Das Politik-Teil, der wöchentliche Politik-Podcast von Zeit und Zeit Online. Herzlich willkommen bei Das Politik-Teil. Mein Name ist Heinrich Wehfing. Und ich bin Tina Hildebrandt. Heute sprechen wir über ein Thema, das eigentlich gar kein Thema ist, sondern ein Zustand und zwar ein weltweiter Zustand.
Wenn wir auf die Weltkarte schauen, sehen wir sie überall. Menschen auf der Flucht, auf der Suche nach einem besseren Leben, vertrieben durch Kriege, Klimawandel oder wirtschaftliche Not. Die Vereinten Nationen schätzen, dass heute über 280 Millionen Menschen außerhalb ihres Geburtslandes leben. Das sind etwa dreieinhalb Prozent der Weltbevölkerung. Und die Zahl der Binnenvertriebenen ist da noch gar nicht dabei. Die sind noch deutlich höher.
Man fragt sich also manchmal, ob jemals in der Geschichte der Menschheit so viele Menschen gleichzeitig unterwegs waren wie heute. Das Thema Migration ist überall, es ist emotional aufgeladen und es bestimmt immer wieder die politische Debatte. Und ganz aktuell gibt es gleich mehrere Anlässe, warum wir uns heute wieder einmal vertieft mit diesem schwierigen Thema beschäftigen wollen. Wir starten mit einem Blick über den Atlantik.
Die Vereinigten Staaten erleben eine hochbrisante Phase ihrer Migrationsgeschichte. Aus Los Angeles sehen wir Bilder, die an kriegsartige Zustände erinnern und mal wieder die Frage aufwerfen, könnte das der Beginn eines Bürgerkriegs sein?
Oder ist es nur eine neue, besonders hässliche Episode in Donald Trumps Versuch, die Grenzen dicht zu machen? Dazu haben wir eine Kollegin zugeschaltet, die direkt vor Ort ist. Johanna Roth, sie ist Zeitkorrespondentin in den USA und sie wird uns live aus Los Angeles berichten und uns einen Einblick in die Situation dort geben. Und im zweiten Teil wechseln wir dann die Perspektive und den Gast zusammen.
Johanna bleibt dabei, aber es kommt noch jemand dazu und wir widmen uns der grundlegenden Frage, ist Migration überhaupt steuerbar und wenn ja, wie? Und darüber wollen wir sprechen mit Paul Mittelhoff, Redakteur und stellvertretender Ressortleiter im Politik-Ressort der Zeit. Ja, da wird es auch um das vielbeachtete Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu drei Somaliern gehen. Wir haben also viel zu besprechen, eine dicht gepackte Folge. Los geht's.
Herzlich willkommen also, Johanna Roth aus Los Angeles. Hallo. Hallo, Johanna. Und wie alle Gäste hast du uns auch ein Geräusch mitgebracht. Johanna, erzähl uns bitte, was war das? Das war die Polizei von Los Angeles, das LAPD, die unter anderem Gummigeschosse und Tränengas aufsackte.
die Demonstranten gefeuert haben. Das habe ich auch ziemlich gut kennengelernt aus der Nähe dieses Geräusch in den vergangenen Tagen. Ja, wir müssen vielleicht am Anfang einmal kurz sagen, wann wir aufnehmen. Wir nehmen am Mittwochnachmittag deutscher Zeit auf und was bis Freitag passiert, ob sich die Lage beruhigt, ob sie eskaliert, das können wir natürlich nicht sagen.
Aber, Johanna, erzähl doch mal, was ist denn in den letzten Tagen passiert? Was siehst du gerade? Wie sieht es gerade aus, da wo du bist? Und was hast du in den letzten Tagen erlebt? Es ist jetzt Viertel nach sechs Uhr morgens hier in Los Angeles. Ich bin auch tatsächlich mitten in Downtown, also in der Innenstadt. Diese kriegsähnlichen Zustände, die du beschreibst, Heinrich, die begrenzen sich ja auf einen sehr, sehr kleinen Teil der Stadt, auf das Stadtgebiet.
Und jetzt frühmorgens ist es sehr ruhig auch, weil es eine nächtliche Ausgangssperre gibt erstmals, die die Polizei auch mit einiger Härte durchsetzt. Ich finde es wichtig zu sagen, dass die Proteste in den vergangenen Tagen schon überwiegend friedlich waren. Es gibt aber eben einige Leute, die eben immer wieder Ausschreitungen provozieren. Da ist einfach sehr viel Wut, die sich aufgestaut hat. Das merkt man schon. Mhm.
Was sind das für Leute? Kann man das sagen, von wem das vor allem kommt? Das sind tatsächlich Leute, die sich häufig maskieren mit Skimasken und Mützen und FFP2-Masken. Mein Eindruck ist, dass es sehr, sehr viele junge Menschen sind. Und diese Wut leitet sich ja auch daher, dass Los Angeles eine Stadt ist, in der sehr viele Einwanderer leben. Diese Stadt ist von Einwanderern aufgebaut worden. Sie haben sie zu dem gemacht, was sie ist.
Und jetzt kommt ein Präsident, der behauptet, es gäbe eine Invasion von Einwanderern. Sie würden die Stadt überrennen. Also das ist was tatsächlich, was jetzt was triggert. Das ist so mein Eindruck, was sich dann teilweise auch lange aufgebaut hat. Seit Generationen eigentlich, dass da junge Menschen sind, die zum Beispiel sagen, also meine Großeltern sind mit nichts in dieses Land gekommen und haben alles für mich getan. Jetzt kommt da Trump und zieht das sozusagen ins Lächerliche und ins...
erniedrigt uns, entmenschlicht uns auch in seiner Sprache. Ich würde gerne noch einmal nachfragen, weil du das gerade selbst erwähnt hast, dass diese Ausschreitungen, deren Bilder wir jetzt überall sehen,
Dass die sich auf Downtown Los Angeles beschränken. Wer schon mal da war, weiß, dass Los Angeles eine riesige Stadt ist, irgendwie eine Stadtlandschaft mehr, durchpflügt von Autobahnen. Also es ist nicht so, diesen Eindruck kann man manchmal in Deutschland bekommen, wenn man die Bilder sieht, dass die ganze Stadt in Flammen steht oder dass alle Autobahnen blockiert sind, sondern es beschränkt sich auf einen relativ kleinen Teil und damit wahrscheinlich auch auf
Eher wenige Menschen, oder? Ohne das relativieren zu wollen. Aber es ist nicht die ganze Stadt, die jetzt aufsteht. Nein, überhaupt nicht. Also in großen Teilen der Stadt geht das Leben ganz normal weiter. Es gab ja tatsächlich auch Protest nach Razzien in, ich weiß gar nicht, ob man da jetzt vor Ort sagen kann, also quasi Gemeinden, die zum Großraum Los Angeles gehören, so ungefähr 20 Kilometer entfernt.
von der Innenstadt. Da war ich vor zwei Tagen. Da geht das Leben ganz normal weiter. Die Menschen sind natürlich etwas ängstlicher geworden, aber eben nicht wegen der Proteste, sondern wegen der Razzien der Einwanderungsbehörden. Und dieser Eindruck, der entsteht, dass ganz Los Angeles in Flammen steht, das ist natürlich der Eindruck, den Donald Trump erzeugen will. Und
Diesem Eindruck spielen natürlich dann diejenigen in die Hände, die dann vielleicht Barrikaden anzünden oder Läden plündern und auf Polizisten losgehen. Aber das ist, wie gesagt, nur ein kleiner Teil. Wenn du sagst, das ist vielleicht gerade der Eindruck, den er haben will, ist es vielleicht ganz gut, wenn du uns ansprichst.
am Anfang nochmal einmal genau erklärst, wie es eigentlich dazu kam. Also wie fing die ganze Sache eigentlich genau an? Letztlich war der Auslöser, dass bei einer solchen Razzia, wie sie ja die Einwanderungsbehörde ICE verstärkt mit verstärkter Härte und auch teilweise zum Beispiel ohne Durchsuchungsbeschlüsse neuerdings durchführt, auf Druck von Donald Trump, dass bei einer solchen Razzia ein
Gewerkschaftsführer, der hier recht bekannt ist, festgenommen worden ist, der sich dem entgegengestellt hatte, das zumindest dokumentieren wollte. Der kam dann gemeinsam mit den Menschen ohne Papieren, die dort festgenommen wurden, in Haft und
Und daran entzündet haben sich letztlich vergangene Woche diese Proteste, die dann gewandert sind, die jetzt eben hier downtown sind in der Innenstadt. Und Donald Trump hat das zum Anlass genommen zu sagen oder zu behaupten, es gebe eben in Los Angeles einen quasi Bürgerkrieg und er müsse jetzt das Militär schicken, um Ordnung wiederherzustellen.
Du hast es schon erwähnt, Johanna, Trump hat das Militär einsetzen lassen, also ganz streng genommen zunächst mal die Nationalgarde. Das ist so eine Art Reserveeinheit, die eigentlich unter Kontrolle des Gouverneurs des Bundesstaates steht und dann hat sein Verteidigungsminister hinterher auch eine Einheit der Marines geschickt.
Dürfen die das und auf welcher Rechtsgrundlage passiert das?
Ein Präsident kann diese Nationalgarde unter seinen Befehl stellen, also unter dem Befehl sozusagen vom Gouverneur abziehen zu sich selbst, wenn es sozusagen gegeben ist durch zum Beispiel einen Katastrophenfall, aber auch wenn eine Rebellion droht und die Arbeit der Behörden vor Ort gefährdet ist. Und Trump behauptet eben, das sei in Kalifornien möglich.
Der Fall wegen dieser Proteste von einigen Hunderten waren es da Menschen gegen die Einwanderungsbehörde ICE.
Aber damit würde die lokale Polizei auch fertig, sagt der Gouverneur von Kalifornien Gavin Newsom. Trump hat sich einfach darüber hinweggesetzt. Ja, und Gavin Newsom findet das überhaupt nicht witzig. Wir hören uns mal kurz an, was er dazu sagt. Ja, das war der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gary Newsom.
der mit dem Militäreinsatz in seinem Bundesstaat überhaupt nicht einverstanden ist. Er hat hier gesagt, dass der Präsident eine hoch angespannte Situation ausnutzt, um sie noch weiter zu eskalieren und damit seine, die kalifornischen Polizeibeamten und die Nationalgarde in Gefahr bringt. Newsom hat auch Klage dagegen eingereicht.
Gleichzeitig profiliert er sich damit als der große Gegenspieler von Trump, oder? Ja, manche sagen sogar, dass Trump ihm mit dieser Entwicklung einen großen Gefallen getan hat, weil er ihn an die Spitze der Kandidatenliste für die Präsidentschaftswahl 2028 katapultiert hat, wo ja Newsom
sehr offensichtlich, das haben wir schon länger gesehen, ein großes Interesse hat anzutreten. Und er macht das auch sehr geschickt, muss man sagen. Er reagiert immer sehr, sehr schnell und sehr sarkastisch teilweise auch auf das, was Trump so sagt. Also denkt nicht groß darüber nach oder berät sich irgendwie mit der Partei. Und das ist, glaube ich, was im Zweifelsfall auch erfolgsversprechend ist. Mhm.
Der Newsom ist ja jemand, dem viele nachgesagt haben, der ist so slick, der ist so glatt, der sieht aus wie ein Hollywood-Schauspieler. Ich persönlich finde das auch. Der sieht aus wie so ein Präsident, der in so einer Fernsehserie aussehen muss. Ja.
Hast du das Gefühl, dass er jetzt hier gerade wirklich eher zu seiner Rolle als Oppositionsführer findet? Ja, ich glaube auch, weil die Demokraten anderswo im Land natürlich gerade ein Vakuum lassen. Die sind so mit ihrem Selbstfindungsprozess beschäftigt. Es gibt keine klare Effekte.
dieser Partei oder überhaupt einer Gegenbewegung zum Trumpismus. Bernie Sanders ist ja so ein bisschen da hervorgetreten, der ist aber einfach zu alt und wird auch nicht nochmal antreten. Also das ist jetzt wirklich Newsoms Gelegenheit und die nutzt er auch ganz eindeutig. Und hat denn das Ereignis an sich das Zeug jetzt zu so einem
Also in einem Ereignis zu werden, dass dann wirklich was lostritt. Du hast ja gesagt, in Los Angeles selber gibt es Teile, da geht das Leben ganz normal weiter. Reagieren die Menschen da gar nicht darauf? Interessieren sie sich nicht dafür? Gucken die aktiv weg? Und wie ist das mit dem Rest der USA?
Also wie wird das da aufgenommen? Was hat das, was löst das da aus?
noch mehr Stau ist als sonst und sie nicht zur Arbeit kommen. Aber Los Angeles, muss man sagen, hat auch eine sehr rege Protestkultur, die eine große Tradition hat, die viel mit den Gewerkschaften zu tun hat. Und ich war zum Beispiel bei einer Gewerkschaftskundgebung, die aber eben im Gegensatz zu diesen Protesten gar keine Schlagzeilen macht,
wo auch sehr energisch, sehr emotional gegen Trump und gegen die Einwanderungsrazzien demonstriert wurde. Und das Problem ist ja oder die große Sorge ist ja auch anderswo im Land, dass Los Angeles nur der Anfang ist. Also Trump hier einen Präzedenzfall schaffen will, das Militär in US-amerikanische Städte zu schicken unter dem Vorwand, er müsse dort eine Kriegszeit
einer Krise begegnen und dann eben Protesten niederzuschlagen, der sich doch jetzt im Land zu regen beginnt in diesen Tagen auch. Und das hat auch mit dem zu tun, was in Los Angeles passiert. Also dass sozusagen die Demonstrationen hier Proteste auch anderswo inspirieren oder anstoßen. Das sieht man schon. Und Los Angeles, muss man sagen, ist eine traditionell demokratische Stadt. Kalifornien wählt immer den demokratischen Präsidentschaftskandidaten an.
Ich glaube, der letzte der Republikaner, der da Chancen hatte, war Ronald Reagan und das ist ja schon eine Weile her. Johanna, lass uns mal versuchen, zu dem Thema zu kommen, das uns ja eigentlich beschäftigen soll, nämlich die Migrationsfragen. Und das, was da gerade in Los Angeles passiert, hat ja ganz massiv damit zu tun, denn die Deportationen durch diese Einwanderungsbehörde, die du vorhin geschildert hast,
Die sollen ja dazu dienen, dass illegale Migranten aus Amerika rauskommen und gleichzeitig sollen sie ein Signal senden an Leute, die vielleicht nach Amerika rein wollen. Bleibt, wo ihr seid. Wir kriegen euch und dann kommt diese schreckliche Polizei und deportiert euch.
Das ist sozusagen der Hintergrund und die andere Maßnahme, die Donald Trump ergriffen hat, um der Migration Herr zu werden, ist die Schließung der Grenzen. Und er behauptet jetzt, nimmt für sich in Anspruch, seitdem ich Präsident bin, ist die Grenze dicht.
Stimmt das? Auch wieder Jein, denn die Grenze war ja auch vorher nicht offen. Auch unter Joe Biden haben die USA ja ganz stark sich abgeriegelt, auch unter dem politischen Druck der Republikaner und Trumps Kandidatur, der ja angetreten ist. Das war ja eigentlich sein Hauptwahlversprechen, die Grenze dicht zu machen und eben sogenannte Massendeportationen, so hat er es bezeichnet, zu haben. Seine Anhänger ist sich ja auch begeistert auf
Transparente geschrieben bei Wahlveranstaltungen, dass also die rund 11 Millionen Menschen, die ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in den USA leben, dass die also abgeschoben werden sollen. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte, die war schon niedrig, bevor Trump sein Amt angetreten hat. Sie ist aber in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft
tatsächlich noch gesunken. Was wiederum deutlich gestiegen ist, ist die Zahl der Menschen, die nicht durch den Grenzschutz, die CBP, festgenommen worden ist, sondern durch ICE, also die Agenten der Einwanderungsbehörde bei Razzien im Inneren des Landes. Johanna, wie geht das denn jetzt für dich weiter und wie geht es in Los Angeles weiter? Bleibst du jetzt noch da? Du bist ja sonst in Washington für uns.
Mit welcher Perspektive verlässt du dann jetzt die Stadt? Ich blicke jetzt tatsächlich, wie glaube ich, viele auf die kommenden Tage, vor allem auf den Samstag. Trump wird ja in Washington eine große Militärparade abhalten, offiziell zum 250. Geburtstag der US Army. Es geht aber auch zu einem erheblichen Teil, kann man mutmaßen, um die Tatsache, dass er selbst seinen 79. Geburtstag an dem Tag feiert.
Und das bekommt gerade eine noch größere Bedeutung, weil überall im Land Proteste angekündigt sind für diesen Tag unter dem Motto No Kings, keine Könige in den USA. Und er hat mehr oder minder offen angedroht, diese Proteste zu unterdrücken. Er hat gesagt, wer auf die Straße geht, der muss mit größtmöglicher Härte unterdrücken.
Und eben in dem Licht der Tatsache, dass Los Angeles eine Art Testlauf, eine Blaupause zu sein scheint, blicke ich, wie glaube ich sehr viele, doch mit erheblicher und wachsender Sorge auf das, was da passieren könnte. Und es ist ja erst der Beginn des Sommers. Das könnten sehr harte Monate werden tatsächlich. Ja, Johanna, dann gehst du von einem Militäreinsatz in Los Angeles zum Militärparadeneinsatz in Washington.
Wir können nur sagen, pass auf dich auf, stay safe und danke, dass du soweit mal hier warst. Sehr gern, danke euch. Wir hören uns zum Schluss nochmal. Jetzt schwenken wir aber einmal in unseren zweiten Teil über. Das, was wir jetzt besprochen haben, das ist eine extreme Zuspitzung, auch wenn sie noch begrenzt ist. Aber die Frage nach der Steuerbarkeit von Migration, das ist ja eine der Kernfragen,
die uns auch in Deutschland umtreiben, die viele andere Länder in der Welt, auch in Europa umtreiben. Und wir hören noch mal kurz unseren Bundesinnenminister dazu. Dazu steht in unserem Koalitionsvertrag die Migrationswende. Wir haben vereinbart,
Für mehr Rückführungen, für schnellere Verfahren zu sorgen, für die Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems und ja, für mehr Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, auch bei Asylgesuchen. Ja, das war Dobrindt, unser Bundesinnenminister, der die Migrationswende umreißt. Und das ist der richtige Moment, um Paul Mittelhoff zu begrüßen.
Schön, dass du bei uns bist, Paul. Du bist ja nicht nur stellvertretender Ressortleiter, sondern auch unser Mann für die Innenpolitik. Hallo ihr Lieben, danke für die Einladung. Und du hast dich immer wieder mit dem Thema Migration beschäftigt und du hast gerade sogar zusammen mit Heinrich einen Titel in der Zeit geschrieben, der sich eben ganz grundsätzlich mit dieser Frage beschäftigt und fragt, ist Migration überhaupt steuerbar oder ist es eher eine Illusion, das zu glauben? Paul, du bist also voll im Stoff. Ja.
Bitte mal hier als kleine Serviceleistung, so eine kleine Kurzzusammenfassung für die Hörerinnen und Hörer vom Politikteil. Ist sie steuerbar oder doch eher nicht? Die kurze Antwort ist ja, Migration ist steuerbar. Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, Japan, China oder Saudi-Arabien etwa, die haben zwar teilweise sehr hohe Zahlen an Arbeitsmigration, aber kaum irreguläre Migrationen.
Und das hat auch Gründe. Japan zum Beispiel ist ein Archipel im Pazifik, liegt also geografisch isoliert und hat deshalb, wenn man so will, quasi den Steuerungsvorteil oder die Möglichkeit zur Steuerung, weil eben nicht so viele Menschen dort hinkommen. China ist ein Land der digitalen Totalüberwachung. Dort bleibt niemand lange unerkannt im Land.
Und Saudi-Arabien hat schlicht kein formales Asylsystem. Also die Regierung dort hat nie die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnet und schiebt deshalb die Menschen, die da kommen, und das sind relativ wenige, direkt und ohne rechtliches und rechtsstaatliches Verfahren in deren Heimatländer ab.
Und wir sehen, Johanna hat es ja gerade ausführlich beschrieben, in den USA eben auch, dass zwar zu teils hohen Kosten, aber auch dort eine Steuerung der Migration vorgenommen wird unter der späten Biden-Regierung und jetzt auch unter Trump. Warum sich Europa mit dieser Steuerung so schwer tut, dazu kommen wir vielleicht später noch. Auf jeden Fall. Erstmal wollen wir schauen, wie ist denn momentan die Lage an den deutschen Grenzen, jetzt auch nach dieser angekündigten Migrationswende,
Wie viele Menschen kommen? Wie viele werden zurückgewiesen? Wie vielen wird Asyl gewährt und wie vielen nicht? Ich wollte es wirklich wissen. Wir gehen in die Vollen und in die Zahlen. Die sind alle knackfrisch. Die habe ich vor kurzem gerade noch nachgeguckt. Erstmal zu den Asylanträgen. Und hier geht es um die Asyl-Erstanträge. Es gibt Erst- und Folgeanträge. Und hier geht es also um die Anträge, die zum allerersten Mal von Personen gestellt sind, die Asyl erbeten in Deutschland sind.
Da gibt es bislang in diesem Jahr 2025 insgesamt 54.000 Asylerstanträge inklusive des Monats Mai. Das ist, und da steckt schon quasi der erste bemerkenswerte Marker, ungefähr die Hälfte der Zahl vom Mai 2024. Also nochmal, insgesamt.
In diesem Jahr sind bis heute ungefähr halb so viele Menschen in Deutschland angekommen und haben einen Asylangetrag gestellt wie letztes Jahr. Die Zahlen sinken also. Kommen wir zu den Zurückweisungen, die sind ja im Moment politisch auch extrem umkämpft.
Da sehen wir derzeit zwischen 500 und 700 Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen pro Woche. Darunter sind allerdings kaum Asylantragsteller. Also die meisten, die da abgewiesen werden von der Bundespolizei, zum Beispiel an der deutsch-österreichischen Grenze, die haben kein Visum oder deren Visum ist abgelaufen und sie versuchen jetzt wieder einzureisen. Sie äußern gar keinen Wunsch nach Asyl. Gegen sie liegt eine Einreisesperre vor oder sie haben ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland aus anderen Gründen verwirkt.
Also könnte man aber sagen, gute Gründe, die nicht einreisen zu lassen, oder? Absolut. Wobei die politische Diskussion, die wir ja sehen, dreht sich vor allen Dingen um diese irreguläre Migration mit Blick auf Asyl. Also im Zentrum dessen, worüber wir politisch sprechen und auch medial berichten, geht es eigentlich immer um Asyl. Es ist ganz interessant zu sehen, dass die Zahl der Asylantragsteller, die abgewiesen werden, sehr klein ist.
Und es einen ganz anderen Blumenstrauß an Gründen gibt, warum andere Leute nicht ins Land gelassen werden. Ihr hattet aber auch gefragt nach den Entscheidungen zum Asyl. Bis zum Mai 2025 wurden in Deutschland über 131.000 Asylanträge entschieden. Ihr seht also, dass es deutlich mehr als in diesem Jahr Asylanträge gestellt werden. Da geht es also um Altlasten. Es ist nicht so, dass...
Heute ein Asylantrag gestellt wird und morgen darüber entschieden wird, ganz und gar nicht. Das dauert viele Monate, manchmal, wenn man das Gerichtsverfahren mit einbezieht, sogar Jahre. Und unter diesen 131.000 Entscheidungen gibt es 68.000 Ablehnungen. Also gut die Hälfte der Asylanträge, die entschieden wurden, wurden abgelehnt.
Noch einmal, das ist ganz wichtig, auch glaube ich für unsere Diskussion, die wir jetzt führen, die Zahlen der Leute, die da kommen, die nach Deutschland kommen, um Asyl zu beantragen, ist ganz massiv gesunken im vergangenen Jahr. Vielleicht einmal ganz kurz zu den Gründen da, das hat...
Das hat damit zu tun, dass Staaten in Nordafrika im Moment ziemlich erfolgreich mit der EU dahingehend kooperieren, dass sie Migration beherrschen.
das etwas kühle bürokratische Wort ist, managen. Also sie halten die Menschen davon ab, nach Europa weiterzureisen und sind teilweise auch damit befasst, die Leute in ihre Heimatländer zurückzubringen. Und das scheint, so ergeben es unsere Recherchen im Moment, es gab Jahre, in denen das wirklich...
extrem brutal durchgeführt wurde. Wahrscheinlich haben viele Hörerinnen und Hörer auch die Berichte von Folter in libyschen Auffanglagern speziell im Ohr. Im Moment scheint die Situation da aber leidlich gut zu funktionieren. Und diese rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Probleme, von denen hört man derzeit nicht so viel. Und ein weiterer Grund ist, dass eine der ganz großen Migrationsrouten nach Europa, das ist die vom Iran über die Türkei dann nach Europa rein,
Die Grenze Türkei-Iran wurde in den vergangenen Jahren von der türkischen Regierung mehr und mehr befestigt. Also es ist mittlerweile quasi sowas wie ein Schutzwall. Und auch diese Migrationsroute, darauf sieht man weniger und weniger Verkehr, wenn man so will. Jetzt hast du einmal das große Bild gezeichnet. Dankeschön dafür. Wir hatten ja den Schwein ja gestartet mit.
Dobrindt, der die Migrationswende angekündigt hat. Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist die eigentlich schon gestartet oder umgesetzt worden von der Vorgängerregierung und die jetzige Regierung
Macht damit weiter. Ja, die Frage ist ja immer, wer ruft eine Wende aus? Also wir erinnern uns an Olaf Scholzens Zeitenwende mit Blick auf die Aufrüstung der Bundeswehr. Und jetzt war es eben die schwarz-rote Koalition, die eine Asylwende verkündet hat. Da wieder, weil du gerade darauf rekurriert bist, Tina, wieder der Begriff Asyl und nicht Migration im Allgemeinen. Und diese Asylwende wurde verkündet von schwarz-rot, baut aber auf, auf die, wenn man so will, Erfolge der Ampelkoalition, die ja seit April nicht mehr das Land regiert.
Wenn ich das richtig verstehe, Paul, ist das, was Migrationswende oder Asylwende heißt, nur dieser eine Baustein, über den du eben auch schon gesprochen hast, Zurückweisung von Leuten, die keinen Pass, kein Visum und so weiter haben, die gibt es schon länger. Aber jetzt werden auch Leute zurückgewiesen, die an der Grenze stehen und sagen, ich will Asyl. Und bislang war es so, dass man die...
nach geltendem Recht hat einreisen lassen, um ihren Asylantrag zu prüfen. Und jetzt ist die Bundespolizei angewiesen, in manchen Fällen zu sagen, du sagst zwar, du willst Asyl, aber du kommst trotzdem nicht rein, wir weisen dich trotzdem zurück.
Wo liegt da das Problem? Es ist ein extremes Novum im Umgang der deutschen Bundesregierung und der deutschen Bundesbehörden mit der Migration, denn nach nationalem Recht und nach Europarecht hat der oder die, die da kommt und sagt, ich begehre Asyl in der Bundesrepublik, ein Anrecht darauf, dass ihr Asylantrag nach rechtsstaatlichen Maßstäben geprüft wird.
Und jetzt unternimmt diese Bundesregierung eben den Schritt und sagt, dieses Anrecht setzen wir aus. Also auch wenn da jemand kommt und sagt, ich begehre Asyl in Deutschland, dann muss die Bundespolizei das deklarieren.
dem nicht Folge leisten, sondern kann sagen, nein, du kommst aber trotzdem nicht rein. Ich glaube, wir unterhalten uns ja wahrscheinlich gleich noch über das juristische Klein-Klein, aber hier einmal den Punkt zu markieren, der wirklich eine große Veränderung mit sich bringt im deutschen Verständnis von Asylpolitik. Wobei, Paul, man muss ja auch sagen, eigentlich dürften die gar nicht da stehen und Asyl sagen, denn das hätten sie ja eigentlich in einem anderen Land machen müssen. Das ist ja die Argumentation, auf die sich die Bundesregierung beruft.
dass also nach dem Dublin-Prinzip jemand in dem Land, in dem er zum ersten Mal europäischen Boden betritt, Asyl beantragen muss und das kann sozusagen faktisch, geografisch Deutschland eigentlich nicht sein. Genau, dass die Menschen überhaupt an die deutsche Grenze
gelangen ist ein Ausweis von Dysfunktionalität des Dublin-Systems und damit der europäischen Migrationspolitik in jedem Fall. Die Ampel, die Vorgängerregierung, hatte immer gesagt, auf Forderungen der Union eben auch Asylbewerber an der Grenze zurückzuweisen. Das ist rechtlich nicht zulässig. Das können wir nicht machen. Das ist nach Europarecht unzulässig. Und jetzt hat das Verwaltungsgericht Berlin drei Somaliern Recht gegeben, die gegen ihre Zurückweisung geklagt haben.
Paul, schildere uns doch bitte einmal ganz kurz diesen Fall. Also diese drei Somalier, zwei Männer und eine junge Frau, wie alt die sind ist nicht ganz klar, da gibt es widersprüchliche Angaben, sind aber sehr jung, möglicherweise ist die Frau sogar noch minderjährig. Die sind über Belarus in die EU eingereist im Frühjahr.
Und haben Anfang Mai versucht, die polnisch-deutsche Grenze zu übertreten. Da gab es diese Anweisung der Bundesregierung zur Zurückweisung von Asylbewerbern schon. Und das haben die deutschen Bundespolizisten an der Grenze eben auch gemacht und haben gesagt, okay, ihr wollt Asyl, ihr bekommt aber keins, wir weisen euch zurück.
Daraufhin haben diese drei Somalier Klage eingereicht und diese Klage landete dann, Heinrich, du hast es gesagt, vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. Und das Verwaltungsgericht in Berlin hat entschieden, die drei wurden unrechtmäßig abgewiesen. Also sie haben eigentlich ein Anrecht auf ein reguläres Asylverfahren. Und dieses Urteil liegt uns auch bei der Zeit vor. Es ist total interessant. Eine
Und einerseits lernt man da ganz viel über den Fall, vor allen Dingen dieser jungen Somalierin, also wir haben das Urteil in ihrem Fall betreffend, aber auch die europarechtlichen Erwägungen, die Teil des Urteils sind, sind spannend, denn da zerreißt das Gericht wirklich diese Anweisung von Dobrindt, diese Zurückweisungsanweisung.
Und verweist auf geltendes europäisches Recht und erklärt diese neue Praxis der Zurückweisung insgesamt für nicht zulässig. Und daraus entspinnt sich tatsächlich auch jetzt ein größeres politisches Problem für die neue Bundesregierung. Das ist ja genau ein interessanter Punkt, Paul, den du da machst, weil die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, das war jetzt ein Einzelfall. Der hat im Grunde nichts weiter zu sagen. Wir hören noch mal den Innenminister, der übrigens auch einen Vornamen hat. Er heißt Alexander Dobrindt. Das haben wir, glaube ich, noch nicht gesagt. Wollen wir nicht unterschlagen.
Wir halten im Übrigen an den Zurückweisungen fest. Wir sehen, dass die Rechtslundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren, ganz unabhängig von dieser Einzelfallentscheidung. Paul, hier an der Stelle möchte ich mal meinen Rechtsbeistand Heinrich anrufen, der bei solchen Fragen hier immer zu Wort kommt im Podcast. Unbedingt. Letztes Mal hast du mich Judge Wehfing genannt, das fand ich nicht schlecht. Judge Wehfing, genau. Judge Wehfing wird jetzt wieder hier.
vorgeladen. Heinrich, du als Jurist, wie siehst du das? Also Paul hat ja schon gesagt, das Gericht hat argumentiert, das ist kein Einzelfall.
Der Innenminister sagt, es ist ein Einzelfall, das stört uns gar nicht. Ist es einer? Werden weitere Einzelfälle folgen, die sich dann doch zu etwas Grundsätzlichem summieren? Also ich glaube, das ist der entscheidende Punkt. Das ist immer ein Einzelfall. Gerichte entscheiden immer Einzelfälle und ziehen dann manchmal allgemeine Schlüsse daraus. Aber klar, das ist ein Einzelfall. Insofern hat Dobrindt recht. Aber dieser Einzelfall wirft halt grundlegende Fragen auf.
Und ja, zu vermuten ist, dass andere Menschen, die auch versuchen einzureisen und zurückgewiesen werden, dann vor anderen Verwaltungsgerichten Klage erheben werden. Und wenn auch diese Verwaltungsgerichte, und dafür spricht einiges, so ähnlich entscheiden wie das Verwaltungsgericht Berlin, dann hat Herr Dobrindt ein echtes Problem. Aber, Paul hat ja gesagt, wir haben das Urteil gelesen, da stehen auch europarechtliche Erwägungen drin,
Jetzt muss man einmal ganz kurz ausholen und sagen, Dobrindt sagt, wir können zurückweisen, weil es eine Ausnahmeregelung im europäischen Recht gibt. Über die werden wir vielleicht gleich noch sprechen. Aber das Gericht hat gesagt, ihr habt gar nichts vorgetragen. Ihr habt gar keine Gründe genannt, warum diese Ausnahmeregelung hier greifen soll. Ihr habt es nicht ausreichend begründet. Und deswegen haben wir den Somaliern Recht gegeben. Und am Ende werden jetzt
Weitere Verwaltungsgerichte entscheiden und wenn die alle gegen Dobrindt entscheiden, dann hat er ein Problem. Aber über diese Frage, gilt diese Ausnahmeregelung des Europarechts, muss dann am Ende der Europäische Gerichtshof entscheiden. Und da sagen die meisten Fachleute, haben die Deutschen nur eine kleine Chance. Die haben eine Chance, aber nur eine kleine. Da wird es jetzt nochmal spannend, weil das, was du die Ausnahmeregel nennst, wenn ich das richtig weiß, dann ist ja das, was sich um den Begriff Notlage rankt.
Wo es immer hieß, man kann das machen, aber nur, wenn man eine Notlage erklärt. Jetzt hat der Bundeskanzler bei uns im Interview gesagt...
In diesem entsprechenden Paragrafen, 72 ist es glaube ich, da steht das Wort Notlage gar nicht drin. Das stimmt. Paul, vielleicht, oder ihr beide, vielleicht könnt ihr das nochmal erklären. Muss man jetzt eine Notlage haben? Der Begriff Notlage kommt in diesem entsprechenden Gesetz überhaupt nicht vor. Es geht um den Paragrafen 72 der sogenannten Verträge über die Arbeitsweise der EU.
abgekürzt, damit die Hörerinnen und Hörer vielleicht sich auch ein bisschen Nerdlanguage drauf schaffen können, AEUV. Darin steht, die nationale Gesetzgebung kann Vorrang über das Europarecht erlangen, wenn, Zitat, die öffentliche Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit
Zitat Ende bedroht ist. Das Bundesinnenministerium, Alexander Dobrindt sagt jetzt, die öffentliche Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit ist bedroht, denn die Sozialsysteme sind durch die Asylsituation überlastet und die Kommunen können nicht mehr. Wir haben hier also quasi die Möglichkeit, diesen Paragraf 72 anzuwenden und das bedeutet nationales Recht vor europäischem Recht.
Theoretisch, so argumentieren manche, ist diese Anwendung des Paragrafen 72, und da kommt es zurück, Tina, auf das, was du gerade gefragt hast, Notlage oder nicht, ist die Feststellung einer Notlage, ohne dass diese Vokabel im Gesetz drinsteht. Das Verwaltungsgericht Berlin sagt aber jetzt, Heinrich hat es gerade gesagt,
Diese Aktivierung des Paragrafen 72 ist eben nicht ausreichend begründet worden durch die Bundesregierung. Und deswegen waren die Abweisungen dieser drei Somalier und sind auch möglicherweise weitere Abweisungen von Asylbewerbern, die in der Zukunft noch kommen könnten, auch nicht rechtmäßig. Aber die Begründung ist doch gar nicht so abwegig. Also es sitzen ja quasi wöchentlich in irgendwelchen Talkshows Kommunalpolitiker,
aus der ganzen Bundesrepublik, die erklären, wie überlastet ihre Kommunen sind. Da geht es dann um Schulplätze, die fehlen, da geht es um Unterbringungsmöglichkeiten, da geht es natürlich auch um Geld. Könnte man diese Begründung denn nicht plausibel liefern? Also
Öffentliche Sicherheit und Ordnung sind halt so Begriffe, die jetzt für uns Nicht-Juristen so klingen wie Wolkenkuckucksheim. Du bist ja Jurist, Heinrich. Du stellst jetzt einmal mit uns die Riff quasi. Für uns. Dazu sage ich jetzt nichts, Tina. Danke aber. Das klären wir hinterher. Nein, dazu gibt es halt schon Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Es gab schon andere Länder, die sich genau auf diesen Artikel 72 berufen wollten und gesagt haben, bei uns ...
ist die Sicherheit bedroht und deswegen können wir abweisen. Und die sind bislang, soweit ich das sehe, alle gescheitert vor dem Europäischen Gerichtshof. Aber ja, darauf wird es dann ankommen, dass die Bundesregierung sehr gründlich und sehr detailliert begründet, warum der Zustand der Kommunen, warum die Überlastung der Kommunen eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist. Und nochmal, es gibt Migrationsforscher, es gibt Juristen, die sagen, das kann man argumentieren.
Es ist halt immer so, dass es irgendjemanden gibt, aber das sind auch sehr renommierte Leute und die meisten aber sagen, damit werden sie nicht durchkommen.
Hallo, hier ist Eliana Grabitz von Das Politikteil. Bevor wir gleich weiter über unser heutiges Thema sprechen, wollten wir gerne einmal kurz erwähnen, dass wir in der Zeit und auf Zeit Online ständig ausführlich über das politische Geschehen berichten, über Hintergründe und Zusammenhänge, wie Sie es aus Das Politikteil auch kennen. Wenn Sie mögen, lernen Sie doch kostenlos unser Angebot kennen. Sichern Sie sich unter abo.zeit.de slash politikteil ein gratis Probeabo. Werbung
Hi, ich bin Holger Stark und in der Zeit für investigative Recherche zuständig. Ich war als einer von ganz wenigen deutschen Journalisten im Gaza-Streifen und habe dort mit eigenen Augen gesehen, wo die Hamas die Leiche einer israelischen Geisel versteckt hatte. Zusammen mit Kollegen habe ich aufgedeckt, wer hinter dem Anschlag auf Nord Stream steckt und Kolleginnen und Kollegen aus meinem Team recherchieren seit Jahren zu Neonazis, Reichsbürgern und der AfD. Investigativer Journalismus kostet Mut, Zeit und Geld.
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Tina, du hattest ja eben gefragt nach dem Argument, das die Bundesregierung vorbringt. Kommunen sind überlastet, das Sozialsystem ist überlastet durch die Situation beim Asyl. Ist das valide, ja oder nicht? Ich finde auch, natürlich gibt es gute Gründe, das so zu sehen. Aber die Bundesregierung gerät jetzt eben in die schräge Lage, dass die Asylzahlen, wie ich ja eingangs zu erklären versucht habe, massiv runtergehen. Also in einer Situation, in der sich die Lage entspannt, verweist die Bundesregierung jetzt,
auf eine immer noch angespannte Lage in den Sozialsystemen und in den Kommunen. Es ist nur quasi, wenn man die politische Dynamik bedenkt, ein bisschen schräg zu sagen, die Zahlen gehen runter und jetzt ist Notlage oder jetzt ist Bedrohung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit. Und da liegt auch eine politische Schwäche in der Argumentation der Bundesregierung. Wobei man natürlich schon argumentieren kann, dass Deutschland immer noch einen Haupt- oder einen Hauptmigrationsdruck auf Deutschland geht. Und du kannst natürlich sagen,
Also jedes bisschen mehr ist eine weitere Überforderung. Aber lass uns nochmal in dieses Europäische gucken. Wir haben ja schon über Dublin gesprochen und es ist schon, glaube ich, deutlich geworden, dass das sehr stark alles zusammenhängt, die ganzen Gesetze, aber auch die Fluchtrouten selber. Und
Wir hören uns mal einen O-Ton an vom polnischen noch Ministerpräsidenten, muss man eventuell sagen. Heute stellt er die Vertrauensfrage Donald Tusk. Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert.
Ja, das war Donald Tusk, der hat da auf eine relativ diplomatische Art klargemacht, dass ihm das überhaupt nicht gefällt, was da an den Grenzen passiert, dass da Leute zurückgewiesen werden, denn die werden ja dann in ein Land, in dem Fall nach Polen, zurückgewiesen. Und nun gibt es Leute, die sagen, Merz und seine Migrationswende, die sind schuld daran, dass bei der Präsidentschaftswahl in Polen gerade ein Radikaler als Präsident gewählt wurde.
Paul, ist das übertrieben oder ist da auch was dran? Naja, ich bin da eher skeptisch. Ich glaube, so monokausal ist das wahrscheinlich zu einfach. Also es gibt seit vielen Jahren auf der polnischen Rechten
Ein starkes antideutsches Ressentiment, das sich mit einem auch sehr starken antieuropäischen Ressentiment mischt. Und da geht es um Fragen der politischen Souveränität, also wer entscheidet eigentlich die nationale polnische Regierung oder das auf der Rechten verhasste Brüssel und auch der nationalen Kultur. Gleichzeitig sind Teile der polnischen Bevölkerung extrem migrationskritisch.
Wenn jetzt die Merz-Regierung stolz eine Asylwende verkündet und sagt, sie mache die Grenzen dicht, dann bekommen das natürlich auch die Polen mit. Und das hat, wir haben den O-Ton gerade gehört, der ja eigentlich liberale Ministerpräsident Donald Tusk im Parlament moniert, aber eben auch bei Merzens erstem Besuch in Warschau. Tina, da warst du ja glaube ich dabei. Tusk ist aber ja ein politischer Freund von,
Die polnische Rechte aber ist kein Freund Deutschlands und wittert hier natürlich Zündstoff, der zu einem Faktor werden kann in Wahlen. Das haben die jetzt auch sehr brachial und auf eine Art wahrscheinlich auch klug gespielt. Aber ob daran am Ende die Entscheidung für diesen sehr rechten Präsidentschaftskandidaten Nawrocki lag, I have my doubts. Ich habe da auch Zweifel, wenn ich noch eins dazu fügen darf. Tina, du hast gesagt, alles hängt mit allem zusammen, auch hier wieder.
Man muss sich ja auch klar machen, die Polen selbst weisen ja an ihren Außengrenzen auch zurück. Das ist dann halt nicht in ein befreundetes EU-Land, sondern das ist nach Belarus zurückgegangen.
Die haben sogar das Okay der EU-Kommission zu sagen, wir lassen hier niemanden mehr rein, der Asyl beantragen will, weil die Befürchtung im Raum steht, nein, weil es eine Tatsache ist, dass Belarus Fluchtbewegungen über die Grenze nach Europa als Mittel der hybriden Kriegsführung einsetzt. Also keine Zurückweisung an der deutsch-polnischen Grenze aus polnischer Sicht, aber natürlich Zurückweisung an der polnisch-belarussischen Grenze,
Es ist alles ziemlich vertrackt. Weil natürlich die Polen sagen, das ist eine Außengrenze. Wir verteidigen ja die Außengrenze der EU. Das andere ist eine Binnengrenze und da muss Freizügigkeit herrschen. Aber das ist auch deswegen so interessant, weil genau das ja ein Kalkül der Zurückweisungsmöglichkeiten
war, dass sie nämlich gesagt haben, wir erzeugen im Prinzip so einen, wie nennt man es, Dominoeffekt. Also wir weisen zurück, dann gibt es erstmal Ärger, aber das wird dann die anderen in der nächsten Kette ermutigen, selber strenger an ihren Grenzen zu sein. Und am Ende läuft es darauf hinaus, dass an den Außengrenzen mehr Kontrolle oder mehr Schutz ist. Und deswegen kann man sich natürlich die Frage stellen, fällt einem das dann aber doch böse auf die Füße? Ich würde sagen, so
So wie du es beschrieben hast, Tina, so wäre es auch, diese Klick-Klack-Reihe, Domino-Effekt und das ist einfach unkontrolliert. Also deutlich effektiver wäre es wahrscheinlich, wenn sich die Europäer untereinander verständigen können. Nicht einer macht die Grenze zu, dann fühlt sich der zweite gezwungen, das auch zu machen und dann der dritte, vierte, fünfte, sechste und irgendwie hofft man, dass dann die Asylbewerber an den europäischen Außengrenzen zum Stehen kommen, sondern idealerweise und das ist,
Quasi ein Lied, das europäische Politikerinnen und Politiker seit zehn Jahren singen. Gäbe es eine europäische Verständigung darauf, dass man von vornherein die europäischen Außengrenzen so sichert, dass man irreguläre Migration verhindert?
Dass es nur eine europäische Lösung geben kann, du hast es gerade selber gesagt, ist fast sowas wie eine Phrase. Man könnte es wahrscheinlich auch bei den Flop5 nachher nochmal durchsprechen, denn oft ist es einfach nur eine Ausrede für Nichtstun. Wir brauchen eine europäische Lösung, europäische Lösungen sind so schwierig und dann passiert wieder jahrelang nichts. Warum, Paul, vielleicht kannst du auch das nochmal uns ein bisschen aufdröseln, warum tut sich Europa selbst,
Da muss man bedenken, woher stammt eigentlich das Konzept Asyl? Jetzt gehen wir wirklich mal einmal an die historischen Wurzeln dieser Idee, die ja ein zivilisatorischer Fortschritt auch ist. Und der hat seine Wurzeln nun mal in Europa und zwar im Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Da gab es über 40 Millionen europäische Binnenvertriebene. Also eine Erfahrung, die dann quasi auf den Vätern und Müttern der europäischen Idee lastete, als sie die Gesetzesordnung geschmiedet haben, die diesen Kontinent dann ja bis heute gestaltet. Und die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 ist eben Ausdruck dieser Idee, dass man denen, die
vor Krieg und Vertreibung fliehen, Schutz gewährt. Dazu kommt auch noch die Erfahrung aus dem Holocaust, dass man Minderheiten besonderen Schutz zukommen lassen sollte. Also da hat Europa einen großen Schritt gemacht, zu sagen, nicht mehr die Leute müssen sehen, wo sie bleiben, sondern wir fühlen uns als europäische Staatengemeinschaft für diese Menschen verantwortlich und versuchen ihnen bestmöglich Hilfe zukommen zu lassen. So, das ist einmal quasi der Urschleim, aus dem diese europäische Idee entstanden ist.
Jetzt muss man sagen, dass in den vergangenen 10, 20 Jahren diese Idee immer weiter verrechtlicht wurde. Verrechtlicht, was bedeutet das? Einerseits hat die Europäische Union viele neue Spezifizierungen und Gesetze erlassen, die
Migration im Detail weiter verrechtlichen und dadurch komplexer gestalten und die beiden in diesem Fall wichtigen europäischen Gerichte, also der EuGH, der Europäische Gerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben viele Urteile gesprochen, die
in der Summe dazu geführt haben, dass eine Steuerung der Migration durch die Nationalstaaten immer schwieriger geworden ist. Gleichzeitig gab es ein irres Ring, das haben ja auch alle Hörerinnen und Hörer in den letzten Jahren sicher mitbekommen, der einzelnen Nationalstaaten untereinander und da war Deutschland eben mit Blick auf eine weitere und
aktivere Steuerung der Migration immer ein Bremser. Warum war Deutschland ein Bremser? Weil Deutschland sich eben als Hüter des internationalen Rechts und auch als Hüter der Menschenrechte sieht. Diese Dinge, die Angela Merkel, die Bundeskanzlerin im Jahr 2015 gesagt hat, also wir schaffen das, die Grenzen lassen sich nicht schließen, das war natürlich auch immer Ausdruck eines humanitären Gedankens, der ist nur irgendwann von den vielen, vielen Menschen ausgeschlossen.
die da kamen und den sozialen Verwerfungen, die das ja eben auch mit sich gebracht hat, quasi ausgespült oder überspült worden. Und heute sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich der Konsens in Europa inklusive der Bundesregierung dahin zu drehen scheint, dass man sagt, eine aktivere Steuerung und auch eine restriktivere Steuerung der Migration
ist das, was es jetzt braucht. Aber zwischen dem, was du beschreibst, Paul, diesem ganz her, nach dem Zweiten Weltkrieg, Holocaust und der Verrechtlichung, gibt es natürlich noch was anderes. Und das ist schon ein europatypischer, etwas fauler Deal, den man gemacht hat. Das war nämlich so, dass man gesagt hat, in Zeiten, in denen das Problem gar nicht da war, machen wir eine Lösung, von der wir eigentlich wissen, dass sie überhaupt nicht krisentauglich ist.
Und wir machen eine Art von Burden Sharing. Die nordwesteuropäischen Länder geben Geld und die südeuropäischen Länder bewachen eine Grenze, an der es diesen Druck eben nicht gab. Und das ist dann ein Geschäft zulasten Dritter geworden, von dem Deutschland sehr, sehr profitiert hat, weil eben hier ja überhaupt nie einer auftauchen kann. Und das ist natürlich schon
Also zwischen diesem ganz hehren humanitären und dem ganz juristisch verrechtlichten Funktionellen ist da natürlich schon auch so ein bisschen diese europäische Krankheit, dass man Regeln vereinbart und sobald da Druck drauf kommt, stellt man fest, die funktionieren nicht und dann wird da irgendwie immer weiter dran rumgeschraubt. Dann macht man sich natürlich oder dann werden solche Regeln natürlich auch unglaubwürdig und das scheint mir...
schwierig, das zu bereinigen, weil davon eben natürlich bestimmte Länder, nicht zuletzt wir selbst, auch profitiert haben. Ich glaube auch, man muss da nochmal sagen, es geht einfach auch schlicht um Interessen. Paul hat es ja vorhin gesagt, das ist keine vereinheitlichte Grenzsicherung, sondern das machen die Nationalstaaten und die Nationalstaaten haben unterschiedliche Interessen. Du hast es gesagt, Tina, wir
liegen in der Mitte Europas, wir haben keine Außengrenzen, wir sind immer fein raus, wenn wir sagen können, die Länder an den Außengrenzen sollen sich drum kümmern. Und die Länder an den Außengrenzen sind nun auch nicht im Vergleich die reichsten in Europa, die sagen, warum lasst ihr uns damit allein, zieht doch bitte weiter dahin, wo die Wirtschaftskraft sitzt, wo übrigens auch die meisten Asylbewerber hinwollen.
weil in Deutschland oder in Nordeuropa die Sozialleistungen und der Umgang mit den Asylbewerbern besser ist als in den Grenzstaaten. Ja, jetzt haben wir einmal beschrieben, wie schwierig alles ist. Aber Paul, es gibt eine Chance, dass sich etwas ändert. Das legt ihr zumindest nahe in eurem Text. Warum könnte das so sein? Das liegt eben an dieser Frage,
Von uns ja auch kritisierten Asylwende der Bundesregierung, denn darin besteht tatsächlich jetzt eine Chance. Es gibt so eine Art migrationskritisches Lager innerhalb der EU. Das wird angeführt von der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frerichsen und zuletzt auch von der italienischen, muss man ja sagen, postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die haben kürzlich einen Aufschlag gemacht.
einen Brief veröffentlicht, in dem sie kritisieren, dass eben dieser Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, den ich eben angesprochen habe, es den Nationalstaaten durch seine Rechtsprechung zu schwer gemacht hat, Migrationsabwehr auch zu betreiben.
Das klingt erstmal sehr technisch, dahinter steht aber schon auch wieder so eine Art Wendepunkt, dass man sagt, aha, hier wenden sich zwei ja doch sehr mächtige europäische Staatschefs gegen den Status Quo und so wie es aussieht, ist die Bundesregierung, die ganz lange, viele Jahre lang Bremser war in Migrationsfragen und eben auch in Fragen der effektiveren Steuerung und auch einem effektiveren Schutz der europäischen Außengrenzen,
die scheinen sich im Moment auch zu drehen, wenn man den Worten von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt an der Stelle glauben kann. Jetzt ist aber eine Frage, die mich im Moment umtreibt, diese Zurückweisung an den deutschen Außengrenzen ist jetzt erstmal wieder ein nationaler Move, die
Die Lösung, da sind sich eigentlich alle Experten einig, liegt aber an den europäischen Außengrenzen und die Frage ist jetzt eben, gelingt es dieser Bundesregierung da auch so ein bisschen aus ihrem eigenen Sound rauszukommen und zu sagen, wir machen jetzt hier die Grenzen dicht und keiner kommt mehr rein und tatsächlich konstruktiv für Lösungen zu sorgen.
indem sie möglicherweise europäisches Recht dahingehend ändert, dass die Außengrenzen stärker geschützt werden und auch der Asylprozess für alle, die da kommen, künftig an den europäischen Außengrenzen stattfindet und nicht mehr in den einzelnen Nationalstaaten und die Menschen reisen durch Europa und suchen sich quasi das Land aus, in dem sie sich da niederlassen. Das wäre ein wirklich großer Move und die Frage ist, ob die Bundesregierung dieses Ansinnen teilt und da auch irgendwann einen Gang einlegt.
Ohne sich eben total jetzt in Richtung einer Festung Europa zu bewegen. Denn das ist ja, glaube ich, jedenfalls in Deutschland noch Konsens und auch Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. Die Leute, die wirklich vor Krieg oder politischer Verfolgung fliehen, die sollen auch weiter hier einen Aufnahmeplatz finden. Nur es soll nicht diese Zuwanderung ungesteuert geben, weil die...
am Ende den Rechtspopulisten politisch in die Hände spielt, weil sie die Mitte zerreibt und weil sie die Kommunen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen. Wobei man sagen muss, dazu hatten wir selber ja mal eine Umfrage und die Gründe, aus denen die Mehrheit es akzeptabel findet, dass Leute kommen, das sind wirklich sehr wenig Gründe. Es ist im Grunde wirklich nur Krieg. Und politische Verfolgung. Ja.
Alles andere wird eigentlich, oder es ist jetzt auch schon ein paar Monate her, aber war eigentlich nicht akzeptabel. Ich fürchte, wir müssen hier an der Stelle einen Cut machen. Alles, was ihr jetzt skizziert habt, ist noch Stoff für viele weitere Folgen, die wir auch machen werden. Und es ist aber eine gute Gelegenheit,
auf unsere Flop5 zurückzusteuern und die Johanna auch nochmal mit reinzuholen, die uns am Anfang erzählt hat, was gerade in den USA passiert und möglicherweise am Wochenende jetzt noch passieren wird. Johanna, wenn du das hörst hier, so was Paul sagt, denkst du dann, das ist nur der Anfang? Denkst du, ihr habt da kleine behagliche Sorgen?
Wie klingt das für dich? Klein und behaglich erscheint mir gerade eigentlich gar nichts. Und man merkt ja auch rhetorisch, wie vieles zusammenhängt. Ich glaube, nicht nur beim Thema Migration, aber auch, dass das Playbook der Rechten in den USA ist doch auch eine deutliche Inspiration für Rechte in Europa und in Deutschland. Das verfolge ich ja nur aus der Ferne, aber...
Ich finde es doch immer wieder bemerkenswert. Okay, dann lass uns mal steil in die Flop 5 steuern. Johanna, hast du uns einen Flop mitgebracht zu dem Gesamtkomplex? Zu dem Gesamtkomplex? Ja, es kam eine Nachricht diese Woche, die doch wahrscheinlich viele nochmal neu schockiert. Von Guantanamo war ja zuletzt weniger die Rede. Die Trump-Regierung, wobei man ja eigentlich wirklich eher von einem Regime sprechen muss,
Es schien ja abgerückt von dem Plan, Abschiebehäftlinge dort unterzubringen. Jetzt ist dieser Plan plötzlich wieder da. Und tausende Menschen, die auf ihre Abschiebung warten, sollen dort hingebracht werden, angeblich um Platz zu schaffen in Abschiebegefängnissen auf dem amerikanischen Festland. Von den juristischen Abgründen mal ganz ab.
Ich war in Guantanamo vor knapp zwei Jahren. Das ist ein sehr unwirtlicher Ort und die Unterbringungsmöglichkeiten sind gar nicht da. Also da wurden Zelte aufgebaut, die sind aber meines Wissens nach wieder abgebaut worden.
Und ich finde, da merkt man einmal mehr diese performative Grausamkeit, die ja ein ganz elementarer Bestandteil dieser zweiten Präsidentschaft ist, dass Leute, die teilweise schon sehr lange hier leben, im Einwanderungsgericht verhaftet werden. Die glauben, alles richtig zu machen, indem sie zu ihrem Termin erschienen sind, Papiere mitgebracht haben und dann da einfach wirklich weggeschnappt werden. Das ist übrigens was, was auch Trump-Wähler abstößt. Ich habe eine SMS bekommen von einer Protagonistin aus Omaha,
in Nebraska, wo auch Razzien waren, die geschrieben hat, ich schäme mich so und dafür habe ich nicht gestimmt. Und das sagen tatsächlich den Umfragen zum Trotz gerade viele. Ich wollte, dass er Kriminelle abschiebt. Ich wollte nicht, dass er meinen Nachbarn abschiebt oder meine Nanny. Aber ja, sie haben ihn halt gewählt. Also Guantanamo ist definitiv ein Flop.
Hast du noch einen zweiten? Ich habe einen zweiten, die Pressefreiheit. Es gab bislang allein um die Proteste hier in Los Angeles über 20 Vorfälle bei den Journalisten von der Polizei.
Paul.
Du bist dran. Flop 1 von Paul oder Flop 3 von insgesamt? Mein Flop 1 ist eine semantische Verwirrung und hinter der sich auch ein politischer Denkfehler verbirgt. Und das ist, Migration ausschließlich als etwas Schlechtes zu sehen. Ich finde zentral für unsere gesamten Diskussionen über das Thema Migration ist, dass man zwei Arten von Migration unterscheidet. Und die erste, nämlich die Zuwanderung von Flüchtlingen.
Fachkräften von Menschen, die Bock haben hier zu leben, die große Qualifikationen mitbringen, die brauchen wir dringendst. Die brauchen wir dringendst, um unseren Wohlstand zu erhalten. Die brauchen wir dringendst, um unser demografisches Problem zu lösen.
Oder zumindest abzupuffern. Und da sollten wir mit größerer Offenheit drüber sprechen. Denn bislang ist das Gespräch über Migration vor allen Dingen ein Abwehrdiskurs. Und das bringt mich zur anderen Art von Migration. Und das ist die irreguläre Migration, über die wir jetzt auch hier in dieser Folge die ganze Zeit gesprochen haben. Die ist natürlich ein Riesenproblem für die Sicherheit in den Zielländern, für das politische Gefüge, für das Gerechtigkeitsgefühl, für den Glauben an den Rechtsstaat.
Natürlich ist die irreguläre Migration ein politisches Problem, aber auch darin wohnt ja das Asyl, über das wir hier auch gesprochen haben und da würde ich auch nochmal sagen, auch das Asyl ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir von diesem Flop loskommen, dass wenn wir über Migration reden, wir immer nur sagen Pfui, Pfui, Pfui.
Und hast du noch einen zweiten Flop? Den habe ich auch noch und dafür ist mir die Flop-Kategorie fast zu flapsig, weil es mich seit Jahren so beschäftigt und mir so wehtut und das ist das Fehlen einer europäisch koordinierten Seenotrettung und dem Sterben im Mittelmeer. Jedes Jahr, wir bekommen das mittlerweile kaum mehr mit, auch weil die Medien
wir gar nicht mehr so aktiv darüber berichten, wie wir das in früheren Jahren getan haben. Jedes Jahr sterben über 2000 Menschen quasi auf dem europäischen Doorstep im Mittelmeer und ich, der ich darüber berichte, der ich auch die Balkanroute bereist habe, ich halte das wirklich ganz schlecht aus und das ist einer der großen Zynismen, die
in diesem ja vermeintlich liberalen europäischen Migrationssystem wohnt, ist, dieses Sterben zu akzeptieren und auch dieses Prinzip des Survival of the Fittest zu akzeptieren, dass die, die hier ankommen, meistens junge, auch körperlich fitte Männer sind, die am Ende die Überfahrt überlebt haben. Ich halte das kaum aus und deswegen finde ich das in
einem Nachdenken über eine restriktivere europäische Migrationspolitik unbedingt mitgedacht werden muss, so etwas wie eine europäische staatlich koordinierte Seenotrettung. So, wir haben vier Flops, weil wir zwei Gäste hätten und aber ein Flop, den darf Judge Wehfing noch machen, weil du ja auch
Co-Autor dieser fantastischen Titelgeschichte warst, die ihr da zusammen gemacht habt. Also bist du ja quasi auch ein bisschen halb Gast heute. Halb Gast, halb Moderator. Dafür habe ich aber einen Doppelflop sozusagen. Also ich finde es skandalös und inakzeptabel, wie mit den Richterinnen und Richtern
des Verwaltungsgerichts Berlin umgegangen worden ist, die dieses Urteil im Fall der drei Somalier gesprochen haben. Denen wurde unterstellt, sie hätten das aus rein politischen, parteipolitischen Gründen getan. Die wurden diffamiert. Hass und Hetze wurde über sie gebracht. Das geht überhaupt nicht. Ich würde aber doch noch ein kleines Aber hinterher schicken.
Alle, die sich jetzt freuen, dass Dobrindt und Friedrich Merz da vermeintlich eine juristische Niederlage erlitten haben, die müssen, glaube ich, die Frage beantworten, wie denn ein anderes, besseres Asylsystem aussehen könnte. Und wenn wir keine bessere Migrationspolitik in Deutschland und in Europa hinbekommen, die Humanität und Steuerung miteinander verbindet, wenn das nicht gelingt,
Dann profitierten davon nur die Rechtspopulisten und dann gibt es bald gar kein Asyl mehr. Und das wäre der größte Flop. Das ist ja auch was, was von uns gerade zu euch rüberschwappt. Dieses Diffamieren von Richtern als vermeintliche Aktivisten, auch sehr, sehr erschreckend. Sehr scary, ja. Gut, normalerweise fragen wir ja unsere Gäste nach dem, was ihnen Hoffnung macht. Das können wir auch tun.
Wir können aber auch Tina mit reinholen und sagen, ich durfte einen Flop, du darfst eine Hoffnung, Tina. Das ist ja reizend, Heinrich. Also ich tue mich ja immer schwer mit dem Constructive Journalism und deswegen sage ich was, worauf ich hoffen würde. Ich würde darauf hoffen, dass wir dringend mal weniger über...
Abschiebung, Migrationsrückweisung und mehr über Integration sprechen. Weil ich glaube, viel von dem, was sich an Abwehr im Moment äußert gegenüber Einwanderern, bezieht sich in Wirklichkeit auf Schwierigkeiten mit denen, die schon hier sind. Und da gibt es Schwierigkeiten. Und darüber konstruktiv nachzudenken, wie man da Dinge verbessern kann, ich glaube, das würde wahnsinnig viel helfen. Und ich bin überzeugt, es würde auch mehr helfen als nur,
Zurückweisung an den Grenzen zu machen.
an daspolitikteil.zeit.de. Ja, und wir sagen danke. Ganz großen Dank an Johanna, die da wirklich im wahnsinnigen Dauereinsatz jetzt war die letzten Tage und uns geholfen hat, dass wir ein Live aus Los Angeles Politikteil machen konnten. Das haben wir ja auch gar nicht mal so oft. Vielen Dank auch dir, Paul, dass du uns nochmal die ganzen europäischen und deutschen Zusammenhänge ausklamüsert hast.
Und vielen Dank natürlich auch an Jona von den Pool Artists, an Katja, die uns bei der Tonrecherche unterstützt hat. Danke euch. Vielen Dank euch. Vielen Dank. Danke und bye bye. Ciao. Bis bald. Ciao. Ciao. Das Politikteil ist ein Podcast von Zeit und Zeit Online, produziert von Pool Artists.