Am 19. Dezember 2024 starb der japanische Künstler Kazuo Iwamura, er wurde 85 Jahre alt. Iwamura hinterlässt ein großes künstlerisches Werk, das von europäischer Illustrationskunst inspiriert ist. Denn seine Leidenschaft für die Illustration erwachte in den 1960er Jahren, nachdem er zum ersten Mal europäische Bilderbücher in Japan gesehen hatte.
Bettina und Martin Hürlimann hatten sie dort präsentiert, die gemeinsam den Schweizer Atlantis-Verlag führten. Eine Offenbarung sei das für ihn gewesen, hat Kazuo Iwamura später gesagt. Er hat sich im Bilderbuchbereich vor allem mit der 14-bändigen Serie über Familie Maus einen Namen gemacht. In Japan wird sein Werk hoch geschätzt, bei uns ist Iwamura eher ein Geheimtipp.
Der Nord-Süd-Verlag hat zwei Reihen von ihm im Programm, in deren Zentrum Tiere stehen. Die drei Eichhörnchen Matz, Fratz und Lisettchen und eben Familie Maus. Thomas Linden würdigt Kazuo Iwamura's Bilderwelten und stellt das gerade auf Deutsch erschienene Buch Familie Maus macht waschstark vor.
Fast sein ganzes Künstlerleben hat Kazuo Iwamura mit 14 Mäusen verbracht. Sie stehen im Zentrum seines Werks und für sie erschuf er eine eigene Welt, die immer komplexer und detailreicher wurde. Nichts ist darin dem Zufall überlassen. Schon in der Anlage der Familie steckte Kalkül, wie man jetzt im Band »Familie Maus macht Waschtag« sehen kann, der unmittelbar nach Iwamuras Tod in diesem Frühjahr auf Deutsch erschienen ist.
Das Original stammt aus dem Jahre 1990, aber damals schon umfaßte der Familienverbund die beiden Eltern, die beiden Großeltern sowie zehn Mäusekinder. Das Verblüffende an Iwamura's Mäusezeichnungen ist die enorme Beweglichkeit ihrer Körper, mit der sie kochen, arbeiten oder spielen.
Wie man Tiergestalten belebt, hatte der Japaner während seines Studiums an der Hochschule für Kunst und Musik in Tokio gelernt. Über viele Jahre führte Iwamura eine Art künstlerisches Doppelleben. Tagsüber arbeitete er als Grafikdesigner für eine japanische Kosmetikfirma, während er nachts Bildgeschichten für das Kinderprogramm des japanischen Fernsehens entwarf. Bis er sich dann für ein Leben als Illustrator von Bilderbüchern entschied.
Während Eva Mura in seiner Heimat sehr beliebt war, wurde sein außerordentliches Talent in Europa nie so recht wahrgenommen.
Immerhin verkauften sich seine Bilderbücher im Nord-Süd-Verlag über 100.000 Mal. Die Schweizer unterlegten die Abenteuer der Mäuse mit erzählenden Reimen von Rose Pflock, die sich an den Prosa-Texten von Iwamuras Original orientieren. Jetzt geht's fort in raschem Schritt. Auch die Kleinen dürfen mit, wollen bei den großen Buchen mit nach reifen Bären suchen. Vorsicht, flüstern die Libellen an dem Wasserfall dem Schnellen.
Vorsicht Mäuschen, kleines Ding, wispert auch der Schmetterling. Vergleichbar vielleicht nur mit Sven Nordquist's Pettersson und Findus, kompletiert Iwamura das Setting seiner Mäusewelt kontinuierlich.
So verfügt die Familie über ein Haus mit eigener Architektur. Es steht am Fuß eines mächtigen Baums und besitzt eine eigene Schlafebene, auf der sich die zahlreichen Betten befinden. Die japanische Badekultur schreibt ein eigenes Waschhaus vor und es gibt einen großen Tisch, an dem jeweils am Ende eines Abenteuers gemeinsam gespeist wird und jeder von seinen Erlebnissen berichtet. Iwamura liefert das Musterbeispiel einer demokratischen Gemeinschaft,
in der zwar gestritten und gezankt werden darf aber jeder für seine eigenheiten geschätzt wird und alle es genießen teil der gemeinschaft zu sein iwamua kannte sein sujet war er doch mit sechs geschwistern aufgewachsen und selbst vater von fünf kindern
In der Komposition der Doppelseiten spiegelt sich sein Lebensverständnis. Die Familien-Szenen sind jeweils um ein Zentrum herum organisiert und werden nach außen hin durch Details und Nebenhandlungen verdichtet. So muss das Auge wandern, um die Komplexität der jeweiligen Situation zu erfassen.
Das Leben in diesen Büchern, deren Geschichten weitgehend undramatisch verlaufen, findet in den einander zugewandten Gesten der Figuren statt. In den Bänden rund ums Frühstück oder den Garten arbeitet man Hand in Hand beim Bären sammeln, beim Pflanzen eines Kürbisses oder während der Organisation eines Picknicks.
So heißt es. Die Tagesarbeit ist getan. Nun fängt ein schöner Abend an. Es freut sich die Familie Maus auf Abendbrot und Badehaus. Was gibt's denn heut? Es duftet fein. Das müsste Sprossensuppe sein. Die einen kochen schon den Schmaus, die anderen ziehen zum Badehaus. Ivamura richtete die Bände auf die jeweiligen Jahreszeiten aus.
So machte er es auch mit einer zweiten Serie, deren titelgebende Protagonisten Matz, Fratz und Lisettchen drei Eichhörnchengeschwister sind, die sich im Astwerk der Bäume tummeln. Ivamura unterschied diese Welt mit Bedacht vom Universum der Mäuse, das sich zwischen Gräsern und Mosen des Waldbodens befindet. Dazu begab er sich ganz konkret auf die Augenhöhe der Mäuse. Aus ihrer Perspektive sind diese Geschichten erzählt.
Mit Aquarellfarben und Mischtechniken schuf Ivamura seine Bilder, denen eine warme Grundfarbe die emotionale Temperatur für das jeweilige Geschehen liefert. Das kann ein dunkles Grün sein, wenn der Tag noch frisch ist und mit dem Frühstück beginnt, oder ein Gelb, wenn im Herbst die Ernte ansteht, und sogar ein Orange, das im Winter einen wohligen Kontrast zum Weiß des Schnees bildet.
Wobei Evamora präzise wie ein Naturkundler zeichnete und man stets im Bild erkennen kann, ob sich ein Blatt an der Oberfläche geschmeidig und weich oder hart und spröde anfühlt.
In seiner Heimat baute sich Kazuo Iwamura ein eigenes Museum, das wie ein Bilderbuch funktionieren sollte. Es steht auf dem Bilderbuchhügel und zeigt nicht nur die Werke von Iwamura, sondern es ist so angelegt, dass man aus allen Himmelsrichtungen eine Aussicht auf die umliegende Landschaft hat. Darin kommt Iwamuras Anliegen zum Ausdruck, Kinder für den Reiz der Naturbeobachtung zu gewinnen.
In den klassischen Kanon der Bilderbuchkunst wird Kazuo Iwamura's Werk nicht allein wegen der außerordentlichen Qualität seiner Illustrationen eingehen, es ist auch der liebevolle Blick für menschliche Eigenarten, der seinen Illustrationen zeitlose Aktualität beschert. Das sagt Thomas Linden über das Werk Kazuo Iwamura's. Im Nord-Süd-Verlag ist gerade »Familie Maus macht Waschtag« erschienen, gereimt von Rose Pflock, empfohlen ab zwei Jahren.