We're sunsetting PodQuest on 2025-07-28. Thank you for your support!
Export Podcast Subscriptions
cover of episode Wie man es schafft, weniger Alkohol zu trinken

Wie man es schafft, weniger Alkohol zu trinken

2025/2/2
logo of podcast ZEIT WISSEN. Woher weißt Du das?

ZEIT WISSEN. Woher weißt Du das?

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
C
Christoph Drösser
M
Maria Mast
M
Mia Gatow
Topics
Mia Gatow: 我在酗酒家庭长大,成年后开始酗酒,尝试过各种方法控制饮酒,但最终意识到自己对酒精上瘾。戒酒后,我的生活发生了积极的改变,包括身体和精神健康以及人际关系的改善。戒酒的关键在于找到积极的目标,而不是仅仅关注负面影响。戒酒并非持续的斗争,而是摆脱负面依赖的过程。我通过寻求匿名戒酒会和线上社区的支持,最终成功戒酒。 Maria Mast: 本期节目探讨了酒精依赖及如何减少酒精摄入的问题。我们采访了Mia Gatow,她分享了自己的戒酒经验,以及专家Falk Kiefer对酒精依赖和戒酒方法的科学解释。节目还讨论了酒精对健康的危害以及社会对饮酒的态度。 Falk Kiefer: 酒精依赖是一个严重的问题,许多人并不知道自己已经上瘾。戒酒需要寻求支持,可以寻求专业人士或朋友家人的帮助。即使能够轻松地进行戒酒期,也不代表没有酒精问题。许多酗酒者没有戒断症状,因为他们的饮酒习惯是不规律的。少量饮酒也会增加患病风险,并且这种风险会随着饮酒量的增加而呈指数级上升。 Christoph Drösser: 人类对酒精的喜爱可能源于其最初的生存优势和后来的社会功能。人类能够享用酒精,是因为我们体内拥有能够分解酒精的酶。人类拥有分解酒精的能力,可能源于1000万年前的一次基因突变。人类对酒精的偏好可能始于对发酵水果的食用,后来随着农业的发展,人们开始生产更高浓度的酒精饮料。酒精的生产可能是发酵技术的副产品,也可能因为其促进社交的功能而被保留。

Deep Dive

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Wir leben in einer Gesellschaft, wo einem permanent ein Glas in die Hand gedrückt wird und man sich jedes Mal aktiv dagegen entscheiden muss. Das würde ich auch jedem raten, der Regeln macht, versuch doch mal mit einer gar nichts zu trinken. Das ist viel, viel einfacher. Was man aber braucht, um mit was aufzuhören, was schlecht für einen ist, ist eine positive Vision. Man muss wissen, wo man hin will. Hallo und willkommen zu unserem Zeitwissen-Podcast Woher weißt du das? Ich bin Maria Mast und ich bin Wissensredakteurin bei Zeit Online.

Heute sprechen wir über das Thema Alkohol und seine Schattenseiten, über Alkoholabhängigkeit und über die Frage, wie man es schafft, weniger zu trinken, wie man es vielleicht sogar schafft, ganz mit dem Trinken aufzuhören, wenn man sich dafür entscheidet. Ich habe heute eine ganz besondere Gästin bei mir im Studio, nämlich Mia Gato.

Im vergangenen Jahr ist ihr Buch Rausch und Klarheit erschienen, in dem sie über die Geschichte ihrer Abhängigkeit schreibt und wie es war, den Alkohol hinter sich zu lassen. Zusammen mit Mika Döring macht sie den Podcast Sodaclub – Podcast für Unabhängigkeit.

Ich freue mich, dass du heute bei mir im Studio bist. Hallo Mia. Hi, ich freue mich auch. Ich habe in dein Buch reingelesen und du schreibst gleich zu Beginn, dass du dieses Wort Abhängigkeit nicht so magst. Du hast deine eigene Abhängigkeit nie Abhängigkeit genannt, als du noch getrunken hast, sagst du da. Warum das?

Weil eine Abhängigkeit, sich einzugestehen, ja diese ganze Kette in Gang setzt, die dazu führt letztendlich, dass man damit aufhören muss. Lass uns mal ganz an den Anfang zurückgehen. Wie fing das an mit dir und dem Alkohol? Das fing eigentlich an wie bei sehr vielen anderen Leuten auch. Ich bin in einer trinkfreudigen Familie aufgewachsen. Bei uns war Trinken ein Bestandteil des erwachsenen Lebens.

Ich selber habe aber eigentlich relativ spät damit angefangen. Also so richtig angefangen zu trinken habe ich eigentlich erst mit Anfang 20. Also ich habe zwar als Teenager schon Zugriff gehabt auf Alkohol und auch so ein bisschen getestet, so hier und da. Aber es hat mich nicht so doll interessiert, weil es sich zur Rebellion nicht geeignet hat. Ich habe dann eher gekifft oder habe so von psychedelischen Drogen fantasiert und so, weil das war was Neues.

Spezielles, was die Erwachsenen nicht machen. Man lernt ja durch das, was man so sieht. Welche Formen des Trinkens hast du denn bei deiner Familie damals gesehen? Ja, also bei meiner Familie habe ich alle Formen des Trinkens gesehen. Also ich habe dieses kultivierte, elegante, festliche Trinken gesehen bei den älteren Familienmitgliedern.

Und ich habe aber auch das punkige Outlaw- und Rebellionstrinken gesehen bei den jüngeren Brüdern meines Vaters zum Beispiel. Ich habe gesehen, dass Trinken so mit Kunst zu tun hat, mit Kreativität, ja mit Rebellion und irgendwie so einer gewissen attraktiven Art von Außenseitertum auch.

Also ich habe so alle Facetten, die auch die Werbeindustrie so verkauft, habe ich eigentlich gesehen in meiner Familie. Im Nachhinein sehe ich ganz klar, es hatte sehr, sehr viel was mit dem Trinken zu tun. Die Trennung meiner Eltern hat mit dem Trinken meines Vaters zu tun. Die Depression von meinem Onkel hatten mit seinem Trinken zu tun. Viele Katastrophen, die damals passiert sind, hatten mit dem Trinken zu tun. Und ich habe das ja auch bei mir selber ganz lange nicht gesehen. Also ich hatte auch depressive Anwandlungen.

Zum Ende meines Trinkens, aber ich habe das erst sehr spät verstanden, wie sehr das zusammenhängt. Wie hat sich denn dein Trinkverhalten über die Jahre verändert und ab wann ist es für dich so was geworden, was du dann als Problem irgendwann gesehen hast oder was du im Rückblick als Problem siehst? Also das Trinken hat sich eigentlich immer meinem Leben angepasst. Ich habe in meinen Zwanzigern im Nachtleben gearbeitet, in verschiedenen Bars und Clubs.

Und da habe ich eben auf diese Partyart getrunken, Nächte durchfeiern und ausgehen und Schnaps trinken und tanzen und so. Schnaps, Bier, so, ja, alles, was man halt so trinkt, ne, ein Cocktail und ein Bier und ein Wein und so. Ich habe mit der Bararbeit dann aufgehört, mit Ende 20 und dann ist mein Trinken zu etwas geworden, was man eher so als erwachsenes Trinken sehen könnte, ja, also so ein schönes Glas Wein zum Essen oder mit Freunden.

Trinken kann man ja immer sehr gut integrieren und das war auch bei mir so. Ich habe eigentlich mein Trinken schon als problematisch wahrgenommen, als ich damit so richtig angefangen habe. Also mit Anfang 20 hatte ich schon Regeln. Ich hatte schon Trinkregeln, also Pläne, wie ich mein Trinken begrenzen könnte. Von Anfang an? Ja, so ziemlich. Als ich in der Bar angefangen habe, da habe ich dann...

Eben nachts gearbeitet und ich hatte auch damals einen Freund, mit dem ich zusammengelebt habe, der auch schon sehr viel getrunken hat und auch andere Drogen genommen hat. Und da war das einfach Teil unseres Lebens. Es war immer verfügbar, es war immer on.

Und hat mich dann auch schon einfach gestört. Also es war schon damals einfach zu viel. Das habe ich gemerkt und ich habe versucht, es einzugrenzen. Das Level ist nicht okay für mich. Ich habe ein Problem damit. Also versuche ich, das Level zu senken durch Regeln. Und das habe ich zehn Jahre lang versucht. Das heißt, du hattest von Anfang an ein schwieriges Verhältnis zu Alkohol. Ab wann hast du gemerkt, dass es eine Abhängigkeit ist? Als ich aufgehört habe.

Also so richtig gesehen und anerkannt, dass es eine Abhängigkeit ist, habe ich in dem Moment, wo ich aufgehört habe. Davor habe ich mir das kleingeredet, ich habe das relativiert, ich habe die Problematik nicht so richtig anerkennen wollen, weil, wie ich ja schon gesagt habe, wenn man sie anerkennt, dann ist sie real, dann muss man damit dealen. Und damit dealen heißt eben, sich einzugestehen, dass Einschränken nicht funktioniert, dass es wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht funktionieren wird.

Und dass man also aufhören muss damit. Und das ist natürlich lebensverändernd. Und das ist auch eine Identitätsfrage. Deswegen konnte ich dem auch tatsächlich erst so richtig in die Augen blicken, als ich wusste, okay, ich komme hier nicht weiter. Ich muss das ganz anders machen als vorher. Ich muss aufhören.

Lass uns mal für die Hörer da reinschauen, ab wann man denn Warnsignale bemerkt. Ich habe in der Vorbereitung mit Falk Kiefer telefoniert, der Suchtmediziner am Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim. Und mit dem hatte ich einmal über diese Warnsignale gesprochen. Wenn man an sich selber merkt, dass zum Entspannen oder zum Spaß mit anderen Leuten haben Alkohol dazugehört und

und dass es eigentlich auch gar nicht mehr so richtig geht ohne, dann ist das auf jeden Fall ein Warnsignal. Weil dann geht es gar nicht mehr darum, ich entscheide mich fürs Trinken, sondern da muss man sich immer gegen das Trinken entscheiden. Und das fällt einem natürlich viel schwerer. Erkennst du dich da wieder? Klar. Wer erkennt sich da nicht wieder? Ja.

Also ich meine, wir leben in einer Gesellschaft, wo einem permanent ein Glas in die Hand gedrückt wird und man sich jedes Mal aktiv dagegen entscheiden muss. Also so habe ich das gelernt. Und das war nicht nur in meiner Welt so. Das ist in ganz vielen Bubbles die Norm, dass man trinkt. Und da muss man sich immer aktiv dagegen entscheiden und man braucht auch ganz häufig einfach einen Grund.

Ich bin schwanger, ich muss fahren, ich nehme Medikamente oder so. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen, nee, mach ich nicht, will ich nicht. Ja, da gibt es ja sehr viele Abstufungen dann noch im Trinken von man gönnt sich ab und zu ein Glas, bis man hat dann eben die Kontrolle verloren. Ich habe uns mal ein paar Fakten mitgebracht dazu, wie viele Menschen in Deutschland trinken und wie viel die Menschen in Deutschland eigentlich trinken. Man kann sagen, dass ungefähr 1,6 Millionen Menschen in Deutschland alkoholabhängig sind und

Und nochmal, genauso viele, die betreiben Alkoholmissbrauch. Das heißt, die trinken Alkohol, obwohl sie eigentlich schon wissen, dass es schädlich für sie ist, psychisch oder körperlich. Weit mehr Erwachsene trinken aber, also wie du sagst, schätzungsweise trinken 80 Prozent der Leute, beziehungsweise 80 Prozent leben zumindest nicht abstinent. Da gibt es dann eben ganz, ganz viele Abstufungen, wie viel man trinkt.

Und im Durchschnitt trinkt jeder Erwachsene in Deutschland 11 Liter Alkohol pro Jahr. Das entspricht 500 Flaschen Bier oder 100 Flaschen Wein. Aber klar, nicht jeder, der trinkt, ist abhängig. Da gibt es unterschiedliche Grade. Also genau wie du gerade gesagt hast, als Nichttrinker ist man meistens in der Minderheit abhängig.

Ich trinke Alkohol, ich habe jetzt auch keinen Dry January so gemacht. Ich weiß aber, dass manche Leute gemacht haben und die aber dennoch meines Eindrucks nach immer noch in der Minderheit waren. Also auch in so einem Monat, wo das echt viele versuchen, ist Trinken eher so die Norm. Wie bist du damit umgegangen, wenn das Umfeld ja dann mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter trinkt? Ich war von Anfang an sehr glücklich über meine Nüchternheit. Also das war wirklich, als ob ich einen Schalter umgelegt hätte.

Von dem Tag an, wo ich beschlossen habe, ich trinke nicht mehr, habe ich mich super gefühlt. Und ich habe mich auch ein bisschen überlegen gefühlt. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich eine Superpower entdeckt. Morgens fühle ich mich total toll, meine Haut sieht super aus, ich habe mega viel Energie, ich bin optimistisch, diese Depressionen lichten sich und so.

Und deswegen war das, wenn Leute in meinem Umfeld getrunken haben, habe ich eher so gedacht, gut, dass ich das nicht mehr machen muss. Oder ich habe die halt ein bisschen bemitleidet. Und dann auch, wenn man natürlich dabei bleibt, wenn sie weiter trinken abends, also wenn sie jetzt über das erste, zweite Glas hinausgehen und diesen Schwibbszustand verlassen und dann eher in den betrunkenen Zustand kippen, dann sieht das halt auch alles nicht mehr schön aus.

So, deswegen hat mich das eigentlich eher bestärkt in meiner Abstinenz, die trinkenden Leute zu sehen. Nochmal zurück zum Dry January. Würdest du sagen, ist das ein guter Moment, um sich mit dem eigenen Alkoholkonsum auseinanderzusetzen? Also mal zu probieren, den Januar jetzt nichts zu trinken? Klar, ich würde sagen, jeder Moment ist ein guter Moment. Wenn das alle in deinem Umfeld auch machen, ist es natürlich leichter und man hat mehr Zeit.

Einfach Gelegenheiten, sich darüber auszutauschen, auch mit anderen Leuten. Deswegen würde ich sagen, klar. Du hast gesagt, du hattest dir ganz viele Regeln auferlegt, die für dich nicht so funktioniert haben.

Gehen wir da nochmal rein. Welche Regeln waren das? Ich habe eigentlich alle Regeln ausprobiert, die man so haben kann. Also kein Schnaps, nur Wein, ein Bier und ein Wein. Dann muss ich nach Hause gehen, nicht vor 17 Uhr, nicht alleine, nicht mit bestimmten Leuten, nicht an bestimmten Wochentagen. Also da gibt es ja mannigfaltige Variationen dieser Regeln. Ich habe auch Trinkpausen gemacht. Die haben für dich funktioniert, die Pausen? Also es war kein Problem?

Ja, also ich meine, ich fand das dann während der Pause oft nicht toll, weil ich das Trinken vermisst habe, aber sie haben natürlich funktioniert. Problemlos konnte ich mal einen Monat nicht trinken, paar Wochen. Genau, also diese ganzen Sachen habe ich durchexerziert.

Falk Kiefer, mit dem habe ich auch darüber gesprochen, über diese Trinkpausen und der hatte mir auch gesagt, dass es gar nicht unbedingt ein Indikator dafür ist, dass es kein Problem ist, wenn man problemlos eine Trinkpause machen kann. Also nicht jeder, der eine Trinkpause machen kann, hat kein Problem mit Alkohol, war seine Aussage.

90 Prozent der Menschen in Deutschland mit einer Alkoholabhängigkeit haben keine Entzugssymptome, weil die nämlich daran gewöhnt sind, unregelmäßig zu trinken. Zum Beispiel tagsüber während der Arbeit nicht oder nur abends oder unter der Woche weniger und am Wochenende viel. Da hat sich der Körper an diese verschiedenen Blutkonzentrationen schon gewöhnt und entwickelt gar keine Entzugserscheinungen.

Und so ist es eben auch bei längeren Trinkpausen, dass es dann gar nicht unbedingt so ist, dass man auch bei wochenlangen Trinkpausen tatsächlich irgendwelche Symptome hat. Es gibt diesen Gedanken, dass es erstmal einen wirklichen Tiefpunkt braucht, in dem man bemerkt, ah, da ist echt ein Problem, dass man es dann schafft aufzuhören.

Wie war das bei dir? Hattest du einen Tiefpunkt? Ja und nein. Also natürlich hat jeder Mensch irgendeine Art von persönlichem Tiefpunkt, also einen Punkt, wo die negativen Konsequenzen so intensiv sind, dass man sie nicht mehr hinnehmen will und dass man sich dann Hilfe sucht. Das hatte ich auch.

Aber bei mir war das nicht eine große dramatische Entgleisung oder irgendwas, was andere Leute als ausreichend schlimm empfunden hätten. Ich hatte einfach einen Kater zu viel. Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich habe mich nicht verletzt. Ich bin nicht irgendwie in einem fremden Bett aufgewacht oder...

Oder auf der Polizeistation oder so. Ich habe einfach nur den hundertsten Kater gehabt, obwohl ich mir geschworen hatte, keine Kater mehr zu haben. Und ich habe einfach realisiert, dass ich mir meinen eigenen Bullshit nicht mehr verkaufen kann. Also ich habe mir einfach selbst nicht mehr vertraut. Ich wusste, ich mache mir eine Regel und breche die dann. Und das ist für den Selbstwert ein Problem gewesen für mich.

Weil ich gemerkt habe, ich bin nicht integer. Ich bin nicht souverän. Weil du deine Regeln nicht einhalten kannst? Ja, weil ich immer wieder Regeln habe, die ich immer wieder breche. Ich fand das so würdelos. Die Entscheidung, gar nicht mehr zu trinken, ist ja im Grunde auch eine Regel. Und die hast du ja dann durchgehalten. Es ist eine Regel und nicht 100. Das ist halt sehr viel einfacher, eine Regel einzuhalten, als 180 Regeln immer wieder zu brechen. Das heißt, vielleicht war dein Regelsystem vorher zu komplex. Absolut.

Das würde ich auch jedem raten, der Regeln macht. Versuchst doch mal mit einer gar nichts trinken. Ist viel, viel einfacher. Wie war das genau? Der eine Kater zu viel. Nimm uns da mal mit hin. Wo war der und wie bist du dann darauf gekommen, diese eine wirklich harte Regel dann für dich selber aufzustellen? Mein letztes Trinken war mit meinem damaligen Freund, meinem Boyfriend. Wir haben Rotwein getrunken. Im Sommer war das 2017. Ich habe mit dem Schluss gemacht.

an dem Abend. Ziemlich spontan für mich, auch überraschend. Und im Nachhinein denke ich so, ich hatte so eine Schlussmachenergie. Ich war grundsätzlich unzufrieden mit meinem Leben. Es hatte sehr viel mit dem Trinken zu tun. Und ich dachte mir, ich verlasse jetzt mal diesen Typen. Und dann am nächsten Morgen, als ich aufgewacht bin, habe ich halt wieder Anxiety gehabt und diesen emotionalen Kater, den man so kennt. Also wo man nicht nur körperlich verkatert ist und Kopfschmerzen hat und einem schlecht ist, sondern man auch emotional verkatert ist.

Und da habe ich eben dieses Gefühl gehabt, ja okay, ich kann meinen eigenen Regeln nicht vertrauen. Ich habe es schon wieder nicht hingekriegt. Und dann bin ich zu den anonymen Alkoholikern gegangen das erste Mal, weil das tatsächlich die einzige Sache war, die ich noch nicht ausprobiert hatte. Und da habe ich dann die Geschichten gehört von den Leuten, die da hingehen, die ja teilweise sehr anders waren als meine Anonyme.

Und die auch konventionell betrachtet schlimmere Tiefpunkte hatten teilweise. Aber ich habe gesehen, die fühlen und denken über ihr Trinken das Gleiche wie ich. Also die Beziehung zum Trinken ist die gleiche.

Und das hat gereicht. Also es hat mir gereicht. Ich habe gesehen, okay, die haben alle das Gleiche und ich gehöre dazu. Das ist meine Gang. Also bedeutet das, ich muss aussteigen. Und welche Beziehung zum Trinken war das? Eine abhängige Beziehung. Ich war halt nicht mehr der Boss. So wenn du deine Regeln nicht einhalten kannst, wenn du immer wieder mehr trinkst, als du willst und das Trinken dir schadet auf einer emotionalen Weise, auf einer körperlichen Weise und du es aber trotzdem immer wieder machst,

dann bist du ja offensichtlich nicht der Boss. Du bist nicht souverän, du bist nicht unabhängig, sondern das Trinken entscheidet.

Und das ist Abhängigkeit. Das fängt sehr milde an bei allen Leuten. Wenn man jetzt sagt, ich würde gerne auf dieser Party was trinken, weil sonst ist es nicht so lustig. Das ist ja der erste Schritt. Da entscheidet man nicht mehr wirklich selber, sondern man denkt sich, ich kann irgendeinen Aspekt dieses Lebens nicht richtig genießen, wenn ich das nicht mit Alkohol mache. Und da fängt halt die Unfreiheit ja schon an.

Bei mir war das halt ein bisschen extremer. Und bei anderen Leuten ist es noch viel, viel extremer. Über dieses Thema, dass man sich Unterstützung sucht, darüber habe ich auch mit dem Suchtmediziner Falk Kiefer gesprochen. Der ist auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Da würde ich gerne nochmal in eine seiner Beschreibungen reinhören, die eigentlich genau das sagt, was du gerade auch gesagt hast. Wenn man für sich die Entscheidung trifft, nicht mehr trinken zu wollen, ist es gut, sich Unterstützung zu holen und damit nicht alleine zu sein. Also es ist schon mal ganz toll, wenn es Menschen gibt,

Eine gute Freundin, ein guter Freund, Partner, Partnerin, mit dem man das Thema ansprechen kann und auch ein Ziel sich setzen kann. Er hat mir dann beispielsweise Suchtberatungsstellen genannt. Man kann auch zum Hausarzt tatsächlich gehen oder eben in eine Selbsthilfegruppe zu den anonymen Alkoholikern gehen.

Das hast du jetzt schon gesagt, dass du da hingegangen bist und dass dir das geholfen hat. Haben dir auch Menschen in deinem privaten Umfeld besonders geholfen? Gab es irgendwie eine Freundin oder einen Ansprechpartner, der dir da besonders geholfen hat? Also meine Familie, das heißt die ganzen Geschwister meines Vaters, die waren alle schon nüchtern. Also ich war die Letzte, die aufgehört hat. Die haben mich natürlich total unterstützt da drin, weil die total froh waren, dass ich nun auch...

den Absprung geschafft habe sozusagen. Und dann hatte ich auch diverse Freundinnen und Freunde, die wenig oder nicht getrunken haben. Also die kein problematisches Verhältnis mit dem Alkohol hatten. Und die waren auch alle

Sehr supportive. In der Regel sind es ja nur die Leute, die selber ein Problem mit ihrem Trinken haben, die dann die Abstinenzversuche anderer Leute boykottieren wollen. Leute, die kein Problem mit ihrem eigenen Trinken haben, werden nie sagen, oh, jetzt trink doch endlich mal was, weil sonst bist du gar nicht so lustig. Das machen nur Leute, die

die sich ihr eigenes Trinken als was Positives verkaufen müssen. Du hast dich eigentlich vor allem an Leute gehalten, die selber mit dem Trinken aufgehört haben. Die habe ich dann auch ja noch gefunden. Also abgesehen von denen, die in meiner Familie ja schon waren, habe ich bei den anonymen Alkoholikern auch natürlich Freunde gefunden. Und ich habe auch relativ schnell online gesucht. Und da gab es ja damals schon 2017 eine langsam erblühende kleine Community-Sendung,

Von Nüchternen. Und da habe ich zum Beispiel auch Mika Döring kennengelernt, mit der ich ja dann den Podcast gestartet habe. Ich habe Nathalie Stüben kennengelernt, die ja auch das Buch mit Falk Kiefer zusammengeschrieben hat. Und so diese Community hat sich dann ja auch recht schnell vernetzt und online ausgetauscht. Und die wird auch immer größer. Also die hört nicht auf zu wachsen.

Das Buch, das du angesprochen hast, der Suchtmediziner Falk Kiefer und Nathalie Stüben, die haben ein Buch zusammengeschrieben, das trägt den Titel Frauen und Alkohol. Und das beschreibt sehr deutlich, wie sich Alkohol in den ganz normalen Alltag von sehr vielen Menschen in Deutschland eingewebt hat. Tendenziell ist der Alkoholkonsum in Deutschland gleichbleibend oder fast sogar ein bisschen rückläufend, das heißt, was die Menge angeht.

Man sieht aber, dass man speziell in der Gruppe der Frauen gerade eine große Veränderung erlebt. Im Moment sind die Kliniken zur Suchtbehandlung noch zu zwei Dritteln verantwortlich.

teilweise auch drei Viertel mit Männern belegt. Das wird in 20 Jahren pari pari sein. Die Frauen sind nicht geschützt davor, nicht die gleichen alkoholbezogene Probleme zu kriegen, die Männer jetzt schon haben. Es ist ja auch so, dass der Schwellenwert für einen riskanten Alkoholkonsum bei Frauen deutlich niedriger ist als bei Männern. Ab 10 bis 12 Gramm Alkohol täglich wird es problematisch und das entspricht Nahrungsvermögen.

einem kleinen Bier oder einem Glas Wein oder einem doppelten Schnaps. Also die Menge ist nicht besonders hoch. Werbung

Wie überprüft ihr bei der Zeit eigentlich Fakten? Worüber wird gestritten? Das sind Fragen von euch, um die es im nächsten Zeitleserparlament gehen soll. Am 7. Mai im Theaterhaus Stuttgart. Chefredakteur Giovanni Di Lorenzo gibt einen abendlangen Einblick in die Redaktionsarbeit. Seid dabei!

Ich würde auch gerne noch über ein weiteres Thema sprechen und das ist ein Thema, was häufig in Vergessenheit tritt oder worüber die Leute auch gar nicht so gerne sprechen wollen, meiner Erfahrung nach. Nämlich darüber, welchen Zusammenhang es zwischen Alkohol und verschiedenen Krankheiten gibt. Wir waren jetzt gerade beim Thema Frauen. Da ist eine Gefahr, dass Alkohol die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs erhöht.

Es ist so, dass Alkohol rund 200 Krankheiten begünstigt, mitverursacht oder sogar komplett verursacht. Und das fängt bei wirklich kleinen Mengen schon an.

die die Wahrscheinlichkeit für Demenz, für psychische Erkrankheiten, für verschiedene Magen-Darm-Erkrankungen erhöhen. Für Kreislauferkrankungen, die Liste ist wirklich lang, und eben auch für verschiedene Krebserkrankungen. Das geht so weit, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung im vergangenen Sommer ihre Empfehlung angepasst hat und jetzt tatsächlich sagt, am besten ist 0 Promille. Das hören die Leute natürlich nicht gerne. Es ist auch so, dass Falk Kiefer mir am Telefon gesagt hat,

Naja, wenn man jetzt nicht 0 Promille schafft, hilft es trotzdem weniger zu trinken. Alkoholkonsum erhöht immer das Risiko für körperliche Folgeerkrankungen und das steigt ab dem ersten Drink an. Tatsächlich ist es aber so, dass es in Teilen eine exponentielle Kurve ist. Das heißt, in niedrigeren Konzentrationen von Alkohol ist die Risikoerhöhung noch gering und ab bestimmten Trinkmengen

Täglicher Konsum 10 Gramm, 20 Gramm, also 0,1 Liter Wein oder 0,2 Liter Wein, sieht man dann schon einen deutlich steileren Anstieg der Kurve. Dass es einen Zusammenhang zwischen Krebs und Alkohol gibt, das ist seit einem halben Jahrhundert bekannt.

Wie erklärst du dir das, dass das noch immer nicht im kollektiven Wissen angekommen ist? Erstens, wie du schon gesagt hast, die Leute wollen das nicht hören. Generell wollen wir ja ungern Gesundheitsratschläge über unsere Genussmittel hören. Wir wollen ja auch nicht hören, Fett ist ungesund oder Zucker ist ungesund oder wir sollen weniger Fleisch essen. Es ist dann halt immer, ja, ja, man weiß das ja irgendwie.

Aber so richtig Bock auf die Information hat man natürlich nicht. Jetzt ist aber ja zum Beispiel bei dem Genussmittel Zigaretten zumindest ein Warenlabel drauf. Genau. Die Alkohollobby, also die Brauereiverbände und die Winzerbünde und so, die haben ja ein sehr großes Interesse daran, dass Wein und Bier als Lebensmittel gelabelt bleiben.

Deswegen sabotieren die ja auch jegliche Versuche, zum Beispiel in den letzten 2020 in der EU-Kommission Warnlabel, genau wie die auf Zigarettenpackung, auf die Wein- und Bierflaschen zu drucken. Und das führt dazu, dass man in der öffentlichen Wahrnehmung eben immer noch diese Romantisierung betreiben kann, dass es sich ja um ein relativ harmloses Genussmittel handelt und nicht um eine gefährliche Droge oder ein Zellgift.

Mit so einem Warnlabel auf der Flasche wäre das deutlich schwieriger. Wie man das ja bei Zigaretten auch sieht. Bei Zigaretten haben wir genau den Umgang, den man eigentlich mit einer gefährlichen Substanz braucht. Man kann das kaufen und konsumieren, aber niemand macht sich Illusionen darüber, dass es Gift ist. Und niemand wird sagen, wenn man aufgehört hat zu rauchen, oh nein, das ist ja traurig, ich hatte so ein Problem. Nicht mal eine zum Essen oder so, sondern wir sagen, geil, dass du es geschafft hast. Voll gut für dich. Und das...

ist ein Zustand, den man eigentlich mit dem Alkohol auch erreichen müsste. Aber dazu müsste die Politik ein bisschen härtere Maßnahmen umsetzen. Ja, es ist tatsächlich, finde ich schon auch auffällig, wie attraktiv jetzt eine Sektflasche im Vergleich zu einer Zigarettenpackung aussieht. Und wenn man dann eben bedenkt, dass der Zusammenhang zwischen sehr vielen Krebserkrankungen, also Brustkrebs habe ich schon angesprochen, aber auch

Magen, Darm, Speiseröhrenkrebs, Leberkrebs, Hautkrebs. Also die Liste ist da noch gar nicht zu Ende. Und wenn man bedenkt, dass es wirklich etabliert ist, dass es einen Zusammenhang gibt, dann wundert man sich schon, dass auf dem einen so ein ganz deutlich abschreckendes Bild drauf ist und das andere mit so einer goldglänzenden Folie umhüllt ist. Ja, auf jeden Fall. Also das ist auch ein großes Problem, finde ich, dass diese Romantisierung dadurch immer noch möglich ist.

Und es ist ja auch so, dass sich dieser Mythos von diesem einen Glas Wein, was angeblich ja so gesund fürs Herz sein soll, auch hartnäckig hält. Weil die Leute das einfach wahnsinnig gerne glauben wollen. Das stimmt aber nicht. Das bemerke ich tatsächlich auch, dass dieser Mythos einfach weiter da ist.

Ich verstehe das auch. Man möchte das einfach nicht so gerne wahrhaben und deshalb, man zieht dann gerne die Informationen herbei, die man gerne möchte. Aber ich meine, ein Warnlabel wird es immerhin ermöglichen, dass man sich dessen bewusst ist. Man kann sich dann immer noch dafür entscheiden. Man kann dann immer noch sagen, ja nee, mache ich. Das ist ja eine freie Entscheidung. Und das finde ich dann auch gut, dass das weiterhin so ist. Also, dass man nicht irgendwie über Verbote spricht, aber halt über Information und Warnlabel.

Da ist das sicher ein sinnvoller Schritt. Es sind auch Informationen, auf die wir ein Recht haben. Also speziell diese Sache mit dem Brustkrebs. Ich wusste das ganz lange nicht, dass selbst moderater Konsum, also sehr wenig Alkohol schon, das Risiko für Brustkrebs signifikant erhöht. Und das wissen sehr viele Leute nicht. Und das sind aber Informationen, auf die haben wir ein Recht. Ich habe mich mit Falk Kiefer auch über verschiedene Trinkstile unterhalten. Und du hast ja auch gerade dieses Glas Wein beim Essen gehört.

Und da hat er was Interessantes gesagt, nämlich dass es sehr viele Trinkstile gibt, die eben okay in der Gesellschaft sind. In Südeuropa zum Beispiel haben Menschen wenig ein Problem damit, regelmäßig ein Glas Wein zum Beispiel zum Essen zu trinken. Es ist aber total verpönt, betrunken durch die Straßen zu torkeln. Während in skandinavischen Ländern die Toleranz dafür, dass jemand mal betrunken ist, relativ hoch ist. Aber das tägliche Trinken würde da sofort ein Warnsignal sein.

Und das Problem in Mitteleuropa ist, das tägliche Trinken ist kein Warnsignal und das Betrunkene durch die Straßen laufen auch nicht. Und dadurch hat man keine richtigen Trinkregeln mehr. Und das führt dazu, dass in Deutschland sehr, sehr viel getrunken wird.

Also in dieser ganzen Gesellschaft, in der der Alkohol so eingewoben ist, kann es eben total schwierig sein, mit dem Trinken aufzuhören oder sich alleine damit auseinanderzusetzen. Eine Idee, wenn man sich damit auseinandersetzen möchte, ist ein Trinktagebuch zu führen. Das hat mir auch Falk Kiefer am Telefon gesagt. Da kann man sich dann so Fragen stellen wie...

Mensch, habe ich so viel getrunken, wie ich super finde, wie ich das auch wollte? Oder habe ich vielleicht mehr getrunken? Und wenn man dann sieht, ach, eigentlich ist es doch immer mehr, als ich das gut finde, dann kann man sich eigene Ziele setzen und sagen, ich will nicht mit dem Trinken vielleicht ganz aufhören, aber ich möchte auch nicht mehr als einen Liter Wein äquivalent in der Woche trinken. Also sein Tipp ist, sich da Ziele zu setzen.

Was hältst du von einem Trinktagebuch? Ich halte das für eine sehr gute Idee. Also das Schlüsselwort hier ist ja neutral. Man soll sich neutral mit seinem eigenen Trinken befassen und ich finde das sehr gut. Ich habe das auch gemacht am Ende meines Trinkens. Also so ungefähr im letzten halben Jahr habe ich angefangen, mir keine Regeln mehr zu machen, sondern so zu trinken, wie ich eben trinke und das aber zu beobachten und zu gucken, wie ist meine Beziehung dazu? Warum mache ich das? Zu welchen Gelegenheiten mache ich das? Wie fühle ich mich hinterher?

Ich habe einfach geguckt, was eigentlich mit mir und dem Trinken wirklich passiert. Das ist, glaube ich, ein total guter Anfang, weil dann kriegt man ein Gefühl dafür, was für eine Bedeutung das eigentlich im eigenen Leben hat. Und dann kann man ja vielleicht, wenn man ein Normaltrinker in Anführungsstrichen ist, kann man dann feststellen, ich will nicht mehr unbedingt einfach nur trinken, weil meine Kumpels trinken zum Beispiel.

Und das kann man dann mal ausprobieren und sagen, ich trinke halt mit meinen Kumpels in der Bahn nur noch alkoholfreies und vielleicht funktioniert das ja total gut. Und man merkt, dass man das eigentlich nur gemacht hat aus Gruppendruck und dass man den vielleicht eigentlich gar nicht braucht. Das kann ja sein. Oder man merkt, fuck, ich kann meine Regeln einfach nicht einhalten, egal auf biegen und brechen, ich schaffe es nicht, diese Regeln einzuhalten.

Was ja bei mir so war. Und dann kann man die Konsequenz ziehen und sagen, ja, vielleicht sind Regeln einfach nicht genug. Vielleicht muss ich halt mal die eine Regel ausprobieren. Die eine Regel, nicht mehr zu trinken. Hattest du das Gefühl, dass es in Deutschland besonders schwierig ist, über Nüchternheit und über Trinken zu sprechen?

Ich fand es nicht schwierig, darüber zu sprechen, weil ich gemerkt habe, ich habe relativ früh einen Blog angefangen zu schreiben über das Trinken und das Aufhören. Und wir haben ja dann auch 2020 den Podcast gestartet. Und was ich gespürt habe, ist, dass es eine große Nachfrage gibt. Also die Leute sehnen sich danach, darüber zu reden. Die Zahl der Menschen...

die ein problematisches Verhältnis mit ihrem Trinken haben und sich das nicht eingestehen wollen oder nur so halb eingestehen wollen, ist sehr viel höher, als man so denkt. Und das Stigma ist ja so groß, dass die Leute das vor sich selbst verheimlichen, vor anderen verheimlichen, aber der Druck darüber zu reden ist ja dann umso höher.

Und das merke ich schon auch immer noch. Langsam verändert sich das ja auch ein bisschen. Es ist immer noch so, dass es in Deutschland ein großes Problem ist. Das merkt man auch. Wichtig ist ja dann auch, nach dem nüchternen Werden auch nüchtern zu bleiben. Kannst du Strategien empfehlen, wie man dabei bleibt, weiterhin nicht zu trinken? Ja, also meine Podcast-Partnerin Mika Düring sagt immer gern, ich wollte nie trinken, ich wollte nur ein Gefühl beenden.

Ja, also man trinkt oft, um irgendwo hinzukommen oder um von irgendwas wegzukommen, was man fühlt. Und um langfristig glücklich, nüchtern zu sein, muss man das halt erforschen. Also muss halt erforschen, was ist mein Bedürfnis jetzt gerade eigentlich? Wenn ich das Gefühl habe, ich bräuchte jetzt eigentlich ein Glas Wein, was will ich denn eigentlich? Und dann ist die Antwort vielleicht, ich will Entspannung oder ich will mich verbunden fühlen oder ich will mit jemandem reden oder...

Schlafen oder so, keine Ahnung, kann ja alles Mögliche sein und da muss man einfach üben, trainieren lernen, sich das ohne Alkohol zu geben. Wie hat sich denn dein Leben verändert, seit du nüchtern bist? Eigentlich nur zum Besseren. Also ich bin wacher, klarer, fitter, ich habe bessere Beziehungen, ich habe keine Depressionen mehr, ich habe keinen Winterblues mehr, ich bin seltener krank, ich schlafe besser.

Ich habe auch die langfristigen Veränderungen jetzt ja mittlerweile mitgenommen. Bessere Haut ist ja zum Beispiel das, was man als erstes merkt oder dass man irgendwie leistungsfähiger beim Sport ist oder leichter abnimmt oder so. Aber die langfristigen Benefits, die halt über so ein Dry January auch hinausgehen, sind ja so Sachen wie...

dass man irgendwann nicht mehr den Job macht oder machen kann, der nicht zu einem passt, sondern dass man einen Job machen muss, der wirklich für einen gemacht ist. Dass man keine Beziehungen mehr haben kann, die nicht zu einem passen, sondern dass man sich die Beziehungen so bauen muss, dass sie zu einem passen. Das sind so diese langfristigen Veränderungen, die damit einhergehen, wenn man sich halt nicht mehr betäubt, wenn man halt nicht mehr Teile des eigenen Lebens hat,

selektiv ausblendet, sage ich mal, dann muss man halt sich ein Leben bauen, was sich wirklich gut anfühlt. Und was sich immer gut anfühlt, nicht nur im betäubten Zustand. Und das habe ich jetzt. Also ich habe immer noch Probleme, logischerweise, aber ich bin souverän. Ich bin der Boss. Dieses Gefühl, dass der eigene Alkoholkonsum schwierig ist, das ist ja eins, mit dem setzt man sich sehr ungern auseinander.

Was hat dir da am Anfang geholfen, dich dieser Auseinandersetzung zu stellen oder anzunähern? Das Problem ist ja, dass wir gesamtgesellschaftlich ein Narrativ haben, in dem die Nüchternheit oder die Abstinenz das Ende von allem ist. Also es ist das Ende vom Spaß, es ist das Ende von Dates, es ist das Ende von Geselligkeit und Kultur. Man sieht nicht, was hinter dieser Nüchternheit ist.

Man hat keine positiven Beispiele. Man denkt, wenn ich aufhöre zu trinken, wird alles leer und grau. Was man aber braucht, um mit was aufzuhören, was schlecht fein ist, ist eine positive Vision. Man muss wissen, wo man hin will. Mir kann es ja so schlecht gehen und ich kann wissen, wovon ich weg will. Von diesen Depressionen und diesen Katern, da will ich ja weg von. Aber wo will ich denn hin? Ich will nicht in eine graue, langweilige Durchschnittsexistenz. Ich will ein schönes Leben.

bestimmt zwei Jahre bevor ich aufgehört habe, habe ich Daniel Schreibers Nüchtern gelesen, ein Essay über seine Abhängigkeit und seine Nüchternheit. Und da habe ich das erste Mal gesehen,

einfach so eine Vision bekommen davon, wie das sein kann. Danach, also auf dieser anderen Seite. Und habe gesehen, das kann schön sein. Es kann schöner sein als das Trinken. Und das ist halt total wichtig, dass wir einfach auch diese Geschichten erzählen, von was danach ist. Und was sich alles verbessert, auch langfristig verbessert. Und was darüber hinausgeht, irgendwie über, weiß ich nicht, ein besseres Hautbild oder so. Sondern das Leben wird wirklich besser. Und man kriegt ein besseres Verhältnis zu sich selbst.

Deswegen müssen wir weg von diesem Narrativ des Kampfes. Wenn du aufhörst, dann ist es jeden Tag ein Kampf. Das glauben ja super viele Leute, dass es immer schwer ist und immer man verzichten muss und verzicht und verzicht. Das ist aber nicht so. Ist nicht so? Nein. Wie ist es denn? Es ist so, wie wenn du darüber nachdenkst,

diesen Idioten, den du damals in der Oberstufe gedatet hast, willst du den zurück? Nee, willst du nicht. Und es ist dir auch egal, wenn der jetzt eine neue Freundin hat und es ist dir auch egal, wenn der mit der neuen Freundin in deiner Anwesenheit rummacht. Du willst den nicht wieder zurückhaben. Und so ist es bei mir mit dem Alkohol auch. Ich habe kein Interesse am Alkohol. Ich finde nichts daran gut, betrunken zu sein. Und ich bin froh, dass ich den los bin. Nüchternheit ist besser.

Liebe Mia, ich danke dir sehr, dass du bei uns warst und dass du mit mir über deine Abhängigkeit und deinen Weg daraus gesprochen hast.

Ich möchte nochmal auf dein Buch verweisen, Rausch und Klarheit. Du hast außerdem Text auf Zeit Online geschrieben, auch darüber, wie es war, in einer Familie aufzuwachsen, in der das Trinken ganz normal war. Und den verlinke ich in den Shownotes, genauso wie meinen Artikel über die Wahn-Label-Debatte auf Alkoholika, die Anfang des Jahres aufkam. Musik

Was wir nicht erklären können. Die unmögliche Kolumne von Christoph Drösser. Heute, warum mögen wir Alkohol? Musik

Beim ersten Mal wendet sich eigentlich jeder und jede angewidert ab. Alkohol schmeckt schrecklich. Es ist ja auch ein Gift. Hefepilze haben ihn sozusagen erfunden, um Feinde abzuwehren, in diesem Fall Bakterien. Aber dann gewöhnen wir uns dran, alkoholische Getränke beginnen uns zu schmecken. Und ein Teil der Menschen wird süchtig danach. Das Problem

Ob Alkohol in kleinen Mengen positive Effekte auf den Körper hat, wird immer wieder diskutiert. Die aktuellsten Studien sagen, schon kleine Mengen erhöhen das Risiko für Krankheiten, zum Beispiel für Krebs. Warum tun wir uns das also an? Was wir schon wissen

Wir können Alkohol nur deshalb genießen, weil unser Körper ein Enzym besitzt, das Alkohol abbaut. Die sogenannte Alkoholdehydrogenase, kurz ADH. Andere Tiere mögen manchmal vergorenes Obst essen und auch ein bisschen durch die Gegend torkeln. Aber die meisten Tierarten können Alkohol nicht gut als Nahrung nutzen und der Rausch scheint ihnen auch keinen Spaß zu machen.

Im Jahr 2014 haben Forschende die Gene verschiedener Primaten analysiert und daraus zurückgerechnet, wann wir diese Fähigkeit erworben haben, Alkohol abzubauen und damit seine Energie zu nutzen. Das geschah vor 10 Millionen Jahren durch eine einzelne Genmutation und das war ungefähr der Zeitpunkt, an dem unsere Vorfahren von den Bäumen heruntergestiegen sind.

Das ergibt auch Sinn, die haben sich zunehmend von Fallobst ernährt und das hat oft schon angefangen zu gären und enthält Alkohol. Wer den Alkohol energetisch besser nutzen konnte, hatte einen Überlebensvorteil. Die frühesten Zeugnisse dafür, dass Menschen alkoholische Getränke gezielt hergestellt haben, sind dagegen nur 10.000 Jahre alt. Dazwischen muss etwas passiert sein, was uns dazu getrieben hat, den Stoff in immer höherer Konzentration herzustellen.

Ebenfalls im Jahr 2014 veröffentlichte der Forscher Robert Dudley sein Buch »Der betrunkene Affe. Warum wir Alkohol trinken und missbrauchen«. Im Prinzip ist seine These die folgende, die Fähigkeit, Alkohol zu verdauen, war zunächst von Vorteil fürs Überleben. Die Alkoholkonzentration in natürlich vorkommendem Obst ist auch unproblematisch.

Nachdem wir diese Vorliebe für Alkohol entwickelt hatten, fanden Menschen nach der Erfindung der Landwirtschaft Mittel und Wege, immer höherprozentigere Getränke zu produzieren.

Das führte dann zu den negativen Folgen, ähnlich wie bei anderen Lebensmitteln. Wir mögen Zucker und Salz, weil sie in gewisser Menge lebensnotwendig sind, aber der moderne Mensch konsumiert zu viel davon. Andere Forschende ergänzen diese Theorie. Vor etwa 10.000 Jahren haben Menschen verschiedene Fermentationstechniken perfektioniert. Fermentation macht Lebensmittel haltbarer und leichter verdaulich.

Auch die Alkoholherstellung ist eine Form der Fermentation und könnte als Nebenprodukt abgefallen sein. Eine andere Theorie, Alkohol fördert ja bekanntlich die Geselligkeit. Wie genau Alkohol im Gehirn wirkt, ist übrigens auch noch nicht bekannt. Und ein solcher sozialer Kit schweißt Menschengruppen zusammen und verschafft ihnen einen Vorteil gegenüber Feinden. Eine ähnliche Theorie habe ich hier ja schon mal über die Musik vorgestellt. Die Nahhaftigkeit des Alkohols stand also wohl am Anfang.

Ob es dann die angenehmen Rauschzustände sind, die uns immer weiter in den Alkohol getrieben haben, oder seine soziale Wirkung, da gibt es noch einiges zu erforschen. Und das gilt im Übrigen für alle Drogen, die Menschen konsumieren. Musik

Zum Schluss habe ich noch mal einen kurzen Hinweis. Wenn Sie in unserem Archiv stöbern, dann werden Sie feststellen, dass einige Folgen als Bonusfolgen markiert sind. Die können Sie weiterhin exklusiv mit einem Digital-Abo der ZEIT hören. Ein vierwöchiges kostenloses Probeabo können Sie abschließen unter www.zeit.de slash mehr minus hören.

Und Sie erhalten damit nicht nur Zugang zu allen Folgen von Woher weißt du das? sondern auch beispielsweise zu unseren Doku-Podcasts White und Deutsche Geister. Und natürlich können Sie alle Artikel auf Zeit Online lesen. Ich freue mich sehr, dass Sie zugehört haben. Mein Name ist Maria Mast und ich freue mich auf die nächste Folge. Musik