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Fünf Jahre Corona - Was Covid-19 mit dem Freiheitsbegriff gemacht hat

2025/1/19
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Kulturfragen

AI Chapters Transcript
Chapters
Die Einführung gibt einen Überblick über die Pandemie und den Fokus auf die Veränderungen im Freiheitsbegriff. Daniel Mullis diskutiert die gesellschaftlichen Auswirkungen und die Herausforderungen bei der Aufarbeitung der Pandemie.
  • Die Pandemie wird als ein bisher nicht erlebtes Ereignis mit weitreichenden Folgen beschrieben.
  • Es gibt Diskussionen darüber, wie die Corona-Pandemie aufgearbeitet werden sollte.
  • Die Debatten um Aufarbeitung werden stark von politischen Kräften beeinflusst.

Shownotes Transcript

Deutschlandfunk, Kulturfragen. Mit Christiane Florin, guten Tag. Vor 5 Jahren, so lange ist das schon her, meldeten die Nachrichten in Deutschland den 1. Corona-Fall. Das war Ende Januar 2020. Im Deutschlandfunk gibt es von morgen an einen Themenschwerpunkt zu 5 Jahren Corona.

Ich bin immer vorsichtig mit dem Wort wir, aber hier scheint es mir doch angebracht. So etwas wie diese Pandemie hatten wir bis dahin noch nicht erlebt. Was hat das mit uns als Gesellschaft gemacht und was mit dem Freiheitsbegriff?

Darüber spreche ich in diesen Kulturfragen im Deutschlandfunk mit Daniel Mullis. Er ist Sozialwissenschaftler, genau genommen Geograf, und arbeitet am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Das, was er erforscht, könnte man kollektive Befindlichkeit nennen. Er stellt Menschen Fragen, hört genau zu und wertet aus. So etwas Ähnliches mache ich jetzt auch. Nur die Auswertung überlasse ich Daniel Mullis und natürlich unserem Publikum.

Wir zeichnen das Gespräch mit Daniel Mullis am Mittwochvormittag auf. Guten Tag, Herr Mullis. Hallo, Frau Florin, hallo. Wir haben in der Redaktion, als wir uns Gedanken gemacht haben über diesen Themenschwerpunkt, länger das Wort Aufarbeitung diskutiert. Das meint ja streng genommen, dass man eine Unrechtsgeschichte aufarbeitet.

Passt das für den Umgang mit der Corona-Pandemie? Also der Begriff ist natürlich, der hat eine gewisse Vorbelastung. Und zugleich würde ich schon sagen, dass diese Pandemie hat so...

so weitreichende Folgen gehabt. Es war viel Neuland, auch im politischen Betrieb, in den Arten und Weisen, wie man mit dieser Krankheit umgegangen ist, welche sozialen, gesellschaftlichen Folgen das gehabt hat, dass es aus meiner Sicht schon an und für sich wichtig wäre, das quasi aufzuarbeiten und zu schauen, was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert.

Wo ist man in den Fallen getappt? Was hätte man vielleicht besser machen können? Einfach auch, um zu lernen für nächstes Mal. Und das gesagt, ist aber schon auch halt deutlich zu sehen, dass diese ganzen Debatten um Aufarbeitung und Überprüfung letztlich sehr stark quasi auch von rechts außen getrieben werden und man somit auch Gefahr läuft, dass natürlich so eine offene Aufarbeitung gar nicht stattfinden kann, sondern dass es einfach nur das nächste Feld einer politischen Auseinandersetzung wird und damit quasi ja niemandem wirklich geholfen ist.

Können Sie sich daran erinnern, was Sie im Januar 2020 dachten? Oder ich könnte auch fragen, wann haben Sie gemerkt, das ist was Ernstes, das ist was Großes? Ich war aus privaten Gründen quasi da Mitte März regelmäßig im Krankenhaus. Das war wirklich interessant, weil das wir, ich glaube, entlassen wurde. Die Person, die ich da besucht habe, irgendwann um den 15. März, also kurz bevor der erste Lockdown stattgefunden hat,

Und in der Woche vorher, als ich da regelmäßig im Krankenhaus war, gab es eigentlich noch gar keine Beschränkungen. Und dann in den Tagen, bevor dann diese Entlassung stattgefunden hat, sind dann überall plötzlich diese Aushänge aufgetaucht. Es gab plötzlich Restriktionen beim Betreten des Krankenhauses etc. Und da hat man plötzlich schon gemerkt, da passiert jetzt was. Und da, ja, vorher habe auch ich das irgendwie viel stärker einfach so, man hat das beobachtet. Man hat gesehen, was da passiert.

In Wuhan passiert es schon zum Jahreswechsel, dass da diese gespenstischen Bilder von Menschen in weißem Anoraks quasi durch die Straßen gehen und leergefegte Straßenzüge desinfizieren. Aber dass das dann plötzlich so nah gekommen ist, das ging dann im März plötzlich doch schnell. Sie haben jetzt den Lockdown schon angesprochen, Mitte März. Vorher gab es ja noch diesen merkwürdigen Februar. Einerseits so eine Stimmung der Entwarnung und andererseits dann,

Die gewisse Bekanntheit, die eine Kappensitzung im nordrhein-westfälischen Heinsberg erreicht hat, da lernte man dann das Wort Superspreader-Event. Was ist da gesellschaftlich geschehen in dieser Anfangsphase, Februar, März? Ich glaube schon, dass es ein kollektives, sehr schnelles Erfahren war, dass da etwas auf uns zukommt, was schon Gesellschaft fundamental wahrscheinlich verändern wird.

Sie haben es selbst gerade gesagt, noch im Februar 2020 hat das RKI, also das Robert-Koch-Institut, bekannt gegeben, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass man in Deutschland auf jemanden treffen würde, der mit diesem neuartigen Coronavirus infiziert. Einen Monat später sah das schon anders aus. Die Menschen sind aber damals noch unwissend glücklich und zufrieden ins Skiurlaub gefahren, nach Norditalien, nach Österreich, haben Fasching gefeiert und gefeiert.

Gleichzeitig gab es diese ersten Fälle. Somit ploppte das hier und da auf, aber man hat das, glaube ich, schon eher beobachtet. Und plötzlich im März kam dann diese Entscheidung des Kitas zugehen, des Schulen zugehen, dass Spielplätze gesperrt werden, dass Kontaktbeschränkungen eingeführt werden.

Ich habe das schon so erlebt und quasi auch in den Interviews, die ich mit Menschen geführt habe, dass diese erste Zeit so als kollektives Runterfahren empfunden wurde. Das war es ja auch. Plötzlich war der Verkehr auf der Straße weg. Es war ruhig. Die Leute sind zu Hause geblieben. Ja, es war eine fundamentale Umstellung von Alltagsrhythmen für fast alle Menschen. Aber auch schon da war klar zu sehen, dass natürlich irgendwie, ja, es hieß dann sehr schnell, wir sind alle gleich betroffen. Es war die Rede von Solidarität in der Gesellschaft, aber

Das ist quasi alte Menschen in Pflegeheimen, Menschen, die alleine wohnen und vielleicht weniger im sozialen Umfeld haben, Menschen mit kleinen Kindern, Jugendliche. Ja, für die das viel dramatischere Einschnitte hatte als jetzt für Menschen, die halt irgendwie ja vielleicht einfach im Homeoffice dann weitergearbeitet haben oder sogar weiter ins Büro fahren konnten. Ja, dass die Pandemie nicht alle gleich macht, meinen Sie. Niemand hatte bis dahin so eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, so hieß das ja.

erlebt und die Gemeinschaft

Die gemeinsame Unsicherheit ja auch oder das Unwissen auch, das könnte ja zusammenschweißen. Wie stark war der Zusammenhalt am Anfang? Die Bertelsmann Stiftung, die hat quasi im 2020 im Sommer eine Studie veröffentlicht, in der sie auch gesagt haben, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gewachsen ist in der Pandemie. Und das hat man tatsächlich zuerst auch gesehen. Also es gab so ein Zusammenrücken, so ein Gefühl von wir sind hier alle gleichermaßen drin.

Wenn man die Studie sich aber genau angeschaut hat, dann gab es schon damals gewisse Brüche. Also zum einen, dass quasi die Menschen in Ostdeutschland dieses Gefühle deutlich weniger gesehen haben. Ärmere Menschen haben es deutlich weniger gesehen. Menschen, die mit Behinderungen oder auch Vorerkrankungen zu kämpfen haben. Also

Viele Gruppen, die auch vielleicht als vulnerablere Gruppen zu bezeichnen sind, Migrantinnen und Migranten auch, haben schon damals sehr früh gesagt, da ist sich was in Bewegung, was jetzt vielleicht diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt doch hinterfragt. Aber die Gesamtstimmung war eine, die eigentlich eher so ein Zusammenrücken vermuten ließ.

Das ist dann aber im Verlauf der Pandemie sehr schnell umgeschlagen und quasi eine Nachfolgestudie der gleichen Stiftung im 2022 hat ein sehr klar ergeben, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt runtergegangen ist, dass das Vertrauen in politische Institutionen sehr stark gelitten hat, dass Einsamkeit zugenommen hat. Und in der zweiten Welle, da betrafen die Massnahmen die Schulen, die Kitas.

Also Familien mit Menschen mit Kindern. Sie betrafen die Kultur, den Einzelhandel, die Gastronomie, den Reisesektor, andere Bereiche des Wirtschaftsgeschehens nicht. Wie wirkte dieser Unterschied? Das konnte man recht eindeutig sehen. Das wurde auch durch Zahlen untermauert, dass die Maßnahmen, wie sie in Deutschland ergriffen wurden, eigentlich immer darauf gezielt haben, die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Die Maßnahmen, die es gab, haben sehr stark quasi halt in sozialintensive, kontaktintensive Bereiche betroffen, aber auch Bereiche betroffen, wo Menschen halt vielleicht auch ja mal ausgelassen sein könnten auf einer Feier, sich irgendwie ja was Gutes tun können und so weiter.

Und das hat natürlich schon Konsequenzen gehabt. Zum einen natürlich, die Leute haben auch vielleicht von so Mustern abgeschnitten, wie sie sich vielleicht auch von Arbeit etwas Abwechslung finden. Zum anderen war das schon auch so, dass das natürlich den Druck auf Menschen, die jetzt nicht einfach ihre Arbeit in Homeoffice verlagern konnten, enorm erhöht hat.

Da gab es Menschen, die halt irgendwie im Einzelhandel oder vielleicht irgendwo für einen Lieferdienst arbeiten mussten. Gleichzeitig waren ihre Kinder zu Hause unterwegs.

weil sie nicht in der Schule betreut wurden. Es gab zum Teil dann halt auch den Mangel an digitalen Angeboten oder die Zuhause fehlt, hat aus finanziellen Gründen schlicht irgendwie auch die technische Infrastruktur gefehlt, dass vielleicht zwei oder drei Kinder gleichzeitig im Homeschooling sein können. Also man schon gemerkt hat, dass quasi diese Selektivität und dieser starke Fokus auf Wirtschaft

letztlich schon auch quasi eine soziale Ungleichheit mit sich gebracht hat. Und was man, glaube ich, schon auch nicht vergessen darf, also das möchte ich schon auch nochmal erwähnen, für die erste Phase der Pandemie, wo dieser lange Lockdown war, dass da erschreckenderweise die Zahlen an häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder deutlich nach oben gegangen sind. Diese lange Zeit, dieses viele Zuhause, dieses quasi Entkoppeln von sozialer Kontrolle auch im positiven Sinn, dass es schon gesellschaftlich auch negative Konsequenzen hatte.

Es war schon recht früh, die Kritik zu hören, wir erleben jetzt eine Herrschaft der Virologen. Also diese Beraterstäbe, die sind eigentlich sehr einseitig besetzt, was Sie jetzt gerade beschrieben haben, psychologische Folgen, soziale Folgen.

Die werden viel zu wenig beachtet und dann nochmal ganz speziell die Folgen für Kinder und Jugendliche. Stimmen Sie dieser Kritik zu? So pauschal nicht. Ich finde, es ist erstmal klar, wir hatten da eine Pandemie. In dieser Pandemie ist es erstmal so, dass es quasi eine medizinische Frage ist. Und ich kann irgendwie verstehen, dass man da auf Virologinnen und Virologen erstmal zugeht. Und da gab es ja auch nicht bei allen die gleichen Meinungen. Also ich meine, letztlich wurde da auch gestritten und gerungen.

wo ich vielleicht zustimmen würde, ist, dass man vielleicht schon noch mal hätte klar schauen müssen, welche Maßnahmen sind wirklich sinnvoll zu schließen, was wirklich nötig, quasi vielleicht Sportangebote für Jugendliche im Freien so lange zuzuhalten, solche Sachen. Aber diese Kritik erstmal würde ich jetzt so nicht teilen. Sie führen ja für Ihre Studien Tiefeninterviews, Sie führen tiefgehende Gespräche darüber,

Auch die Politikerinnen und Politiker haben in einer Situation großer Unsicherheit entscheiden müssen. Und da trifft man Entscheidungen, die sich im Nachhinein als nicht ganz richtig oder auch als grundfalsch herausstellen. Was sagen Ihnen die Befragten in den Gesprächen? Wie ist da der Anteil Verständnis für diese Entscheidung unter Unsicherheit ausgesetzt?

Im Vergleich zu Wut. Also auch die Zahlen durch die Pandemie hinweg haben ja gezeigt, dass die Zustimmung eigentlich zu den Maßnahmen zumeist recht groß war. So um die 60 Prozent, manchmal mehr, manchmal weniger. Aber dass das gar nicht jetzt so durchweg alles kritisiert wurde. Und wenn man aber mit den Menschen spricht, dann stellt man einfach schon fest, dass es sehr, sehr unterschiedliches Erleben diese Zeit gab. Und das gerade halt eben, wie ich am Anfang schon angedeutet habe, dass Leute, die jetzt vielleicht mit kleinen Kindern zu Hause waren,

ältere Menschen pflegen mussten oder halt selbst irgendwie eine Krankheitsgeschichte haben, die es für sie schwieriger gemacht hat, sich in der Pandemie zu bewegen, dass dort die Erfahrung von Vereinzelung, von Verlust, von Verunsicherung, von Frustration noch mal deutlich ausgeprägt ist, als jetzt vielleicht bei einem Ehepaar um die Mitte 50, die für sich in einem Einfamilienhaus wohnen, mit Gartenzugang. Also die berichten zum Teil auch von einer ganz guten Zeit,

Quality Time heisst das.

Also da sind die Erfahrungen dieser Zeit einfach sehr, sehr unterschiedlich. Aber es gibt schon quasi einen guten Teil der Menschen, die einfach sehr stark Frustrationserfahrungen auch mit der Demokratie quasi zum Ausdruck bringen, wütend darüber sind, wie quasi die Maßnahmen zum Teil Woche für Woche fast schon irgendwie geändert haben, dass man dabei nicht mehr mitgekommen sei, dass man alleine gelassen worden sei in dieser Zeit. Aber da sind die Erfahrungen unterschiedlich.

Für alle, die sich später zugeschaltet haben, Sie hören die Kulturfragen im Deutschlandfunk mit dem Sozialwissenschaftler Daniel Mullis vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung. Spreche ich über die gesellschaftlichen Folgen der Pandemie. Herr Mullis, Ihr jüngstes Buch heißt Vom Aufstieg der Rechten in Krisenzeiten. Und da schreiben Sie...

Die Jahre der Pandemie seien eine Zeit der fortschreitenden Entzivilisierung. Was ging zivilisatorisch verloren? Also ich glaube zum einen, also die Pandemie ist auf eine Zeit gefolgt, die ja ohnehin schon von gewissen gesellschaftlichen Konfliktdynamiken geprägt war.

Also wir hatten die Finanzkrise in den späten Nullerjahren, die europäische Schuldenkrise, dann gab es diese Diskussion um Migration, kurz vor der Pandemie diese Anschlagen in Hanau. Also es war ohnehin eine Zeit, die schon gewisse Polarisierungstendenzen gezeigt hat. Wir haben quasi mit 2017 den erstmaligen Einzug der AfD in den Bundestag gehabt und

Da war so ein bisschen was angelegt. Und dann hat diese Pandemie verschiedene Konsequenzen gehabt. Erstmal so in der Breite, dass es schon viele Menschen sich tendenziell zurückgezogen haben. Erstmal die Tendenzen, so eine gewisse Individualisierung haben in der Zeit schon auch spürbar nochmal zugenommen. Also so eine Abkehr von Gesellschaft, würde ich sagen. Und wenn man mit den Menschen spricht, was sich recht eindeutig abzeichnet, ist es gerade in Westdeutschland so,

diese Pandemie eigentlich so als erste fundamentale Krisenerfahrung in Jahrzehnten wahrgenommen wird. Also ich habe eine Interviewpartnerin quasi jetzt im Kopf, die meinte, ja eben so Krisen und solche Herausforderungen, das hätte sie das Leben ihrer Eltern verortet.

Aber man hätte mit ihr nichts zu tun gehabt. Trotz Finanzkrise, aber die hat nicht jeder und jede so mitbekommen. Jeder hat mein eigenes Leben gespürt. Und auch da gab es Leute in den Gesprächen, die gesagt haben, ja klar habe ich in der Finanzkrise Geld verloren, aber mein Portfolio hat sich komplett erholt. Aber diese Pandemie, die hat schon einfach, die hat...

sehr starke Spuren hinterlassen. Und eigentlich hätte die Gesellschaft so eine kollektive Ruhepause gebraucht nach dieser Pandemie, um diese Verunsicherung, Unruhe, Destabilisierung wieder einzufangen. Was aber passiert ist, ist, dass halt dann, ich meine, wir erinnern uns alle, am 24. Februar 2022 marschiert Russland in der Ukraine ein und damit hat sich wieder quasi die gesellschaftlichen Bedingungen grundlegend verändert. Zugleich war auch die mit dem Ahrtal-Katastrophe und

Mit den Hitze- und Dürresommern, die wir erlebt haben, war auch klar, okay, dieser Klimawandel, der kommt jetzt. Geht auch nicht vorbei. Genau. Und somit war diese Pandemie irgendwie so ein, ja, die hat etwas aufgegleist, was wir heute irgendwie fortgesetzt finden.

Dieses unsicherte Rauschen in der Gesellschaft, das ist geblieben. Ich hatte mal am Anfang der Pandemie eine Podiumsdiskussion. Da spielte der Gedanke schon eine Rolle, wie werden wir das Ende der Pandemie feiern? Werden wir auf den Straßen tanzen? Und diesen Punkt hat es ja nicht gegeben, weil einfach zu viele andere Krisen und Kriege auch dazu kamen, die dazu geführt haben, dass man nicht sagen konnte, jetzt ist das eine zu Ende und wir atmen mal durch.

Einer der Hauptstreitpunkte in der Pandemie-Politik war die Einschränkung von Grundrechten, Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit. Welche Freiheitsbegriffe trafen da in der Pandemie aufeinander? Ich glaube, man muss nochmal ein bisschen weiter vorne anfangen und sagen, es gab diese Grundrechtseinschränkungen und die wurden ja auch kritisiert und es gab zum Teil, wurden die auch quasi zum Beispiel Demonstrationsverbote von den Gerichten zum Teil ja auch wieder aufgehoben.

Ganz am Anfang in der Pandemie war es ja auch so, dass es nicht ganz klar war, in welche Richtung diese Kritik sich entwickeln würde. Ich meine, es gab auch von progressiven sozialen Bewegungen viel Bemühungen, zum Beispiel Nachbarschaftshilfe aufzubauen in der Zeit. Und es gab schon auch zum Beispiel Demonstrationen von Seebrücke, die sich die Frage gestellt haben, wie können Geflüchtete in dieser Zeit hier besser geschützt werden etc. Also es gab diese Auseinandersetzungen und gleichzeitig wurde

Hat sich aber sehr schnell, quasi schon Ende März, wenn ich mich richtig erinnere, haben sich die ersten Demonstrationen quasi in Berlin stattgefunden, die so einen etwas anderen Drall reingebracht haben in diese Frage von, wie umgehen wir mit dieser Pandemie, die dann sehr stark diese Frage von so persönlicher, individueller Freiheit entdeckt.

hochgehalten haben und sehr stark betont haben, dass diese Pandemie, wie sie hier funktioniert, quasi die eigenen Rechte der Selbstbestimmung, Selbstentfaltung blockieren würde und dass das über die Maße sei. Es sind dann auch so Worte wie Diktatur gefallen etc. Und

was da zum Vorschein getreten ist. Und da gibt es ein sehr spannendes Buch von Caroline Amlinger und Oliver Nachtwey, was da mit Freiheit passiert ist in dieser Zeit. Und da kann man schon ziemlich gut nachlesen, dass halt diese so eine sehr stark individualisierte Form von Freiheit nach vorne gekehrt wurde, die ja die letztlich, wenn man quasi in die Ideengeschichte von Freiheit schaut, letztlich immer quasi Freiheit zwei Seiten hat. Und die Freiheit, die eine Seite ist halt quasi die individuelle Freiheit,

Freiheit, Dinge zu tun, die Abwesenheit von Zwängen, dass andererseits Freiheit auch immer etwas Gesellschaftliches ist. Also dass die eigene Freiheit halt dort endet, wo die des Gegenübers beginnt. Und die Freiheit des Gegenübers, die ist hinten runtergefallen.

Diejenigen, die protestiert haben, waren laut. Sie waren eine Minderheit. Und dennoch würden wir nicht darüber sprechen, wenn wir nicht den starken Eindruck hätten, davon ist was geblieben bis heute, von dieser grundlegenden Auseinandersetzung. Freiheit und Rücksicht. Was ist davon geblieben? Das Zermas hat eine Studie gemacht 2022, wo sie befragt hat, wie viele Menschen dann tatsächlich da auf der Straße waren und

4% haben angegeben, dass sie tatsächlich an solchen Demonstrationen teilgenommen haben. 18% haben bekundet, dass sie dem Ganzen sympathisieren würden. Aber auch 14% haben damals der Aussage zugestimmt und ich zitiere, die Zeit des friedlichen Widerstands ist vorbei.

wo schon auch quasi klar geworden ist, dass so eine gewisse Form von gesellschaftlicher Verrohung und Gewaltbereitschaft erstarkt. Und diese Gewalt hat man tatsächlich auch gesehen. Also die politisch motivierten Straftaten sind in der Zeit der Pandemie deutlich nach oben gegangen. Gewalttaten gegen Journalistinnen und Journalisten haben deutlich zugenommen in der Zeit. Menschen, die Corona-Maßnahmen durchsetzen mussten, ausgrund von beruflichen Gründen, wurden angefeindet, angegangen, angegriffen.

Bis hin quasi zu diesem Mordanschlag von Ida Oberstein, wo quasi diese junge Tankstellenmitarbeiter erschossen wurde von einer Person, die die angegeben hat. Er wollte ein Zeichen setzen gegen diese Schutzmaßnahmen. Also man hat schon so eine gewisse Verrohung festgestellt. Und das ist etwas, wo sich schon sagen würde, dass bis zum gewissen Punkt geblieben ist. Wir reden im Moment vor allem auch wegen der politischen Intervention von Elon Musk darüber,

Sehr viel von libertären Ideologien. Wo ist der Unterschied zwischen liberal und libertär und was hat das mit der Pandemie zu tun? Ja, ich würde mal gleich noch an konkreten Dingen auch dableiben. Also was man auf jeden Fall gesehen hat in der Pandemie und das nochmal zurückgehen auch auf diese Frage der sozialen Ungleichheit.

dass die Pandemie eine Zeit war, wo weniger wohlhabende Menschen deutlich Schwierigkeiten hatten. Sie mussten Einbußen in den Lohngefälle hinnehmen, währenddem aber Wohlhabende besser durch die Pandemie gekommen sind und Superreiche sich maßlos bereichern konnten. Zahlen zum Beispiel belegen, dass quasi im ersten Pandemiejahr global 700 neue Milliardäre dazugekommen sind und auch in Deutschland die Zahl um so um 30 gestiegen ist auf 50.

130 Milliardäre und das quasi in diesem einen Jahr der Pandemie.

Und da sieht man Konsequenzen bis heute, dass quasi diese soziale Ungleichheit, die sich da quasi nochmal verstärkt hat, dass man da bis zu einem gewissen Punkt, und das wurde jetzt in den USA quasi nach der Wahl von Trump, aber auch in Österreich jetzt in aktuellen Diskussionen um die Vielleicht-Kanzlerschaft von Herbert Hickel,

aufkommen, was bedeutet, ja, was bedeutet diese neue Superreichtum für Gesellschaft, quasi die Etablierung von neuen Oligarchien und da hat zum Beispiel Colin Crouch schon in 2005 etwa dieses Buch geschrieben, wo er quasi auch die Frage gestellt hat, was passiert eigentlich mit Demokratie? Postdemokratie, das Buch meinen Sie? Genau.

wo er quasi die These der Refeudalisierung von Gesellschaft aufgebracht hat. Also dass quasi Reiche wieder immer mehr zu sagen haben in der Gesellschaft. Und ich glaube, was wir sehen und was vielleicht mit diesem Begriff des Libertären, der quasi in der deutschen sprachlichen Tradition, in der US-amerikanischen Tradition nochmal was anderes benutzt wird, was trotzdem wichtig ist, ist einfach zu sehen, dass diese Formen des quasi der Aneignung von Staat, Reichtum, von politischer Macht,

mittlerweile wieder sehr, sehr stark quasi auch mit ökonomischen Potenzialen verknüpft wird und das quasi superreiche, aktive gestaltende Funktion innerhalb des demokratischen Miteinanders einzunehmen versuchen und dabei ganz klar versuchen, ihre eigene Position zu stärken, ihre Möglichkeiten der Gewinnmaximierung zu steigern und damit quasi bis zum gewissen Punkt schon auch so eine Abkehr von so, sagen wir mal, so einer gesellschaftsliberalen, demokratischen

Tradition einhernehmen, die neben Freiheit ja immer auch quasi darauf bestanden hat, Gleichheit einzusetzen. Staatsverachtung kommt da zum Ausdruck. Genau, also innerhalb dieses Libertären, genau. In dem Moment, wo Sie von den Superreichen sprechen, geht bei Ihnen das Blaulicht los. Das haben wir im Hintergrund etwas gehört. Sie arbeiten an einem Institut für Friedens- und Konfliktforschung. An Konflikten mangelt es nicht, an Befriedung mangelt es aber schon.

Wo könnte Befriedung beginnen? Ich glaube zuallererst in dem, dass die Parteien der politischen Mitte, auch konservative, ihrer Verantwortung bewusst werden. Aussteigen aus diesen rechten Spins, die permanent dominieren.

Und tatsächlich Fragen stellen, also ich meine, es ist ja nicht falsch, die Frage zu stellen, wo ist das Strukturschub bei den Menschen, was sind die Sorgen der Menschen, aber tatsächlich anfangen, inhaltlich Politik zu machen. Und ich glaube schon, wenn man eine Lehre aus dieser Pandemie mitnimmt oder aus der Zeit ist, dass die

Verunsicherung oder die Erfahrung von Ängsten und Sorgen massiv zugenommen hat. Und diese Ängsten und Sorgen, die müssen adressiert werden in der Gesellschaft, aber nicht in dem, dass man quasi ständig über Migration und über Bürgergeldempfängerinnen spricht, sondern dass man tatsächlich Angebote macht, wie sich Gesellschaft auch in die Zukunft entwickeln kann. Also so, dass man halt an die Basis rangeht, die für diese Sorgen und Ängste mitverantwortlich ist. Und ich

Ich würde aber auch betonen, wir haben jetzt quasi 10, 12, 15 Jahre so eine Zuspitzung von Konflikten gesehen und wir sehen, dass es international quasi auch nicht besser werden wird. Also ich würde auch davor warnen, zu hoffen, dass es jetzt schnell wieder besser und ruhig wird.

Aber es wäre eine politische Verantwortung, einen Beitrag dazu zu leisten, dass quasi dieses, insbesondere das Erstarken der Rechten, was ja auch quasi ein Ausgang ist aus dieser Corona-Pandemie, dass das wieder eingefangen wird, damit Gesellschaft auch noch auf einem demokratischen Fundament weiter an Konflikten arbeiten kann. Weil sonst könnte das sehr schnell sehr problematisch werden. Vielen Dank, Herr Mullis.

Auf die Konservativen kommt es an, das sagt der Sozialwissenschaftler Daniel Mullis. In den Kulturfragen im Deutschlandfunk habe ich mit ihm über fünf Jahre Corona gesprochen. Fünf Jahre Corona, eine Woche lang blicken wir in unseren Deutschland-Radio-Programmen auf die Pandemie medizinisch, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell, so vielfältig, wie Sie uns kennen. Das Gespräch mit Daniel Mullis können Sie in unserer Deutschlandfunk-App nachhören. Dort finden Sie auch den gesamten Themenschwerpunkt.

Ich bin Christiane Florin. Danke fürs Zuhören. Danke fürs Mitdenken. Hier geht es weiter mit Kultur heute.