Deutschlandfunk, Büchermarkt. Wie LehrerInnen ihren SchülerInnen begegnen, hat großen Einfluss auf den Bildungserfolg. Das belegen Untersuchungen immer wieder. Die Psychologin Nancy Tandler von der Universität Halle hat zum Beispiel herausgefunden, dass eine positive Einstellung der Lehrperson die Leistungen der ganzen Klasse verbessert.
Was passiert also, wenn einem Kind schon in der ersten Klasse gesagt wird, dass seine Sicht auf die Welt falsch ist, wenn es nicht ins Raster der schulischen Erwartungen passt? Davon erzählt Daniela Leidig in ihrem Bilderbuch »Das Wunder der Flunder«. Isabel Stier stellt den kleinen Protagonisten vor. Erstklässler Moritz ist anders als die meisten Kinder in seiner Klasse.
Er beobachtet das neue Klassentier, eine Flunder, von Weitem, statt sich das Gesicht am Glas des Aquariums platt zu drücken. Er schreibt Worte groß, die kleingeschrieben werden sollen. Er malt nicht so, wie es die Lehrerin gewohnt ist und beschäftigt sich auch zwischen den Unterrichtsstunden lieber selbst. In der Pause rannten alle raus zum Tor. Die Lehrerin beugte sich über Moritz wie eine Wolke.
Und die Wolke fragte, warum spielst du denn nicht mit Fußball? Moritz spielte kein Fußball, weil er lieber in hohe Bäume kletterte, über den Wolken. Dort fragte er sich, warum man so wenige große Leute in Bäumen sah. Daniela Leidig macht in ihrem Bilderbuch-Debüt Moritz' Perspektive nachvollziehbar. Dem Jungen fällt es schwer, sich an die Erwartungen der Erwachsenen und des Schulsystems anzupassen.
Auf jeder Seite sind Moritz' Gefühle erlebbar. Besonders eindrücklich ist das, als Moritz vor der ganzen Klasse bloßgestellt wird. Zu sehen ist da ein überdimensional großer Lehrerinnenkörper, den die Illustratorin aus einem beschriebenen Schreiblernheft ausgeschnitten, digitalisiert und dann in einer Collage mit einem feuerroten Aquarell kombiniert hat. An den Seitenrändern geht das Rot in ein dumpfes Grau über.
Immer wieder gibt es Perspektivwechsel in der Darstellung des Protagonisten, was verdeutlicht, wie wichtig es ist, Moritz' Verhalten aus verschiedenen Sichtweisen zu betrachten. Mal blickt man in der Sporthalle von oben auf ihn. Mal ist er nur eine Silhouette, die sich hinter den anderen Kinderköpfen versteckt. In kurzen Sätzen erzählt Daniela Leidig, wie Moritz den Unterricht erlebt. Letzte Stunde Sachkunde. Die Flunder betrachten. Aber ganz genau.
und dann malen aber ganz genau zeichnen heißt das das mochte moritz sehr denn er mochte die flunder sehr er malte sie ohne betrachten zwinkerte ihr nur zu hatte sie doch längst im kopf sogar im herzen
Der leicht verständliche Text und die eindrucksvollen Bildkompositionen ergeben ein stimmiges Zusammenspiel. Mit ihrem Buch bestärkt Autorin und Illustratorin Daniela Leidig, Kinder auf behutsame Art und Weise darin, an sich zu glauben und sich nicht zu verstellen, um anderen zu gefallen. Das Wunder der Flunder ist eine Ermutigung zum Durchhalten, auch wenn das im Schulalltag manchmal nicht leicht fällt.
Das sagt Isabel Stier über das Bilderbuch »Das Wunder der Flunder« von Daniela Leidig, Kunst- und Stifterverlag, ab fünf Jahren.