Wer nicht ins Bild passte, der war ein Staatsfeind. Die größte und in ihren Methoden erbarmungslose Spionageorganisation ist das sogenannte Ministerium für Staatssicherheit, im Osten vielfach Stasi oder Staatssicherheitsdienst genannt. Sie waren Schild und Schwert der Partei. Die Führung der Staatssicherheit unterlag der Partei. In diesem Gespräch wurden mir Maßnahmen angekündigt,
die ich nicht überleben würde. Und nach außen hat man gesagt, wir dürfen diese Verfolgung von Andersdenkenden und Andershandelnden, das dürfen wir nicht so offensiv machen. Wenn wir nicht gerade jetzt hier in der DDR wären, ich werde euch das ganz ehrlich sagen, wenn der Westfälisch wäre, so in der glücklichen Lage, wie der Sowjetunion, dann würde ich einen ja schießen lassen.
Und was geblieben ist, ist dieser sechste Sinn, dass ich merke, irgendwas läuft nicht so, wie es hätte laufen können nach logischen Dingen. Irgendwas ist da im Spiel. Deine Geschichte, unsere Geschichte. Ein Podcast von NDR Info.
Deine Geschichte erzählt dein Leben. Unsere Geschichte erzählt von unser aller Leben. Ich habe Zeitzeugen gefragt. Ich habe in den Tonarchiven recherchiert. Deine Geschichte. Unsere Geschichte. Die 70er, Folge 8, die Stasi. Wir kommen zu einer neuen Folge unseres Geschichtspodcasts mit Ulrike Bosse und Franziska Ammler. Wir müssen alles erfahren. Es darf an uns nichts vorbeigehen. Hinter der Tatsache.
Das ist so. Man wird benachteiligt und fragt sich, was ist jetzt mit mir passiert? Warum ich? Da ist man so ein bisschen in dieser Opfersituation. Das passiert einem zweimal, dreimal, viermal. Und immer mehr wird einem gesagt, du gehörst nicht dazu. Du wirst nicht gefördert. Du bekommst keine Karriere-Schübe. Du müsstest ja hier irgendwas machen, das machst du ja sowieso nicht. Und aus dir...
wird nichts, weil du bist ein Staatsfeind. Dieses Bild wurde mir eigentlich hingehalten, so lange, bis ich mir überlegt habe, kann da was dran sein? Ist das deine Überzeugung? Bist du ein Staatsfeind?
Die Stasi aus Sicht ihres Chefs Erich Mielke und ihres Opfers Eckart Hübner. Überwachung, Repression, Zersetzung. Das waren die Methoden des Ministeriums für Stadtsicherheit, so der offizielle Titel. Wie die Stasi gearbeitet hat, darum geht es in dieser Folge von Deine Geschichte, unsere Geschichte. Musik
Unser Zeitzeuge dafür ist Eckart Hübener, Jahrgang 53, aufgewachsen in einer Pastorenfamilie. Getroffen habe ich ihn in seinem Zuhause in Rambo in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hat er mir auch erzählt, dass das Ziel der Stasi war, ihn systematisch vom Gemeinschaftsleben auszugrenzen, ihn zu isolieren.
depressiv zu machen. Dafür wurden in seinem Dorf sogar Lügen über ihn verbreitet. Heute hilft er anderen Betroffenen, das zu verstehen, was mit ihnen damals in der DDR passiert ist und ihre Würde wiederzufinden. Denn vielen, viele ist noch immer schwer, über ihre schmerzhaften Erinnerungen zu sprechen.
Wie er ins Visier der Stasi geriet, beschreibt Eckart Hübner so. Das fing ja eben in den 60er Jahren an, dass man mir den Weg zum normalen Abitur abgeschnitten hat. Einfach gesagt, du kriegst es nicht. Und zwar aufgrund von persönlicher Überzeugung, weil ich hätte ein Lied aufsagen müssen, die Internationale, mit einem stark atheistischen Inhalt. Und dann habe ich gesagt, das von mir, nicht mündlich, das schreibe ich auf.
Und dann fing das an, man schnitt mir den Weg zum Abitur ab und später, als ich das Abitur hatte, schnitt man mir den Weg zu einem normalen Studium ab. Ich wäre gerne Architekt, Innenarchitekt geworden. Da ihm das verwehrt wurde, hat er Theologie studiert und wurde Pastor. Die größte und in ihren Methoden erbarmungslose Spionageorganisation ist das sogenannte Ministerium für Staatssicherheit, im Osten vielfach Stasi oder Staatssicherheitsdienst genannt.
Das sagte Anfang 1959 einer, der die DDR-Geheimdienstszene von innen kannte, Siegfried Dombrovski, Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee der DDR und zeitweise stellvertretender Stabschef der Verwaltung Aufklärung, also des militärischen Nachrichtendienstes der NVA. Er war 1958 in den Westen geflohen.
Die Stasi wurde offiziell durch einen Beschluss der Provisorischen Volkskammer der DDR vom 8. Februar 1950 gegründet. Sie war zugleich Geheimdienst und Geheimpolizei. Allerdings gab es schon vorher Organisationen mit nachrichtendienstlichen und polizeilichen Aufgaben, die im Laufe der Zeit weitgehend in der Stasi aufgingen.
Sie waren von der sowjetischen Besatzung ins Leben gerufen und nach sowjetischem Vorbild aufgebaut worden. Das galt auch für die Stasi. Die sowjetischen Stellen üben tatsächlich die gesamte Kontrolle, die gesamte Leitung auch des militärischen Spionageapparats der Sowjetzone aus.
Ein Großteil des Führungspersonals in den DDR-Geheimdiensten war überdies in Moskau geschult worden. Wie, das hatte auch Siegfried Dombrovski erfahren. In Moskau stand im Vordergrund einmal die unbedingte Ausbildung und Erziehung.
zu einem Funktionär der unbedingt kommunistischen Bewegung ergeben ist und der vor allen Dingen unbedingt ergeben ist der Sowjetunion, der also bedingungslos bereit ist, das muss ich schon sagen, alle Anweisungen, alle Direktiven, die er von dort erhält, auch zu erfüllen, bedingungslos zu erfüllen.
Über den Einfluss Moskaus auf die Entwicklung in der DDR haben wir schon verschiedentlich gesprochen. Erich Mielke jedenfalls, der ab 1946 am Aufbau der Sicherheitsorgane der DDR beteiligt war und 1957 an die Spitze des Ministeriums für Stadtsicherheit aufrückte. Erich Mielke war in den 30er Jahren ebenfalls in Moskau ausgebildet worden und ein Anhänger Stalins.
Eckart Hübner erzählt, dass es ganz leicht passieren konnte, dass man in der DDR den Stempel Staatsfeind aufgedrückt bekam.
Das war so üblich, wer nicht ins Bild passte, der war ein Staatsfeind. Die Bilder waren eng, die waren nicht pluralistisch, die waren noch nicht tolerant. Da konnte man nicht verschiedene Sachen gleichzeitig tolerieren und sagen, wenn der das nicht machen will, dann ist es auch gut, das ist seine persönliche Freiheit. Sondern weil er sich nicht eingliederte in den Schulalter bzw. in die Vorgaben, die man machen sollte. Also Pionier, FDJ, deutsch-afriatische Freundschaft.
Wir denken heute beim Stichwort Stasi meistens an die Oppositionellen, die verfolgt und unterdrückt wurden. Aber die von Eckhard Hübner beschriebene mangelnde Toleranz galt auch für Parteigenossen. Die Stasi etablierte sich in den 50er Jahren als stalinistische Geheimpolizei, die unpolitische Menschen, Sozialdemokraten, aber auch kommunistische Kader im Blick hatte.
Oberstleutnant Dombrovski war so ein Fall. Da er sich über Reiseverbote in den Westen hinweggesetzt hatte und Familienmitglieder in den Westen gegangen war, wurde er vom MFS überwacht. Durch einen sehr guten Freund von mir,
Mit dem ich zusammen mit Lara Buchenwald war, habe ich einen Hinweis erhalten: Jetzt bumms, mein Lieber. Dann und dann beginnt das Parteiverfahren. Du seh mal zu, wie du dich da verhalten wirst. Und da gab es keine Frage mehr: "Seh zu, wie du dich verhalten wirst." Das stand für mich einwandfrei fest. Partei, schmeiß dich raus. Und die Staatssicherheit wird dir den Prozess machen, vor dem Militärgericht.
Und Ende wird sein, 15 Jahre Bautzen. Und ich hatte nicht die Absicht, nachdem ich bereits sieben Jahre eingestärkt war, für die Bewegung jetzt noch einmal 15 Jahre nach Bautzen zu gehen. Auf Abweichungen und tatsächliche oder vermeintliche Gegner wurde mit Terror reagiert. Stalin hatte in der Sowjetunion dafür die Doktrin von der Verschärfung des Klassenkampfes entwickelt.
Laut einer Statistik der Bundeszentrale für politische Bildung wird geschätzt, dass es Anfang der 50er Jahre mehr als 20.000 politische Häftlinge in der DDR gab. Besonders berüchtigt war das aus einem sowjetischen Sonderlager hervorgegangene Zuchthaus Bautzen, das von der Bevölkerung das Gelbe Elend genannt wurde. Ab den 60er Jahren versuchte man dann mehr und mehr präventiv zu arbeiten. Mögliche Unruheherde sollten im Keim erstickt werden.
Die Staatssicherheit machte sich immer mehr im Alltagsleben der DDR-Bürger breit, weil man hinter allen Formen von Opposition die Einflussnahme des Westens oder, wie es so schön hieß, des imperialistischen Feindes vermutete. Eckart Hübner erzählt, dass das auch seiner Erfahrung in den 70er Jahren entsprach. So sei Freunden von ihm aus dem Westen zum Beispiel plötzlich die Einreise verwehrt worden.
Beim ersten Mal sind wir noch durchgegangen, aber beim zweiten Mal haben wir dann überprüft, dass da irgendwelche doch auch politischen Verhältnisse eine Rolle spielen, beziehungsweise dass jemand Bücher mitgebracht hat oder wo man einfach daran festgemacht hat, dass das ein...
die staatsfeindliche oder staatsdistanzierte Haltung von mir z.B. verstärkt hat, die hat man nicht wieder einreisen lassen. Und auch er selbst wurde überwacht. Man hat ganz genau beobachtet,
wie ich im Land unterwegs bin, nämlich sehr viel trampend und auch sehr viel mit Leuten aus dem Westen so Stück mitgefahren. Das war die Überwachung des Lebensalltags. Und dann haben die natürlich auch Raste aufgestellt, welche Person ist mit wem, machten denn so Netzwerke.
Als er dann zusammen mit anderen jungen Leuten eine Untergrundgruppe aufbaute, intensivierte die Stasi die Überwachung und das spürten Eckhard Hübner und seine Mitstreiter in ihrem Alltag auch. Dass wir mehr und mehr merkten, wir werden noch regelmäßig vertreten,
Aktionen wie diese bestärkten Eckhardt Hübner nur in seiner Haltung, für ein Leben in Freiheit zu kämpfen.
Was ihn motiviert hat, immer weiterzumachen, sich davon nicht einschüchtern zu lassen, beschreibt er so. Die ernsthafte und mit starker Sehnsucht verbundene Haltung, alles zu meiden, was die eigene Autonomie gefährdet. So würde ich es mal sagen.
Die Stasi wuchs schnell. Sechs Jahre nach ihrer Gründung hatte sie 16.000 Mitarbeiter. Bei ihrer Auflösung 1989 waren es mehr als 90.000 feste Mitarbeiter. Dazu kamen die IMs, also informelle Mitarbeiter. Laut Bundesarchiv waren das 1989 189.000.
Das MFS verzweigte seine Aufgaben im Laufe der Jahre immer weiter. Neben der klassischen Auslands- und Wirtschaftsspionage war die Stasi eine Behörde zur Umgehung von Handelsembargos und zur Devisenbeschaffung. Und sie war ein Instrument zur Überwachung der DDR-Gesellschaft. Im Sinne einer Geheimpolizei, eines Repressionsapparats,
Aber sie war auch Stimmungsbarometer. Sie unterrichtete die Staatsführung, wenn die DDR-Bürger sich etwa über unzureichende Versorgung beschwerten oder über andere Missstände. Eckart Hübner hat darauf hingewiesen, dass die Stasi ein Herrschaftsinstrument der SED war.
Sie war Schild und Schwert der Partei. Die Führung der Staatssicherheit unterlag der Partei. Das muss man doch festhalten. Erich Mielke war Honecker und ergeben. Er hatte zwar sein ganzes Bereich und eine riesige Macht, auch im Ausland, im sogenannten Operationsgebiet.
Aber letztlich war er doch weisungsabhängig oder die Arbeit der Staatssicherheit war weisungsabhängig. Genauso war es. Staatschef Mielke wurde erst Mitte der 70er Jahre stimmberechtigtes Mitglied im Politbüro. Er hatte ein enges Arbeitsverhältnis zu Staats- und Parteichef Erich Honecker. Jede Woche führten sie ein Vier-Augen-Gespräch über die entscheidenden Fragen, die beim MFS anstanden.
Wenn nach der Wende die DDR manchmal als Stasi-Staat benannt wurde, dann kann sich das nur auf die Allgegenwärtigkeit der Stasi in der DDR beziehen. Aber sie war kein Staat im Staat. Sie folgte den Vorgaben der SED. Auch deshalb haben sich ja manche Stasi-Mitarbeiter nach der Wende beschwert, dass sie für das, was sie getan hatten, zur Rechenschaft gezogen wurden, viele SED-Kader aber nicht. Musik
Wobei Eckart Hübner darauf hinweist, dass die Stasi und die SED eng verflochten waren. Es gab nicht so sehr viele, die gar nicht in der SED waren. Und die verstanden sich schon als Schutzorgan mit aller Macht, diese Partei an der Regierung zu halten. Mit aller wirtschaftlichen Macht, mit aller politischen Macht, mit aller ideologischen Macht.
1972 wurde der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet. 1973 wurden beide deutsche Staaten in die Vereinten Nationen aufgenommen. 1975 gehörte Erich Honecker zu den Unterzeichnern der KSZE-Charta, mit der sich die DDR zur Achtung der Menschenrechte verpflichtete. Offene Repression der eigenen Bevölkerung passte damit nicht mehr in die Zeit.
Auch wenn die Stasi nicht wirklich darauf verzichtete, traten bei ihrer Arbeit subtilere Formen der Überwachung und Verfolgung in den Vordergrund. Dem politischen Gegner dürften keine Ansatzpunkte für die politische Diskriminierung der DDR gegeben werden, gab Stasi-Chef Mielke vor.
Wobei er in einer internen Besprechungsrunde noch 1984 deutlich machte, dass er sich äußeren Notwendigkeiten beugte, dass das aber nicht seinen persönlichen Vorstellungen vom Umgang mit Gegnern entsprach. Wenn wir nicht gerade jetzt hier in der DDR wären, ich werde euch das ganz ehrlich sagen, wenn der Westfänik wäre, so in der glücklichen Lage wie in den Sowjetunion, dann würde ich einen ja schießen lassen.
So wie Eckhardt Hübener es schildert, ist die Stasi mit den Gegnern des SED-Regimes nach der Schlussakte von Helsinki auch nicht besser, sondern nur anders umgegangen. Hatte dann ja direkt zur Folge, dass die Staatssicherheit eingesehen hat, die Häftlinge dürfen zum Beispiel keine körperlichen Folterspuren mehr haben.
Denen darf nichts äußerlich anzusehen sein. Die Wunden, die sie im Inneren haben, sind egal. Und darin hat man die Folterarbeit und die Verhöraarbeit generell umgestellt, also für die Leute, die schon in Haft waren. Und nach außen hat man gesagt, wir dürfen diese Verfolgung von Andersdenkenden und Andershandelnden, das dürfen wir nicht so offensiv machen.
Die Stasi entwickelte unabhängig vom Strafrecht eine Fülle von Strategien zur Verfolgung oppositionellen Verhaltens. Mielke sprach von der Zersetzung feindlich-negativer Kräfte. Was diese Zersetzungsstrategie praktisch für den Alltag der Betroffenen bedeutet hat, hat Eckart Hübner mir gegenüber so geschildert. Dass also Leute, die man früher genannt
eingesperrt hätte, jetzt nicht mehr eingesperrt behandelt werden, sondern man lässt sie im Freien, aber man macht mit ihnen alles Mögliche. Man intrigiert in die Ehen hinein, man intrigiert in die Berufsverhältnisse, in die Karriere, in die Ausbildung der Kinder hinein, in die Reisevorgaben, in das Erlangen eines Kfzs
oder einer Baugenehmigung oder eines Angelscheins von einem Yachtschein gar nicht zusprechen. Es wurde alles reglementiert, so wie die Staatssicherheit also jeden Yachtschein reglementiert.
befürworten musste und es gab keine freien Jäger zum Beispiel. Es wurde alles so geregelt und da hat die Staatssicherheit ihre Macht noch deutlich ausgebaut. Wie viel Aufwand die Stasi dabei manchmal betrieben hat, hat er mir am Beispiel einer Frau erläutert, die einen Ausreiseantrag gestellt hat, denn wer damals aus Sicht der DDR abhauen wollte, galt ja als Gegner des Staates. Zum Beispiel in Neubrandenburg gab es eine Kassiererin, die wollte mit ihrem Sohn in den Westen. Und
Und dann hat man mit ihr konspirative Haussuchungen gemacht. Man hat den ganzen Block an einem Vormittag leer gemacht, den ganzen Wohnblock. Man hat allen Nachbarn Termine gemacht beim Straßenverkehrsamt, beim Wohnungsamt, bei dem, beim Schulamt. Also alle aus den Nachbarwohnungen mussten alle weg sein und erst dann ist man reingegangen. Mit drei Leuten und dann wurde es auch alles schriftlich festgehalten und fotografiert.
Das haben sie mit dieser armen Frau gemacht, die nur nach dem Westen wollte. Das sind die Dinge, die denen auch wirklich wehtun. Und das sind die, wo ich mal sage, die echten Opfer. Das klingt für mich heute natürlich völlig absurd, war aber damals kein Einzelfall. Eckart Hübner selbst wurde zwar auch bespitzelt und verfolgt und später in den 80er Jahren von der Stasi sogar für ein Jahr und drei Monate ins Gefängnis gesteckt.
Aber dass er gemeinsam mit seinen Freunden in der Opposition aktiv war, gab ihm Kraft. Ich fühle mich nicht wirklich als Opfer, sondern ich bin ziemlich bald dann und aufgrund von sehr guten Freunden und guten Fragestellungen dann zum Täter geworden, dass ich wusste, das ist ein Kampffeld. Und wenn du dich darauf begibst, dann wird die Gegenseite entsprechend reagieren. Das ist zwar nicht legitim, aber sie haben die legale Macht und du brauchst dich nicht zu wundern, wenn es so passiert.
Einige Methoden der Stasi sind auch nach und nach durchgesickert. Er und seine Freunde haben dann auch Strategien entwickelt, um der Stasi, so gut es eben ging, nicht völlig ausgeliefert zu sein. Das sind die Dinge, die seit Alters her als Vorsichtsmachnahme ergeben, spontane oder unkontrollierte oder heimliche Besuche der Polizei angewendet werden. Dass man also Dinge so hinlegt, die ein Polizist vorhat.
gar nicht bemerkt, dass das so eindeutig liegt, dann wird das ein Zentimeter irgendwie verrutscht und dann weiß man ganz genau, das Papier hat anders gelegen, ich habe es genau auf den Punkt gelegen oder die Tür wird zugemacht und es wird so eine Art feinster Faden davor angebracht, der dann sofort zerreißt, wenn die Tür geöffnet wird. Das sind ja so private Vorkehrungen. Er hatte damals schon so ein Gefühl, hat er mir erzählt, dass die Stasi seine Wohnung heimlich durchsucht hat. In
In seinen Stasi-Akten konnte er dann später nachlesen, dass sie vor allem seine Dienstkalender durchforstet hat, welche Termine er habe und mit wem er sich wo treffe. Andere Betroffenen erzählten ihm aber auch, wie die Stasi mithilfe konspirativer Wohnungsdurchsuchungen ihre Opfer psychisch unter Druck gesetzt hat.
Die Staatssicherheit hat das nämlich auch gerne gemacht. Das hörten wir, wie umfangreich sie tatsächlich Leute da auch in den nervlichen Ruinen getrieben haben, indem sie Salz und Zucker vertauscht haben oder Handtücher umgehängt oder Dinge im Schrank neu geordnet. Wenn die Zersetzung nicht funktionierte, griff die Stasi zu anderen Mitteln. Es wurden Vorwände oder Gründe gefunden, die Menschen doch im Gefängnis verschwinden zu lassen.
Eckart Hübener kam 1981 ins Gefängnis. Schon vorher sei das aber immer eine Bedrohungssituation gewesen, hat er erzählt. Und dieses Gefühl dieser ständigen Angst, kann man sich ja vorstellen, ging natürlich an die Substanz. Das waren Verhaftungssituationen von Leuten, sei es in Leipzig, Jena oder anderswo. Oder gute Freunde von mir, die von einem Tag auf den anderen weg waren und weggegangen sind.
mit denen ich politische Schriften ausgetauscht hatte. Also Bücher wie »Kandisophia des Jüngers« der Jahr 1984 erleben oder »Der rote Morgen«, ein Blättchen von einer KP aus dem Westen, geschrieben für den Osten, so ein Blatt Zeitungen. Die gingen dann in irgendwelchen Betrieben hin und her. Und ein guter Freund von mir, der genau wegen Weitergabe von solchen Blättchen, dann hat der Freund, dem er es gegeben hat, nicht standhalten können, hat ihn genannt
Und er landete plötzlich auch im Gefängnis. Und er wurde dann seine Wohnung auf den Kopf gestellt und Frau und Kind mussten unterstützt werden.
Das schlug so direkt neben mir ein, hätte mich auch treffen können, hätte auch sein können, dass er meinen Namen mit angibt unter Druck und dass ich also auch in der Folge seiner Verhaftung meine Wohnung sauber machen musste. Sauber heißt, alles das, was auf persönliche Nutzung von Untergrundmaterial, politische Sachen, Zeitschriften und so aus dem Westen, dafür wieder einen Platz zu finden, der geeignet ist.
Wenn die DDR-Führung es mit Prominenten zu tun hatte, die man nicht stillschweigend im Gefängnis verschwinden lassen konnte, versuchte die Stasi, sie ins Exil zu zwingen. Wie der Schriftsteller Rainer Kunze es 1977 nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik erzählte. In diesem Gespräch wurden mir Maßnahmen angekündigt, beziehungsweise als möglich angekündigt, die ich nicht überleben würde.
Das ist eine wörtliche Formulierung. Die überleben sie nicht, sie nicht. Diese Drohungen haben in letzter Zeit in einer Weise zugenommen, dass wir nicht mehr abschätzen konnten, wie weit Wort und Tat voneinander getrennt sind. Die Stadion hatte sehr, sehr viele Methoden, sehr grobschlechtig, sehr mafios.
Leute mit plumper Gewalt bedrohen oder einfach auch mal schlagen im Freien oder einen Verkehrsunfall organisieren mit unbekannten Ausgang.
Oder eben in Beziehungen hineinregierend. Das war uns damals schon bekannt. Aber das erlebe ich eben in der Beratungsarbeit auch, dass die Methoden unglaublich vielfältig waren. Und es war ihnen ein großer Freibrief gegeben worden. Und dieser Freibrief gelangte in Ausführende, die selber gestalten,
Die Zersetzungsstrategie der Stasi wurde im Ministerium für Staatssicherheit entwickelt. Umgesetzt werden konnte sie nur mit Hilfe eines Heeres an inoffiziellen Mitarbeitern, den IMs.
Eckart Hübner erzählt, dass psychologische Strategien, die die Stasi einsetzte, um ihre Gegner zu zermürben, auch genutzt wurden, um EMs zu gewinnen. Die Stasi war ein Machtangebot an Leute mit Charakteren, die da andocken konnten. Und dieses Machtangebot wurde sehr persönlich zugeschnitten. Jemand wurde sehr lange beobachtet und es wurden etliche Gespräche mit ihm geführt, ob er und unter welcher Umstände und mit welcher Stabilität
mit welcher inneren Einstellung er tätig werden könnte. Sehr beliebt ist gewesen, etwas angeblich zum Guten zu tun, aber es darf ja keiner wissen.
Oder Schaden zur Vermeidung von schädlicher Entwicklung, dass jemand rechtzeitig beeinflusst werden muss. Im MFS-Lexikon des Bundesarchivs heißt es, die Motive zur Kooperation mit dem MFS seien überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener Erpressung gewesen. Und die Kooperation werte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger.
Eckart Hübner hat in seinen Stasi-Akten die Namen von 42 inoffiziellen Mitarbeitern gefunden. Und er vermutet, dass es in seinem Umfeld noch einmal so viele gab, die nicht in den Akten stehen. Von den IEMs hat sich eine persönlich bei mir entschuldigt. Mit einem zweiten habe ich ein klärendes Gespräch geführt. Und bei all den anderen ist gar nichts dabei rausgekommen. Sondern da hieß es dann noch, es hat doch keinem geschadet.
Oder sie waren dann einfach nicht mehr greifbar. Die Stasi und diese Denkmuster, meint er, wirken bei diesen Leuten bis heute nach. Ich sagte schon, von den EMs haben sich zwei vielleicht halbwegs vernünftig verhalten. Und bei den anderen, die sind verfestigte, auch bösartig verfestigte Feindbilder übrig geblieben. Und natürlich keine Kritikfähigkeit gegenüber sich selbst, dass das, was da gelaufen ist,
erstens nicht richtig war, zweitens, dass es gar nicht aus ihm selbst gekommen ist, sondern dass er dazu beeinflusst worden ist, beziehungsweise aufgestachelt worden ist, sich so zu verhalten. Und dass keine Klärung mehr erfolgen kann, Retrograd, weil Leute dann einfach so auch alt sind und einfach verfestigte Ansicht haben und leider das in Teilen der nächsten Generation weitergeben.
Das Ministerium für Stadtsicherheit der DDR war, gemessen an der Bevölkerungszahl des Landes, der größte geheimdienstliche Sicherheitsapparat. Und das, worüber wir mit Eckhard Hübner gesprochen haben, ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, wofür die Stasi zuständig war.
Da gab es den von Markus Wolf geleiteten Auslandsgeheimdienst, der nicht nur viele Spione erfolgreich in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern eingesetzt hat, sondern der sogar den Sturz eines Bundeskanzlers herbeigeführt hat. Im Mai 1974 trat Willy Brandt zurück, nachdem sein Kanzleramtsreferent Günther Guillaume als DDR-Spion enttarnt wurde. Oder
Es gab einen Alexander Schalk-Golodkowski, der mit dem bayerischen Ministerpräsident Franz Josef Strauß Anfang der 80er Jahre den Milliardenkredit für die DDR einfädelte. Er war ein Oberst des MFS. Aber was die DDR-Bürger am meisten bewegte, als sie im Januar 1990 die Stasi-Zentrale in Ostberlin stürmten, das war die Bespitzelung und Verfolgung der eigenen Bevölkerung.
Und während der Fall Guillaume und das Wirken eines Alexander Schalk-Golodkowski nur noch Themen für die Historiker sind, wirkt der Einsatz der Stasi gegen alle Formen abweichenden Verhaltens in der DDR bei den Menschen, die davon betroffen waren, bis heute nach. Auch Ecker-Thübner hat mir gesagt, dass die Bespitzlung bei ihm Spuren hinterlassen hat. Ja, ich bin schon extrem misstrauisch.
Ich kann aber davon absehen, und was geblieben ist, ist dieser sechste Sinn, dass ich merke, irgendwas läuft nicht so, wie es hätte laufen können nach logischen Dingen. Irgendwas ist da im Spiel, was auf eine andere Ebene, jemand tut es aus Motiven, die er nicht gesagt hat.
Und das halte ich für einen großen Gewinn an Lebenserfahrung. Aber auch wenn er von der Stasi verfolgt wurde, hat er es nicht bereut, in der DDR geblieben zu sein. Dennoch habe diese Verfolgung, Bespitzlung und Zersetzung dazu beigetragen, dass er vorzeitig pensioniert worden ist.
Trotzdem, und das hat mich wirklich beeindruckt, schaut er heute ohne Bitterkeit zurück. Also für mich waren die DDR Jahre ganz, ganz wichtige Jahre. Kindheit und Jugendjahre und Erziehung und dass man Bildung findet auch da, wo sie einem verwehrt wird. Und dass ich widerständiger und aufmüpfiger geworden bin von Jahr zu Jahr.
Da bin ich den Verhältnissen sehr, sehr dankbar, weil das brachte mich auch in gerade Beziehung zu meinem familiären Erbe. Also passt direkt dazu. Und dass ich mitarbeiten konnte in einem Untergrund und also unschätzbare Leute kennengelernt habe, die alle auf ihre Weise mühevollen Weg hatten. Und dass ich auf die Weise auch helfen konnte, dass die DDR untergeht. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Stell dich mitten
Eckhard Hübner konnte in der DDR bleiben. Andere wurden von der SED und der Stasi vertrieben. Von Rainer Kunze haben wir gehört, Wolf Biermann wurde im November 1976 während einer Konzertreise in der Bundesrepublik ausgebürgert.
Das führte zu einem bis dahin nicht gekannten öffentlichen Protest von Schriftstellern und Intellektuellen. Darum geht es in der nächsten Folge von Deine Geschichte, unsere Geschichte. Unser Zeitzeuge ist dann Eckehard Maas, der sich selbst als einer der treuesten Freunde und Vertreiber Biermanns Lieder bezeichnet.
Der Liedersänger, Publizist und Übersetzer wurde damals wegen des Sammelns von Unterschriften gegen Biermanns Ausbürgerung von der Humboldt-Universität religiert. Getroffen habe ich ihn in Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg, dort wo er 1978 den wohl wichtigsten literarischen Salon der DDR gründete.
Sabine und Matthias haben den Podcast diesmal mit uns produziert. Ihr findet, sie finden diese und alle anderen Podcastfolgen in der ARD Audiothek. Fotos, Filme und Texte zu den einzelnen Folgen gibt es unter ndr.de-geschichte. Und über Lob und Kritik freuen wir uns unter der E-Mail-Adresse deinegeschichte.ndr.de. Deine Geschichte in einem Wort. Bis zum nächsten Mal. Tschüss. Ein Podcast von NDR Info.
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