Deutschlandfunk, Büchermarkt. 1988 backte der Physiker Larry Shaw zum ersten Mal Pi-Kuchen, auf Englisch also Pie-Pies. Die Kuchen waren mit vielen Nachkommastellen der unendlichen Zahl Pi dekoriert, weil Larry Shaw mit ihnen seine Begeisterung für Pi zum Ausdruck bringen wollte. Deshalb waren die Kuchen auch rund, denn Pi dient ja der Berechnung von Kreisen.
Seit Larry Shores Kucheninitiative wird jedes Jahr am 14. März Pi-Tag gefeiert. Am 14. März, weil im Angelsächsischen das Datum ja andersrum geschrieben wird, erst der Monat, dann der Tag. Und 3.14 ist das Datum, in dem zumindest der Anfang der für viele so faszinierenden Zahl Pi enthalten ist.
Wir nehmen den Pi-Tag zum Anlass für einen Schwerpunkt zu Kinderbüchern, die sich mit Mathe, Zahlen und Pi im Besonderen beschäftigen. Maria Riederer hat vier Bücher für verschiedene Altersstufen ausgewählt. Sie beginnt mit Miguel Tancco – Ich mag Mathe.
Bei uns zu Hause hat jeder eine große Leidenschaft. Eine Sache, die er mit Hingabe betreibt. Mein Vater hat eine und meine Mutter hat eine andere. Die kleine Ich-Erzählerin mit dem knallroten Wuschelkopf stellt erst einmal die Hobbys ihrer Familienmitglieder vor. Der Vater malt, die Mutter widmet sich der Erforschung von Insekten, der Bruder macht Musik auf einer riesenhaften Tuba.
Das Mädchen ohne Namen hat an alledem kaum Interesse. Auch für die Schul-AGs in Theater, Tanz oder Kochen hat sie wenig Talent. Es gibt etwas, das ich wirklich mag. Mathe. Mathematik ist praktisch überall. Man muss nur die Augen offen halten. Der Spanier Miguel Tanco, der das Buch geschrieben und illustriert hat, untermauert die Allgegenwart der Mathematik in seinen Zeichnungen, ohne dass es zunächst auffällt.
Die Böden der Zimmer sind mal mit Karos, mal mit Kreisen versehen. In den Schul-AGs steht das Mädchen auf Wellen oder Parallelenlinien. Der Ball im Tennistraining beschreibt eine perfekte Kurve und dafür hat das Kind einen Blick. Es gibt geometrische Figuren auf dem Spielplatz.
Klettergerüste, Rutschbahn, eine Bank. Es macht mir Spaß, die perfekte Kurve zu finden und schwierige Teilaufgaben zu lösen. Ein Tisch voller Essen, vier Personen, Gläser mit Nudeln, Flaschen mit Flüssigkeit, mal, geteilt, plus, minus, Mengen, Volumen, Fläche, Linie, Kreise, Polygone, Fraktale. Mathe ist in allen Gegenständen und Formen, die uns umgeben.
So erlebt es das Mädchen im Buch und im Lauf von 48 Seiten lernen die Augen der Betrachter auf Formen und mathematische Phänomene zu achten. Miguel Tancos Zeichnungen sind leicht und lebendig, sie führen ins Freie, ins Museum, auf den Flohmarkt. Die Sprache ist knapp und schnörkellos.
Spannend ist das Buch nicht auf der Handlungsebene, sondern auf der Erkenntnisebene. Wer beim Einstieg in Erwartung einer Geschichte schnell weitergeblättert hat, sollte unbedingt nochmal von vorne anfangen und genau hinsehen, mit den Augen eines mathebegeisterten Kindes. Ich mag Mathe. Den Titel würden sicher nicht alle Kinder in den ersten Schuljahren unterschreiben. Dieses Buch zeigt ihnen, dass Mathe weit mehr ist als Rechnen. Pina Gertenbach. Von 1 bis 10? Alles gesehen?
Wer noch jüngere Kinder an die Welt der Zahlen heranführen will, findet viele schöne Bücher. Zwei Pappbilderbücher sollen hier erwähnt werden. Das erste davon im Großformat, von 1 bis 10, alles gesehen, von Pina Gertenbach, empfiehlt der Esslinger Verlag ab drei Jahren. Hier wimmeln Tiere und Fantasiewesen und die Kinder werden ermuntert, auf die Suche zu gehen nach Zahlen, Ziffern oder gleichen Merkmalen unter den Tieren und anderen Dingen.
Entdeckst du zwei Katzen unter den vielen Tauben? Hier gibt es viele bunte Fische, aber nur drei sind grün. Siehst du zwei Hasen mit Schlappohr? Ein Drache hat neun spitze Zacken auf dem Rücken.
Durch das Buch führt das Zalino, ein Mischwesen mit einer roten Nase, zwei runden Augen, drei kleinen Hörnern, vier Flügeln, fünf weißen Zähnchen und so weiter. Die fröhlichen Illustrationen von Pina Gertenbach animieren zum genauen Hinsehen, Suchen und Entdecken, zum Zählen und Unterscheiden.
Wer die gleiche Zielgruppe auch sprachlich unterhalten möchte, kann das mit einem weiteren Pappbilderbuch in kleinerem Format aus dem Peter-Hammer-Verlag tun. »Alle weg« erzählt in Reimform von zehn wilden Kindern und davon, was passiert, wenn von zehn immer eins abgezogen wird. »Zehn wilde Kinder spielen gern Versteck. Kai hält sich die Augen zu, die anderen laufen weg.«
Neun wilde Kinder platschen durch den Bach. Lu versteckt sich hinterm Stein. Da sind es nur noch acht. Das Konzept ist bekannt und funktioniert immer. Mal für Terheim, mal vielleicht schon das Wissen zur nächsten Zahl.
Erst verschwindet ein Kind nach dem anderen, dann tauchen sie alle wieder auf. Das alles ist schmissig gereimt, mit kleinen witzigen Wendungen versehen und wunderschön gestaltet. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht und neun. Hurra! Noch Kai dazu, zehn wilde Kinder, alle wieder da.
Ob aus Kleinkindern und ihrem spielerischen Umgang mit Zahlen später Mathefreaks werden, bleibt abzuwarten.
Eins allerdings ist sicher, selbst wenn Mathe in der Schule kein Lieblingsfach wird, ist noch lange nicht alles verloren. Das beweist Anita Lehmann mit ihrem neuen Buch über die Zahl Pi, das der Schweizer Helvetik Verlag für Kinder ab neun Jahren empfiehlt. Ja, ich habe eine sehr komplizierte Beziehung zu Mathematik. Eigentlich mag ich Mathematik sehr gerne.
Aber für mich war die Mathematik in der Schule sehr schwierig. Ich hatte auch nicht wirklich inspirierende Lehrer und Lehrerinnen. Und als Kind habe ich nie wirklich begriffen, was so toll ist an der Mathematik. Seit ich die Schule abgeschlossen habe, habe ich auch keine Mathematik mehr gemacht.
Außer Sudokus habe ich eigentlich fast gar nichts mehr mit Mathematik zu tun gehabt. Außer so ein bisschen ein abstraktes Interesse an dem Thema im Allgemeinen. Die Schweizerin Anita Lehmann lebt in England. Sie hat schon mehrere Sachbücher geschrieben, meist ging es dabei um Menschen.
Und das tut es auch in Verrückt nach Pi. Da geht es um Mathe-Nerds und Philosophen, Träumer und Ketzer. Aber das alles wusste Anita Lehmann noch nicht, als sie von ihrem zukünftigen Co-Autor, dem Mathematiker Jean-Baptiste Aubin, diese Anfrage bekam. Jean-Baptiste ist Mathematiker, er ist Statistikprofessor in Lyon. Und er arbeitet seit Jahren daran, Mathematik Kindern näher zu bringen. Das ist seine Leidenschaft.
Und er hat mir von Pi erzählt. Und er hat mir gesagt, weißt du, dass jedes deiner Bücher schon in Pi enthalten ist?
Und da war ich hooked. Da habe ich gedacht, oh ja, da muss ich mehr hören. Was meinst du damit? So begann die Zusammenarbeit an einem Kinderbuch, das sich 88 Seiten lang mit der Zahl Pi beschäftigt. Es wegzulegen ist schlicht unmöglich. Nach einer kurzen Erklärung der Formel, die zum Wert um die 3,14, also zu Pi, führt, beginnt die Geschichte der Menschen, die sich von dieser Zahl faszinieren ließen.
Parallel dazu führt Anita Lehmann mit Humor und meisterlicher Klarheit und mithilfe der großartigen Zeichnungen des estnischen Künstlers Jonas Sildre an die Vorstellung heran, dass es irrationale Zahlen gibt, in denen die ganze Welt enthalten ist.
Jedes Geburtsdatum, jede Kreditkartennummer, jedes Buch, wenn man die Buchstaben in Zahlen aufschreiben würde. Unglaublich, aber wahr. »Pie ist nicht ordentlich. Pie ist wirklich schlechterin, irgendeine Art von periodischem oder regelmäßigem Muster vorzuweisen. Pie weiß wahrscheinlich nicht einmal, was ein periodisches Muster ist. Und noch schlimmer, es ist ihm egal.«
Das macht Pi zu einer irrationalen Zahl. Sie ist unendlich und wiederholt sich nicht. Pi ist nicht einfach eine Zahl, es ist eine Diva. Eigenwillig, schwer zu ergründen, unglaublich attraktiv. Das jedenfalls fanden viele Männer, später auch Frauen, durch alle Zeitalter hindurch und auf der ganzen Welt.
Archimedes und Ariabata, Ludolf van Keulen oder Madaba von Sangamagrama, der nicht nur eine weitere Formel zur Entdeckung immer weiterer Dezimalstellen erfand, sondern diese in Form von Versen aufschrieb, wie ein Gedicht.
Oder der Inder Ramanujan, der die Formeln träumte und sie stimmten. Diese Geschichte ist echt unglaublich. Es ist eine sehr traurige Geschichte. Er hatte die Chance, in die Schule zu gehen. Er wollte aber nur Mathematik machen. Das war das Einzige, was ihn interessiert hatte. Und deshalb ist er aus der Schule geflogen und musste sich dann das meiste selbst beibringen. Und ich fand das einfach schon faszinierend, dass man schon als Kind so eine ganz klare Idee hat, was man machen muss.
Er sah das offensichtlich als sein Schicksal und ist dann einfach nur gerade auf sein Ziel zugegangen, ohne einen Moment zu zögern. Je mehr man weiß, so siniert Aristoteles in dem Buch, umso mehr wird einem bewusst, dass man nichts weiß.
Bevor diese Erkenntnis allerdings zur Frustration führen könnte, fordern die drei kreativen Köpfe aus Autoren-Duo und Illustrator die Kinder auf, mit Pi zu spielen. Zu rechnen, zu knobeln, zu schätzen, optische Täuschungen zu durchschauen, eine Pizza in drei gleich große Stücke zu schneiden...
Und für die echten Nerds gibt es am Ende auch noch Formeln. Kinder kriegen extrem viel Druck in der Schule, wenn es um Mathematik geht. Und wenn man Mathe gerne hat, ist das nicht ein Problem, aber wenn man es nicht so gerne hat, ist das schwierig. Und deshalb, ich wollte es einfach so lustig wie möglich machen und so zugänglich wie möglich, damit es alle genießen können.
Auch wenn Sie dann das dritte Kapitel nicht unbedingt durchrechnen möchten. Wenn ich das Buch nicht geschrieben hätte, wäre ich auch in dieser Gruppe. Im Zeitalter von KI, die das Rechnen für uns erledigt, das Denken, Schreiben und jeden kreativen Prozess, ist verrückt nach Pi besonders wertvoll. Nicht die fertige Formel ist das Thema, nicht die am Ende von Computern ausgespuckte ewige Reihe von Dezimalstellen. Es geht in erster Linie um die Lust, einer Sache auf den Grund zu gehen.
Sie nicht als fertiges Produkt serviert zu bekommen, sondern sie selbst zu ergründen. So geht Mathe weit über irgendein Schulfach hinaus und wird zur Philosophie, zur Lebensweise.