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Leben im Kapitalismus - Von Menschen, die mutig Missstände überwinden

2025/2/9
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Kulturfragen

AI Chapters Transcript
Chapters
In diesem Kapitel wird der zentrale Gedanke von Ferdinand Sutterlüthi über das Leben im Kapitalismus diskutiert. Es geht darum, wie man in einer als falsch empfundenen Welt als Einzelperson das Richtige tun kann.
  • Adornos Zitat "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen" wird als Ausgangspunkt genommen.
  • Sutterlüthi fordert, dass Individuen auch in ungünstigen Systemen versuchen können, das Richtige zu tun.
  • Beispiele aus dem Buch zeigen Personen, die gegen gesellschaftliche Missstände vorgehen.

Shownotes Transcript

Am Mikrofon ist Karin Fischer. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Dieser berühmt gewordene Satz des Philosophen Theodor W. Adorno stammt aus dessen Minima Moralia, die wiederum, das sollte man sich ab und an in Erinnerung rufen, im amerikanischen Exil entstanden sind in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und also auch angesichts des Krieges und des Terrors der Nazis gegen Juden in Europa.

Dieser Satz wird heutzutage jederzeit und für alles verwendet, womit man sich nicht abfinden will. Und er bildet den Untertitel eines Buches, dessen Autor ich Anfang der Woche für die Denkfabrik-Reihe des Deutschlandfunks »Machen statt Meckern« befragt habe, den Soziologen Ferdinand Sutterlüthi von der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität. Der vollständige Titel »Widerstehen – Versuche eines richtigen Lebens im Falschen«. Hallo Herr Sutterlüthi.

Ich grüße Sie, Frau Fischer. Vielen Dank für die Einladung, über mein Buch zu sprechen mit Ihnen. Wozu brauchen Sie denn, Herr Sutter-Lüthi, Adorno? Ich brauche ihn nicht zwingend. Dieses bekannte Adorno-Zitat schien mir aber sehr gut zu passen. Adorno sagte, es gäbe kein richtiges Leben im Falschen. Da ist sicherlich viel Richtiges dran. Wie soll man richtig leben in einem Kontext,

den man ablehnt. Bei ihm waren das ganz stark Faschismus und Kapitalismus. Wie soll man in so einem Kontext ein richtiges Leben als Einzelperson führen können? Ich habe es allerdings etwas abgewandelt, wie Ihnen sicherlich nicht entgangen ist. Nämlich man kann versuchen, in einem falschen Leben das Richtige oder ein richtigeres Leben zu führen. Und darum ging es mir. Und gegenwärtig gibt es sehr viel Unzufriedenheit, denke ich, in unserer Gesellschaft.

Das sieht man auch an aktuellen Wahlkämpfen und so weiter, wohin diese Unzufriedenheit führt. Und sehr häufig hört man, gerade auch von meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Sozialwissenschaften, es müssen sich die Strukturen verändern, ein Einzelner könne überhaupt gar nichts bewirken. Das Buch heißt

zeigt aber Personen, die eben durchaus die adornische Diagnose haben, dass wir im falschen Leben unterwegs sind, dass sich sehr viele in unserer Gesellschaft

in den letzten Jahren, Jahrzehnten in die falsche Richtung entwickelt hat. Sie aber versuchen zu tun, was sie als richtig erkannt haben und für ihr eigenes Leben die Konsequenzen daraus zu ziehen. Also es ist ein Adorno-Hinweis, keine Adorno-Exegese, wenn Sie so wollen,

Und eine Abwandlung dieses Adorno-Zitates dahingehend, man kann schon versuchen, im Falschen das Richtige zu tun. Also es geht um Menschen, die nicht mitmachen und die aber Antworten auf die Missstände unserer Zeit gefunden haben. Warum sind Sie denn aber damit im Widerstand? Das ist eine sehr interessante Frage. Der Titel ist ja Widerstehen und Widerstehen hat verschiedene Bedeutungen.

nicht nur Widerstand im Sinne von Widerstand leisten, sondern auch dem widerstehend quasi Versuchungen widerstehenden, Versuchungen des Konsums widerstehenden,

dem Versuch widerstehen, Anerkennung zu finden, indem man sich genau gleich verhält wie alle anderen. Insofern ist widerstehen schon breiter als einfach nur Widerstand leisten. Es war auch sehr interessant, dass viele meiner Figuren für sich das gar nicht in Anspruch nehmen wollten, dass sie Widerstandskämpfer, Kämpferinnen waren.

Aber ich denke, dass sie den Mut haben, sich auch Konventionen zu widersetzen, in diesem Sinne widerständig sind und sich auch von bestimmten Quellen der Anerkennung

die aus einer normalen Lebensführung resultieren, sich davon verabschieden. Und das finde ich sehr widerständig. Was sagt es denn alles über den Zustand unserer Demokratie aus, wenn Menschen keine Kritik äußern oder Kritik äußern, aber im Wesentlichen sich zurückziehen und sagen, die Gesellschaft kann mich mal, ich mache hier mein eigenes Ding? Ich glaube, die Figuren, die in meinem Buch vorkommen, sind sehr unterschiedlich gelagert in der Art oder in der Konsequenz, wie sie aussehen.

die gesellschaftlichen Konventionen hinter sich gelassen haben. Da ist zum Beispiel ein Lehrer, der ganz normal jeden Tag zur Arbeit geht, der allerdings der Auffassung ist, dass es wichtigere Dinge gibt, als dem Leistungsprinzip zu folgen, nämlich junge Menschen, die es ohnehin schon schwer haben, nicht auch noch weiter zu kränken und zu demütigen, dass das das erste Prinzip des Schulwesens sein müsste.

Und da eckt er ziemlich stark an, hat eine ziemlich alternative Form zu lehren. Ich war auch bei ihm im Unterricht, habe auch eine Unterrichtsstunde an einem Freitagnachmittag besucht bei ihm, wie das so abläuft. Und der ist in allen anderen Hinsichten relativ konventionell. Das geht dabei hin bis zu einem Künstler, der so gut wie gar keinen

Geld braucht oder auch eine Putzfrau in Hotels, die jeden Tag zur Arbeit geht, insofern ein Leben führt, wie viele tausende andere auch, sich aber eben für ihre Kollegen und Kolleginnen einsetzt. Und was vielleicht auch ganz interessant sein sollte in dem Buch ist, dass man über die Figuren, die dort vorkommen,

die Missstände und die Probleme in ganz unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft auch mitbekommt. Also insofern sind die Geschichten auch Diagnosen der Probleme und der Schwierigkeiten, die wir in vielen Bereichen unserer Gesellschaft haben und die für viele von uns, denke ich, etwas unsichtbar sind. Wenn wir etwa in einem Hotel übernachten, sehen wir gar nicht, was im Hintergrund passiert und unter was für

manchmal prekären und demütigenden Bedingungen etwa die Zimmer gereinigt werden. Es ist eine internationale Klasse von Putzkräften, die kein Mensch kennt. Und weil das so ist, können wir auch Ihre Geschichten vom Widerstehen für unsere Deutschlandfunk-Denkfabrik-Reihe »Machen statt Meckern eben produktiv machen« und ein paar Antworten geben vielleicht auf ein paar Probleme unserer Zeit.

Lassen Sie uns, Ferdinand Sutter-Lüthi, aus gegebenem Anlass mit dem Mann anfangen, den Sie Josef Lohse genannt haben. Wir müssen dazu sagen, alle Namen im Buch sind tatsächlich anonymisiert. Er berät Flüchtlinge und engagiert sich als Seenotretter auf dem Mittelmeer.

Was wäre denn, mal abstrahiert gesprochen, sein Beitrag zur derzeitigen Migrationsdebatte in Deutschland? Ich betrachte das vielleicht nur kurz als Vorspann. Die Personen, die ich befragt habe, durchaus auch als Intellektuelle, wenn Sie so wollen, als Personen, die über den Zustand unserer Gesellschaft nachdenken. Und in dem Text von Josef Lohse,

Da ist am Ende reflektiert er darüber, was Wohlstand heißt, für wen der Wohlstand denn gedacht ist. Und er analysiert die europäische Flüchtlingspolitik als den Versuch, den Wohlstand für Europa zu sichern und für sich zu reklamieren, ohne dabei andere im Blick zu haben. Und er ist der Auffassung, das wäre die falsche Politik,

Er zitiert mal Angela Merkel, dass sie sehr ehrlich gesagt hat, es ginge an den Außengrenzen Europas darum, unseren Wohlstand zu sichern. Er anerkennt, dass das sehr ehrlich gesagt ist, hält es aber für grundfalsch, nur an unseren Wohlstand zu denken und dass uns der Wohlstand anderer Menschen, anderer Weltregionen entspricht.

so gut wie egal ist und damit auch keine Politik zu machen ist. Und das finde ich eine treffende Analyse eines Ausgangspunktes, wie, glaube ich, heutzutage auch die Migrationsdebatte funktioniert. Und in diesem Text erfährt man auch sehr viel über die Institutionen, die mit Geflüchteten zu tun haben und in welchen schwierigen Umständen, gerade auch psychisch,

sich viele Migranten und Migrantinnen befinden. Er kann das aus erster Hand berichten. Das ist für mich ein Wert an sich, dass man das nicht nur abstrakt erfährt, sondern wenn man diesen Text liest, erfährt man, was passiert auf dem Mittelmeer und was passiert beispielsweise in Unterkünften für Geflüchtete. Ja, und es ist auch mehr als Altruismus. Es ist sozusagen wirklich der Gedanke einer globalen Anerkennung der Menschenwürde.

So sehe ich das auch. Ich habe es im Buch nicht so schreiben wollen, aber ich sage es jetzt mal hier so im Radio. Ich denke, dass in den Texten, die hier auftauchen, sehr viel Menschlichkeit zu spüren ist, eigentlich in allen Texten. Und diese Menschlichkeit, glaube ich, zerstört.

wird uns in vielen Lebensbereichen etwas abtrainiert und das sind Personen, bei denen dies nicht der Fall ist. Und ich finde das sehr beeindruckend, in allen Fällen, wie sie das in ihrem eigenen Leben umsetzen. Ich würde auch gar nicht sagen, dass sie jetzt nachgeahmt werden müssten.

sondern ich finde die sehr inspirierend, eben auch als Denker und Denkerinnen, die ein Leben führen, von dem fast niemand etwas weiß.

Josef Lohse hat eine Arbeit aufgenommen bei der GART Maritim. Das ist die Seenotrettung, deren Aufgabe es eigentlich ist, auf dem Mittelmeer zu beobachten und zu melden. Aber er war gleich zu Beginn konfrontiert mit einer Situation, wo es um die Entscheidung ging, 160 Menschen tatsächlich an Bord zu nehmen.

Und er hatte von Anfang an mit dem Bergen von Leichen zu tun, was ihn sehr bestürzt hat und was er auch sehr intensiv schildert. Ja, Josef Lohse ist ein leidenschaftlicher Segler und wollte mit seinen Freunden eine längere Schiffsreise in Richtung USA machen, Karibik.

und dachte dann, er wäre in die falsche Richtung unterwegs und er müsste mal zum Mittelmeer, als er den Nachrichten

von ertrinkenden Geflüchteten gehört hat, hat sich dann entsprechend darauf vorbereitet und war dann mehrfach auf dem Mittelmeer und hat dort eine Szene erschillert, die ganz besonders ist, nämlich dass er ein noch ganz junges Baby aus dem Wasser holt und auf dem Arm hat. Das ist eine ganz intensive Situation für ihn. Das schon tot war. Das schon tot war und er beschreibt das genau, die Szene,

Und er hat viele solche Erfahrungen auf dem Mittelmeer gemacht. Und ich denke, wenn man diesen Erfahrungsbericht hat und das sich vor Augen führt, was dort passiert, denkt man möglicherweise etwas anders über das europäische Grenzregime, das Migrationsregime, das in Europa herrscht. Und bei diesem Text ist ganz interessant,

Als ich ihn besuche für das Interview, da erklärt er mir etwas über die Nazi-Vergangenheit, über Fluchtbewegungen an dem Ort, an dem er lebt und das sozusagen diesen deutschen Kontext, der wird aufgerufen in diesem Text. Das finde ich eine Rahmung, die sehr interessant ist, auch vor diesem Hintergrund auf die gegenwärtige Flüchtlingspolitik zu blicken.

Also heute oder eigentlich arbeitet Josef Lohse ja auch in therapeutischen Zusammenhängen, auch mit Asylbewerbern, auch mit sehr schwierigen Asylbewerbern, die auffällig sind. Wir haben solche Fälle ja gerade extrem präsent. Woran scheitern die denn? An sich selbst, an dem, was sie mitbringen, also Traumata oder am System in Deutschland? Die Fälle, von denen Josef Lohse spricht...

Da geht es ganz klar um Traumatisierungen, die die Geflüchteten teilweise schon mitgebracht haben und die verschärft werden durch ihre unsichere Situation. Dass sie nicht wissen, wo sie in einem Jahr sind, das verschärft diese Traumatisierungen und die psychischen Probleme.

Und man erfährt aus dem Text zu Josef Lohse ziemlich detailliert, welche Probleme auch die Hilfsorganisationen und Institutionen in Deutschland haben, mit Geflüchteten, die psychische Probleme haben.

Es gibt für sie kaum Therapie. Das scheitert teilweise am Nichtvorhandensein von Übersetzern, Übersetzerinnen. Das ist ein ziemlich großes Problem, sodass diese Personen kaum die Chance haben,

in Deutschland die entsprechende Behandlung zu bekommen. Und solche, die eigentlich in die Psychiatrie gehören, enden im ganz normalen Vollzug, wenn sie sich haben eine Straftat zu Schulden kommen lassen. Und er berichtet zum Beispiel auch von einem Mann, den er betreut hat, den die Behörden, wie er sagt,

unsichtbar gemacht haben. Dieser Mann tauchte in den Behördenregistern nicht mehr auf und ich will jetzt nicht alle schlimmen Sachen erzählen, die in diesem Text vorkommen, aber dieser

Dieser Mensch begeht dann am Ende Selbstmord und das hat auch damit zu tun, dass die Flüchtlingshilfe, die Institutionen, die mit Geflüchteten zu tun haben, sehr schwer mit Menschen zurechtkommen, die mit psychischen Problemen und Traumata kommen. Und ich denke, Herr Lohse ist ein sehr gutes Beispiel, wie Geflüchtete adäquat unterstützt und beraten werden können.

Ja, es sind einerseits erschütternde Geschichten, die sie zusammengetragen haben und in dem Buch erzählen, wie auch zum Beispiel die von der polnischen Reinigungskraft, die haben sie schon angesprochen, Ivona Srenikaska, die sich von Italien aus nach Deutschland aufmacht und hier in Hotels und in der Pflege die unfassbarsten Ungerechtigkeiten erlebt, die sich aber eben auch dagegen wehrt. Da haben wir es also mit einer Kämpferin zu tun, die auch anderen Menschen beisteht.

Auch deshalb, weil sie selbst ausgenutzt und betrogen wurde und zwar mehrfach in ihrem Leben. Also machen statt meckern in diesem Fall bedeutet zum Beispiel auch, sich nicht einschüchtern zu lassen und in jedem Moment tatsächlich die eigene Stimme zu erheben. Ja, ich finde das eine sehr interessante Figur, wenn man das vielleicht nicht von einer Reinigungskraft erwarten würde, dass jemand so schlagfertig ist wie sie.

Das ist vielleicht auch aus meiner Sicht ein Merkmal des Buches. Es geht nicht nur um die Lebensführung der Person, die ich darstelle, sondern teilweise auch, glaube ich, in dem Text gibt es aus meiner Sicht jedenfalls sehr

auch witzige Interaktionen, wie sie ihren Chefs gegenüber tritt und mit wie viel Sprachwitz sie denen entgegenkommt, das finde ich sehr interessant. Es gibt, denke ich, bei jedem Fall auch so etwas, was eigentlich über die Geschichte hinausgeht. Die Art, wie sie spricht, wie sie sich

mit Kollegen, Kolleginnen aus aller Welt solidarisiert, mit welchen Mitteln sie die Gewerkschaft auf den Plan ruft, eigentlich ihren Arbeitgeber unter Druck setzen, damit auch sehr viel erreicht. Das finde ich wirklich erstaunlich. Wie so eine Person mit relativ wenig Bildung,

sich so fortentwickeln kann zu so einer Kämpferin und nicht nur für sich das Beste versucht herauszuholen, sondern auch für ihre Kollegen und Kolleginnen. Und wie sie über ihre Kollegen entspricht, das finde ich sehr interessant. Sie beschreibt auch

Was es heißt, auf den Knien unter einem Tisch zu putzen und Gäste schauen zu. Man erfährt auch wirklich, was es bedeutet, in einem Hotel ständig von anderen Leuten die Sachen wegzuputzen. Und quasi dieses Bild, dass sie auf den Knien schrubbt, sich dabei auch einmal verletzt, ihre Hosen gehen kaputt, die muss sie selbst ersetzen. Es gibt so viele Details in dieser Geschichte.

über die man erfährt, was es bedeutet, in einem Hotel als Putzkraft zu arbeiten. Und bei ihr ist eben auch sehr viel Empathie mit anderen Personen im Umfeld vorhanden. Und ich finde das deswegen auch eine ziemlich faszinierende Person. Ferdinand Suter-Lüthi, Soziologe an der Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, heute in den Kulturfragen in unserer Denkfabrik-Reihe »Machen statt Meckern«.

Ja, das kapitalistische Wirtschaften ist auch Thema ihrer Gespräche mit Cornelia und Franz, die ohne viel landwirtschaftliche Maschinen als Bauern leben in einem kleinen Dorf, praktisch so wie viele Generationen vor ihnen und das auch sehr schätzen und im Übrigen sehr klug über all das sprechen können. Über Subsistenzwirtschaft und technische Verfahren von Milcherzeugung zum Beispiel, das fand ich auch sehr faszinierend.

Ja, fand ich auch sehr faszinierend. Und das ist auch einer der Fälle, die aufzeigen, dass man mit weniger eigentlich auch ein sehr gutes, sehr reichhaltiges Leben führen kann. Es gibt einige Personen in dem Buch und dazu gehören auch die Vergalders, also Franz und Cornelia Vergalder,

die mit sehr wenig Geld auskommen und man den Eindruck hat, das ist aber jetzt nicht Verzicht. Das ist ja häufig eine Diskussion heutzutage, worauf wir alles verzichten müssen, damit die ökologische Krise entschärft werden kann und so weiter.

Und bei den Vergalders erfährt man, glaube ich, sehr schön, wie reichhaltig das Leben sein kann, ohne viele Ressourcen zu verbrauchen. Dass es im unmittelbaren Umfeld sehr vieles gibt,

wovon man psychisch, sozial und auch ökonomisch sehr gut leben kann. Und das finde ich eben auch interessant. Das sind jetzt nicht einfach Aussteiger, Aussteigerinnen, dieses Paar, sondern sind sehr sozial eingebunden. Sie sprechen übrigens auch von sozialer Subsistenz, also von einem Versuch, auch sozial mit dem eigenen Umfeld zusammenzuarbeiten.

Leben zu können und sehr gut leben zu können, auch mal etwas zu initiieren, wie es mal schon eine Frauengruppe wie das bei Cornelia Vergalda der Fall ist, und ein Leben zu führen, das es eben nicht erforderlich macht, ständig durch die ganze Welt zu fliegen, sondern in einem beschränkten Kontext sich auch mit den Grenzen zu arrangieren und zuzulassen.

sozial und ökonomisch mit dem, was vorhanden ist, gut zurechtzukommen. Was interessant ist auch, ist die Tatsache, dass diese Menschen vermitteln, dass sie etwas haben, was uns allen fehlt, nämlich Zeit.

Das ist der Widerstand gegen das Hamsterrad sozusagen auch der kapitalistischen Produktion, den übrigens auch der Künstler Jakob Donsler leistet. Unser nächster Fall, der von maximal 300 Euro im Monat lebt, weil er seine Fixkosten extrem reduziert hat. Er produziert keinen Müll, er macht sich Schuhe selber, er hat früher die Windeln seiner Kinder ausgewaschen.

Und er wird zitiert in Ihrem Buch mit dem Satz, ein Kind, das heute drei Jahre alt ist, hat schon so viel Müll produziert wie vor 50 Jahren ein 50-Jähriger. Das ist doch auch erstaunlich. Das finde ich in der Tat auch erstaunlich. Und ich habe ihn sehr früh in dem Interview gefragt, ob er normalerweise wüsste, was er am nächsten Tag macht. Er weiß es meistens nicht. Er macht an jedem Tag sehr verschiedene Dinge. Ich fand auch sehr faszinierend,

wie viele Sachen er schlicht kann. Man muss, um so schlicht leben zu können, unglaublich viele Sachen gleichzeitig können. Er hat sich sozusagen eine eigene Abwasserleitung gebaut. Er baut ständig an seinem Haus. Er hat einen Garten, lebt als Selbstversorger. Ich war mit ihm auch im Wald unterwegs. Er kennt so viele Pilze, Pflanzen.

erntet dort auch seinen Hopfen, braucht sein eigenes Bier, hat eigene Trauben und so weiter und so fort und macht auch Kunstwerke. Und die 300 Euro erwirtschaftet er, die er im Monat braucht, erwirtschaftet er über seine Kunstwerke. Die auch kapitalismuskritisch sind in gewisser Hinsicht, ne? Die sehr kapitalismuskritisch sind, ja, das kann man so sagen. Ich denke, eine kapitalismuskritische Ader wird durch das gesamte Buch gegründet.

Die meisten sind an irgendeiner Stelle kapitalismuskritisch in ganz unterschiedlichen Facetten. Und ich finde auch interessant, dass alle eine ganz eigene Sprache benutzen. Auch der eigene Sprachgebrauch, finde ich, hat auch oft etwas Widerständiges. Sie haben oft einen ganz eigenständigen Sprachgebrauch.

den ich auch versucht habe, in die Texte hineinzuretten. Ich habe nicht einfach nur die Interviews abgedruckt, da musste ich ziemlich viel daran arbeiten, aber ich habe genau das, ihren eigenen Sprachduktus hat oft auch so etwas Widerständiges und wie sie über die Welt sprechen und über ihren Kontext. Aber wie gesagt, die schimpfen und kritisieren nicht nur, sondern

versuchen bei sich anzufangen und das umzusetzen, was sie als richtig erkannt haben. Mit dem einzigen oder vielleicht einem, aber womöglich sehr großen Schönheitsfehler, dass nämlich diese Gegenmodelle

Auch nur für einzelne Lebarscheinen. Also wir leben in einem Zeitalter von Hochtechnologie und künstlicher Intelligenz. Wir wollen zum Mars fliegen. Wir wollen krebsmedizinisch bekämpfen. Subsistenzwirtschaft ist nichts, wovon man eine Weltbevölkerung satt machen könnte. Das, was Sie machen und was ich mache, ist auch nicht verallgemeinerbar.

Also wenn alle Soziologie-Professoren Professorinnen wären, dann würden wir alle verhungern. Ich glaube, niemandes Leben ist verallgemeinerbar. Diese Frage habe ich mir natürlich schon gestellt. Ich habe auch schon erwähnt, ich glaube nicht, dass man die jetzt nachahmen sollte, aber die haben einen guten Weg gefunden, einen kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Leben, wie ich finde, sehr interessant, interessanter als viele Menschen,

die ihr Leben hinter einem Computer verbringen. Wenn ich durch die Flure meiner Universität gehe, sehe ich nur Menschen, die ihr Leben vorm Computer verbringen. Der gerade erwähnte Jakob Donsler ist jeden Tag draußen im Wald, macht jeden Tag etwas anderes. Ich will es gar nicht zu sehr idealisieren oder romantisieren. Nur ich denke, niemandes Leben ist verallgemeinerbar. Und diejenigen, die auf den Mars fliegen wollen, also das Leben von Elon Musk und solchen Personen, ist erst recht unerwartet.

nicht verallgemeinerbar. Ich finde, das Leben der Vergalters, der Bergbauern, über die wir kurz gesprochen haben, ist viel eher verallgemeinerbar als das Leben derjenigen, die zum Mars fliegen wollen und neue KI-Modelle entwickeln und so weiter. Davon werden wir, fürchte ich, nie leben können und

Ja, wie gesagt, ich denke nicht, dass diese Personen zur Nachahmung geeignet sind. Ich fand es jedenfalls sehr inspirierend und hoffe, dass das auch für andere Menschen der Fall ist.

Machend statt meckern, Ferdinand Sutter-Lüthi war das in unserer Deutschlandfunk-Denkfabrik-Reihe Soziologe an der Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main und sein Buch »Widerstehen – Versuche eines richtigen Lebens im Falschen« erscheint morgen in der Hamburger Edition. Vielen Dank, Herr Sutter-Lüthi, für das Gespräch. Ich danke Ihnen, Frau Fischer.

Und das waren die Kulturfragen. Ich empfehle noch sehr nach uns die Sendung Kultur heute. Danke für Ihr Interesse an dieser Sendung. Am Mikrofon war Karin Fischer.