Ich habe angefangen, als ich vier war.
Bevor ich Rechnen und Schreiben gelernt habe. Prügeln, Labern, Lügen, Ballspiele, Tauschgeschäfte. All die Grundlagen, die man in der Schule lernt. Aber vor allem anderen kam die Musik. Und Fußball knapp dahinter. Schon mit 15 wollte ich weg. Weg aus unserer Drei-Zimmer-Wohnung. Vater, Tante, älterer Bruder. Weg von meinem Vater und seiner Musik. Von Musik überhaupt. Sie kam mir nach.
ist mir so lange gefolgt, bis ich stehen geblieben bin und mich umgedreht habe. Wir mussten uns in die Augen sehen. Wer kann länger? Ich gab nach. Wir kamen wieder zusammen. So wie man es mit der ersten großen Liebe noch einmal versucht. Man spürt, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber es reicht, um weiterzumachen. Weil man nicht voneinander lassen kann und weil man sich so schnell wieder nahe kommt, sich gewöhnt, bekämpft und braucht.
Ich konnte und konnte nicht und konnte doch Cello studieren. Ich würde sagen, dass ich schon einigermaßen klar gekommen bin, dass es geklappt hat mit dem Neuanfang. Bis mein Vater. Ja? Komm rein, Jerem. Hallo, Tante. Setz dich. Jerem, hier für dich. Tee. Deutschland. Er ist noch im Krankenhaus. Dein Vater.
Wie kann man denn so dumm sein? Die Operation war gestern. Gut gegangen, kompliziert. Aber keine Probleme, haben sie gesagt. Er sieht schlecht aus. Kann nicht mehr. Keine Farbe im Gesicht. Seine Augen, ach. Was? Ich dachte Handgelenk. Ein komplizierter Bruch. Alles. Das Handgelenk, ja. Aber alles. Alles zusammen.
Hat Schmerzen. Sie wissen nicht warum. Hört so einen Ton wie ein Fiepen, hat er gesagt. Sie sagen, äh, Tisitus. Tinnitus, ja. Ja, das Handgeleck. Es braucht Zeit. Über ein halbes Jahr wieder. Und das als Geigenspieler. Du bist blass. Was hab ich damit zu tun? Mit seiner Hand. Wir haben nichts miteinander zu tun, seit fast vier Jahren. Ich kann nicht mit Zuhort.
»Osmann, ich weiß, ich weiß, ich weiß. Er war nicht da für euch. Ich weiß. Aber wir müssen gucken. Ich meine, du musst ja nicht zu ihm.« »Ich besuche ihn ganz bestimmt nicht.« »Aber ich, ich kann nicht mehr allein. Hörst du, Osman? So wie jetzt, das geht nicht mehr. Schon lange, seit du weg bist. Ich habe dich gelassen.«
Wollte keine Sorgen machen. Du bist jung, hast deinen eigenen Kopf frei. Nach der Schule erstmal weg. Reisen. Bis das ganze Geld weg. Bisschen Jobs. Bisschen Musik. Dann endlich Hamburg. Studium angefangen. Cello. Immer warst du Cello. Diese ganze Zeit. Ich bin geblieben. Ich war hier. Ich hab weiter die Wohnung, den Garten, deinen Vater. Es war nicht gut, aber geht. Aber jetzt...
Wir Maßnahmen ergreifen, in denen auch die bisher nicht erfahrten... ...spielen die Achtziger. Osman, was machst du? Tante, ich mache alles, was du willst, aber ich muss hier raus. In den Garten? Ich mache die Rote Wette fertig und dann fahren wir in den Garten. Tamam? Ja, kann ich vielleicht schon mal... Ja, ja, geh, geh, geh. Ich komme dann. Geh.
Hörst du? Es geht nicht mehr. Nicht so. Ich hab das schon gesagt. Wir müssen nachdenken. Was machen, wenn er nicht gesund wird? Also ich hab nächste Woche eine Prüfung. Danach könnte ich zurückkommen. Er macht mich fertig. Ich kann nicht mehr. Was soll ich?
Hey, hey, hallo, Entschuldigung, hallo, du hast was verloren. Scheiße. Diktiergerät. Ach du, was machst du denn hier? Aufpackpizza. Welche Sorte? Hawaii. Willst du was? Nee, danke. Ich hab viel zu viel gegessen heute.
Bei Millennium Döner. Nee, schön wär's. Ich war bei meiner Tante. Ich dachte, die wohnt im Pott. Ja, bin heute Morgen um halb sechs los. War ziemlich spontan. Oh, ist was passiert? Du, ich glaub, deine Pizza brennt gerade. Oh, puh. Naja, geht noch. Also, was war jetzt los? Ach, mein Vater, der hat, ähm...
Ich habe eigentlich gar keinen Bock darüber zu reden. Guck mal, das hier habe ich gefunden. Wo? Hauptbahnhof. Hast du mal angemacht? Hey, auf, gib mal her. Lass doch mal hinhören. Isst du das mal deine Pizza? Hallo, Herr Kozaki. Hallo, Osman. Hast du schon geübt? Ja. Bitte, pack mal aus mit deinen Instrumenten.
Es reicht erst einmal. Der dritte Satz Osman. Technisch sind sie gut dabei, aber emotional ist dann noch zu tun. Ich weiß. Also heute ist...
Ich habe Kopfschmerzen. Die letzten Tage war so viel. Der dritte Satz ist zerbrechlich, zart. Denken Sie an Nieselregen. Sie haben noch eine Woche. Nehmen Sie sich den Satz heute noch mal vor. Ja, okay. Musik
Schon in Tante Elidis Küche wollte ich schreien. Suat will ich anschreien. Suat mit seinem beschissenen Handgelenk. Schon seit Jahren will ich ihn anschreien. Aber wenn ich vor ihm stehe, kommt es mir keinen Ton. Hallo?
* Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * * Musik * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * * Musik * * Musik * * * Musik * * Musik * * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * Musik * * Musik * Musik * * Musik * Musik * * Musik * Musik * Musik * Musik * * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik *
Ja, ja, ja, danke, Kino. Ich weiß Bescheid. Halt dich da raus, Mann, ey. Ich bin nach Hause. Warte mal. Test, Test, 1, 2, bla bla bla bla bla. Möchten Sie was trinken? Kaffee, Tee, irgendwas? Achso, ja gerne.
Was ist das für ein Blöd? Äh, 'n Tee? Das kriegen wir hin. Wahnsinn, schau mal, was wir haben. Äh, Ingwer-Kurkuma-Tee, grüner Tee, Glücks... Ja, den, den grünen. Danke. Ach so, okay, ich mach ihn mal nochmal eben hier aus. Wer jetzt ziehen muss, müssen Sie selbst gucken. Ich kenn mich mit sowas nicht aus.
Ja, schön, dass es heute klappt. Ich nehme unser Gespräch auf, damit ich später mit dem Material arbeiten kann. Haben Sie was dagegen? Nein, das ist doch klar. Keine Frage. Wenn das dann veröffentlicht wird, da freuen wir uns natürlich immer, wenn Sie nochmal einen Ton sagen. Klar, aber mehr aus Interesse. Also erstmal werten wir das an der Uni aus. Also für das Forschungsprojekt im Studiengang. Auf Anweisung der Besatzung heraus, ziehen Sie die Weste über den Kopf. Führen Sie den Gurt um Ihren Körper.
Lassen Sie das Ende in den vorderen Verschluss einrasten und ziehen Sie den Gurt fest. Nach dem Verlassen des Flugzeuges über die Notausgänge ziehen Sie an dem roten Griff um die Weste aufzublasen. Die Weste hat außerdem ein seitlich angebrachtes Ventil, das zum Aufblasen sowie Ablassen von Luft benutzt werden kann. Die Signallampe leuchtet bei Kontakt mit Wasser automatisch auf. Hallo Tante, so spät. Alles klar? Ich bin zu Hause. Kann ich dich morgen...
Ich rufe dich an. -Tamma, 8 Uhr. Bis morgen. Gute Nacht. -Ja, gute Nacht. -Schatz. -Jo, da ist noch ein Auto. Hello! Tschüss! Jo, komm, komm, komm. Hello! -Thank you, hi. Yes, yes, Galway is perfect. Thank you, thank you for picking us up. Oh, sorry.
Ich bin Ella und das ist meine Schwester Jo. Hallo, alles klar. Woher kommst du? Aus Deutschland. Du kennst Hamburg? Ja, ich kenne Deutschland. Du bist aus Hamburg. Ich liebe Hamburg. Ja, natürlich kennst du Hamburg. Wir sind aus Hamburg. Oh, du kennst diese Lieder? Hör mal. Oh, ich kenne diese Lieder. Ich mag sie auch. Die Musik ist gut. Was denkst du? Was denkst du, Jo? Oh nein, sie kann es nicht hören.
My sister is dead. She's dead? Alright? Hey, listen! What the fuck do you mean? No! No, no! The beat! Sometimes! Lou? Ja? Bist du noch wach? Was willst du? Eine rauchen? Ich hab schon Zähne geputzt. Was machst du noch? Guck'n Film. Willst du mitgucken? Ja, Drama oder Komödie?
Romanze. Ist aber gleich vorbei. Hab morgen ein Vorspiel. Vorspiel klingt gut. Ja. Nee, leider nicht so. Ein Konzert. Aber ich hab's nicht drauf. Na, wer ruft dich so spät an? Meine Tante. Hm, ja. Puh, das Licht aus. Bleibst du hier? Nächster Halt. Hello! Tschüss! Jo, komm, komm, komm! Hello!
Ich bin zu viel leer.
* Musik *
Entschuldigung, wo haben Sie hier Batterien? So kleine? AAA plus? Ja, da müssen Sie einmal in die vierte Etage und dann da in der IT-Abteilung. Da können Sie dann nochmal einen Kollegen fragen. Nee, ne? Ist das ja schon wieder. Hey, das war doch... Ist das ein 80er-Revival oder... Entschuldigung, kann man helfen? Nein, danke. Also doch, ich suche... Ja, bitte.
Ein Geschenk für... - Er? Auf einmal sehe ich sie. Meine Eltern. Sie tanzen. Die Küche im schlechten Licht. Suat dreht Doris unter seinem Arm und ruft: Ja! Wir fliegen hin! Und Doris lacht. Die glänzenden schwarzen Kleider. Und im Radio das Lied. Hallo, junger Mann. - Meine Mutter. Zum Geburtstag. Aber hier sind Sie bei den Strumpffahrern.
Meine Mutter liebt Strumpfwaren. Schwarze, glitzernde Strumpfhosen. Sie ist Musikerin, wissen Sie? Klarinette. Oh, aber wissen Sie denn überhaupt Ihre Größe? Ich mache das immer auf Augenmaß. Aber ach, wissen Sie was? Ich finde mich schon zurecht. Danke. Da halt. Stephans Platz. Übergang. Hahaha. Hahaha. Hahaha.
* Musik *
Du hier. Warum? Was hast du? Aber ich, ich wollte tanzen. Hast du Angst? Glaube ich nicht. Die Operation. Du bist immer du. Mithören, ohne hören. Du übertreibst, Jo. Aber ich verstehe. Okay, dann gehe ich eben tanzen. Warum machst du das?
Das musst du immer, jeden Tag. Aber was ist eigentlich los? Hm? Keine Angst? Aber die Operation gibt noch einen Weg. Ich hab Angst, dich zu verlieren. Kann dich nicht mehr sehen. Kann gar nichts mehr sehen. War zu langsam. Scheiße! Wo bist du? Komm zurück!
Komm zurück, Jungs! Enttalte Stelle. Was? Enttalte Stelle? Scheiße! Faktisch hab ich noch nie im Leben... Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, fuck! Oh, scheiße, Osman, warum ist es immer so... Zurückbleiben, bitte. Da bist du ja, Mann. Tut das ja vielleicht nerven. Bist du zu weit?
* Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * * Musik * Musik * * Musik * Musik * * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik * Musik
Meuer ist durch. Komm, einer geht noch. Hallo, hallo. Komm, ja. Ja, jetzt hörst du mich, oder? Hey, hey, ich bin's. Du. Ja, du bist wieder zu Hause, du Igliot. Hast du alles ausgekotzt?
Komm schon, trink mal was. Und wenn du wieder geradeaus gucken kannst, bringen wir endlich mal das Altglas weg. Sie haben elf Anrufe in Abwesenheit. Ihr habt Ruf wie Mailbox. Nachricht 1. Osman, das reicht. Ich habe dich angerufen. Letzte Woche, vorgestern, gestern, heute, 10, 20 Mal. Du willst mich nicht hören? Gut, dann nicht. Ich habe mich entschieden sowieso.
Krass, die Tante Paris. Wie will sie das? Na, bereit? Altglas? Ja, klar. Hier, rauf.
Wir müssen das auch wirklich nächstes Mal früher machen. Ja, ich weiß. Voll am Wusch! Was war gestern los? Ich hab's versaut. Totaler Filmriss. Ja, das hab ich gesehen. Nee, ich mein die Musik. Ich wusste nix mehr. Alles weg. So bringt das nichts. Du musst das Zeug ordentlich mit Schwackes einwerfen. Ich hab Kopfschmerzen. Richtig kaputthauen! Okay. Los!
Zack! Okay. Zack! Ja! Besser? Ja, ja, ja. Ich glaube, ich muss mit meiner Tante auch mal Altglas wegbringen. Hallo? Tante? Osman, da bist du. Geht doch. Mach mal die Musik kurz leiser. Tante, es tut mir leid. Ich habe einfach... Ja, ja, ist gut. Jetzt bist du hier. Komm, wir haben es. Tun.
Ja, das sehe ich. Meinst du wir schaffen das überhaupt? Wann fährst du? Freitag? Donnerstag. Das wird schon. Ich habe Sperrmüll bestellt. Den werden wir auch brauchen. Okay, was soll ich machen? Na, Kisten packen. Scheiße!
Janem, was ist? Geht's? Jaaa... Nur der ganze Scheiß Papierkram von Suat. Warum macht er das nicht selbst? Ach, du weißt doch. Dein Vater. Ja, was ist...Toris? Was hast du da? Ach, Fotos. Ja, nix besonderes. Ich... Tante, ich geh kurz zum Kiosk. Willst du auch was?
Da ist zwei. Einfahrt Thales nach Paris, Gare du Nord. Der Zug verkehrt heute in umgekehrter Wagenreihung. Vorsicht bitte bei der Einfahrt. Boah, Tante, du hast viel zu viel. Wie wirst du das in Paris machen? Ach, es wird schon jemand anpacken. Tamam, Osman. Gute Reise und sag Bescheid, wenn alles geklappt hat. Ja, ja. Danke, Sherry. Bon voyage. Bon voyage, Tante.
Und dann sehe ich sie wieder, meine Eltern, auf den Fotos. Istanbul, der Bosporus, auf der Brücke Doris. Sie lacht Suat an. Er ist nicht im Bild. Hallo, ich möchte Ihnen ein Cappuccino bieten. Gerne. Danke schön. Osman, bonjour. Hallo Suat.
So eine Überraschung, dein Anruf heute Morgen. Gut siehst du aus. Nimm Platz. Was möchtest du trinken? Ich habe uns schon mal zwei Nougat-Trinker bestellt. Bitteschön. Eine Cola würde ich nehmen. Ja, natürlich. Zum Nougat? Ja, warum nicht? Ich muss mich entschuldigen, dass ich mit diesem unansehlichen Gips armherr. Gips, furchtbar. Nee, steht dir doch. Hattest du nicht mal ein Gipsbein wegen Fußball? Darf es bei Ihnen auch etwas sein? Eine Cola bitte.
Und ich würde noch ein Kännchen Earl Grey nehmen. Cola und Tee, kommt sofort. Ja, Osman, weißt du, wir alle gehen durch Krisen. Da muss man künstlerisch rangehen. Eben mal eine Auszeit nehmen, bis die Hand wieder...
Also die Wohnung. Es wäre echt schön gewesen... Ja, die Wohnung. Dass Elida jetzt wieder mit Paris anfängt. Dass sie unbedingt jetzt die Wohnung kündigen muss. So ein schlechter Zeitpunkt. Ja, ja, also der Umzug. Ich wollte dich... Ja, ach, wie gesagt, kein guter Zeitpunkt für den Umzug. Mit dem Arm konnte ich gar nicht mit anpacken. Fingau ohne dich. Ja, Osman, ich freue mich unglaublich, dich zu sehen. Viel zu lange her.
Wie läuft's mit der Musik? Ich hab dich gestern mal gegoogelt. Du hast in Hamburg ein Ensemble für Kammermusik? Ja. Wie heißt dein Lehrer noch? Kostakovich? Nein. So, bitte sehr. Merci. Ich frage mich manchmal, sollte ich mehr Vorwürfe machen? Hamburg ist nun wirklich nicht. Woher warst du ziemlich gut? Aber die Jahre nach der Schule, Osman...
Ich würde dich gerne mal wieder spielen hören. Okay. Ich wollte dir was zeigen. Hab ich beim Umzug gefunden. Was denn? Hier. Wie jetzt? Warum du? Ihr habt nie davon... Wieso? Was war? Osman. Wer ist das? Äh... Doris. Den Bauch meine ich. Esra. Die Küche, das Lied, sie tanzen. Suat ruft... Und Doris lacht. Hahaha.
Und das Foto hier, Doris lacht wieder, steht auf der Brücke. Das Blau, der Bosporus und der Bauch. Esra. O-Osmann, ich kann nicht viel dazu er-... Lasse, so-... So lange, so lange ist es. Doch, doch, du musst erzählen. Wo ist Esra? Esra ist tot. Das dritte Kind nach dir. Vor der Geburt gestorben. Kurz, achte Monat. Frühgeburt, plötzlich.
Sie musste raus. Sauerstoffmangel. Kein Herzschlag mehr. Es war ewig. Sechzehn Stunden. Kreißsaal. Aber tot. Hat es nicht geschah. Wieso? Ich weiß es nicht. Die Ärzte danach, die wollten nicht. Was macht man damit? Mit Ezra? Wir konnten nicht. Sie begraben. Darum hat Elida das. Konnten auch nicht reden.
Wir haben nie von ihr... Damit sie... Damit wir über sie hinweg... Es ging aber nicht. Du, es ist durchgedreht. Dass ihr Bauch nicht ihrer Tochter... Dass die Welt kam zurück aus der Klinik. Erinnerst du dich gar nicht? Sie hat viel geschrien, immer. Ein halbes Jahr noch. Dann ist sie weg. Weißt du ja. Und du? Ich? Ich musste weiter. Musik...
Hatte damals gerade die neue Stelle bekommen. In Duisburg. Flamonica. Aber Elida war da. Also bei euch. Ja, aber du. Du warst nicht da. Und Elida war doch eigentlich in Paris. Ja, aber sie ist dann zu uns gekommen. Ich, wir. Wir konnten das nicht gut. Familie, Eltern. Es ist halt passiert. Wir dachten, Doris und ich. Vielleicht können wir das ja.
Oh, ich kenne diese Musik. Ich mag sie auch. Ja, ich auch. Ich kenne diese Musik auch. Was denkst du? Oh nein, sie hört es nicht.
So, also Ella, ja ich hab dir zugehört. Oft und lange. Immer wieder. Ich kann das auch inzwischen alles fast auswendig. Deine Aufnahmen. Auch wenn ich jetzt immer noch nicht ganz kapiert habe, was bei euch los war. Also bei dir und deiner Schwester.
Und... Ach, ich weiß, das war jetzt nicht okay, dass ich das alles angehört habe. Kann ich verstehen, wenn du das richtig scheiße findest. Und mir ist das auch peinlich. Ehrlich. Aber ich konnte nicht anders. Trotzdem, ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für einen perversen Spinner oder so. Bin ich nämlich gar nicht. Eigentlich. Glaube ich zumindest. Jedenfalls. Was ich dir sagen wollte... Was wollte ich sagen? Ja, genau.
Ohne dich hätte ich nicht angefangen. Wenn ich das Diktiergerät nicht gefunden hätte... Mann, klingt das alles so kitschig. Es ist aber überhaupt nicht kitschig gemeint. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das alles anpacken soll mit dem Erzählen. Das ist ja noch schwieriger. Okay, Moment. Ich fange nochmal neu an. Hey Lu, schön dich zu sehen. Bringst du mit mir Altglas weg? Was? Altglas weg.
Ob du mit mir Altglas wegbringst, habe ich gefragt. Sorry, ich muss jetzt los. Sag schnell, wie war es denn? Puh, lange Geschichte. Wie viel Zeit hast du noch? Zwei Minuten. Uff, wird knapp. Die Geschichte dauert, sagen wir mal, 20 Jahre. Okay, dann Montag, da habe ich 20 Jahre.
Hey, Freistoß! Der lange Schluss kommt hier! Okay, Os, mach du. Okay. Bist du Osman? Ja, äh... Sorry für die Verspätung. Hi. Ich hab's total...
Ich war noch... Sorry. Kein Ding, kein Ding. Also... Ja, also danke jedenfalls, dass du das Diktier gerät. Kein Ding, wirklich, ja. Also, ich mein... Willst du noch einen Kaffee trinken oder einen... Nee, danke. Klar. Also sorry, ich muss dann auch wieder. Ja. Ja, achso, klar. Hier. Ja, dann danke für den Aufwand und alles. Achso, ganz kurz noch. Eine Frage...
Jo. Hat sie... Was? Die Operation? Hat sie es gemacht? Echt jetzt? Nein, verdammt. Hat sie nicht. Was geht dich das an? Hey, hey, warte mal. Das war nicht so gemeint. Ich wollte dich gar nicht... Zurückbleiben, bitte.
Was ist das denn? What?
Du hast doch bestimmt auch gar keinen Bock drauf. Ja, genau. Lass mich in Ruhe. Du hast doch bestimmt auch gar keinen Bock drauf. Und ich kann es nicht so gut mit dem Reden. Und deshalb so. Musik. Ich würde mal sagen, das Stück heißt Esra. Esra.
Am Cello Cosima Gerhardt.
Technische Realisation Olaf Dettinger. Regieassistenz Jana Scholten. Musik Andreas Bick. Regie Martin Zölker. Dramaturgie Hanna Georgi und Nathalie Chalis. Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2021.