Deutschlandfunk, Büchermarkt. Bundestagswahl, Kanzlerkandidat, Erst- und Zweitstimme. Viele Begriffe, die man Kindern gar nicht so einfach erklären kann, sind wegen der morgigen Wahl gerade in der Welt.
Die Autorin Andrea Paluch und die Illustratorin Stefanie Marian versuchen in einem aktuellen Sachbilderbuch das Wichtigste rund um die Bundespolitik zu erklären. Hier wird Politik gemacht, heißt es, und mit hier ist der Berliner Reichstag gemeint. Denn von diesem Gebäude gehen Paluch, verheiratet übrigens mit Vizekanzler Robert Habeck, und Marian aus. Meine Kollegin von der politischen Literatur Katrin Stöwesand hat das Kindersachbuch gelesen.
Wahrscheinlich kennen viele noch Puck, die Stubenfliege. Eine Figur bei Biene Maja, ein schlaues, etwas naseweises Kerlchen.
Eine ganz ähnliche Fliege führt durch dieses Buch. In Sprechblasen liefert sie wichtige Ergänzungen oder stellt Fragen. Und gleich zu Beginn präsentiert die Fliege, was das Buch bieten möchte. Es will gleichzeitig die Geschichte und Bedeutung des Reichstagsgebäudes erklären, sowie die Grundlagen der Bundespolitik. Das ist viel, an manchen Stellen etwas zu viel. Aber der Reihe nach.
Es fängt niederschwellig und durchdacht an. Oft sagt man zum Reichstagsgebäude Bundestag. Genauso oft wird das Gebäude aber auch Reichstag genannt. Warum ist das so? Und was bedeuten diese Namen? Einzelne Begriffe wie Bundestag erklärt Autorin Andrea Palluch im Folgenden kurz und griffig, sodass man sich vorstellen kann, dass junge Leserinnen und Leser Lust haben, den Gedanken zu folgen und mehr zu entdecken.
Was ein Parlament ist oder was der Begriff Abgeordnete bedeutet, erläutert das Buch schlüssig. Die entsprechende Seite bietet aber auch Zusatzinformationen, etwa wie die Parlamente in anderen Ländern heißen. Hier wird es dann schon mal unübersichtlich.
Das Verfahren zur Bundestagswahl wirkt etwas zu kindlich formuliert, wenn es heißt, die Bürgerinnen und Bürger könnten sich auf einer Liste eine Lieblingskandidatin oder einen Lieblingskandidaten aussuchen und ankreuzen. Ebenfalls sehr vereinfacht und dadurch stigmatisierend fällt die Beschreibung der NichtwählerInnen aus, sowohl im Text als auch im Tortendiagramm, wo sie als Couch-Potatoes zu sehen sind.
Andere schwierige Zusammenhänge, wie etwa demokratische Regeln, fasst Andrea Paluch dagegen sehr treffend zusammen. Wenn die Bevölkerung herrschen soll, muss es für jeden Bürger, jede Bürgerin eine Möglichkeit geben, mitzubestimmen. Deshalb gibt es Wahlen.
Die Kapitel heißen Schwierige Wörter 1 bis 5 oder Das Reichstagsgebäude erlebte drei Staatsformen.
Das Buch lässt auch komplizierte Punkte wie Demokratieskepsis oder Autokratien nicht aus. Fast alle Länder der Welt geben vor, demokratisch zu sein. Und selbst autokratisch regierte Staaten berufen sich auf die Demokratie.
Die Erklärungen zum Grundgesetz enthalten naturgemäß mehr Text als andere Punkte. Hier bedarf es auf jeden Fall einer Vorleserin oder eines erwachsenen Mitlesers.
Es ist nun einmal dem Gegenstand entsprechend kompliziert. Aber dafür ist auch alles zu finden, was als Frage auftauchen kann. Alle Staaten haben so ein Regelwerk, die sogenannte Verfassung. Die Verfassung regelt den Staatsaufbau, die Grundrechte und Pflichten der Einwohner und die Begrenzung der Staatsgewalten.
Mal bestechend einfach, mal dem Gegenstand angemessen etwas komplexer treffen die Texte meist den richtigen Ton und eine gute Form, um junge Leserinnen und Leser anzusprechen. Es wird was durchgehend gegendert, was nur selten irritiert. Etwa beim Bundeskanzlerinnenamt. Gemeint ist hier das Gebäude, das offiziell bekanntlich nicht so heißt. Es wird oft passiv formuliert. Das wirkt nicht kindgerecht.
Die optische Struktur von Illustratorin Stefanie Marian erinnert ein wenig an Bildschirmfenster oder Social-Media-Kacheln. Das spricht mal an, mal wirkt es überladen. Immerhin bietet dann die Reporterfliege noch Orientierung.
Manchmal scheitert das Buch an seinen Ansprüchen auf Vollständigkeit. NGOs zu erklären, alle Achtung. Ja, die gehören natürlich zum politischen Betrieb, aber man hätte sich hier besser beschränkt. Denn diese Erklärung gelingt zum Beispiel nicht so gut. Der geschichtliche Teil hat ebenfalls seine Stärken und Schwächen. Wie Monarchie und Diktatur erklärt werden, wirkt sehr einleuchtend.
Wenn Andrea Paluch aber schreibt, dass die Besatzungsmächte den Deutschen dabei geholfen hätten, das Militär abzuschaffen, Nazis vor Gericht zu stellen und demokratische Strukturen zu schaffen, verkürzt und verfälscht das Buch hier doch auf bedenkliche Art.
Wie schon erwähnt, lässt das komplexe Vorhaben das Buch an einigen Stellen unübersichtlich erscheinen. Es wäre besser gewesen, sich thematisch zu beschränken. Nichtsdestotrotz hat man hier ein gutes Erklärwerk an der Hand, aus dem man gezielt Punkte herausgreifen kann. Eltern, Tanten und Großväter werden damit also um keine Antwort vor der Bundestagswahl verlegen sein. Selbst auf die Frage, was machen Abgeordnete den ganzen Tag?
Und spätestens das Glossar am Ende sorgt für Struktur und Auffindbarkeit. Das Fazit von Katrin Stövesand. Sie hat sich das Kindersachbuch »Hier wird Politik gemacht – Das Reichstagsgebäude« von Andrea Paluch und Stefanie Marian angesehen. Der Karibu-Verlag empfiehlt es ab zehn Jahren.