Zwei Dinge haben mich besonders überrascht. Erstens, dass ein Kaiserschnitt auch langfristige Folgen für die Gesundheit von Mutter und Kind haben kann. Das war mir ehrlich gesagt vorher nicht so bewusst. Und zweitens, dass einer der Hauptgründe für einen Kaiserschnitt ist, dass man schon einen Kaiserschnitt hatte. Und dass Experten meinen, dass das eigentlich nicht unbedingt notwendig ist. Sie hören den Zeitwissen-Podcast Woher weißt du das? Mein Name ist Maria Mast, ich bin Wissensredakteurin bei Zeit Online und ich freue mich sehr, dass heute meine Kollegin Andrea Böhnke bei mir im Studio ist.
Sie ist Redakteurin im Ressort Gesundheit von Zeit Online und in ihrer neuesten Recherche hat sie sich damit beschäftigt, was wir eigentlich wirklich über den Kaiserschnitt wissen. Darüber spreche ich heute mit ihr. Hallo Andrea. Hallo, danke, dass ich hier sein darf. Du hast dich jetzt intensiv mit dem Thema beschäftigt, mit dem Thema Kaiserschnitt. Wie kam es eigentlich dazu?
Ja, jedes Jahr kommt eine neue Statistik dazu raus. Die zeigt, dass die Kaiserschnittrate in Deutschland gestiegen ist und jedes Jahr ist die Aufregung danach irgendwie sehr groß. Und ich wollte verstehen, warum die Zahl eigentlich immer weiter steigt und warum auch viele Experten meinen, dass wir zu viele Kaiserschnitte in Deutschland machen. Das wollen wir uns in dieser Folge heute anschauen. Lass uns am Anfang einmal die Faktenlage checken. Wie viele Kinder kommen pro Jahr denn in Deutschland zur Welt und wie viele davon per Kaiserschnitt?
Die letzten Zahlen dazu sind von 2023. Da sind fast 668.000 Kinder in Deutschland auf die Welt gekommen. Knapp ein Drittel davon per Kaiserschnitt.
Wobei man sagen muss, dass es hier große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt. Im Saarland zum Beispiel lag die Kaiserschnittrate bei 36,4 Prozent. Die waren da mit Spitzenreiter. In Sachsen war sie am niedrigsten mit 25,6 Prozent. Es gibt sogar auch große Unterschiede zwischen einzelnen Kliniken. Und früher lag die Rate in Deutschland noch deutlich niedriger.
Und für die Recherche habe ich auch mit einer Hebamme gesprochen. Ich bin schon seit über 30 Jahren Hebamme. Ich habe angefangen, beruflich tätig zu sein in einer Klinik, als die Sektiorate bei 15 Prozent lag. Das war eine andere Geburtshilfe. Und zwar war das eine Geburtshilfe, wo wir enorm gute Betreuungsschlüssel hatten. Und wir hatten eine...
weniger starke Risikofokussierung und wir hatten nicht so viele Gerichtsfälle. Das ist eine ganz komplexe Gemengelage hier. Das ist Andrea Köpke vom Deutschen Hebammenverband. Und diese Gründe für die veränderten Zahlen, die wollen wir uns heute anschauen.
Wann wird denn eigentlich ein Kaiserschnitt durchgeführt? Was gibt es da für entscheidende medizinische Gründe für? In Studien und Fachtexten heißt es immer, dass ein Kaiserschnitt absolut notwendig ist, wenn die Gefahr besteht, dass die Mutter oder das Kind oder sogar beide während der Geburt sterben könnten, also wenn die Geburt natürlich wäre.
Ungefähr 10 Prozent aller Kaiserschnitte sind absolut notwendig. Zum Beispiel, weil es unter den Venen zu Komplikationen kommt. Zum Beispiel, weil die Gebärmutter reißt. Das heißt, da haben wir einen akuten Grund, der sich in der Situation der Geburt ergibt. Aber es gibt auch Fälle, in denen man sich schon vorher für einen Kaiserschnitt entscheidet, oder? Ja, genau. Das gibt es. Zum Beispiel, wenn der Kopf des Kindes deutlich zu groß ist für das Becken der Mutter.
Oder wenn das Kind quer liegt oder auch wenn es mit dem Po nach unten liegt, das nennt man dann Beckenendlage. Bis zu 90 Prozent der Kinder in Beckenendlage werden in Deutschland sogar per Kaiserschnitt empbunden. Obwohl in dem Fall eigentlich gar kein bestimmter Geburtsmodus besser ist als der andere. So steht das zum Beispiel in der deutschen Leitlinie Kaiserschnitt. Dass bei uns jetzt trotzdem so viele Kinder in dieser Lage per Kaiserschnitt geboren werden, hat sich in den letzten 25 Jahren erst entwickelt. Und wieso?
Ja, eine wichtige Rolle spielte dabei eine Studie, die ist 2000 rausgekommen und die wird heute oft nur Henna-Studie genannt. In der hatten zwei Forscherinnen aus Kanada beobachtet, dass Kinder in Beckenendlage, die vaginal entbunden wurden, während und kurz nach der Geburt häufiger gestorben sind. Und die hatten zum Beispiel auch häufiger gesundheitliche Probleme.
Zum Beispiel Krampfanfälle oder dass sie verlangsamte Reaktionen gezeigt haben. Und das hat die gängige Praxis damals einfach komplett verändert. Insofern, dass danach also deutlich mehr Kaiserschnitte durchgeführt wurden? Genau. Fachgesellschaften weltweit haben von da an ihre Empfehlungen geändert und gesagt, dass ein Kaiserschnitt bei Beckenendlage besser wäre.
Zumindest für die Kinder. Das Interessante oder vielmehr eigentlich das Erschreckende ist aber, dass schon kurz nach dem Erscheinen der Studie Zweifel an den Ergebnissen aufkamen. Über die habe ich zum Beispiel mit dem Geburtsmediziner Michael Abodaken gesprochen. Der leitet am St. Josef Krankenhaus in Berlin eine der größten Geburtskliniken Deutschlands. Es war halt um die 2000 alles zusammen, weil es eine weltweite Studie gab, die dann revidiert wurde, weil die etwas schlecht gemacht wurde, aber...
Die Information, dass es den Kindern so viel schlechter geht und dass die Todesrate bei Kindern höher sei und all diesen Quatsch, der da berichtet wurde,
Er hat es weltweit so durchgeschlagen, dass fast weltweit keiner mehr sich getraut hat, diese Beckenendlage nochmal zur Umwelt zu bringen. Das heißt, mit der Studie war diese Information einfach dann in der Welt. Aber was gab es denn eigentlich für Zweifel an der Studie? Zum Beispiel war bei den natürlichen Steißgeburten, so nennt man das dann, wenn die Kinder mit dem Po voran vaginal geboren werden, da war dann oft kein erfahrener Arzt anwesend. Das ist aber ganz wichtig bei einer Beckenendlage, weil der Arzt bestimmte Handgriffe sicher beherrschen muss.
Sonst kann es nämlich passieren, dass das Kind zum Beispiel mit dem Köpfchen im Geburtskanal stecken bleibt und in der Folge zu wenig Sauerstoff bekommt. Und dann kann es eben halt wirklich im schlimmsten Fall sterben oder gesundheitliche Probleme bekommen. Jetzt liegt ja diese Studie inzwischen schon über 20 Jahre zurück. Gibt es denn dann neue Erkenntnisse in der Zwischenzeit? Ja, wie Professor Abu-Dakken gesagt hat, wurden die Ergebnisse revidiert. Es gibt aber eigentlich keine vergleichbare neue Studie.
Solche Untersuchungen führt man in der Regel auch selten mit Schwangeren durch, weil man natürlich Mutter und Kind nicht unnötig gefährden will. Und es ist eigentlich ja auch unethisch, einer Frau zu Forschungszwecken vorzuschreiben, wie sie ihr Kind so bekommen hat. Das haben die in dem Fall auch nicht gemacht, sondern die unter den Wehen sozusagen rekrutiert, aber trotzdem, deswegen gibt es solche Studien nicht. Also als die Frauen in den Wehen lagen, hat man sie dann als Studienteilnehmerin rekrutiert? Genau, also hat dann gefragt, ob sie daran teilnehmen und das war auch ein Kritikpunkt an der Studie.
Sowas macht man jetzt heute nicht mehr oder wurde seither nicht mehr gemacht. Aber was man heute weiß, ist, dass ein Kaiserschnitt bei einer Beckenendlage anscheinend keine Vorteile hat. Verstehe. Also bestimmt hören uns auch viele Leute zu, die schon Kinder haben oder bekommen haben, aber sicherlich auch nicht alle.
Deshalb erklär mir doch vielleicht einmal, was eigentlich genau bei einem Kaiserschnitt passiert. Ja, also erstmal ist ein Kaiserschnitt natürlich eine Geburt. Das klingt irgendwie selbstverständlich. Ich habe aber irgendwie trotzdem das Gefühl, dass man das immer wieder sagen muss. Manche sprechen auch von einer Bauchgeburt. Aber für die Mutter ist ein Kaiserschnitt natürlich auch eine große Operation. Und wie bei jeder OP kann es dabei auch zu Komplikationen kommen.
Zum Beispiel können umliegende Organe verletzt werden, es kann zu stärkeren Blutungen kommen, zu Embolien, zu Thrombosen. Der Schnitt selbst ist heute zwar nur so 10 bis 15 Zentimeter lang, aber um überhaupt an das Baby zu kommen, müssen die Ärzte durch mehrere Gewebeschichten durch. Für manche Schichten benutzen sie kein Skalpell, also die Bauchmuskeln zum Beispiel werden zur Seite geschoben.
Und die Gebärmutter wird nur minimal aufgeschnitten und sie reißt dann noch so ein bisschen mit auf, wenn das Kind rausgeholt wird. Was ja erstmal brutal klingt. Das stimmt auf jeden Fall. Aber das sorgt auch dafür, dass das Gewebe dann noch schneller zusammenwächst. Trotzdem braucht es natürlich Zeit, bis alles wieder heilt. Und bei vielen Frauen, die Vaginalgebären, ist der große Schmerz ja mit der Geburt vorbei.
Und Frauen, die ihren Kaiserschnitt hatten, die brauchen oft länger, um wieder auf die Beine zu kommen. Und sie haben in der Tendenz auch noch länger danach Schmerzen. Jetzt ist ja die eine Seite die Mutter und auf der anderen Seite ist das Kind. Welche Gefahren gibt es auf dieser Seite? Das Kind kann zum Beispiel kleinere Schnittwunden davon tragen, wenn die Ärzte mit dem Skalpell arbeiten. Kaiserschnittkinder haben auch häufiger vorübergehende Anpassungsstörungen. Das heißt, dass sie nach der Geburt nicht richtig atmen und vielleicht sogar Sauerstoff bekommen müssen.
Das hört sich jetzt alles sehr beängstigend an. Insgesamt sind die kurzfristigen Risiken heute aber glücklicherweise sehr gering. Wie sieht es mit den langfristigen Risiken aus? Was weiß man denn heute über die Spätfolgen für das Kind bei einem Kaiserschnitt? Studien zeigen, dass ein Kaiserschnitt beim Kind diverse Krankheitsrisiken erhöhen kann. Zum Beispiel das Risiko für Allergien, für Asthma, für Diabetes Typ 1, für Übergewicht oder Adipositas.
Wenn man das als Eltern hört, kann einen das natürlich mega verunsichern. Bei der Interpretation all dieser Studien muss man aber vorsichtig sein, weil sie beruhen größtenteils auf Beobachtungen. Zum Beispiel analysieren Forscher Patientenakten. Dieses Thema hatten wir ja gerade schon, dass die Studienerstellung da in dem Fall eben besonders schwierig ist, weil man kann ja auch die Frauen schlecht in zwei verschiedene Versuchsgruppen einteilen, die man dann verschiedenen Risiken aussetzt.
Genau, so ist es. Und dazu kommt noch ein anderes Problem. Oft heißt es einfach, dass das Risiko für Asthma zum Beispiel bei einem Kaiserschnittkind 20 Prozent höher ist. Das sagt einem als Eltern ja aber erstmal nicht, was das konkret bedeutet. Also was bedeutet es denn konkret? Das habe ich versucht zu recherchieren, ist aber gar nicht so einfach. In manchen Studien sind zum Beispiel gar keine absoluten Zahlen zu finden.
Außerdem spielt es natürlich eine Rolle, wie hoch das Grundrisiko in einem Land ist. Wenn das Risiko jetzt 20 Prozent höher ist, bedeutet das in einem Land, wo 50 Prozent der Bevölkerung Asthma hat, in absoluten Zahlen was ganz anderes als in einem Land, wo nur zwei Prozent der Bevölkerung Asthma hat. Ich habe mir die Zahlen mal mit einer Medizinstatistikerin angeschaut, um das konkreter für die Situation hier in Deutschland zu machen. Kannst du uns da mal ein Beispiel geben?
Bei Asthma sind wir drauf gekommen, dass die Risikoerhöhung, die in Studien beobachtet wird, bedeuten würde, dass pro 100 Geburten ein Kind mehr Asthma bekommt, das vermutlich kein Asthma bekommen hätte, wenn es natürlich geboren wäre. Das vermutlich ist hier aber ganz wichtig, weil es natürlich zig andere Gründe geben kann, warum ein Kind Asthma bekommt.
Ob der Kaiserschnitt letztlich die Ursache bei dem einen Kind mehr ist, kann keiner sagen. Und wie erklärt man sich, dass Kaiserschnittkinder häufiger Asthma bekommen oder Diabetes bekommen könnten? Die gängige Theorie ist aktuell, dass das mit dem veränderten Darmmikrobiom von Kaiserschnittkindern zu tun haben könnte. Das spielt eine wichtige Rolle für das Immunsystem und damit auch für das Entstehen von Krankheiten.
Und bei Kaiserschnittkindern ist das Mikrobiom weniger vielfältig und es braucht auch länger, um sich zu entwickeln nach der Geburt. Weshalb? Kaiserschnittkinder müssen ja nicht durch den mütterlichen Geburtskanal und kommen deswegen nicht mit den vaginalen Darmbakterien der Mutter in Kontakt. Okay, wenn eine Frau jetzt aber einen Kaiserschnitt hat, kann sie dann trotzdem irgendwas fürs Mikrobiom des Kindes nach der Geburt tun?
Ideen gibt es dafür. Manche werden von Fachleuten bislang allerdings noch nicht empfohlen. Zum Beispiel das sogenannte Vaginal Seeding, wo nach der Geburt Bakterien der Mutter auf die Haut des Kindes aufgetragen werden. Denn das kann das Risiko für Infektionen beim Kind erhöhen. Es gibt aber eine beziehungsweise eigentlich sogar zwei Sachen, die erwiesenermaßen sehr gut helfen. Wir beschäftigen uns schon relativ lange mit den Effekten des Stills und wir sehen, wenn Mütter nach dem Kaiserschnitt sterben,
Kinder stillen und stellen Hautkontakt sind, dass sie dann tatsächlich das Mikrobiom relativ gut aufbauen können. Also wahrscheinlich ist der Effekt, wenn Kinder still werden, Hautkontakt bleiben, weniger schlimm und weniger dramatisch. Sodass dieses Thema des Mikrobioms zwar immer noch ein Thema ist, aber momentan so ein bisschen an dieser großen Gewichtigkeit Kindergesundheit nachlässt. Stillen hilft also, aber auch kuscheln.
Viele Kliniken achten inzwischen auch darauf, dass Mutter und Kind nach einem Kaiserschnitt schnell in engen Hautkontakt kommen und bieten ihnen auch Unterstützung beim Stillen an, denn das kann nach einem Kaiserschnitt auch erstmal erschwert sein. Jetzt haben wir viel über die Kinder gesprochen. Ich würde gerne noch wissen, was es denn für Spätfolgen für die Mutter geben kann nach dem Kaiserschnitt. Ja, da gibt es tatsächlich auch einige. Die meisten beziehen sich auf mögliche Folgeschwangerschaften.
Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, sind zum Beispiel unter Umständen weniger fruchtbar, weil es in der Gebärmutter zu Verwachsungen kommen kann oder zu einer chronischen Entzündung.
Frauen haben nach einem Kaiserschnitt auch ein erhöhtes Risiko für Fehl- oder Todgeburten und auch für Plazentastörungen. Aber auch hier gilt, es handelt sich um relative Risikoerhöhung. Es geht bei der Medizin immer um die Relation. Wenn ich sie persönlich berate, würde ich sagen, du musst wissen, wenn du jetzt einen Kaiserschnitt bekommst, kann das und das und das häufiger passieren. Wenn du aber den Kaiserschnitt brauchst, würde ich sofort sagen, dass das passiert extrem selten.
Er hat im Gespräch dann noch ergänzt, wenn ein Kaiserschnitt das Leben der Mutter oder des Kindes retten wird, dann macht es keinen Sinn, auf den Risiken rumzureiten. Es gibt aber eben auch Fälle, wo er zwingend notwendig ist und da müssen die Risiken abgewogen werden. Ein Fall, bei dem sehr oft ein Kaiserschnitt gemacht wird, ist eine zweite Geburt nach einem ersten Kaiserschnitt. Das ist aber laut Experten gar nicht immer unbedingt notwendig. Das heißt, dieser zweite Kaiserschnitt nach einem ersten, der muss nicht unbedingt gemacht werden?
Ja, also ein erster Kaiserschnitt macht tatsächlich gewisse Komplikationen wahrscheinlicher. Es besteht zum Beispiel die Gefahr, dass die Gebärmutter unter den Venen an der Stelle reißt, wo die Ärzte das erste Kind rausgeholt haben. Und das ist auch wirklich eine schwerwiegende Komplikation, bei der Mutter und Kind im schlimmsten Fall sogar sterben können. Deswegen raten eben auch viele Ärzte den Frauen zu einem geplanten zweiten Kaiserschnitt. Absolut gesehen sind solche Komplikationen insgesamt aber trotzdem selten.
Experten meinen daher, dass es grundsätzlich auch möglich ist, das Kind natürlich zu gebären, sofern die Mutter gesund ist und die Schwangerschaft komplikationslos. Werbung
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Oft wird ja auch behauptet, dass es deshalb mehr Kaiserschnitte gibt, weil sich Frauen schon vorher für einen Kaiserschnitt entscheiden. Stimmt das überhaupt?
Ich habe versucht, da Zahlen zuzufinden, habe aber keine verlässlichen entdeckt. Wie viele Kaiserschnitte in Deutschland jetzt wirklich Wunschkaiserschnitte sind? Ich habe mal provokativ gesagt, ich kenne eigentlich wenig Frauen, die Wunschkaiserschnitte durchführen. Ich kenne mehr Ärzte, die das machen. Die sich eigentlich den Kaiserschnitt wünschen, die alle möglichen Argumente bringen, warum das jetzt wichtig ist. Die Frage ist ja zum Beispiel auch, rät einem der Arzt vor der Geburt zu einem Kaiserschnitt und man stimmt dem zu, ist das dann auch ein Wunschkaiserschnitt?
Und oft heißt es ja auch so gehässig, dass sich immer mehr Frauen das heute leicht machen wollen und sich deswegen einen Kaiserschnitt wünschen. Angenommen es wäre so, wer gibt einem denn das Recht darüber zu urteilen, wie eine Frau ihr Kind bekommen möchte? Wenn man mit Ärzten spricht, spielt aber bei vielen Frauen tatsächlich eher Angst eine Rolle. Angst vor den Schmerzen, Angst davor, dass der eigene Körper einem Stich lässt und auch Angst davor, dass bei der vaginalen Geburt etwas schief gehen könnte.
Denn auch bei der gibt es ja Risiken, das darf man nicht vergessen. Und das wiegen die Ärzte eben ab, wenn es um die Frage geht, Kaiserschnitt ja oder nein. Ich habe auch eine Frage aus der Community mitgebracht. Die hat mir eine Hörerin schon im Voraus auf Instagram geschickt. Und sie würde gerne wissen, ob ein Kaiserschnitt denn wirklich vor Inkontinenz und Organsenkung schützt, weil man das auch häufig hört. Ja, darüber habe ich auch mit dem Geburtsmediziner gesprochen.
Diese Fragestellung, Bodenschwäche, Inkontinenz, Absenkung, Laufstelle, also alles Themen, die immer wieder kommen, wo man sagt, dann machen wir doch lieber Kaiserstätte, damit die Frauen anschließend funktionell so sind, wie sie sich das wünschen oder wie es selbst die Männer wünschen. Da gibt es keine klare, deutliche Situation.
Und es gibt aber Kliniken, die den Frauen das erklären und sagen, wenn sie ein großes Kind bekommen, dann kann es sein, dass man ein präsentatives Kaiserstück machen will. Weil die Prävention tatsächlich, was die Wissenschaft angeht, hochfraglich ist. Es bleibt fast allen Fällen völlig unklar, ob das tatsächlich Nutzen bringt für Mutter und Kind.
Generell ist es natürlich schon einfach die Schwangerschaft für den Beckenboden eine Belastung, jetzt unabhängig davon, wie man sein Kind bekommt. Es gibt zwar Studien, die zeigen, dass zum Beispiel Inkontinenz und eine Gebärmuttersenkung nach einem Kaiserschnitt seltener sind. Jetzt kommt das Aber. Ein Kaiserschnitt ist natürlich kein Garant dafür, dass der Beckenboden intakt ist danach und man muss die möglichen Vorteile mit den Nachteilen abwägen, die eben ein Kaiserschnitt haben kann.
Lass uns an der Stelle doch noch einmal gegenüberstellen. Was sind denn die Risiken einer vaginalen Geburt? Ja, über den Beckenboden haben wir jetzt schon gesprochen. Der kann bei einer vaginalen Geburt tatsächlich in Mittenleidenschaft gezogen werden. Das kann dann zum Beispiel zur Inkontinenz führen. Es kann auch zu Geburtsverletzungen kommen, zum Beispiel zu einem Dammriss. Das ist eine relativ häufige Komplikation, vor der auch viele Frauen Angst haben.
Das Kind kann bei einer vaginalen Geburt zum Beispiel auch verletzt werden. Und wenn Ärzte eine Zange oder eine Sauglocke einsetzen, haben die Kinder zum Beispiel auch oft ein Hämatom am Kopf. Trotz dieser Gründe ist es ja aber so, würde ich zumindest vermuten, dass die meisten Frauen noch immer eine vaginale Geburt wollen. Absolut. Fakt ist, dass sich die allermeisten eine natürliche Geburt wünschen. Ich habe mich vor dem Podcast auch noch mal in meinem Bekanntenkreis umgehört und
welche Fragen da so besonders häufig vorkommen. Und ein Thema war auf jeden Fall auch die Frage, warum die vaginale Geburt eigentlich so idealisiert wird. Ja, das ist eine berechtigte Frage, aber auch eine sehr schwierige. Ich habe ja jetzt auch in unserem Gespräch schon öfter von natürlicher Geburt gesprochen und auch viele Experten machen das. Die vaginale Geburt ist die natürliche einfach in dem Sinne, dass halt Menschenkinder einfach so auf die Welt kommen können.
Es suggeriert natürlich aber auch, dass ein Kaiserschnitt unnatürlich wäre. Und außerdem darf man ja auch nicht vergessen, dass vaginale Geburten oft alles andere als ideal verlaufen. Manche Frauen und Männer sind danach total traumatisiert. Ich glaube, es ist insgesamt wichtig, nicht mit unrealistischen Erwartungen in die Geburt zu gehen. Das ist immer leichter gesagt als getan. Aber die beste Geburt ist die, nach der es Mutter und Kind gut geht. Wir haben ja angefangen mit dieser Frage,
Nach der Statistik bzw. auch der Empörung wegen dieser Statistik, die sagt, dass es immer mehr Kaiserschnitte gibt. Woher kommt denn die Empörung deiner Meinung nach? Oder anders gesagt, steckt hinter dieser Empörung auch so eine Vermutung, dass mehr Kaiserschnitte grundlos durchgeführt werden? Ja, danach sieht es tatsächlich aus. Was ich während meiner Recherche herausgefunden habe, ist,
Also wenn es um die Frage geht, Kaiserschnitt ja oder nein, können auch nicht medizinische Gründe eine Rolle spielen. Zum Beispiel Angst vor rechtlichen Konsequenzen, die den Ärzten drohen können. Machen Ärzte nämlich keinen Kaiserschnitt und geht dann bei der natürlichen Geburt etwas schief, heißt also zum Beispiel die Gebärmutter, kommt es vor, dass sie hinterher von den Eltern verklagt werden. Es ist aber sehr wahrscheinlich noch kein Arzt verklagt worden, weil er einen Kaiserschnitt gemacht hat.
Und auch die Organisationsstruktur kann zum Beispiel eine Rolle spielen. Für einen Kaiserschnitt braucht man zum Beispiel einfach mehr Leute, mehr Personal, das dann auch in der Klinik sein muss zur richtigen Zeit. Ich habe auch gehört, dass Deutschland eher eine hohe Kaiserschnittrate hat. Wie ist es damit? Stimmt das? Das stimmt. Die liegt bei über 30 Prozent. Das ist mehr als in anderen Ländern und auch mehr als die WHO empfiehlt. Die hält eine Kaiserschnittrate von 10 bis 15 Prozent für angemessen.
Experten halten das allerdings für Deutschland für unrealistisch, weil hier einfach mehr Frauen mit Risikofaktoren leben. Also zum Beispiel sind sie älter, wenn das erste Kind kommt, sind auch häufiger übergewichtig und das spricht halt einfach oft für einen Kaiserschnitt. Die Zielgröße wird in Deutschland daher wohl so eher um die 20 Prozent sein. Was aber immer noch deutlich mehr ist als die Rate, die wir aktuell haben. Ja, richtig, das stimmt. Also tatsächlich gehen viele Fachleute davon aus, dass einige Kaiserschnitte in Deutschland vermeidbar wären.
Zum Beispiel eben bei der Beckenendlage oder nach einem ersten Kaiserschnitt. Manche Experten meinen auch, dass es das Wichtigste ist, den ersten Kaiserschnitt überhaupt erst zu vermeiden, wenn es geht. Können wir irgendwo anders hinschauen, in ein anderes Land, um zu lernen, was dort anders läuft?
Ja, also naheliegend ist ja vielleicht auch mal zu gucken in Ländern, die so ähnliche Ausgangsvoraussetzungen haben wie wir. In Skandinavien und in den Niederlanden leben ja wahrscheinlich ähnlich viele Frauen mit Risikofaktoren wie hier. Und das Interessante ist, trotzdem ist die Kaiserschnittrate da deutlich niedriger. Die liegt teilweise so zwischen 15 und 20 Prozent. Darauf weisen zum Beispiel auch Hebammen wie Andrea Köpke immer wieder hin. Das ist das,
Das, was wir Anfang der 90er in Deutschland auch hatten. Die haben aber ein anderes System. Die haben folgendes Credo und das heißt, und das kenne ich auch aus Anfang der 90er Jahre hier, wir schneiden nicht in gesunde Frauen. Die haben auch einfach ein ganz anderes Mindset, weil die einfach den Fokus nicht so sehr auf Schwangerschaft ist ein Risiko legen. Kannst du sagen, was müsste sich denn bei der Geburtshilfe in Deutschland ändern?
Ja, das ist schwierig zu sagen. Eine Sache fordert Andrea Köpke aber ganz konkret. Und wenn sie gebären, dann brauchen sie jemanden, der in irgendeiner Form an ihrer Seite ist, eine Orientierung. Jemand, der gerade beim ersten Kind, weil das ja auch in der Regel so eine Geburtsdauer ist von 8 bis 14 Stunden, da brauchen sie jemanden, der einfach da ist und ihnen das Gefühl gibt, das läuft ja alles völlig normal. Ja, dafür braucht es eine 1 zu 1 Betreuung.
Studien zeigen auch, dass die Kaiserschnittrate dann niedriger ist. Ein wichtiger Schritt, um die Kaiserschnittrate zu senken, wurde vor ein paar Jahren gemacht. Da ist die erste deutsche Leitlinie zum Kaiserschnitt rausgekommen, wobei sich jetzt ehrlicherweise seither auch nicht viel an den Zahlen geändert hat. Und was stand in der Leitlinie drin oder was sollte die bewirken?
Ja, die sollte dafür sorgen, dass es klarer ist, wann ein Kaiserschnitt notwendig ist, wann nicht. Da wurde die ganze Studienlage zusammengefasst und das sollte sozusagen einen Qualitätsstandard etablieren. Und das hat nicht so richtig geklappt, zumindest dann, wenn man die Zahlen anschaut oder wie würdest du das bewerten?
Ja, genau. Also anscheinend sind die Zahlen danach ja nicht gesunken. Es kommt jetzt bald eine neue Leitlinie raus. Mal sehen, ob das was bewirkt. Lass uns zum Schluss nochmal zusammenfassen. Was sollten werdende Eltern denn unbedingt über den Kaiserschnitt wissen? Erstens, ein Kaiserschnitt kann im Notfall das Leben von Mutter und Kind retten. Und das ist wirklich auch ein großes Glück, dass wir heute diese Möglichkeit haben und dass das so vergleichsweise komplikationslos geht.
Zweitens, ein Kaiserschnitt kann langfristige Folgen für die Gesundheit von Mutter und Kind haben. Darüber haben wir auch gesprochen. Deswegen sollte man ihn nicht leichtfertig machen, wobei die Risiken absolut gesehen oft vertretbar sind. Drittens, und das ist das Wichtigste, sollten sich Eltern eine Klinik aussuchen, die kompetent ist, auch wenn man zum Beispiel ein Kind im Beckenendlager hat.
Und dann sollten sie auch auf den Rat der Ärzte dort vertrauen, weil nur die können natürlich letztendlich einschätzen, ob ein Kaiserschnitt medizinisch notwendig ist. Das kann man als Laie eigentlich meistens nicht. Was wir nicht erklären können. Die unmögliche Kolumne von Christoph Drösser. Heute, warum bekommen gestresste Frauen mehr Mädchen als Jungen?
Eigentlich stellen wir uns die Frage, ob ein Baby ein Junge oder ein Mädchen wird, wie eine Art Münzwurf vor. Die männlichen Samenzellen bestimmen ja das Geschlecht, sie sind je zur Hälfte männlich und weiblich und der Zufall entscheidet dann, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen ist. Und wenn man alle Babys betrachtet, ist das auch fast so. Auf 100 Mädchen kommen 105 Jungen. Das Problem
Dieses Gleichgewicht kommt aber in eine Schieflage, wenn die Mutter in der Schwangerschaft großem Stress ausgesetzt wird. Entweder aus ganz persönlichen Gründen oder auch in katastrophalen Zeiten, wenn eine Gesellschaft von Krieg oder Hungersnöten betroffen ist. Es gibt inzwischen viele Untersuchungen, die bestätigen, dass gestresste Mütter eher Mädchen gebären. Woran liegt das? Was wir schon wissen. Musik
Der Mädchenüberschuss ist zum Beispiel in einer dänischen Studie nachgewiesen worden. Da schaute man auf das Geschlecht der Babys von über 8000 Müttern und verglich das mit einem allgemeinen Index für deren Gesundheit. Die Mütter, denen es am schlechtesten ging, bekamen nur 47% Jungen.
In einer amerikanischen Studie bekamen Mütter, die psychisch gestresst waren, nur zu 40 Prozent Jungen, die physisch gestressten, die zum Beispiel Bluthochdruck oder starkes Übergewicht hatten, sogar nur zu 31 Prozent. Besonders wenige Jungen kamen auch nach dem holländischen Hungerwinter nach dem Zweiten Weltkrieg und in der großen chinesischen Hungersnot 1959 zur Welt.
In einer spanischen Untersuchung wurde über eine Haarprobe der Spiegel des Stresshormons Cortisol vor und nach der Empfängnis bestimmt und die Frauen mit hohem Cortisolspiegel bekamen zu zwei Dritteln Mädchen. Ökonomische Faktoren dazu beitragen, ist umstritten. Jedenfalls fand eine deutsche Studie nach der Wiedervereinigung keinen großen Unterschied zwischen dem Westen und dem wirtschaftlich gebeutelten Osten. Was wir nicht erklären können
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie ein solcher Mädchenüberschuss bei gestressten Frauen entstehen kann. Entweder kommen schon bei der Empfängnis mehr Samenzellen mit 2x Chromosomen zum Ziel. Oder die männlichen Füllten sterben eher ab, wenn es der Mutter nicht gut geht.
Für beide Varianten gibt es Argumente. Die gerade erwähnte Studie aus Spanien maßt ja einen erhöhten Kortisolspiegel bereits vor der Empfängnis und es gibt Anzeichen dafür, dass die weiblichen Samenzellen damit besser zurechtkommen. Die zweite Erklärung, männliche Föten sind empfindlicher als weibliche, zum Beispiel weil sie langsamer heranreifen und so verletzlicher sind.
Und der Stress der Mutter kann zu Stress fürs ungeborene Kind führen. Für allerlei Hormone, etwa Noradrenalin, gibt es erhöhte Werte. Es gibt auch eine Theorie, die besagt, dass die Mutter unbewusst das Geschlecht des Kindes beeinflusst, sowohl bei der Empfängnis als auch im Verlauf der Schwangerschaft. In schlechten Zeiten ist es demnach besser, ein Mädchen zu bekommen, als einen schwächlichen Jungen, der sich nachher nicht gegen seine Geschlechtsgenossen durchsetzen kann.
Aber wie die Mutter das macht, sagt diese Theorie nicht. Und alle Hormonwerte hin oder Blutzuckerspiegel her, die amerikanische Studie mit den körperlich und psychisch gestressten Frauen kam zu dem Ergebnis, dass der Unterschied in der Geschlechtsverteilung verschwand, wenn die Frauen eine ausreichende soziale Unterstützung erfuhren, also jemanden hatten, der mit ihnen redete und ihnen bei den täglichen Dingen half.
Es gibt also noch eine Menge offener Fragen, welche körperlichen und seelischen Faktoren die Überlebenschancen des ungeborenen Kindes und damit auch letztlich das Geschlechterverhältnis der Babys beeinflussen. Und die Wissenschaft kann das noch nicht wirklich zufriedenstellend erklären. Musik
Andrea, vielen Dank, dass du da warst und mit mir über dieses wichtige Thema gesprochen hast. Danke, es hat mir Spaß gemacht. Ich empfehle Ihnen auch den Text, den Andrea zum Thema geschrieben hat. Da finden Sie alle Infos und alle Zahlen nochmal übersichtlich, alles im Detail. Wenn Sie Ideen oder Feedback für uns haben, dann erreichen Sie uns am besten unter podcast-app-wissen.de. Schreiben Sie uns gerne eine Mail. Mein Name ist Maria Mast. Schön, dass Sie zugehört haben und dann bis zum nächsten Mal.
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