noch den einen oder anderen in der Politik, aber die sind nicht in der ersten Reihe, sondern die wären in der zweiten und dritten Reihe und man muss, glaube ich, eine Lupe haben, um sie zu finden.
Lass uns noch einmal zurückschauen auf das Wahlergebnis. Wir wollen ja primär nach vorne schauen, aber doch nochmal nachspüren, was eigentlich die Gründe für dieses Ergebnis sind. Es gab ja doch massive Verschiebungen. Also wir haben erlebt, dass die SPD wirklich abgestürzt ist, die AfD hat sich verdoppelt, die CDU hat nicht das erreicht, was sie selbst erwartet hat, muss man sagen. Die Grünen haben ja auch massiv verloren und dann gab es noch diesen Sensationserfolg von den
Von den Linken, der sich zumindest in den letzten Tagen schon noch ein bisschen abgezeichnet hat. Aber was ist eigentlich der Grund für diese massive Verschiebung im Vergleich zur Wahl 2021 jenseits der schlechten Wahrnehmung oder schlechten Noten, die die Bevölkerung der Ampelregierung gegeben hat? Gibt es noch andere, vielleicht tiefer liegende Gründe für diese massiven Veränderungen? Also, dass die Sozialdemokraten so sehr verloren haben, ist ja der eigentliche Wahlverlierer.
wenn man von der FDP mal absieht, aber über die braucht man jetzt zuerst nicht mehr reden, dann muss man sagen, die Performance der Ampel war miserabel. Ich meine, vielleicht, wenn man in einen wirklichen Faktencheck, wie man das nennt, eintritt, dann kann sich so manches ja durchaus sehen lassen, gemessen an den Problemen. Aber die Art und Weise, wie es kommuniziert worden ist, wie es dargestellt worden ist,
Die Patzigkeit, die der Kanzler gelegentlich an den Tag gelegt hat, wenn etwas gefragt worden ist, das war verheerend. Dann kommt die Veränderung der wirtschaftlichen Situation hinzu. Also das Versprechen der Sozialdemokraten des sozialen Aufstiegs, Aufzug, in dem eigentlich alle mitgenommen werden, das hat an Plausibilität verloren, sodass also starke Unterstützungskraft entsteht,
die sie bislang hatten, Fortschrittsvorstellungen und Verbesserungsvorstellungen, die ja nicht unbedingt den Erfahrungsraum, aber den Erwartungshorizont der Leute beschäftigt haben. Die sind weg. Der Kontratiefzyklus ist ausgelaufen, der auf Industrialismus beruht. Und wie das bei Digitalität aussieht, das wissen die Leute nicht.
Das ist der eine Faktor. Und der andere Faktor, glaube ich, ist es ein Wahlkampf, der sehr stark durch Emotionen, Angst, Wut und Zorn bestimmt war. Durch das Migrationsthema meinen Sie?
Die hätte man administrativ anders handhaben müssen. Dass das selbst einer in dieser Hinsicht eigentlich am restriktivsten aufgestellten Landesregierung wie in Bayern nicht gelungen ist, haben ja die letzten Ereignisse auch gezeigt. Also das hat sich in den Vordergrund gedrängt und sicherlich so etwas wie langfristig angelegte rationale Entscheidungen von Wählern
die sozusagen über ihre Zukunft und die ihrer Kinder nachdenken, in den Hintergrund gedrängt. Das heißt, der Augenblick hat die lange Dauer getoppt. Das ist die zweite Erklärung. Ich meine, ich habe, wenn ich über Demokratie nachdenke, eigentlich immer darauf gesetzt, dass Demokratie eine spannende Form ist, die dazu führt, dass die Bürger auch politische Urteilsfähigkeit entwickeln.
Diese Urteilsfähigkeit ist jetzt sicherlich durch das Wahlergebnis nicht konterkariert. Da kann ich sagen, die haben überhaupt nichts begriffen. Aber es gibt doch einen Teil der Wählerschaft, der nicht auf Urteilsfähigkeit, sondern auf den Tumult ihrer Emotionen gesetzt hat. Und der verteilt sich auch noch mal regional in Deutschland, wie man ja an dem...
der neuen Bundesländer und des alten Westdeutschlands sehen kann. Ich denke, wenn ich noch eine Zwischenfrage da einschieben darf. Steckt da die Gefahr mit drin, dass man auf den Tumult der Emotionen künftig verstärkt setzt? Also dass die Parteien verstärkt darauf setzen und dass dieser Tumult dadurch befeuert wird? Ist das eine Gefahr, der wir ausgesetzt sind? Ja, gar keine Frage. Das beobachten wir.
in Mittel- und Ostmitteleuropa schon die ganze Zeit, wo sozusagen bestimmte Personen hochkommen. Der Tumult der Emotionen begünstigt auch eher autoritär auftretende Politiker. Wir haben das selbst in einer so befestigt erscheinenden Demokratie wie den USA gesehen. Die Verschiebung der Kommunikation von klassischen Argumentationsmedien hin zu
Zu Kurznachrichtendiensten und anderem mehr im Vorfeld des Wahlkampfs spricht auch dafür. Das würde ich sagen, ist jetzt keine speziell deutsche Sache, sondern das ist eine Bedrohung im Prinzip des Typus von Demokratie, wie wir ihn kennen, nämlich als liberal-demokratischer Rechtsstaat, sozusagen mit diesen drei Elementen.
Und die Demokratie läuft eher auf das zu, was man in der Antike in Athen gehabt hat, was man Stimmungsdemokratie genannt hat, also sozusagen die Gestimmtheit des Augenblicks dominiert. Und deswegen entsteht natürlich auch eine wahnsinnige Volatilität beim Abgeben der Stimme.
Wenn wir jetzt mal den Blick nach vorn, Sie haben es ja eben schon angerissen, wir haben der künftige, wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz wird einen großen Berg von Problemen zu lösen haben. Davon ist nur eines, dass er für eine disziplinierte Regierung sorgen muss. Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir haben ein Land, das in Teilen zumindest überfordert ist durch die Migration und wir sind natürlich in einer Situation, wo der amerikanische ehemalige Partner als Schutzmacht zumindest wegzufallen scheint.
Also eigentlich ruft alles nach einer schnellen Regierungsbildung, um jetzt endlich diese Probleme anzufassen, weil wir haben ja im Grunde genommen jetzt schon ein halbes Jahr Stillstand hinter uns. Wie zuversichtlich sind Sie, dass tatsächlich jetzt schnell eine Koalition tatsächlich auch gebildet werden kann? Ich glaube, dass in dieser Frage die beiden infrage kommenden Koalitionäre
in einer dilemmatischen Situation stecken. Also Merz mit Sicherheit, weil er das schon mehrfach erklärt hat jetzt, hat ein Interesse an einer schnellen Regierungsbildung. Die Sozialdemokraten, wenn sie darüber nachdenken, was staatsbürgerliche Verantwortung ist, werden das wohl auch haben.
Andererseits steht das Problem da, dass die Ampel nicht nur daran gescheitert ist, dass sie so unterschiedliche Kräfte hatte, sondern dass sie auch die Koalitionsverträge nicht sorgsam genug ausgehandelt haben, sodass also relativ bald die zentrifugalen Kräfte innerhalb dieser Regierung zum Ausbruch kamen. Das will wohl überlegt sein, ob, wie sagt man so, hoppladihopp,
Und wir müssen in Brüssel wieder da sein, verhandelt wird, was dann relativ schnell die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränkt und den Eindruck erweckt, wie das bei der Ampel der Fall war. Die streiten sich ja nur, die wissen ja gar nicht, was sie wollen. Oder ob man sagt, man investiert dort ein bisschen mehr Zeit.
um zu klären, wie was gehandhabt werden soll. Und dabei wird vermutlich das zentrale Problem zunächst mal die Schuldenbremse sein, die mit dem jetzt gewählten Bundestag nicht auflösbar ist, die nur noch auflösbar ist mit dem noch im Amt befindlichen Bundestag, weil das eine Frage der verfassungsändernden Mehrheit ist. Ja, da sind eine ganze Reihe von großen Problemen da,
Wetterpostigkeit der Sozialdemokratie hatte ich ja schon angesprochen.
dass sie so stark verloren haben und von daher sicherlich bei den Verhandlungen schwieriger sind, als sie wären, wenn sie besser da standen. Und hinzu kommen ja auch so atmosphärische Verstimmungen, die der vermutliche nächste Kanzler ja am Tag vor der Bundestagswahl gesät hat, als er von den grünen und linken Spinnen gesprochen hat. Würden Sie sagen, ach, es zu vernachlässigen ist Wahlkampf oder erzählt das mehr über die künftige Bundesregierung, als wir vielleicht jetzt sehen?
Ach, das weiß ich nicht, ob das so viel erzählt, weil das halt im Wahlkampf ist, aber es hinterlässt so Verwundungen, Verletzungen und die Vorstellung hat, jetzt heilen wir es schon heim. Du wirst schon noch kommen müssen und mit uns reden.
auf uns angewiesen sein und derlei mehr. Das ist jetzt keine besonders herausragende strategische Fähigkeit. Aber das gehört zum politischen Spiel dazu. Das sind diese Emotionen, von denen ich gesprochen habe, die ja nicht nur Wähler
sondern auch Politiker, die dann beleidigt sind oder sagen, okay. Ja, aber es geht, glaube ich, ein bisschen weiter. Also diese Anti-Merz-Kampagne, die die SPD ja gemacht hat, um halt Unterstützung zu generieren im Wahlkampf, die hat letztlich dazu geführt, dass Merz, der an der Basis der SPD ohnehin schon nicht beliebt ist, also jetzt richtig verhasst ist. Und die SPD, das habe ich gestern im Willy-Brandt-Haus gehört, wird höchstwahrscheinlich eine Mitgliederbefragung machen müssen. Genau.
um halt die Partei in diese Koalition, in die nicht geliebte Koalition mit der Union als Juniorpartner zu führen. Und da könnte womöglich nicht ganz, also jetzt spielen wir das mal theoretisch durch, die sagen Nein bei der Mitgliederbefragung und diese Koalition kommt nicht zustande. Was passiert denn dann eigentlich? Wir haben ja gar keine andere Koalitionsoption. Gibt es dann eine Minderheitsregierung oder was wird dann passieren? Ja, oder Neuwahlen. Wenn sozusagen in dieser Frage keine Lösung ist,
Wahrscheinlich wird, wenn man einigermaßen das aushandelt, die sozialdemokratische Führung der Mitglieder schon sagen, wenn ihr Nein sagt, dann könnte es eine schwarz-blaue Regierung geben. Guckt euch das in Österreich an, wie das gelaufen ist oder so, wollt ihr das?
Ich glaube, dass die Drohung mit der Mitgliederbefragung ein Instrument ist, um den Preis der SPD in den Verhandlungen hochzutreiben und der CDU auf diese Weise zu signalisieren, wir haben zwar furchtbar verloren,
Aber ohne uns geht das nicht und deswegen müsst ihr uns hoffieren und uns entgegenkommen, damit wir diese Mitgliederbefragung durchführen können, ohne dass die Mitglieder Nein sagen. Das ist glaube ich so ein Bestandteil des politischen Geschäfts, also sich sozusagen mit der Mitgliederversammlung so sexy machen, dass der andere ein bisschen anfängt einen anzubeten.
Hallo, hier ist Eliana Grabitz von Das Politikteil. Bevor wir gleich weiter über unser heutiges Thema sprechen, wollten wir gerne einmal kurz erwähnen, dass wir in der Zeit und auf Zeit Online ständig ausführlich über das politische Geschehen berichten, über Hintergründe und Zusammenhänge, wie Sie es aus Das Politikteil auch kennen. Wenn Sie mögen, lernen Sie doch kostenlos unser Angebot kennen. Sichern Sie sich unter abo.zeit.de slash politikteil ein gratis Probeabo.
Also neben den großen strukturellen Problemen, die wir ja schon angesprochen haben, finde ich, was einem ja sehr große Sorgen macht, ist die eigentlich sehr schlechte Stimmung im Land. Also 85 Prozent der Menschen glauben eigentlich nicht an eine bessere Zukunft für Deutschland. Für sich persönlich steht nochmal auf dem anderen Blatt.
Und sehen wir ja da, dass im Grunde genommen der Glaube an eine bessere Zukunft verloren gegangen ist und zugleich aber auch das Vertrauen darin, dass der Staat die Steuerungsfähigkeit besitzt, um wirklich jetzt dieser ganzen eben schon beschriebenen Probleme Herr zu werden. Was kann eine Regierung da jetzt ausrichten? Also ich frage mich immer, was ist zuerst? Erst muss die Stimmung gedreht werden oder erst müssen die Probleme gelöst werden?
Weil im Grunde genommen die Ingredienzen, um den Leuten jetzt was an die Hand zu geben und zu sagen, ihr könnt glauben an eine bessere Zukunft, die sind ja einfach nicht da, weil die Probleme einfach zu gigantisch sind. Was muss da passieren? Ja, ich meine, das ist, was weiß ich, die eine Million Dollar Frage oder so. Das Problem hat viele Facetten. Die erste Facette ist, von den jetzt in Frage kommenden Politikern ist kein Charismatiker oder Charismatikerin.
die gewissermaßen durch ihren persönlichen Auftritt so etwas wie Zuversicht in die Gestaltbarkeit von Zukunft vermittelt. Jedenfalls das politische Personal, vielleicht mit Ausnahme von Habeck, der Mitte kam ausgesprochen ranzig daher. Man kannte sie, man war ermattet vertreten.
Alle Untersuchungen zur Wahl zeigen ja auch, dass Merz der CDU eigentlich nicht ein Zugpferd gewesen ist, sondern es ist mitgelaufen oder hat eher gebremst. Da kommen doch jetzt auch noch mal einige, gerade bei der Union, in die Regierung, die wir auch schon alle kennen. Also es ist dieses Gefühl der Ranzigkeit, das scheint noch ein bisschen verstärkt werden. Das ist wohl so und das heißt sozusagen, auf der Ebene kann man es nicht lösen. Klassisch war das die Vorstellung vom Fortschritt der
ja in der Geschichte der alten Bundesrepublik und dann auch des vereinten Deutschland immer eine zentrale Rolle gespielt hat. Fortschrittsglauben, der ist zerfallen. Die Ampelkoalition hat ja auch noch versucht, gewissermaßen sich aus der Koalition des Fortschritts zu drapieren.
Guckt man genauer hin, kann man feststellen, Ende des 18. Jahrhunderts mit der Aufklärung entsteht Fortschritt als Kollektiv Singular. Also nicht einzelne Fortschritte hier und da, sondern als Bewegung der Geschichte. Und die hat im Prinzip bis zum ökologischen Einspruch und einer zunehmenden Parzellierung wieder das Kollektiv Singulars, der zerfällt, nicht?
sodass also dieser Angstdämpfer, wie ich den Fortschrittsglauben mal nennen würde, nicht zur Verfügung steht, um epidemisch um sich greifende Ängste in der Bevölkerung zu dominieren. Natürlich kann man sagen, was Politik machen kann, nämlich erstens Angst in Furcht zu verwandeln. Furcht hat eine benennbare Ursache, die kann Politik bearbeiten.
Und vieles andere mehr, aber das setzt natürlich Fähigkeiten des politischen Personals erstens in operativer Hinsicht voraus und zweitens von Überzeugungskraft, also die Performance, dass die Leute bereit sind an eine Chance, die vielleicht nicht so furchtbar groß ist, aber die da ist, auch zu glauben und sich für sie zu engagieren.
und nicht diese Haltung zu verfallen, es geht ja hier sowieso alles bergab, was wir so im letzten halben Jahr, im letzten Jahr verstärkt gehört haben. Wozu man dann vielleicht doch wieder die charismatischen Politiker und Politikerinnen bräuchte. Zweifellos, das ist sozusagen der Notnagel in Situationen, in denen es schwerfällt, umfassende Zuversicht aufzubringen, dass einer da ist,
Von dem man sagt, naja, also wenigstens ist die Person so und so da.
Der Erfolg der AfD ist ja gewissermaßen Ausweis dieses Verlusts von Fortschrittsglaube. Sie haben vorhin gesagt, Sie haben mit diesen 20 Prozent, die Sie erreicht haben, die AfD, bei dieser Wahl gerechnet. Es gibt jetzt Leute, die sagen, damit sind Sie auch ausmobilisiert, vielleicht noch zwei Prozent mehr, aber das wäre es dann. Es gibt andere, die sagen, wenn diese jetzt zustande kommende Regierung nicht performt, also wenn sie nicht erfolgreich agiert in den nächsten vier Jahren, dann ist das nicht so.
Dann werden wir einen Kanzler oder eine Kanzlerin von der AfD haben. Zu welcher Ansicht tendieren Sie denn da? Also im Prinzip glaube ich, dass das Potenzial einer rechtsextremen Partei tendenziell erschöpft ist, aber unter normalen Umständen.
Und wenn diese Regierung sich als handlungsunfähig, die jetzt zustande kommt, zerstritten, ja auch lösungserwärts erweist,
dann kann das noch sehr viel größer werden. Vermutlich war das Problem von 1932, 1931, 1933 auch, dass gewissermaßen das, was die Nazis wollten, bei vielleicht nur 20 Prozent wirklich verinnerlicht war. Dass aber die Angst vor der Situation, die eingetreten war,
so groß war, dass Leute die Nazis gewählt haben, die es sonst eigentlich nicht gemacht hätten. Also das, was ich den Tumult der Emotionen, der Ängste, überbordende Sorgen und vieles andere mehr genannt habe. Insofern würde ich meinen, um konkret auf Ihre Frage zu antworten, ja, man kann zunächst einmal davon ausgehen, dass mit 20, 21 Prozent das ausgereizt ist.
Aber man muss immer im Auge behalten, dass man dann als demokratische Mitte keine Fehler machen darf. Sonst ist es nicht ausgereizt. Herr Professor Mögler, Sie haben letzte Woche bei Zeit Online geschrieben, dass der transatlantische Westen ein geopolitisches Auslaufmodell sei. Richtig, das habe ich getan. Habe ich gelesen.
Also sozusagen die Mächte auf beiden Seiten des Atlantiks entfremden sich voneinander. Wir haben das bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesehen, haben wir alle mitbekommen, wie J.D. Vance, der Vizepräsident, eben seine Ansagen in Richtung Europa getätigt hat.
All das heißt ja eigentlich, dass vor der neuen nächsten Bundesregierung große außenpolitische und auch verteidigungspolitische Aufgaben liegen. Halten Sie die Regierung, die wir ja nur schemenhaft vor uns sehen, aber zumindest so langsam eine Vorstellung dafür entwickeln, halten Sie die dafür gewappnet? Also allem voran auch an Friedrich Merz, der ja, wie es häufig beschrieben wird, keine Regierungserfahrung hat, aber doch vielleicht sich ganz gut im angelsächsischen Amerikanischen bewegen kann?
Ja, das muss man mal sehen. Ich glaube, dass die Hoffnungen, die ja auch von Spahn aus der CDU da geäußert worden sind, man könne in irgendeiner Weise auf Trump und seine Leute Einfluss nehmen, dass das falsch ist. Trump ist ein so erratischer Typ, der macht, was er will und ab und zu weiß er am Abend noch nicht, was er am nächsten Tag wollen will.
Insofern kann man vielleicht jetzt augenblicklich mal ein Gespräch mit ihm führen, wo man das Gefühl hat, ich bin dann rangekommen. Aber ob er sich daran am nächsten Tag noch erinnert und ob das für ihn handlungsleitend ist, das würde ich bezweifeln. Das heißt jetzt nicht, dass seitens der Europäer man die transatlantische Dimension krachend hinschmeißen muss und sagen, so geht es nicht, wir machen jetzt alles allein.
Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass die deutsche Regierung, die sehr lange darauf gesetzt hat, die sozusagen die amerikanische Karte immer gespielt hat, im Unterschied zu den Franzosen und den Franzosen auch die kalte Schulter gezeigt hat, das war Regierung Merkel schon so, das war in der Regierung Scholz auch so, dass sie der eigentliche Verlierer ist, sozusagen analytisch.
haben die Ischingers, Heusgens und wie sie alle heißen, die da so etwas wie Linien vorgegeben haben, verloren. Sie haben dies falsch eingeschätzt. Und das hätte man ja bereits im Zusammenhang der ersten Präsidentschaft Trump deutlich umsteuern müssen. Sowohl in die Handlungsfähigkeit der EU investieren durch Hierarchisierung,
durch zwei Mitgliedschaften, durch abflachende Ränder und vieles andere mehr, also ein tiefgreifender Umbau der EU aus einem
umtriebigen Regelgeber zu einem handlungsfähigen Akteur. Ist das nachholbar? Da gebe ich Ihnen ja vollkommen recht, weil Sie mindestens vor zehn Jahren anfangen müssen, vielleicht schon 2008, als die russischen Truppen dann in Georgien einmarschiert sind. Ist das irgendwie mit Aussicht auf das Volk nachholbar? Und ist der Anspruch, das wird von außen an Deutschland herangetragen, Sie müssen eine Führungsrolle übernehmen bei den internen Problemen, die Deutschland gerade hat?
Und auch dem mentalen Versäufnis, würde ich mal sagen. Also die Franzosen haben ja schon lange, wir haben es ja angesprochen, über strategische Autonomie gesprochen. Macron war ja derjenige, der da gedrängt hat, die deutschen kalte Schulter gezeigt. Sind wir vorbereitet, diesen Führungsanspruch, da meine ich nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft, diesen Führungsanspruch zu übernehmen und jetzt Europa wirklich, natürlich zusammen mit anderen,
Aber zu einen, zumindest mal so ein Kerneuropa aus mehreren Nationen, die dann wirklich nur zum eigenen Gewicht werden, damit sie nicht, wie Sie es ja auch geschrieben haben, zum Befehlsempfänger aus Moskau und Washington degenerieren. Sicherlich wäre das alles sehr viel einfacher gewesen, wenn man da vor zehn Jahren angefangen hätte mit.
auch was die Mentalität der Bevölkerung anbetrifft. Sozusagen der erste energische Schritt in dieser Hinsicht war ein semantisches Manöver, das Boris Pistorius gemacht hat, also von Kriegstüchtigkeit, nicht von Verteidigungsebene, von Kriegstüchtigkeit gesprochen hat. Insofern würde mich sehr freuen, wenn er Pistorius für die Sozialdemokraten in der neuen Kabinett eine zentrale, wichtige Rolle spielen würde.
Die Genossen wären sehr gut beraten, wenn sie in diese Position auch ihn bringen würden, denn schließlich ist er ja, was man vom Verteidigungsminister eigentlich nie erwarten konnte, der beliebteste Politiker über unendlich lange Zeitstrecken gewesen. Ist er immer noch. Ist er immer noch, natürlich, ja.
Das ist das eine. Das zweite ist, ich glaube, dass man über nukleare Abschreckungskomponenten in Händen der Europäer nachdenken muss. Also sozusagen sich nicht verlassen drauf, Franzosen, Fürste Frappe und so weiter, das hat ja eine Nukleardoktrin, die nur für französisches Territorium gilt. Und wenn man sagt, na gut, also stellen wir uns mit den Pariser gut, damit sie ihre Sicherheitsgarantien auf Deutschland ausdehnen,
Ja, das kann man vielleicht machen, aber das Potenzial ist nicht hinreichend, um das tatsächlich zu tun. Und das kostet sehr viel Geld und die Franzosen haben in dieser Frage noch größere Probleme, weil sie noch ganz anders verschuldet sind. Die Deutschen sind ja eigentlich am wenigsten verschuldet im Bereich der größeren Staaten in Europa. Also das werden gewaltige Anstrengungen sein und da hängt ganz viel an der Schuldenbremse und ihrer Auflösung.
Vorher scheint ja Frankreich die Führungsrolle in Europa einzunehmen, zumindest for the time being. Wo sehen Sie da den wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz? Also wird er bereit sein, da so eine Art Mitläuferrolle einzunehmen oder wird er sich aufschwingen und versuchen wollen, da in das Duell einzusteigen mit Macron und die Führungsrolle für sich beanspruchen?
Naja, er muss Letzteres tun, weil die Franzosen halten schöne große Reden, sagen, das können sie gut. Aber das operativ Untersetzen funktioniert nicht. Wenn man mal guckt, wie viel Frankreich an Unterstützungsleistungen für die Ukraine gebracht hat, gemessen am Bruttosozialprodukt, dann ist das ein Bruchteil dessen, was die Deutschen getan haben.
Die deutsche Führungsrolle ergibt sich trotz aller Probleme mit der Wirtschaft, aber immerhin sind wir im Augenblick noch die drittgrößte Wirtschaft im globalen Rahmen. Maßstab, Führungsrolle fällt Ihnen so oder so zu. Man kann damit geschickt umgehen und ungeschickt umgehen. Sicherlich ist es ratsam zurückhalten und vorsichtig umzugehen.
Also sozusagen nicht breitbeinig auftreten, sondern tatsächlich führen und voranbringen. Das sind nicht unbedingt die ersten Attribute, die einem einfallen. Ja, das ist im Prinzip die sehr nachhaltige Erfordernis einer intelligenten und trotzdem entschlossenen politischen Führung. Ob das der Kanzler oder die Leute um ihn reden,
hinbekommen, das wird man sehen. Ich meine, wenn er jetzt die ganze Zeit aufgrund relativ langer Verhandlungen in Brüssel nicht dabei ist, dann wird er spät einsteigen müssen und nicht besonders viel bewegen können und dann entsteht schnell das Image eines schwachen Mannes. Das ist ein weiteres Dilemma, in dem sich Merz befindet.
Sie haben vorhin vom Übergang gesprochen von der regelbasierten Ordnung zur machtbasierten Ordnung. Wenn man deutschen Politikern zuhört, da fällt der Begriff machtbasierte Ordnung nie. Da fällt immer nur dieses Festhalten an der regelbasierten Ordnung, das Einfordern der regelbasierten Ordnung, von der Trump sich gerade verabschiedet hat, Putin schon viel länger und die Chinesen wahrscheinlich auch. Ja.
Sehen Sie da ein Umdenken oder gibt es überhaupt eine Alternative dazu, dass man bei diesem Spiel um eine machtbasierte Ordnung mitmachen muss, bei diesem Machtspiel? Oder kann man irgendeine Form von anderer Haltung noch einnehmen? Man kann durchaus nach wie vor auf Völkerrecht verweisen. Man muss allerdings wissen, dass das halt ein bloßer Verweis ist und nicht die Durchsetzung des Völkerrechts sind.
Dass man die Frage, aber Herr Münkler, was sagt denn das Völkerrecht dazu, was ich relativ häufig in Interviews gefragt worden bin, eigentlich eine sinnlose Frage ist. Erstens, weil das Völkerrecht nichts sagt und zweitens, weil es keinen Hüter hat. Wir müssen lernen, in einer machtbasierten Ordnung uns zu bewegen. Vielleicht mit dem Ziel, eine langfristige Rückkehr wieder zu einer regelbasierten Ordnung zu bringen.
Das System der fünf großen Akteure, wie ich das in dem Buch über Welt im Aufbruch beschrieben habe, schließt ja nicht aus, dass diese fünf untereinander Regeln geben. Aber die Regeln werden nicht sehr dicht sein. Und man muss darauf achten, dass es das Eigeninteresse dieser jeweiligen mächtigen, vormächtigen Akteure ist, dass die Regeln eingehalten werden, weil man keinen Hüter oder Weltpolizisten hat.
der das durchsetzt. Das wäre so etwas gewissermaßen wie eine Befähigung zur machtbasierten Ordnung mit der Perspektive, deren Bedeutsamkeit für unser Handeln auf lange Sicht wieder zu reduzieren. Und wenn wir dann zurückfallen in dieses Zeitalter der Imperien, welche Rolle würde Deutschland in dem Gefüge spielen?
Naja, das ist die Frage, ob man sozusagen dem russischen Plan folgt. Der heißt, Ostmitteleuropa kommt unter russische Kontrolle und über den Rest, der noch verblieben ist nach dem Abzug der Amerikaner, können die Deutschen und die Franzosen das Sagen haben. Das ist auch schon das, was Putin eigentlich 2001 im Bundestag gesagt hat und gesagt.
was er dann mit bösem Gesicht 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz wiederholt hat. Das ist sozusagen das strategische Projekt der Russen. Oder aber, ob es Europa gelingt, zusammenzubleiben, den Russen klarzumachen, dass sie außer dem Donbass nichts mehr sich holen können. Ja, das ist etwas, was vor allen Dingen den Deutschen auf den Schultern liegt, diesen Rassismus.
schwierigen Laden, Folge der Osterweiterung, ganz schwierigen Laden zusammenzuhalten. Mal schauen, ob sie das hinkriegen. Wo ich gesagt habe, beim Prinzipiellen schon sind, die antiliberale Demokratie, die wird ja jetzt in Europa nicht, oder wird weltweit nicht mehr nur
von den europäischen Ländern wie Ungarn oder auch der Slowakei verkörpert. In Italien gibt es ja auch, ob man das schon antiliberale Demokratie nennen kann. Weiß ich nicht genau, dafür kenne ich es zu wenig. In Österreich, glaube ich, versuchen die bei den Wählern, sich in diese Bewegung dorthin zu bewegen. Jetzt wird sie verkörpert, offenbar immer mehr von den USA. Also von dem Land, das von Staatsgründung an sich als immer Verkörperung der liberalen Demokratie verstanden hat.
Welche Effekte wird das haben aus Ihrer Sicht? Wird es sozusagen eine Gegenbewegung in Europa geben, sich dagegen zu stemmen oder wird es noch mehr Nachahmer finden? Wenn die Amerikaner das schon machen, dann können wir das ja auch so vereinfacht gesprochen.
Also zunächst mal geben die Amerikaner sich ja mit Burns auf der Münchner Sicherheitskonferenz oder Musk ultra-liberal, aber das ist libertär. Sozusagen die Auflösung von allen Strukturen, ein Begriff von Freiheit, der nicht die Freiheit des anderen mitbedenkt, sondern immer nur die eigene und so weiter. Und das Auffällige ist, dass die politische Rechte in Europa und auch in Deutschland gewissermaßen
um die Autoritären herumscharbenzelt. Sowohl um Putin als auch um Trump und Musk und Werns und andere. Also man könnte sagen, wenn ich ein Pessimist wäre, würde ich das sagen, der Niedergang eines Landes zeigt sich auch darin, wenn die Rechten keinen Charakter mehr haben, sondern sozusagen flachliegen.
vor den Mächtigen dieser Welt. Frau Weidel hat ja da eine Reihe von Bildern produziert in diese Richtung. Die demokratische Mitte kann vielleicht auch Zustimmung gewinnen, wenn sie sagt, wir haben ein eigenes Projekt und das beruht darauf, dass wir stolz darauf sind, Europäer zu sein und weiterhin Vertreter der liberalen Demokratie zu sein.
Und das hängt dann auch in hohem Maße an den Deutschen. Der amerikanische Historiker Timothy Snyder hat ja gesagt, jetzt liegt gewissermaßen die Verteidigungsrolle der liberalen Demokratie bei Deutschland. Ja, ich frage mich aber, ob es da auch schon sozusagen bei den Rechten, Sie haben es ja gerade schon angesprochen, auch bei der Union, ob es da nicht schon Versuchungen gibt, das in Teilen zu imitieren. Also diese Entschiedenheitsgestos, wenn man sich hinstellt und sagt, am ersten Tag meiner Kanzlerschaft
... werde ich das und das anordnen und das und das durchsetzen. Das ist ja schon so eine Art sauerländischer Trumpismus, also abgeschwächt, der da sich ein bisschen Bahn bricht. Sehen Sie das mit Sorgen? Ich würde sagen, sauer geworden, Trumpismus, weil da etwas aufgegriffen und in Szene gesetzt wird, was ein deutscher Kanzler gar nicht kann, weil er nicht die imperialen Befugnisse ...
Und auch Machtmittel hatte, die der amerikanische Präsident hat. Insofern ist das frei nach Mao Zedong ein Stein, den Merz erhoben hat, der ihm auf die eigenen Füße fallen wird.
Und ich habe jetzt die unliebsame Aufgabe, hier die Schiedsrichterin zu spielen, weil anders als Sie beide und du, Peter, habe ich die Zeit im Blick und wir sind schon am Ende. Normalerweise bei Podcasts haben wir ja selber die Regie in der Hand, aber heute sind wir ein bisschen zeitlich gebunden. Insofern wollen wir aber trotzdem noch eine Frage zum Abschluss stellen, wie in allen unseren Politikteilen, Herr Münkler. Und zwar bearbeiten wir ja häufig recht düstere Themen und haben uns dann irgendwann entschieden, wir brauchen zum Schluss ein bisschen gute Laune und fragen unsere Gäste nach dem, was sie optimistisch stimmt.
Jetzt könnte man angesichts all der Aufgaben, die die künftige Regierung wird lösen müssen, weiß man gar nicht, was man auswählt. Ich nehme jetzt mal die Frage nach dem Einhegen der AfD. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die nächste, die wahrscheinlich große Koalition das hinbekommt? Bitte mal eine kurze Antwort. Ja, ich traue ihr es zu, wenn sie klug ist.
Und obendrein würde ich auch sagen, ich habe mich in meinem Abitur ja sozusagen für Hölderlin als Dichter entschieden gehabt. Seitdem begleitet er mich. Von dem stand diese schöne Formel, wo die Gefahr am größten ist, da wächst aber das Rettende auch. Wie schön ist das mit Hölderlin zu Ende. Ist ja noch besser als mit Mao Zedong. Das war ja auch schon eigentlich ein guter Spruch, aber Hölderlin ist natürlich viel besser. Herzlichen, herzlichen Dank, Herr Professor Münkler, dafür, dass Sie uns hier sehr geholfen haben.
Das Wahlergebnis ein bisschen auszudeuten und vor allen Dingen die geopolitischen Implikationen, die das alles hat, irgendwie jetzt mit zu bedenken. Vielen herzlichen Dank. Ich bedanke mich.
Wenn Sie, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer oder Hörer und Hörerinnen, Fragen haben, wenn Sie Anregungen haben, wenn Sie uns kritisieren wollen, wenn Sie uns Themen mit auf den Weg geben wollen, dann schreiben Sie uns an daspolitikteil.zeit.de und ich glaube, damit sind wir am Ende. Das Politikteil ist ein Podcast von Zeit und Zeit Online, produziert von Pool Artists. Musik