Deutschlandfunk, Büchermarkt. Klimawandel und Umweltschutz haben im Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Dabei sind die Folgen der Umweltzerstörung längst erlebbar. Ein Bilderbuch ruft jetzt ein Ereignis in Erinnerung, das inzwischen Jahrhundertflut genannt wird. Im Juli 2021 starben bei der Naturkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen. Zeitgemäß
Zahlreiche Gebäude, Straßen, Brücken wurden zerstört. Der Wiederaufbau ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Autorin und Illustratorin Bille Weidenbach hat die Flut im Ahrtal selbst miterlebt und ein Buch darüber gestaltet. »Hätte, hätte Eimerkette«, ein Bilderbuch von Flut, Mut und Wiedergut, heißt es. Anne-Kathrin Weber hat es sich angeschaut.
Es ist Dienstag, 14 Uhr, in einer kleinen Stadt, die so aussieht, wie Städte in klassischen Wimmelbüchern aussehen. Es gibt eine Schule, die Kinder spielen auf dem betonierten Schulhof, daneben ein Supermarkt, dahinter ein Krankenhaus mit Rettungshubschrauber. Vor einem Café gab es gerade einen Auffahrunfall mit zwei Autos, die Polizei ist schon da. Pittoreske Bogenbrücken führen über einen Fluss, der mitten durch die Stadt fließt.
Direkt am Ufer ist ein Campingplatz und einige Leute gehen baden. Die aquarellierten Illustrationen sind entsprechend bunt und fröhlich gehalten.
Am nächsten Tag um diese Zeit verdunkelt sich der Himmel. Oben auf dem Berg zieht ein Gewitter auf. Es beginnt stark zu regnen. Juhu, Pfützen springen, freuen sich einige Kinder in der Stadt, während andere mit Blick auf den anschwellenden Fluss den Ernst der Lage schon früh verstehen. Schnell, wir müssen eine Sandsäcke-Mauer bauen, ruft einer und ein weiterer sagt Auweia.
Ob das gut geht? Immer mehr Braun ist in den Illustrationen zu sehen. Denn einige Stunden später rasen Schlammlawinen ins Tal. Straßen sind nicht mehr zu erkennen. Die ersten Menschen retten sich auf die Dächer von Autos und Häusern. Kurz vor Mitternacht steckt auch die Feuerwehr in den Fluten fest. Viele Häuser stehen unter Wasser. Mensch und Tier fürchten um ihr Leben.
Die Naturkatastrophe im Wimmelbuch erinnert an die Jahrhundertflut, die 2021 Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen stark zerstört und viele Todesopfer gefordert hat.
Die Autorin und Illustratorin Bille Weidenbach lebt im Ahrtal, der Region, die am stärksten von den Fluten betroffen war. Bis heute ist dort, in den überfluteten Gebieten, das kollektive Trauma noch lange nicht verarbeitet, der Wiederaufbau längst nicht abgeschlossen. Anders im Wimmelbuch. Ein Jahr später sieht die kleine Stadt nämlich fast wieder so aus wie vor der Flut. Bis auf einige Neuerungen, die dem Hochwasserschutz dienen.
So wurden die Bogenbrücken beispielsweise gegen Konstruktionen ausgetauscht, an denen kein Treibgut hängen bleiben kann. Autos sind im Straßenbild nicht mehr zu sehen, dafür Windkrafträder am Horizont und Solarpaneele auf den Dächern. Und der Schulhof ist nicht mehr grau, sondern grün. Wo es geht, Beton weg und Grünfläche hin, heißt es dazu am Ende des Buches.
Die Stadt erscheint wieder in bunten, freundlichen Farben. Hier gibt es also das bereits im Titel versprochene Wiedergut. Nur ein Detail passt nicht ganz dazu. An einem Bildrand ist ein Kreuz abgebildet, vor dem eine Karotte liegt. Ein Stoffhase ist in den Fluten umgekommen. Er ist das einzige Todesopfer im Buch.
Damit macht Bille Weidenbach an ihre Leserinnen und Leser ab fünf Jahren literarische Zugeständnisse, die nicht den realen Gegebenheiten entsprechen. Trotzdem ist es der Autorin eindrucksvoll gelungen, Kindern und Erwachsenen ein Bild von einer Katastrophe zu vermitteln, die uns angesichts des Klimawandels immer öfter treffen wird.
Auf den Bilderbuchseiten, die die Tage direkt nach der Katastrophe zeigen, lässt sie die vielfältigen Emotionen der Betroffenen plakativ nebeneinander stehen, die zwischen tiefer Erschütterung, Trauer und Erschöpfung, aber auch Hoffnung und Dankbarkeit schwanken.
Bille Weidenbach zeigt in ihrem Buch aber vor allem, wie wichtig Solidarität und Zusammenhalt sind. Denn nur gemeinsam gelingt es den Protagonistinnen und Protagonisten, ihre Stadt wieder aufzubauen und zukunftsfähig zu machen.
Mit »Hätte, hätte, Eimerkette« hat Bille Weidenbach ein plastisches Bilderbuch über die Folgen des Klimawandels geschaffen. Ein Buch, das den schmalen Grad zwischen Realismus und Idealismus sensibel und kindgerecht meistert. Die Meinung von Anne-Kathrin Weber. Sie besprach »Hätte, hätte, Eimerkette«, ein Bilderbuch von Flut, Mut und Wiedergut von Bille Weidenbach. Verlag Klett Kinderbuch. Ab fünf Jahren.