Was liest du gerade? Ein Podcast über Bücher und was sie über die Welt erzählen. Hallo und herzlich willkommen zu Was liest du gerade? Der Bücher-Podcast von Zeit und Zeit Online und zur Sachbuchfolge dieses Podcasts. Und deswegen sitzen hier Alexander Kammern, Sachbuchredakteur der Zeit. Und Maja Beckers, Sachbuchredakteurin bei Zeit Online. Herzlich willkommen. Ja, Sie hören uns jetzt am Tag vor der Bundestagswahl.
Eine besondere Sache auch für uns, deswegen sind vielleicht der ein oder andere Titel heute auch ein bisschen aktuell politischer als sonst, obwohl wir uns ja sonst eigentlich auch schon immer Mühe geben in unserer Sachbuchmischung. Jedenfalls glaube ich, dass da ein paar Sachen dabei sind, die da von großem politischem Interesse sein können.
Hast du schon gewählt, Alexander? Ja, ich habe schon gewählt, wie sich das angeblich für die urbane Mittelschicht gehört, die ja schon immer vorher alles per Brief vor allem macht. Und wie ist es bei dir? Ich liebe es, ins Wahllokal zu gehen. Ich zelebriere das so ein bisschen und gehe hier in der Schule in der Nähe und da freue ich mich schon drauf. Morgen tigern wir dahin. Wunderbar, sehr schön.
Wir haben dieser mitgebracht zwei Neuerscheinungen und einen Klassiker. Das ist einmal Volker Weiß, das deutsche demokratische Reich, wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört, erschienen bei Klett-Kotter, sowie die Memoiren von Bill Gates, Southcote, meine Anfänge, erschienen bei Pieper. Und der Klassiker stammt diesmal von einem wirklich echten Mega-Monster-Klassiker, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag gefeiert hätte, nämlich Thomas Mann.
Und da haben wir uns eine, wie wir finden, sehr wichtige und interessante Rede rausgesucht. Mehr davon später. Aber jetzt starten wir erstmal mit dem ersten Satz. Der kommt diesmal von Elke Heidenreich aus ihrem Buch Altern. Ein mega, mega Bestseller. Das meistverkaufte Buch 2024. Oder Alexander? Ich glaube, du hast sogar die Zahl. Ja, ich habe nochmal geguckt. 700.000 haben das jetzt gekauft. Also über 700.000. Das ist tatsächlich unglaublich für ein Buch. 110 Seiten, schmal aus dieser Essay-Reihe von...
Hansa Berlin, wo wir schon öfter was vorgestellt haben. Ja, die haben so eine Essay-Reihe zum Leben und da sind kleine Essays zum Thema Streiten, Lieben, Schlafen, alles dabei. Und warum es erfolgreich ist, ich glaube, darüber werden wir natürlich auch nach dem Zitat, das wir jetzt hören, noch diskutieren. Werbung
BRD 1983. Daniel Hormann steht kurz vor der Konfirmation und träumt von einem Blauen samt Sakko mit Flanellhose. Doch die Familie ist pleite, was nur niemand wissen darf. Mit viel bissigem Humor und Tiefgang hat Christian Schünemann einen fesselnden Roman über die alte Bundesrepublik geschrieben, in der drei Generationen zwischen Föhnfrisuren, Schulterpolstern und dem ewigen Kampf um den schönen Schein aufeinanderprallen.
Der erste Satz. Ich frage mich oft, was Junge eigentlich von Alten erwarten. Rückzug? Haltung? Stillschweigen? Verzicht? Auf keinen Fall sollen wir Meinungen haben.
uns beklagen, auffallen oder gar, sehr heikles Thema, noch eine Sexualität leben. Ach, ihr habt wirklich keine Ahnung. Als würde man automatisch ein anderer Mensch im Alter.
Tatsächlich ist eines der vielen Altersbücher, die es eigentlich schon seit, ich habe mal Pi mal Daumen, 150 Jahren wahrscheinlich gibt oder wahrscheinlich schon seit dem Mittelalter. Das ist ein Thema, was ja alle irgendwann betrifft, demzufolge. Dem man aber gerne ausweicht. Dem man jedenfalls lange Zeit seines Lebens gerne ausweicht. Jetzt auch Elke Heidenreich, sie ist 80 geworden im letzten Jahr und hat enorm viele Bücher geschrieben. Sie war in Hörfunk und Fernsehen präsent als Literaturkritikerin. Viele ihrer Bücher sind sehr, sehr
erfolgreich und wir haben mit diesen 700.000 Exemplaren, glaube ich, schlägt dieses Buch aber alles, was sie da bislang so hingelegt hat. Und dieses Zitat, ich finde ja, das hat so eine, tatsächlich macht die spezielle Rolle nochmal bewusst, in der man sich in einem Alter befindet. Man ist nämlich anders als die anderen. Also man stößt nicht immer auf Verständnis,
Man weiß nicht, was Jüngere noch von einem denken oder wie tickt man eigentlich. Und das fand ich eigentlich sehr schön, da in diesem Zitat zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Form der, ja jetzt glaubt man nicht, alle zu wissen, wie wir jetzt ticken eigentlich. Das fand ich eine sehr hübsche
Also ein schübses Statement von ihr.
Aber welche Rollenerwartungen gibt es an die? Da habe ich so noch nie drüber nachgedacht. Ja, das fand ich auch. Sie hat natürlich mit diesem Statement drückt sie auch den Wandel aus. Denn ich finde, die Rollenerwartungen, die du jetzt erwähnt hast, die wandeln sich im Laufe des Lebens. Denn das sind ja alles Menschen. Alte Menschen sind Menschen, die ja früher auch A. jung waren und B. auch...
sagen wir mal, Dominante in der Gesellschaft. Sie waren auch mal Chefs und jetzt sind sie Rentner. Sie waren auch mal irgendwie wichtig oder auch nicht. Aber jedenfalls haben sie sehr viel Einfluss gehabt. Oder sie waren auch mal Eltern. Jetzt sind sie nur noch Großeltern quasi und können auch bei der Kindererziehung nur noch mehr oder minder eingreifen. Das heißt, dieses Gefühl von Entmachtung mit dem Alter, also dass man nicht mehr die eigene Rolle hat,
Und gleichzeitig von den anderen ja gerne immer, wie es so schon heißt, aufs Alten teilgeschoben wird. Das schwingt ja quasi so mit. Und dagegen wendet sie sich ja mit dem ganzen Buch. Und ich finde, dass das so ein Bestseller ist, ist der schönste Beweis dafür, dass sie recht hat, dass da noch ganz viel gehen kann, das sie eben nicht zurücksteckt. Ja, das ist tatsächlich eine interessante Mixtur, die sie da macht. Also sie hat ja alle möglichen Klassiker parat, unglaublich viele Zitate von Gottfried Ben, bis Hugo von Hohenzoll, bis Silvia Bovenchen, bis was weiß ich. Also...
Sie hat sie wirklich quer durch alle möglichen Altersbücher auch gelesen und mischt das Ganze aber ja mit einer sehr lebendigen persönlichen Erzählung. Und das ist, glaube ich, dieser typische Heinreich-Mix, der mir da wieder so auffiel. Also sie kann tatsächlich den Leuten wirklich was an Bildungsgut mitgeben, was wer wie wann wo gesagt hat. Und Goethe kommt natürlich auch vor. Und es ist trotzdem witzig und lebendig und wird überhaupt nicht schwer zu erzählen.
Ganz toll. Also das ist dann halt so dieser seltsame Effekt, den sie dann immer macht. Dieses enorm persönliche Saloppe und so weiter. Natürlich erfahren wir auch was über ihre Schlaflosigkeit. Ihren Hass auf Pillendosen. Ihren Hass auf Pillendosen, ja. Also all das, was quasi viele Menschen betrifft. Und sie kann das aber in eine sehr schöne persönliche Erzählung dann auch packen. Natürlich mit Sentenzen, auch die interessant sind. Meistens ist man älter, als man sich
fühlt, finde ich auch interessant, das Bewusstsein dafür. Da können wir jetzt, glaube ich, beide sagen, wir beide, das geht uns auch so, wenn wir auch noch nicht 80 sind. Aber fand ich in der ganzen Mischung erstaunlich, also wie ihr das geglückt habt, das ist ein enorm erzählerischer, also es ist nicht erzählerlebendig. Und ich glaube, das ist das Geheimnis, weshalb 700.000 Leute das interessant fanden. Also damit, so ein klassisches Buch, wo man nicht denkt,
Das ist jetzt peinlich, wenn man das mitbringt als Geschenk und auch nicht peinlich, wenn man das einem älteren Menschen zum Beispiel mitbringt oder umgekehrt, weil der sich dann gleich diskriminiert für solche, die aufs alte Teil geschoben werden. Selbst wenn er das denkt, beim Titel wird er ja bei Seite 1 belehrt. Also das wird nicht so sein. Und was ich daraus mitnehme, ist auch noch ein anderer schöner Satz, wo sie sagt, man hört auf, sich über alles immer so aufzuregen. Das meiste ist vollkommen unwichtig. Man sollte einfach atmen und dankbar sein.
Ja, jetzt kommen wir zum ersten Haupttitel. Volker Weiß hat hingeschrieben, das deutsche demokratische Reich, erschienen bei Klett-Kotter, unter Titel, wie die extreme rechte Geschichte und Demokratie zerstört.
Tatsächlich klingt es sofort höchst aktuell, weil man ja, wir alle miterleben, wie nicht nur Deutschland, sondern auch tatsächlich weltweit diese extreme Rechte in den letzten Jahren so einen erstaunlichen Aufschwung genommen hat. Überall ganz unterschiedliche Gründe wahrscheinlich oder vielleicht auch ähnliche Gründe, aber jedenfalls als Tendenz überall, jedenfalls in den Ländern des Westens.
Und deswegen scheint es vielleicht interessant, mal über die Hintergründe nachzudenken. Und das versucht er eben Weiß. Hier Weiß ist Historiker, der ist 1972 geboren, freier Autor und ein extremer Kenner der rechten Szene in Deutschland.
Er hat das schon immer verknüpft mit einem starken bisschen ideengeschichtlichen und auch theoriegeschichtlichen Rückhalt. Also er schaut tatsächlich auf die geistigen Hintergründe der Rechten. Also er guckt jetzt nicht so sehr auf Tagespolitik oder Strategien und Machtaktiken, sondern will halt immer auch die Ideologie dahinter sich anschauen. Und die stammt eben natürlich auch aus dem Kernbestandteil des reaktionären Denkens aus dem 19. Jahrhundert. Und das kann er tatsächlich über das 20. Jahrhundert immer sehr gut vermitteln.
2017 hat er im Buch veröffentlicht, die autoritäre Revolte, die neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Da hat er schon zum ersten Mal, so richtig für ein breiteres Publikum, tatsächlich die deutschen neuen Rechte analysiert. Und jetzt ist er ziemlich politisch geworden, finde ich nochmal. Also stark aktuell hat sich die letzten Jahre angeguckt, wie vor allen Dingen in Deutschland, im AfD-Umfeld, in der AfD, aber auch im weiteren Spektrum tatsächlich
und kommuniziert und auch argumentiert wird. Und das mit einer enormen, sag ich mal so, Quellenkenntnis. Er hat alle Schriften, alle der rechten Szene sich durchgeguckt. Er hat alle möglichen Magazine sich angeschaut, kennt die Autoren, die wir alle immer mal so hören. Im Föhrtum ab und an tauchen sie auf. Er schaut natürlich, was Götz Kubitschek denkt, was
die anderen Figuren, Erik Lehnert und so weiter, machen und wie sich das im Laufe der Jahre so in das AfD-Milieu so ein bisschen amalgamiert. Denn diese rechte Szene, das kommt ja bei Volker Weiß auch immer raus, ist ja älter als die AfD. Das heißt, das ist eine alte Geschichte und war eben schon da, bevor Junge Freiheit und all diese Geschichten, die gab es natürlich dann schon in den 90ern und hatte ja ihren Rückgriff auch in die späte Bundesrepublik.
Ich fand diesmal interessant, dass er das so an den politischen Kernfragen ausgemacht hat. Also Ukraine und Russland vor allen Dingen. Also wie sich da im Zuge des Krieges nochmal die Rechte neu positioniert hat. Dann fiel mir noch auf so ein bisschen diese Grundsatzfrage der Europa-West-Orientierung als Frage, wie anti-amerikanisch möchte man es denn gerne haben eigentlich im Zuge der neuen Rechten.
Und natürlich dann auch die Frage des Ostens. Also er hat am Ende ein Kapitel, wo er sich nochmal anschaut, warum im Osten in fünf, neun Ländern so ein starker Rückhalt entsteht und wie man dort versucht mit so einem verrückten Amalgam aus ein bisschen DDR-Nostalgie, allerdings dann ein bisschen Antikommunismus natürlich auch, plus so Anti-68er-Tum irgendwie so die Leute abzuholen. Das fand ich irgendwie ganz, hat er sehr schön gemacht.
aufbereitet so insgesamt. Ja, und es sind so verschiedene Bereiche von Geschichte, die die sich krallen und umdeuten im Grunde. So sagt er das, dass diese Rechten, die sozusagen so einen großen Teil ihrer Identität, sagt er, aus einer bestimmten Geschichte herleiten wollen, sie sind quasi sowieso besessen von Geschichte und deswegen ist das so wichtig für die, was da passiert ist. Man kann sich ja fragen, warum
ist das jetzt so wichtig für euch, was da und da in der DDR passiert ist oder so. Aber er sagt, die leiten eben ihre Identität daraus her und deswegen ist das eine ganz alte Mechanik, die er da beobachtet, dass die eben daran so versuchen zu drehen, an der Deutung und so und deswegen auch zerstört die Geschichte im Untertitel des Buches. Und das fand ich ganz interessant. Also was gucken die sich da an? Zum Beispiel, du hast es gesagt,
dass die Nationalsozialisten links gewesen wären, Kommunisten gewesen wären. Gerade wieder von Alice Weidel hervorgebracht. Also auch da hochaktuell, aber die ist eben schon sehr alt. Also er sagt, das hat schon Franz Josef Strauß gesagt und kam damals auf den Spiegeltitel. Diese Behauptung hat auch, wie du sagst, sehr lange hergeleitet und wie da immer wieder dran rumgedreht wird und warum welche Behauptungen, warum welche Umdeutungen, auch in Bezug auf Russland. Ja, genau.
Ja, das Interessante ist für mich, was ich jetzt extrem nochmal mitgenommen habe aus der Lektüre, ist ja diese offenkundige Widersprüchlichkeit ganz oft. Also es gibt so viele Beispiele, die er so ein bisschen aufzeigt. Also das eine zum Beispiel die Frage der Nation. Also plötzlich, lange Zeit waren die Völker Osteuropas und Ostmitteleuropas
Positive Figuren, die die Nation, auch für die Rechten ja gerade, die den Völkerfrühling quasi aus dem russischen Imperium heraus machen. Jetzt und auch die Ukraine vor allen Dingen war ein wichtiges Projekt auch ein bisschen von Rechten. Es gibt ja auch in der Ukraine tatsächlich starke Regierungen.
sowohl rechtsnationalistische als auch protofaschistische Gruppierungen, wurde ja immer so diskutiert. Also da gab es schon eine Anschlussfähigkeit. Jetzt kommen die natürlich ins Schlingern, weil das große Imperium Russland da überfällt und mit einmal weiß man nicht genau, ist Russland nicht doch eine positive Macht? Und das wird dann aber einfach bei den Rechten auch so, ja, bleiben halt Widersprüche und die werden halt so ein bisschen diskutiert und damit können die offenkundig ganz gut leben. Und das merkt man ja bei den
Bei den europäischen Rechten ja auch. Also jemand wie Kickl und die FPÖ sind natürlich ganz nah bei Putin, während Meloni auf dem starken Anti-Putin- und Westkurs fährt in Italien. Also diese Widersprüchlichkeiten hat er sehr gut jeweils dann rausgearbeitet, auch mit ihnen.
Er hat so schöne Sätze, so Begriffe wie Nazis, Kommunisten, Freiheit und so entwickelt teilweise, also in den Diskursen der Rechten oder in deren Worten, also ein komplett bizarres Eigenleben, weil wer da in der Zeit ist, der hat ja auch so eine Art von Selbstbewusstsein.
in deren Reden alles zu Kommunisten ist oder Nazis ist, ist es teilweise komplett verdreht. Was die mit Freiheit meinen, ist so eine komplette Umdeutung. Und er beschreibt das eigentlich als eine subversive Strategie. Das haben die sich eigentlich mal von linken Theoretikern, er erwähnt zum Beispiel auch Judith Butler, abgeguckt. Die sagen, wenn sozusagen etwas immer wiederholt wird, Judith Butler hatte ja die These, also sozusagen, dass du deine Geschlechterrolle, also du wiederholst das immer wieder in der Praxis, dass du das dann abgibst.
und dadurch so ein bisschen unterläufst, mit der nächsten Wiederholung. Und so beschreibt er das, so machen das die Rechten auch mit bestimmten Worten. Das sind bekannte Worte wie zum Beispiel Sozialismus und wir wissen alle, was wir darunter verstehen. Und Taktik der Rechten ist eben dann, dieses Wort zu benutzen und aber mit einer anderen Bedeutung zu belegen. Wer dann da plötzlich alles Sozialist ist, ja irgendwie alle Sozialdemokraten und so weiter. Und so entwickeln diese Wörter, so beschreibt er das ganz schön, so verschobene Bedeutungen.
Die fallweise dann nochmal variiert werden können, je nachdem. Also ich meine, klar gab es diese alte Frage des Nationalsozialismus oder NSDAP-Frage,
als antibürgerliche Formation in der Weimarer Zeit, wo du halt eine Straßenmassenbewegung hast. So jetzt kannst du lange drüber, da gab es eben auch einen linken Flügel, die Straßener Brüder, und haben da sich immer auch innerparteilich da dann gefetzt. Die hatten tatsächlich eine ideologische andere Ausrichtung. Das beschreibt er auch irgendwie ganz gut, wie auch schon zu Weimarer Zeiten damit so ein bisschen geblinkt wurde in die Richtung, wenn die NSDP als Massenpartei wusste, natürlich
Natürlich muss man den deutschen Arbeiter irgendwie unterstützen, aber ja, natürlich gegen den sogenannten Bolschewismus als Formulierung. Also er hat das schon, arbeitet er eben sehr detailliert raus, muss man sagen. Also wir kriegen alle
Akteure und Autoren dabei, von Jürgen Elsässer bis Junge Freiheit bis Alemö Götzkowitschek rauf und runter. Und wir können halt genau gucken, die verschiedenen argumentativen Veränderungen der letzten Jahre. Der Unterschied zum letzten Buch ist tatsächlich, dass es vor allen Dingen sehr aktuell ist. Das heißt, er hat schon die aktuellen Fragen, die uns alle umtreiben und auf die wir alle geguckt haben in den letzten fünf, sechs Jahren, guckt er sich da
Wie die Rechte da reagiert hat und in was lagern. Zum Beispiel die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris, guckt er sich an, wie hat da so ein AfD-Mann gewütet, wie pervers das alles wäre und wie perfekt die doch in Russland in Sochi gewesen wären. Das guckt er sich alles genau an, wie wird da argumentiert.
Und geht dann eben aber auch weit zurück. Das fand ich sehr... Es ist interessant, ich habe mich gefragt, was ist das einigende Band so manchmal bei diesen Themen? Und das ist dann schon sowas Anti-Westliches. Also der Westen ist schon auch immer, oder Amerika, wird ideologisch schon immer noch als Dekadent oder als Niedergang empfunden. Und deswegen findet man ja Russland irgendwie so geil. Weil da noch quasi die Aufhalter sind, die sich nicht...
in diesem Werteverfallstrudel da reinbegeben. Das hat diese seltsame Mixtur, die da in diesem Milieu eigentlich immer noch als Hauptsache Ordnung, Hauptsache gegen diese als dekadent empfundene Individualisierung
Ja, und Hauptsache Ordnung. Da wird dann auch die DDR plötzlich verklärt und der Teil, sozusagen der linke Teil daran völlig weggelassen. Das ist einfach plötzlich, ah ja, Ordnung wie in Preußen. Und kein 68, ganz wichtig. Und plötzlich wird das verklärt und das andere weggelassen. Also wenn du ein 68 als Negativfolie hast oder immer wie gesagt wurde von irgendwelchen Lehrern, AfD-Lehrern, die dann schreiben, ja,
Die Kinder aus der DDR, das waren immer die ordentlichsten, die dann so kamen und so weiter. Die waren auch nicht so anti-autoritär. Das wird dann plötzlicherweise zum Leitbild erhoben. Das ist schon wirklich ein starkes Kuriosum, was bei der Wählerschaft gut ankommt wahrscheinlich. Irgendwas bei bestimmten. Wir werden es ja morgen aller Wahrscheinlichkeit leider wieder sehen. Aber die auch biografisch natürlich abholbar ist. Die Leute werden älter auch und werden auch nostalgischer. Und dann erinnert man sich so an bestimmte Dinge später.
glaube ich, das kommt dann auch mit dazu, an die man sich jetzt mit 30 noch nicht so erinnert hätte. Aber ebenso diese Friedensgeschichte, dass Frieden plötzlich so eine Riesenmetapher hat, nochmal im Zug. Dieses bedeutet ja auch so ein starkes, sagen wir mal, so ein Rudiment aus DDR-Zeiten als Begrifflichkeit, dass das quasi so ein Überbegriff ist, der überall da im Osten dann insgesamt sehr zieht, als Metabegriff, der alles andere
Und da sind die eben sehr, sehr geschickt. Ich fand es enorm erhellend und sehr, sehr quellennah. Und da hat hier jemand wirklich durch alles sich durchgelesen und kann das in so eine konzise Erzählung bringen. Da weiß man schon sehr viel mehr Bescheid über die Hintergründe. Total. Also wenn man davor steht und sich fragt, wie kann es sein, dass Neonazis zu einer Demo gegen Faschismus aufrufen? Oder wie kann es sein, dass die Rechten plötzlich...
Diese Vokabel Frieden ständig führen oder wie kann es sein, dass rechts und Leute aus der Linken, Sarah Wagenknecht, Bündnis Sarah Wagenknecht, wenn man davor vorsteht, wie kann es sein, was geht da zusammen an Positionen, was wird da auch umgedreht. In diesem Buch wird man schlauer. Unsere nächste Neuerscheinung, über die wir heute sprechen, ist Source Code, meine Anfänge von Bill Gates.
Übersetzt von Henning Dedekind, Ursula Held, Carsten Petersen, Hans-Peter Remmler und Sigrid Schmidt. Brauchte eine ganze Reihe von Leuten offenbar. Bill Gates kennt eigentlich jeder, wahrscheinlich benutzt auch fast jeder seine Programme oder hat benutzt, bis eine andere Marke übernommen hat. Er ist nach wie vor einer der reichsten Menschen der Welt, super erfolgreich geworden mit Microsoft. Man kann es gar nicht sagen, hat glaube ich auf der ganzen Welt die Art, wie Leute arbeiten, verändert.
Er schreibt jetzt seine Memoiren in drei Bänden. Der Wahnsinn. Reicht natürlich einer nicht. Aber jetzt ist der erste eben erschienen und da geht es um seine Kindheit und die Jugend bis zur Gründung von Microsoft. Bill Gates, der erste Computer-Nerd, der damit reich geworden ist, kann man sagen. Und der einzige, der jetzt nicht auf der Inauguration von Trump saß, während die ganzen anderen Tech-Billiardäre, Unternehmenschefs da saßen. Einer, der auffällt,
bis heute, dass er ein bisschen anders tickt als viele dieser anderen großen Player im Silicon Valley. Und das ist vielleicht auch ein Grund ganz aktuell, warum man sich jetzt gerade nochmal so für diese Memoiren interessiert. Das ist ein ganz guter Erscheinungszeitpunkt, ne? Ja, als ob er das getimt hätte. Du sagst ja nicht mehr, der reichste Mann in der Welt ist. Schon länger nicht mehr. Aber es gibt ja eben tatsächlich einen anderen reichen Mann.
Ein Superreichen, der ja jetzt so nah an der Macht ist wie Bill Gates, das ist ja nie wahr.
Und von dem ich mir aber so eine Memoiren gar nicht vorstellen kann, denn das muss man vielleicht sagen. Die Memoiren, jedenfalls ging es mir so bei der Lektüre, ich fand die richtig gut und schön und interessant und gar nicht so selbstbebeiräuchend. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Ja, er ist ja nun wirklich ein Multibilliardär, also enorme Figur, ein enormes Leben, was er da reingepackt hat. Aber es ist tatsächlich so, wie er glaube ich am Ende sagt,
Er ist nochmal neugierig darauf geworden. Hatte ich jedenfalls den Eindruck. Auf seinen Werdegang. Also dieses Neugier auf sich. Das ist doch erstaunlich. Wie ist das jetzt alles so gekommen? Und so erklärt sich das Buch. Du sagst, es ist der erste Teil, der dann eigentlich bis zum...
Umzug von seiner Firma Microsoft nach Seattle eigentlich geht zu Ende. Also ungefähr 1980, glaube ich. Da endet das Ganze. Ja, und es ist gut geschrieben, es ist lebendig, es ist nett, man versinkt sich da so rein. Und er sagt genau, wie du sagst, für ihn war es auch ungewöhnlich, weil er eigentlich so ein Typ ist, der Typ Unternehmer, der immer nach vorne guckt, was ist der nächste Schritt und antizipiert und irgendwie in die Zukunft guckt. Und jetzt eben zurückzugucken, wäre gar nicht sein Ding. Hat er jetzt aber zum ersten Mal gemacht. Er wird jetzt 70 und hat sich...
Da dieses Projekt angenommen. Was ich so interessant fand, ist eben aktuell wegen dieser Sache, dass man so sieht, mein Gott, diese anderen, die beugen sich Trump so. Ich habe übrigens heute Morgen nochmal nachgeguckt auf Google, steht jetzt schon im Golf of Mexico, steht bei Google Maps Golf of America in Klammern und in den Microsoft-Kartentools nicht.
Also auch da sozusagen er beugt sich dem nicht so wie andere. Halten wir die Daumen, dass das bleibt. Und deswegen liest man das auch natürlich mit der Frage, wann ist er anders geworden? Oder inwiefern ist er anders als diese Typen? Und da finde ich, siehst du sofort, also du liest
Er ist so in so einem gutbürgerlichen Haushalt groß geworden. Es ist alles auch immer so ein bisschen spießig. Dann hat er natürlich diese Bürosoftware. Ich meine, das ist im Grunde Excel und Word. Das sind so Bürotools. Das ist auch alles so relativ ordentlich und seriös. Der ist jetzt kein crazy Player, wenn man sich mal überlegt, irgendwie
Und Zuckerberg hat Facebook erfunden als Tool, um irgendwie Frauen zu bewerten, wie heiß die sind. Also wenn man sich das überlegt, das hat natürlich auch alles so eine Seriosität und die macht Sinn in seinem Leben, wenn man das so liest. Also er ist da so in so einer normalen Familie, also sein Vater Anwalt, die Mutter Lehrerin, das war ganz wichtig.
auch der Community immer was zurückzugeben. Es war ganz wichtig, sich zu benehmen. Man ging nie ohne gebügeltes Hemd aus dem Haus. Die waren da ganz integriert und so gründet er natürlich dann auch seine spätere, warum ihm das so wichtig war, diese Stiftung zu gründen und zurückzugeben, weil das eben so wichtig war. Und es ist so eine heile 60er Jahre Welt, die er so beschreibt, aus der eben dieser kleine Junge
auch so gefördert wurde. Ja, die Familie ist ja dann irgendwann, der Großvater ist glaube ich in die Richtung nach Washington gegangen, also in den Bundesstaat. In Seattle sind sie ja dann aufgewachsen. Also im Nordwesten, ein bisschen weiter weg von allem Möglichen. Auch interessant finde ich in Amerikanisch, wohin man wieder geht, um seinen Weg zu machen. Das hat der Großvater ja gemacht, dann auch sehr erfolgreich, allerdings auch mit ein paar Krisen. Vater ja dann auch erfolgreicher Rechtsanwalt.
Und die Mutter spielt in den Memoiren auch eine sehr wichtige Rolle. Interessant ist, du sagst, das Kind der 60er, also das merkt man die ganze Zeit. Er sagt ja auch explizit, es war ein Geist von Kennedy, Mondprojekt, aber auch so Technik überhaupt. Das waren interessante Sachen, die da gezeigt wurden überall. Da war ein Fortschrittsoptimismus dabei, den er, so hat er es rückblickend jetzt, hatte das auch wahrscheinlich irgendwie mitbekommen und
Und sein Mitstreiter Paul Allen, eigentlich ganz ähnlich, der zwei Jahre später war und den er ja auf der Schule schon kennenlernt. Also das ist so eine eigenartige Geschichte. Ich finde wirklich erstaunlich, der ist ja ein Hochbegabter. Das erzählt er auch immer sehr schön in Schulanekdoten. Also wie er quasi immer schneller ist und besser als alle anderen und so ein bisschen eigenartig, nerdig fokussiert auf bestimmte Sachen, wahrscheinlich auch
Seltsamer. Eigentlich ein merkwürdiger Junge, wie man das so sagt. Aber irgendwann...
ordentlich behütet dann. Genau, und das nämlich fand ich auch so einen interessanten Punkt, weil er macht daraus keine Heldengeschichte des gemobbten Jungen, weil er wird natürlich in der Schule geärgert, weil er ist anders. Er sagt, würde er heute untersucht, würde er wahrscheinlich auf dem Autismus-Spektrum diagnostiziert und er ist seltsam und er ist vor allem unausstehlicher Besserwisser, das sagt er auch, er belehrt die anderen Leute und sagt, versuch es mal mit Nachdenken und ist richtig unausstehlich. Er ist halt schlau, aber er ist eben auch seltsam und fies manchmal und
Und er beschreibt es nicht, ich wurde gemobbt und ich habe mich daraus gekämpft, sondern es ist so, ich bin so erfolgreich geworden, weil ich, offenbar bin ich schlau, ich kann was, aber ich bin eben auch in einer guten Familie aufgewachsen, die das gesehen haben, das Talent, die das gefördert haben, die ihn auf eine der besten Privatschulen in der Gegend geschickt haben, was damals die einzige Schule war, die Zugang zu einem Computer hatte. Also diese Art von Geschichte. Also ich wurde eben auch gefördert, er hat, was damals auch noch unüblich war, eine Therapie bekommen für seinen
weiß ich auch nicht, hibbelig und sonst irgendwie. So eine ganz konservative und dann wurde ich gefördert und ich war auf einer guten Schule und nicht ich bin der Held, der sich allein daraus gekämpft hat. Und man kann auf tausend Einschlüsse kommen in diesem Buch, das muss man schon sagen. Das andere ist der Vater der Rechtsanwalt ist und der tatsächlich so ein bisschen in den 50er Jahren so schaut, wie die McCarthy-Bewegung und Verfolgung so funktioniert hat.
Also wie diese Tendenz, dieses antikommunistische Bedrohungsszenario, was ja quasi auch vom Kongress dann ausging mit den entsprechenden Untersuchungsausschüssen und so weiter. Und da war der Vater ein sehr kritischer Geist. Also der hat das quasi auch bei...
seinen eigenen Professoren und Lehrern erlebt. Also in dem Sinne, man kann jetzt nicht sagen, wahrscheinlich ist das kein linkes Spektrum, aber jedenfalls eines, was tatsächlich mit so einem Tendenzen hin zum Bürgerrechts oder zu so einer Affilität eigentlich
einherkommt. Er sagt einen schönen Satz von seinem Vater, hat er frühzeitig gelernt, dass das Gesetz etwas Ehrenvolles ist. Und das ist natürlich interessant für einen Anwalt. Ich weiß auch nicht, ob das Gates heute so ein bisschen stilisieren möchte, also weil das ist ja wirklich die Kernfrage, in der es eigentlich, finde ich, um im heutigen Amerika geht, auch juristisch. Und ich war dann auch skeptisch, ob
Jeder seiner Anwälte, die jetzt Microsoft immer verteidigt haben in irgendwelchen Prozessen, auch immer so ganz ehrenvoll. Aber das fand ich jetzt als Botschaft schon enorm wichtig, dass er das mit aufgegriffen hat für sich. Also er ist ein enorm reflektierter Zeitgenosse, muss man einfach sagen. Auch in all seinen Anekdoten da aus der Firmengründung oder wie einfach diese Tech-Nerds in den 70ern irgendwie anfangen,
so komische Produkte zu erzeugen, die keiner weiß, die aber dann plötzlich von anderen Freaks dann plötzlich gewollt werden und dann plötzlich in einer Run-Off kommen.
Personal Computer begann, mit dem man gar nichts machen konnte. Das fand ich ja auch so lustig. Ein Produkt, von dem man gar nicht wusste, dass man dafür 1000 Dollar ausgibt. Das ist eine Kuriosum. Ohne die Software. Das war hochinteressant, wie er das auch schildert. Das muss ich sagen, das ist von Unternehmer-Memoaren eigentlich etwas sehr Augenöffnendes. Und es zeigt nochmal diesen amerikanischen
60er, 70er Jahre Welt. Du kennst dich ja ein bisschen da oben im Nordwesten aus, ich nicht. Ich finde es ja schon nett, da mal was zu erfahren aus so einem Milieu und dass man nicht irgendwie L.A. und Kalifornien oder Ostküste ist. Das fand ich schon sehr interessant als Werdegang. Ja, ich stand sogar mal sozusagen mit Blick
Man kann nicht richtig drauf gucken, aber in der Nähe von seinem Haus, als ich vor 20 Jahren in Seattle war, ich bin einmal ein halbes Jahr zur Schule gegangen, war er natürlich der Prominente der Stadt. Ja, klar. Mittlerweile gibt es ein paar mehr. Also nicht der, der war natürlich eigentlich Kurt Cobain. Ja.
Und dann, wenn du bei Kurt Cobains Haus stehst, das ist am Lake Washington, ganz toller See, mit den Hängen dahinten, dann guckst du nach Medina rüber, das ist der Stadtteil, wo auch heute noch Bill Gates wohnt und Jeff Bezos und Leute, die sich das da leisten können. Und das ist irgendwie eine irre Vorstellung da an diesem See. Es ist so ein bisschen wie das Beverly Hills von Seattle, wo man wohnt, wenn man es sich leistet.
Aber natürlich überhaupt nicht so sonnig, sondern eben alles grau verregnet, Nadelbäume, aber total schön. Wunderbar. Herr Schreiblin, Sie haben ja auch in Ihrer Erinnerung, wie die Unternehmensentscheidung dann irgendwann Ende der 70er war. Sie mussten irgendwie aus Albuquerque oder so weg oder haben sich das überlegt, das bringt nichts, wo Sie kurzzeitig dann waren und dann haben Sie sich überlegt, wohin wollen wir, wollen wir...
ja, wollen wir nach Texas, wollen wir nach Seattle wieder zurück oder wollen wir ins Silicon Valley? Und dann haben die Mitarbeiter fast alle abgestimmt oder so, also die wenigen Mitarbeiter, die damals dabei waren, haben gesagt, ja, Seattle ist schon mit am besten. Was ich eine sehr lustige Entscheidung finde im Nachhinein. Ich weiß nicht, wie viele das waren, ich habe es jetzt vergessen, die Zahlen, aber es waren sehr wenige. Die passen wahrscheinlich alle um den Besprechungstisch herum, die dann so ein bisschen
dass man eben nicht in Silicon Valley, dass Microsoft nicht in Silicon Valley gegangen ist. Ja, ja. Und auch das... Aufgrund des Klimas übrigens. Der eine sagt, es ist zu heiß da unten in Kalifornien. Das ist nicht so schön. Es ist ja das wunderschöne, perfekte Wahl, würde ich sagen. Aber ja, auch das... Ich habe ihn auch mal erlebt. Und zwar, der ist ja nicht nur ein großer Philanthrop, sondern er hat, glaube ich, auch von Leonardo da Vinci fantastische...
Zeichnung. Er war mal in einer ganz großen ersteigert vor 30 Jahren und hatte in Berlin eine riesige Ausstellung damit und hat diesen Kodex von Leonardo vorgestellt. Also es war quasi auch so eine
Ich weiß nicht, das war bestimmt eine persönliche Mission, das war quasi der Leonardo an sich. Aber das fand ich auch schon, wird in diesem Memoiren schon auch deutlich, das ist einfach ein wirklich kluger, reflektierter Typ. Also das muss man einfach sagen. Ja, ja, aber ich glaube, jetzt sind wir so ein bisschen abgedriftet in so eine Lobes-Hymne. Ich weiß nicht, ist das schon auch ein Typ, über den man noch ein paar andere Sachen sagen kann? Ja, vielleicht Band 2 und Band 3, oder?
Ja, okay. Ja, genau. Ich glaube, er will ja noch über sein Business machen die ganze Zeit. Und Band 3 vor allen Dingen über seine philanthropischen Tätigkeiten. Ich glaube, da versprechen wir lieber Hörerinnen und Hörer, dann werden wir wieder ein bisschen kritischer. Sehr gut. Werbung.
Vor fünf Jahren begann in Deutschland der erste Corona-Lockdown. Zwei Jahre lang waren wir im Ausnahmezustand und das hat Spuren hinterlassen bis heute. Was können wir aus der Zeit lernen? In unserem neuen Podcast WADA WAS? Geschichte einer Pandemie diskutieren wir drüber. Unter anderem mit dem Virologen Christian Drosten, mit dem damaligen Chef des RKI Lothar Wieler und mit der Ethikerin Alena Bück.
Ich bin Maria Mast, Wissensredakteurin bei Zeit Online und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie reinhören. Wadabas hören Sie auf Zeit Online und überall da, wo es Podcasts gibt.
Jetzt kommen wir zum Klassiker, wie angekündigt, Thomas Mann. Deutsche Ansprache, ein Appell an die Vernunft. Das ist eine klassische Rede von ihm, 1930 gehalten. Und die wird tatsächlich jetzt gerade wieder aufgelegt im Reklamverlag. Also eigentlich ist Thomas Mann ja bei S. Fischer seit über 100 Jahren. Aber Reklam hat da quasi jetzt in seiner Klassiker-Reihe so eine kleine Rede nochmal wieder aufgelegt. Und wo ja immer besondere
Hexte eigentlich erscheinen zu allen möglichen Gattungen, Philosophie, Wissenschaft oder auch Politik und so weiter. Und ich finde, das ist eine ziemlich geniale Entscheidung gewesen, diese deutsche Ansprache tatsächlich im Jahr des 150. Geburtstages von ihm jetzt wieder aufzulegen. Kurz, Thomas Mann hat diese Rede 1930 in Berlin gehalten, am 17. Oktober und das war eigentlich...
Kurz nach dem Erdrutschwahlen zum Deutschen Reichstag im September 1930, wo zum ersten Mal 107 Abgeordnete der NSDAP in den Reichstag gezogen sind und vier Tage vorher ist dieser Reichstag dann zum ersten Mal zusammengetreten. Aufgrund dieses Ereignisses
zu den Wahlen im September hat er sich offenkundig entschlossen, gut, jetzt bin ich gefordert als Schriftsteller, als Nobelpreisträger, als was auch immer, als deutscher Großschriftsteller und muss jetzt mal politisch werden. Liegt ihm eigentlich nicht so, sagt er am Anfang. Sagt er, hat er in den Jahren davor auch schon öfter immer mal gemacht. Er war schon auch fallweise ein Profi, was wirklich sehr beeindruckend überhaupt ist, wie er das dann so macht. Aber das war seine politischste Rede.
Ja, wie man es nimmt. Ich finde auch, es ist deswegen beeindruckend, das hat er vor tausend Zuhörern dann gemacht. Also die Leute sind dann richtig gekommen, haben sich das angehört im Beethoven-Saal in Berlin und die wurden auch gestört. Das heißt, da haben sich 20 SA-Leute eingemietet und wussten gleich, jawohl, da müssen wir mal ein bisschen was machen. Und mit dabei war eben auch ein rechter, junger Schriftsteller. Also zum Beispiel Arnold Bonn.
oder Ernst Jünger im Publikum und eben auch tatsächlich der junge Alexander Mitscherlich, der spätere berühmte Psychologe, der tatsächlich in jungen Jahren auch zu diesen jungen rechten Kämpfern in der Weimarer Republik gehörten, die tatsächlich mit Thomas Mann und der Demokratie eigentlich aufräumen wollten. Und die haben dann auch ein bisschen diese Rede dann gestört. Die Presse hat auch entsprechend
Ich fand diese Rede tatsächlich deswegen so beeindruckend, weil er so diese Lage sofort erkennt und nutzt. Er sagt selber, er ist Kind des deutschen Bürgertums und hält hier auch eine Rede und wendet sich quasi an die bürgerlichen Schichten in Deutschland und warnt eben tatsächlich vor dem Fanatismus, der jetzt da auftaucht und appelliert eigentlich an die
Form von Ratio und Gesinnung, also für die Vernunft quasi und gegen das Mythologische, was plötzlich eben so überall entgegenwabert. Also deutsche Kultur und Geist, mythologisch verbrämte Romantik. Und da
wendet er sich dagegen und warnt davor, massiv. Ja, also es heißt deutsche Ansprache, es sollte aber wohl besser heißen, Ansprache an die Deutschen, weil er zum Höhepunkt der Rede fragt er auch, ist das deutsch? Also so dieses mystische und dieses fanatische, orgiastische, sagt er, Durchdrehen. Da er sagt quasi vor aller Welt, wie so einen Nervenzusammenbruch haben, indem wir diesen Bekloppten hinterherlaufen. Genau, kommt eben darauf zu sprechen, das ist doch nicht unser Geist eigentlich.
Man muss dazu ja wissen, wir alle wissen, Thomas Mann hat selber politische Wandlungen hinter sich zu diesem Zeitpunkt. Also er hatte im Ersten Weltkrieg, war ja eben noch ein frenetischer Anhänger des Deutschen Reiches und des Krieges, hat sehr viel
Kriegspropaganda da in der Hinsicht auch, sagen wir mal, in der gehobenen Form des Feuilletons und der Reden gemacht, so zwei, drei. Und dann natürlich vor allen Dingen seine Betrachtung eines Unpolitischen geschrieben, 1918. Diesen Gegensatz, den er jetzt hier macht, da wäre er noch eindeutig eher auf Seiten der Mystiker gewesen. Oder zumindest in diesem Buch, in dieser Schrift, hätte er das verteidigt als was Deutsches. Und diese Kehre hin zum Demokraten, hin zum auch Vernunftrepublikaner,
kam tatsächlich dann in den ersten Jahren der Weimarer Republik, als er gemerkt hat, er muss sich da jetzt mal neu sortieren und die Gewalt, die in den ersten Jahren dann auch passiert ist, also mit den Attentaten auf Rathenau und Erzberger, das war für ihn dann so ein Signal, umzudenken. Und deswegen ist diese Rede so ein Höhepunkt eines Umdenkens auch, wo er in dieser Stunde tatsächlich eigentlich Farbe bekennt.
Ja, und mit tollen Sätzen. Ich muss mal einen vorlesen. Ich habe eigentlich mehrere markiert. Ich habe schon zwei, drei. Also er fragt sich, was dahinter steckt. Er sagt, also hinter dieser politischen Bewegung steckt eine gewisse Philologenideologie, Germanistenromantik und Nordgläubigkeit, die in einem Idiom von mystischem Biedersinn und verstiegener Abgeschmacktheit mit Vokabeln wie rassisch, völkisch, bündig, heldig auf die Deutschen einredet.
Und da habe ich mich sofort auch an, wir sagen immer in aktuellen Bezug, an Höcke reden so erinnert. Also immer dieses völkische, mystische Vokabular. Das ist tatsächlich das Frappierende an dieser Rede. Man liest das, muss man ehrlicherweise sagen, auch wenn man jetzt...
nicht den Parallelisierungen irgendwie zu weit Raum geben möchte. Man kann an bestimmten Stellen gar nicht anders, weil die Argumente so ähnlich sind. Also auch tatsächlich die Idee, dass dieser Aufstieg des Nationalsozialismus für ihn nicht nur zu erklären ist durch den wirtschaftlichen
Zerfall oder eine Krise, sondern tatsächlich auch eine mentale Krise bedeutet. Und das sagt er relativ genau. Das Empfinden einer Zeitenwende jetzt gegen Fortschritt und gegen alles andere mit einem dumpfen und mit einem neuen Neonationalismus, wie er das nennt, der Oto-Neonationalismus, in der dann Freiheit zum Beispiel
nur als Zitat-Bourgeoises-Gerümpel-Zitatende gilt. Also das sind solche Beobachtungen, die er macht. Das ist wirklich sehr, sehr beeindruckend. Auch wieder nicht nur deutsch. Er sagt, glaube ich, an einer Stelle auch, die Menschheit sei wie eine Zitat-Bande losgelassener Schuljungen. Ja, das fand ich auch toll. Tolle Stelle. Ein toller Begriff als Diagnose, als Beschreibung für Menschen.
in Aufruhr. Also ich kann nur sagen, selten hat man tatsächlich so, also geht mir jedenfalls so, Thomas-Wahn-Reden sind schon sehr ausgefeilt und manchmal sehr beeindruckend, aber das ist schon ein sehr vehementes politisches Bekenntnis. Ja, ja, ja. Ein toller Satz ist auch, der mich auch
auch ohne die Parallelen zu stark ziehen zu wollen, aber der mir heute, finde ich, auch immer wieder auffällt, dass er sagt, wie unmöglich das ist, diese Art von fanatischem Nationalismus zu verbinden mit Würde. Die wollen ja oft so würdevoll erscheinen oder wollen vielleicht eine würdevolle Nation oder so. Aber Thomas Mann sagt, der Nationalismus will das Fanatische mit dem Würdigen vereinen, aber die Würde eines Volkes wie des Unsrigen kann nicht die der Einfalt, kann nur die Würde des Wissens und des Geistes sein und die weist,
den Feiztanz des Fanatismus von sich. Ich würde, glaube ich, dieses deutschrudelnde gar nicht so mitgehen, aber ich finde die Idee richtig.
Richtig, ja, zu sagen, so wie die da ausrasten, da musste ich wieder an Volker Weiß denken und wie er beschreibt, wie ein AfDler da sich völlig verliert, muss man sagen, also über seine Aufregung über diese Eröffnung der Olympischen Spiele irgendwie. Mit Würde hat das alles nicht viel zu tun. Man muss sagen, es ist ein weiter Weg, den er zurückgelegt hat innerhalb von 15 Jahren. Also sagen wir mal, 1915 hätte er noch was ganz anderes geschrieben.
Das ist halt der Witz dabei. Und deswegen ist es auch ein Stück Selbsterkenntnis oder Selbstrevision an der Stelle, unausgesprochen, in der er sagt, nee, nee, ich war da auf dem Holzweg. Und die Aussöhnung mit Frankreich ist sehr wichtig. Das macht er am Ende dieser Rede nochmal. Also dieses Europäische dabei, der europäische Geist.
Und das ist auch, wenn man will, kann man das sehr aktualisieren, dieses Zusammengehen tatsächlich, er appelliert ja eigentlich an seine Schicht, die bürgerlichen Schichten, keine Angst vor der SPD zu haben. Das fand ich eigentlich auch ganz lustig. Ja, das sind keine Marxisten. Seid beruhigt. Genau, keine Marxisten sind das. Seid beruhigt, guckt euch sie an. Die machen ganz brav ordentlich Reformpolitik und so weiter. Und deswegen appelliert er ja, und das ist eigentlich sein Ziel,
Appell in dieser politischen Lage, dass man da zusammengehen sollte, Bürgertum und Sozialdemokratie oder Arbeiterbewegung gegen diesen Fanatismus. Ja, man kann sagen, haben damals nicht viele Leute leider so gesehen und das war aber trotzdem sehr einfach glasklar erkannt, also wie da die Frontlinien eigentlich verlaufen sind und wie man dagegen agieren könnte. Und das ist schon überraschend, so vier Tage nach dem Zusammentreten dieses Reichstages hält jemand so eine
starke politische Rede. Das ist schon erstaunlich.
Die eine oder andere intellektuelle Stimme könnte heute auch mal wieder so eine mächtige Rede halten irgendwo. So würde ich mir schon irgendwie dann ab und an mal wünschen. Sie muss natürlich entsprechend gekonnt sein, sagen wir es mal so. Ja, das war es für heute. In zwei Wochen hören Sie hier unsere Kollegen Iris Radisch und Adam Subucinski wieder mit der Belletristik-Folge und uns gibt es dann in vier Wochen wieder, wenn Sie mögen. Da würden wir uns freuen. Ja, vielen Dank. Wählen Sie gut morgen und
Ja, auf Wiederhören. Bis dahin. Tschüss.