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Neue rechte Jugendgruppen - Kehren die Baseballschlägerjahre zurück?

2025/5/18
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Kulturfragen

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
A
Anna Hoffmeister
D
David Begrich
Topics
Anna Hoffmeister: Als Moderatorin habe ich die Zunahme rechtsextremer Jugendgruppen und deren gewalttätige Aktionen in Deutschland hervorgehoben. Ich sehe eine Verbindung zwischen diesen Gruppen und Angriffen auf Politiker und Kultureinrichtungen. Die Stärke der AfD unter jungen Menschen bereitet mir Sorge und ich frage mich, ob wir eine Wiederkehr der 'Baseballschlägerjahre' erleben. David Begrich: Als Experte für Rechtsextremismus betone ich, dass rechtsextreme Gewalt oft strukturell ist, aber keine feste Organisation benötigt. Ich sehe eine Zunahme politisch motivierter Gewalt, besonders im Kontext von Wahlkämpfen. Die Inszenierung von Gewalt in den Medien und im Internet spielt eine große Rolle, da sie eine faszinierende Wirkung auf Jugendliche hat und als politische Selbstermächtigung wahrgenommen wird. Die Normalisierung rechtsextremer Einstellungen in der Gesellschaft begünstigt die Herausbildung neuer Neonazi-Gruppen. Um dem entgegenzuwirken, müssen Eltern und Gesellschaft Jugendlichen Handlungsalternativen und Selbstwirksamkeitserfahrungen bieten.

Deep Dive

Chapters
Die Zunahme rechtsextremer Jugendgruppen in Deutschland wird beleuchtet. Beispiele wie Angriffe auf Politiker und Brandanschläge auf Kultureinrichtungen veranschaulichen das Ausmaß der Gewalt. Die Frage nach der Struktur hinter dieser Gewalt und die verschiedenen Motivlagen werden diskutiert.
  • Zunahme rechtsextremer Jugendgruppen in Deutschland
  • Angriffe auf Politiker und Kultureinrichtungen
  • Breites Spektrum an Motivlagen für Gewalt
  • Gewaltstruktur ohne zwingende organisatorische Rückbindung

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Am Mikrofon begrüßt sie Anna Hoffmeister. Sie sind schwarz gekleidet, muskulös und tragen einen streng zur Seite gekämmten kurzen Scheitel, zeigen den Hitlergruß oder tragen Aufschriften auf dem Shirt wie »Ich bin auch ohne Sonne braun«.

Teenager, die gegen queere Demonstrationen aufmarschieren, Brandanschläge auf Kulturhäuser verüben oder Politikerinnen und Politiker auf offener Straße krankenhausreif schlagen. In Deutschland haben sich im vergangenen Jahr bundesweit junge rechtsextreme Neonazi-Gruppen gegründet. Ihre Namen sind Jung und Stark, Deutsche Jugend voran oder Letzte Verteidigungswelle.

Und das in einer Zeit, in der eine als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei, die AfD, unter jungen Menschen zweitstärkste Kraft bei den diesjährigen Bundestagswahlen war. Wer sind die Jugendlichen in diesen Gruppen? Wie weit reicht die Gefahr, die von diesen rechtsextremen Jugendgruppen ausgeht? Und sind jetzt wirklich die Baseballschlägerjahre zurück?

Darüber wollen wir heute sprechen mit David Begrich. Er ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander in Magdeburg. Herzlich willkommen, Herr Begrich. Schönen guten Tag. Herr Begrich, ich habe zwei Beispiele mitgebracht aus dem vergangenen Jahr. Das ist einmal im Mai 2024 gewesen. Da haben vier junge Männer den SPD-Abgeordneten Matthias Ecke angegriffen in Dresden, soweit, dass er eben ins Krankenhaus musste.

Im Dezember letzten Jahres, da gab es auch einen Angriff auf die linke Kommunalpolitikerin in Görlitz mit Pyrotechnik, Flaschen. Die Frau wurde am Boden liegend auch noch auf sie eingetreten. In beiden Fällen gab es Beziehungen zu einer dieser Gruppen, die ich eben genannt habe. Sind das aus Ihrer Sicht eben gewalttätige Einzelfälle oder kann man hinter dieser Gewalt eine Struktur erkennen?

Also ich glaube, zunächst muss man sich vor Augen führen, dass neonazistische rechtsextreme Gewalt in aller Regel...

Eine Gewaltstruktur ist, die keine organisatorische Rückbindung zwingend braucht, sondern sehr stark davon lebt, dass es sogenannte Gelegenheitsstrukturen gibt. Also sie sitzen in der Straßenbahn, haben einen offenkundig auch äußerlich erkennbaren migrantischen Kontext und werden dann verletzt.

von Personen körperlich angegriffen oder angepöbelt. Das ist eben einfach leider, muss man sagen, ein Phänomen, was nicht gebunden ist an die Zugehörigkeit einer Neonazi-Szene. Wir haben aber ein zweites Phänomen und ich glaube, das korrespondiert mit diesen beiden von Ihnen dargestellten Fallbeispielen dann schon, nämlich Personengruppen, die explizit politisch motiviert losziehen und sagen,

Gerade im Kontext von Wahlkämpfen, jetzt ist die Zeit mal deutlich Kante zu zeigen und damit ist natürlich dann auch die Anwendung von Gewalt gemeint.

Also das heißt, wir haben ein sehr breites Spektrum an Motivlagen für die Ausübung von rechtsextremer und rassistischer Gewalt, innerhalb derer organisierte neonazistische Gewalt nur ein Teilaspekt ist.

Schauen wir mal auf diese Motivlagen. Ich würde da noch ein weiteres Beispiel anbringen wollen. Und zwar gab es ja letztes Jahr einen Brandanschlag durch zwei 15-Jährige der sogenannten letzten Verteidigungswelle auf den Kulturberg in Alt Döbern in Brandenburg. Das ist eine Kultureinrichtung. Dann gab es dieses Jahr auch eine Tat, bei der junge Vermummte auf einen Jugendclub in Jammen in Senftenberg Steine geworfen haben. Da sollen mutmaßlich auch Sprüche gefallen sein, wie alle Zecken sind Schweine.

Diese Menschen gehen auch auf queere Demonstrationen beziehungsweise marschieren dagegen. Ist das schlichtweg ein Kampf von rechts gegen links, der da geführt wird? Auch hier lohnt es, auf die Einzelfälle zu schauen. Also wir haben durchaus das Phänomen, dass wir in den zurückliegenden anderthalb Jahren eine Mobilisierung in der

gewaltbereiten Neonazi-Szene gegen die CSDs, also die Christopher Street Day Paraden in den ländlichen oder sagen wir kleinen und mittelstädtischen Regionen gesehen haben und das war schon eine

politisch gewollte und auch politisch orchestrierte Aktionsreihe aus der Neonazi-Szene davon zu unterscheiden, sind dann nochmal so etwas wie die von Ihnen genannten Brandanschläge. Also natürlich gibt es in der rechtsextremen Szene

Und zu diesen klaren Feindbildern gehören eben auch Menschen anderer politischer Gesinnung, aber noch viel stärker Menschen, die eine kulturelle oder lebensweltliche Praxis ausüben, die mit der Welternschauung auch junger Neonazis nicht einher oder übereingeht. Und ich glaube, das muss man sich dann im Einzelfall angucken. Aber wir sehen natürlich auch, dass diese Taten,

so etwas wie Resonanzstraftaten oder Resonanztaten erzeugen beziehungsweise ermöglichen. Was bedeutet das?

Das geht so weit, dass solche Taten dann eben auch in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-Szene, in der Neonazi-

in Chats und in Telegram-Foren und so weiter gefeiert werden. Manchmal gibt es ja auch von solchen Angriffen oder Übergriffen Videosequenzen, Mitschnitte und so weiter. Das spielt durchaus eine Rolle.

Aber diese Nachahmungseffekte, das hört sich jetzt mal ein bisschen so an, als wenn das eine abgeschlossene Gruppe ist, die dann immer so voneinander abschaut. Was ist denn sozusagen mit den Menschen darüber hinaus, die vielleicht auch da akquiriert werden? Also diese Gruppen werden ja anscheinend mehr und sie werden vielleicht auch in Teilen dann größer. Da muss es ja auch irgendwie eine Gruppe von jungen Menschen geben, die sich da durchaus auch von angezogen fühlen, ohne dass sie jetzt vielleicht verletzt

schon seit Jahren in dieser Neonazi-Szene aufgewachsen sind. Ja, ich glaube, da ist nochmal zu sehen, dass die Anwendung und Ausübung von Gewalt hat ja immer zwei Elemente. Das eine Element ist die direkte Ausübung von Gewalt gegenüber den Betroffenen, den Opfern von Gewalt. Und das andere ist aber auch, und das sehen wir immer stärker auch in der rechtsextremen Neonazi-Szene,

dass es eine gleichzeitige Ästhetisierung, also eine Inszenierung von Gewalt gibt. Also es geht immer um beides. Es geht um die Ausübung von Gewalt.

Aber es geht eben auch um die bildhafte Darstellung und Weitergabe von Gewalt. Und ich glaube, das Zweite hat eine sehr starke, faszinierende Wirkung, gerade auf Jugendliche und junge Erwachsene, wenn sie den Eindruck haben, Gewalt ist eben nicht nur etwas, was gesellschaftlich tabuisiert ist. Das ist ja sehr stark so. Gewaltanwendung ist sehr stark aus gutem Grund dargestellt.

gesellschaftlich tabuisiert, aber die Ausübung von Gewalt ist auch eine politische Selbstermächtigung. Wer Gewalt ausübt sozusagen, ermächtigt sich selbst dazu, ja im Grunde genommen soziales Verhalten zu sanktionieren, also zu sagen, wer darf sich auf einer Straße bewegen und wer nicht bewegen.

Ich will nochmal daran erinnern, das Gewaltmonopol liegt aus gutem Grund beim Staat, das heißt bei der Polizei. Niemand anders darf gegen andere Menschen Gewalt ausüben und wer dieses Gewaltmonopol sozusagen durchbricht und sich verletzt,

Selbst aneignet, sich also selbst ermächtigt dazu, Gewalt gegenüber Andersdenkenden auszuüben oder Andersaussehenden auszuüben. Das ist eben mehr als nur die pure Ausübung von Gewalt, sondern es ist eben auch eine politische Selbstermächtigung.

Und nichtsdestotrotz gibt es doch viele andere sozusagen Schritte davor, wie man sich Ausdruck verleihen kann von seinem Unmut. Also da sehe ich noch nicht so ganz den Übergang, der ist sehr abrupt.

Ich glaube, diesen Übergang, der setzt sich aus verschiedenen Mosaiksteinen zusammen. Und ich nenne mal einen Mosaikstein, dann kann man vielleicht nochmal über andere sprechen. Ein Mosaikstein ist, glaube ich, sehr stark, dass Jugendliche und junge Erwachsene heutzutage mit der Allgegenwart von Gewaltbildern im Internet aufwachsen. Und das heißt nicht, dass es eine automatische Verrohung oder eine Übernahme gibt. Das meine ich damit nicht.

Aber sozusagen die bildhafte Wiedergabe der Legitimität, der vermeintlichen Legitimität der Anwendung von politisch motivierter Gewalt bindet sozusagen gerade in Internet-Communities Jugendliche eben auch zurück an eine bestimmte Erlebniswelt, von der sie dann,

In der Realität, auf der Straße, nochmal neu danach schauen, wo hat denn das seinen Umsetzungsmechanismus und das Interessante ist, wenn wir uns diese Aufzüge, diese Demonstrationen gegen die Christopher Street Days Veranstaltung im letzten Jahr anschauen,

Und auch die Gewalttaten, die es in diesem Kontext gegeben hat, dann gibt es da ja auch beides. Also es gibt sozusagen die bildhafte Propaganda-Inszenierung aus der rechtsextremen Szene, die unterlegt ist mit harter Musik, mit schnellen Schnitten und so weiter. Also diese Videos davon und es gibt die realen Demonstrationen.

Wenn wir über diese Menschen reden, dann würde ich gerne mich dafür interessieren, wer sind eigentlich diese Kinder und Jugendlichen? Also ich habe vorhin schon Beispiele gebracht. Teilweise sind da bei versuchten Brandanschlägen auch auf Geflüchtetenunterkünfte 15-jährige Menschen dabei. Sind das jetzt die Kinder der Nachkommen von den Neonazis aus den 90ern oder kommen da noch andere Leute dazu?

Sowohl als auch. Also wir haben auf der einen Seite festgestellt, bei den neonazistischen Gruppen, die wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, dass die regional sehr stark, sehr schnell aufgeploppt sind, einem hohen Aktivitätslevel sind.

eingestiegen sind in die Sphäre der politischen Kommunikation. Da gibt es durchaus Akteure, in deren privaten familiären Umfeld es so etwas wie eine, ich sage jetzt mal rechtsextreme Vorgeschichte gibt. Das ist durchaus der Fall. Das heißt also, da gibt es so etwas wie eine primäre politische Sozialisation, die im familiären Kontext oder im sozialraumnahen Kontext stattfindet.

Und die sehr stark funktioniert über die Nachwirkung der Normalisierung einer rechtsextremen Jugendkultur in den 1990er Jahren. Und ich mache das mal an einem Beispiel. Die 1990er Jahre, auch die 2010er Jahre, waren ja jugendkulturell im Feld des Rechtsextremismus sehr stark geprägt von der Skinhead-Kultur und ihren verschiedenen Faktoren.

Abstufungen, Diffundierungen, die ja fast zum Medienklischee geronnen sind. Also Glatze, Springerstiefel, Bomberjacke und so weiter. Was ja auch wieder Trend hat. Genau, ich wollte gerade sagen. Und was wir jetzt ja sehen ist, dass es offenkundig nicht alle, aber doch einige dieser auch ikonischen Motive in der Kleidung, im Habitus, in der Selbstinszenierung offenkundig wiederkehren und nochmal neu aufgeladen werden mit...

mit einem Ostdeutschland-Kult oder mit einem Underdog-Kult oder Ähnlichem. Das heißt, das setzt sich eben aus ganz verschiedenen Faktoren zusammen. Und wenn wir jetzt noch mal schauen darauf,

Wer übt denn diese Gewalt aus oder was prägt diese? Dann sind das Gruppensituationen. Das heißt also, man fährt am Wochenende gemeinsam zu solchen Neonazi-Demonstrationen und nimmt daran teil. Und man fährt zum Fußball gemeinsam oder ähnliches. Das heißt, es geht immer auch um ein Gruppenerlebnis. Also einerseits ein Vergemeinschaftungsangebot.

dass sie so andernorts vielleicht nicht erleben. Ich glaube aber, es kommt noch was Zweites hinzu und das bietet eben der Fußballverein oder die Freiwillige Feuerwehr oder der Pfadfinder-Club oder ähnliches auf den ersten Blick nicht. Das ist sozusagen ein rebellischer Habitus. Also zu sagen, ich zeige es der Umwelt mal, ich bin nicht einverstanden, ich lasse mal...

Meine Wut, die dann auch politisiert ist, raus. Das alles findet ja sozusagen nicht im luftleeren Raum statt, sondern wir haben ja eine gesellschaftliche Situation, in der die Normalisierung von rechtsextremen Einstellungen zumindest in einigen Teilen dieses Landes sehr weit fortgeschritten ist. Und im Windschatten von diesen Prozessen sehen wir dann eben auch die Herausbildung von neuen neonazistischen Gruppen.

Herr Begrich, wenn man sich die Berichterstattung über diese Jugendgruppen anschaut, dann fällt da in diesem Zusammenhang sehr oft ein Wort und das ist das Wort Baseballschlägerjahre. Also die Zeit, die beschreibt die 90er, in der eben die Drohungen und die Gefahr und die Gewalt von Neonazis sehr präsent war auf der Straße, vor allem für Menschen, die als anders betrachtet wurden. Halten Sie...

So pauschal würde ich diese Aussage nicht teilen, sondern würde sagen, man muss sich nochmal die unterschiedlichen Gewaltformen ansehen. Und wenn wir nochmal einen Rückblick werfen auf die sogenannten Baseballschlägerjahre,

Dann will ich doch nochmal betonen, dass die Baseballschlägerjahre in den ostdeutschen Bundesländern nicht ausschließlich, aber doch sehr stark gekennzeichnet waren durch eine Form rassistisch motivierter Massengewalt. Also Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Quedlinburg, also alles Orte, an denen es zur Erscheinungsform rassistischer Massengewalt gekommen ist.

die eine Gewaltsozialisation für eine ganze Generation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bot. Diese Form ist nicht zurückgekehrt. Also wir haben keine Wiederkehr von Formen rassistischer Massengewalt. Aber was zurückgekommen ist auf einem Niveau, das durchaus mit den 1990er Jahren vergleichbar ist, das ist die Tatsache, dass wir

eine ununterbrochene Kette und Abfolge von rassistischen Straftaten, Gewaltstraftaten haben, die als Einzeltaten begangen werden. Und die gesellschaftliche Akzeptanz dafür oder der gesellschaftliche Resonanzraum dafür ist auch wieder vorhanden. Hat das dann nie aufgehört?

Rassistische Gewalt hat nie aufgehört. Die Frage ist, auf welchem Niveau bewegt sie sich? Und wenn sie nicht aufgehört hat, dann ist sie natürlich trotzdem für jeden Einzelnen der Betroffenen eine wirkliche, echte Katastrophe und eine Einschränkung seiner oder ihrer Bewegungsfreiheit. Darüber hinaus jedoch ist ja zu erkennen, dass wir es in den letzten fünf Jahren wirklich mit

mit wiederkehrenden Höchstständen von rassistischen Gewalttaten zu tun haben, die die Opferberatungsstellen messen und die nicht in dem gleichen Umfang, aber in der Tendenz auch durch die Innenministerien der Länder bestätigt werden. Und das führt mich doch zu der These zu sagen, wir haben es mit einer Wiederkehr einer gesellschaftlichen Situation zu tun, in der offenkundig

ein Klima herrscht, in dem rassistisch motivierte Gewalt wieder stärker möglich ist. Schauen wir uns mal nochmal an, wie die Baseballschlägerjahre in den 90ern eigentlich erklärt wurden. Also die Anziehungskraft auch für den Rechtsextremismus, das ist dieser Rassismus, über den haben wir gerade schon gesprochen. Der wurde damit erklärt, dass dort immense Arbeitslosigkeit geherrscht hat, natürlich in Ostdeutschland und eine große Unsicherheit in Zukunft.

Und jetzt, 35 Jahre später, sieht die Welt ja ganz anders aus. Vielleicht sogar in der Relation zu dieser Zeit etwas besser, möchte ich jetzt mal als These in den Raum werfen. Das ist ja keine Erfahrung, die diese Menschen eigentlich heute auch machen oder doch?

Also die Ausgangssituationen sind unterschiedlich, gar keine Frage. Wir nochmal versuchen, das für die 1990er Jahre mit dem Satz zusammenzufassen. Die Baseballschlägerjahre in Ostdeutschland in den 1990er Jahren wurden ermöglicht durch die Tatsache, dass der alte Staat nicht mehr und der neue noch nicht da war. Die jetzige Situation ist ja von anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen gekennzeichnet.

Wir haben eine rechtsextreme Partei. Diese rechtsextreme Partei sitzt in allen Landtagen. Sie sitzt im Bundestag. Sie hat eine mediale und öffentliche Reichweite wie keine rechtsextreme Partei vor ihr. Sie sprechen von der AfD?

Und das heißt, es gibt für diese Partei ja nicht nur Wählerinnen und Wähler, sondern es gibt dafür auch für ihre Politik eine Anhängerschaft. Und diese Anhängerschaft wiederum hat auch einen gesellschaftlichen Resonanzraum. Also wenn ich in einigen ostdeutschen Bundesländern die Situation habe, dass bei den Bundestagswahlen über 35 Prozent der Zweitstimmen an die AfD gegangen sind, dann kann man sich ja vorstellen,

ganz einfach ausrechnen, mit wie vielen Menschen ich an einem theoretischen Armbrotstisch sitze in der Gesellschaft, die diese Partei entweder gewählt haben oder ihren Einstellungen zustimmen. Und ich glaube, dass das der Resonanzraum ist. Es ist kein Automatismus, aber es ist ein Resonanzraum, in dem diese Gewalt möglich ist. Wir haben eine Situation, in der Dinge sagbar werden und sagbar geworden sind,

die in den letzten 35 Jahren, 40 Jahren aus gutem Grund weitgehend aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen sind. Und diese, wie ich es nenne, Normalisierung von rechtsextremen Positionen, die wird nicht ohne Folgen sein. Woran denken Sie da?

Also ich glaube, man kann ja mal die Perspektive wechseln und mit Menschen reden, die, ich wohne ja in Magdeburg und hier gab es diesen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt und diese sogenannten Resonanzstraftaten, von denen uns viele muslimische Mitbürger erzählt haben, dass sie unmittelbar nach dem Anschlag von Magdeburg schlossen.

wirklich in eine beängstigende Situation geraten sind, weil sie den Eindruck hatten, die Muslime werden verantwortlich gemacht für den Anschlag und seine Folgen. Und darauf folgte sozusagen ein, einige Klienten haben das mal beschrieben als ein eisiges Klima der Abwertung. Und dieses eisige Klima der Abwertung, das ist sozusagen eine der gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Anwendung von Gewalt.

Und so ähnlich kommen nochmal auf diese Christopher-Street-Day-Paraden. Wir haben ein politisches Spektrum, das permanent sexuelle Vielfalt systematisch diskreditiert und sozusagen in den Kontext von Perversität, Abnormalität und so weiter und so weiter stellt. Da muss man sich doch nach der gesellschaftlichen Resonanz dessen fragen.

Kommen wir nochmal auf diese jugendlichen Gruppen. Also würden Sie jetzt, wenn ich Sie richtig verstehe, sagen, das ist einfach ein politischer Raum, ein ideologischer Raum, in dem auch Kinder und Jugendliche aufwachsen und die sind davor einfach nicht gefeilt? Ich würde das ja immer eher als Aktivum beschreiben im Sinne von auch Jugendliche und junge Erwachsene treffen Entscheidungen.

Natürlich kann es sein, dass ich diese oder jene Disposition dafür habe, mich in eine solche gewalttätige Szene oder Anhängerschaft zu bewegen, aber ich entscheide mich auch dafür und wenn ich mich dafür entscheide, dann kann ich mich auch dagegen entscheiden.

Der Prozess der Radikalisierung, der Prozess der Übernahme von politischen Einstellungen etc., auch wenn er erstmal nur lebensweltlich ist, da will ich auch nicht missverstanden werden. Wir reden ja hier nicht durchgehend von weltanschaulich überzeugten, gefestigten Neonazi-Kadern. Trotzdem entscheide ich mich dafür in einer solchen Situation.

gruppendynamischen Struktur mitzumachen. Also ich kann mich ja entscheiden, zu einer Neonazi-Demonstration zu gehen oder lieber doch den Nachmittag mit Freunden beim Grillen oder beim Eis zu verbringen. Und die Frage ist, welche Voraussetzungen, welche Dispositionen sorgen dafür, dass solche Entscheidungen in diese Richtung getroffen werden und da schließt sich wieder der Kreis zu dem, was ich

zuvor versuchte zu sagen. Und was wären Ihrer Ansicht nach Wege und Weisen, wie man jetzt in Zukunft darauf eingehen kann? Ich glaube, sowohl die Eltern als auch die anderen, die in der Gesellschaft mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun haben, sind in der Verantwortung diesen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die jetzt aufwachsen in einer Zeit, in der

Sie auch selbst ganz konkret die Erfahrung der Multibilität von Krisen machen, die ja wirklich massiv auch in ihre Lebenswelt eingreift. Ich will nochmal daran erinnern, dass die Generation derer, mit der wir es ja jetzt zu tun haben, auch die Generation ist denen in der Corona-Phase ganz wichtige Erlebnisse in ihrer Sozialisation, in ihrer entwicklungspsychologischen Situation gefehlt haben. Also die nicht die Möglichkeit hatten,

ihre Konformation oder ihre Jugendweihe groß zu feiern, die nicht die Möglichkeit hatten, zu Klassenfahrten zu fahren. Das heißt, die Eltern- oder Erwachsenengeneration ist in der Verantwortung, diesen jugendlichen und jungen Erwachsenen tatsächliche Handlungsalternativen und Handlungsspielräume zu eröffnen, in denen sie Selbstwirksamkeitserfahrungen machen.

Also indem sie die Erfahrung machen, sie selbst können ihr eigenes Leben gestaltend beeinflussen.

Wenn ich den Eindruck habe, meine Zukunftsperspektive ist im Wesentlichen determiniert durch Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann oder die mich ängstigen, dann muss ja umgekehrt die Frage gestellt und auch beantwortet werden, was ist denn die Perspektive? Also wo machen Jugendliche und junge Erwachsene die Erfahrung, dass sie einen Unterschied machen? Und diese Erfahrung brauchen sie,

damit nicht das Engagement in einer neonazistischen Akteursgruppe die Selbstwirksamkeitserfahrung ihrer Generation ist. Das sagt David Begrich, mit dem ich hier in den Kulturfragen über die Ausmaße und Gefahren von rechtsextremen Jugendgruppen in Deutschland gesprochen habe. Am Mikrofon Anna Hoffmeister. Im Anschluss geht es hier weiter mit Kultur heute.