Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts Zeitverbrechen. Wir sind, liebe Sabine, umgezogen. Ja, wir sind umgezogen, nur über die Straße. Wir haben jetzt ein Studio, ganz in der Nähe der Zeit. Unsere Möbel haben wir mitgenommen.
sodass wir da auch weiterhin drauf sitzen können. Ich fühle mich wie immer wohl neben dir. Ja, dankeschön. Aber wir saßen normalerweise nicht nebeneinander auf dem Sofa, sondern ich saß auf dem Stuhl. Da sitzt aber heute unser Gast. Genau. Bei uns ist Martina Keller, Wissenschaftsjournalistin bei uns in der Zeit als Autorin.
Und sie war auch schon mal bei uns in diesem Podcast mit einem sehr, sehr ungewöhnlichen Fall, der damals in den Niederlanden verhandelt wurde. Aber die Angeklagte war eine Deutsche. Diese Folge hieß damals Fluch des letzten Willens und ist im März 2021 ausgestrahlt worden. Es ging damals um eine Frau, die Alzheimer krank war.
die in gesunden Jahren beschlossen hatte, dass sie Alzheimer nicht selbst erleben möchte, sondern vorher sterben möchte mit Unterstützung einer Ärztin. Und als sie dann Alzheimer krank war, wollte sie leben.
Oder auf jeden Fall teilweise leben, immer mal wieder leben und wurde dann aber trotzdem von dieser Ärztin und den Verwandten getötet, auf den Willen sich beziehend, den sie geäußert hat, als sie noch gesund war. Das war damals das große Thema. Heute haben wir ein ähnliches Thema, Martina. Um was geht es heute, sag es mir.
Heute geht es um Suizidassistenz, Suizidhilfe. Das ist erlaubt, man darf beim Suizid helfen. Allerdings gibt es eine ganz wesentliche Voraussetzung. Derjenige, der sich selbst das Leben nehmen möchte, muss das aus freiem Willen tun. Also wenn ich jetzt nicht mehr leben möchte, dann muss ich nicht begründen, warum ich nicht mehr leben möchte, sondern ich muss nur sagen können, ich bin bei klarem Verstand wie jemand, der ein Testament aufsetzt.
Und ich möchte jetzt sterben und ich brauche dazu Hilfe, damit ich mich nicht aus dem Fenster stürzen muss oder von Brücken oder es irgendwie selber in die Wege leiten muss. Ist das so richtig? Ja, es gab ein wirklich historisches Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020. In diesem Urteil haben die Verfassungsrichter gesagt, dass es nicht von einer schweren Erkrankung abhängt oder von der Lebensphase, ob
ob man sich das Leben nehmen darf, sondern sie haben dieses Recht, selbstbestimmt das eigene Leben zu beenden, sehr hoch verankert. Sie haben es aus der Verfassung abgeleitet und sie haben zudem die bis dahin existierende Strafnorm vernichtig erklärt. Es gab fünf Jahre lang ein Gesetz, das
die geschäftsmäßige Förderung der Suizidhilfe verboten hatte. Und die Richter sagten dann, durch diese durchaus in den Motiven des Gesetzgebers nachvollziehbare Normen werden die Möglichkeiten, sich selbst mithilfe das Leben zu nehmen, zu sehr eingeschränkt. Was muss ich mir vorstellen unter geschäftsmäßiger Suizidhilfe? Wie sieht das aus? Wer macht das?
Was sind das für Leute? Geschäftsmäßig heißt erstmal nicht, wie man erstmal denken würde, das geht da um Profit, sondern geschäftsmäßig heißt auf Wiederholung angelegt. Das Gesetz zielte allerdings auf Sterbehilfeorganisationen und der Gesetzgeber hat damals Sorge gehabt, dass das eine riskante Form der Suizidhilfe ist.
Die haben teilweise etwas aggressiv Marketing für sich gemacht. Damals war der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch in den Schlagzeilen, als er so eine Selbsttötungsmaschine vorgestellt hatte.
Und der Gesetzgeber hat auch nach Auffassung des Verfassungsgerichts durchaus zu Recht Sorge gehabt, dass das riskant sein könnte. Aber es gab eben viele Verfassungsbeschwerden gegen diese Norm und das Gericht hat dann eben dieses Urteil gefällt, dass das zu stark einschränkend war, dieses Gesetz und
Hat dann aber eine Entscheidung eben getroffen, die selbst die Betreiber der Suizidassistenz sehr überrascht und die sehr gefreut hat. Nämlich eben, dass Suizidassistenz letztlich ein verfassungsgemäß geschützter Anspruch ist, dass es also jedem Menschen eigentlich frei steht, wenn er sich aus freiem Willen entscheidet, sich da Unterstützung zu holen. Diese Maschine finde ich nochmal ganz spannend, die Maschine von Kusch.
Es ging damals, erinnere ich das richtig, um Menschen, die kaum noch bewegungsfähig sind, die jetzt nicht in der Lage sind, ein Medikament zu schlucken oder so, sondern die vielleicht noch einen Finger bewegen können, um einen Motor in Gang zu setzen, der eine Spritze verabreicht. Wir bewegen uns ja ganz oft in so Fällen, wo Menschen in Grenzsituationen sind. Entweder sind sie schwer erkrankt, sind manchmal psychisch schwer erkrankt.
Und interessant ist ja, was das Bundesverfassungsgericht gemacht hat, dass es einfach aus diesem, jeder hat das Recht sich selbst zu töten, ableitet, darum ist es auch nicht strafbar dabei zu helfen. Das war immer so. Also wenn etwas nicht strafbar ist, dann kann auch die Hilfe dazu nicht strafbar sein. Das ist nicht so überraschend, sondern überraschend war damals, also auch für die Betreiber von Suizidassistenz,
Dass es nicht an bestimmte Krankheitszustände gebunden ist, dieser Anspruch, sich helfen zu lassen. Dass es nicht an eine bestimmte Lebensphase gebunden ist. Also du kannst auch als 20-Jähriger zu dem Schluss kommen oder als 22-Jähriger ist bestimmt eher selten, aber dass du dir das Leben nehmen möchtest.
Und kannst dir dann, wenn es eine freie Entscheidung ist, Hilfe dabei holen. Und das Verfassungsgericht hat eine ganz wesentliche Voraussetzung definiert, eben die Freiverantwortlichkeit. Ein juristischer Begriff meint den freien Willen. Und dann hat es auch Unterkriterien genannt, das Gericht, wie man den vielleicht definieren kann. Zum Beispiel frei von einer akuten psychischen Störung. Weil man weiß, dass sehr viele Menschen, die sich das Leben nehmen, an
einer psychischen Störung leiden und die kann den freien Willen beeinträchtigen. Dann sollte dieser Entschluss nicht so aus einer Momentslaune heraus getroffen werden. Er muss von Dauerhaftigkeit und innerer Festigkeit sein, wobei nirgendwo definiert ist, was heißt denn jetzt dauerhaft? Sind das drei Tage, drei Wochen, drei Monate, noch länger? Darf man schwanken? Denn Ambivalenz von Todeswünschen ist ein ganz großes, also ein ganz wichtiges Kriterium. Also das beobachtet man eigentlich
Fast immer. Und dann sollte oder muss dieser Entschluss frei sein von Zwang. Also man kann sich ja vorstellen, dass Angehörigen sagen, deine Pflege, das wird zu teuer oder wir können es nicht mehr leisten und dann Druck machen. Das passiert in der Praxis wohl eher nicht. Aber das ist zum Beispiel ein Aspekt, der gegeben sein muss. Also frei von Druck oder auch Täuschung. Also wenn jemand über seine Lebensperspektiven getäuscht wird oder so und dann deswegen nicht frei entscheiden kann.
Das ist sehr unkonkret. Was heißt getäuscht? Also wenn man eben sagt, du wirst bald sterben, du bist schwer krank, ist das aber gar nicht. Also die in Faust der Prognose ist falsch. Nein, das kann ich jetzt nicht so sagen. Also ich habe ein Beispiel vor Augen, wir werden ja gleich noch über Gerichtsverfahren sprechen, wo der Suizidhelfer in einem bestimmten Punkt die Frau, der beim Suizid geholfen hat,
hat nach Auffassung des Gerichts. Einen ganz wichtigen Aspekt muss ich noch nennen, was das Verfassungsgericht auch als Voraussetzung definierte. Nämlich, man muss über die Alternativen zum Suizid informiert sein. Also wenn jemand zum Beispiel gar nicht weiß, dass die
durchaus schlimmen Schmerzen, die er oder sie hat, dass die ihm genommen werden können, dass es palliativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten gibt, überhaupt Behandlungsmöglichkeiten, auch bei psychischen Erkrankungen, dann ist das auch keine freie Entscheidung in dem Sinn, wie das Bundesverfassungsgericht sich das vorstellt. Das heißt, man muss gut informiert, aufgeklärt, informiert auch diese Entscheidung treffen. Du hast vorhin gesagt, geschäftsmäßig meint jetzt nicht,
Finanziell, aber umsonst werden die das nicht machen, diese Sterbehelfer, oder? Was kostet denn das?
wenn man sich da helfen lassen will beim Sterben? Das ist unterschiedlich, aber es kostet durchaus. Also zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, also der größte Akteur der Szene, der Suizidhilfe vermittelt, sagt, dass pauschal eine Einzelbegleitung 4.000 Euro kostet, eine Doppelbegleitung zum Beispiel von Ehepaaren 6.000 Euro. Dann gibt es den Verein Sterbehilfe mit einem
Ja, der Sitz ist in Zürich, aber die haben hier ein Hamburger Büro. Dort ist es gestaffelt, also wenn man schon sehr lange Mitglied ist, dann kann die Suizidassistenz auf 2000 Euro heruntergehen, aber wenn man gerade frisch eintritt in den Verein, dann sind es mehr als 7000 Euro und bei Dignitas Deutschland weiß ich es gerade nicht genau.
Dann gibt es daneben aber auch noch eine Vielzahl von Einzelpersonen, die Suizidhilfe leisten. Das ist ja nicht geregelt. Wer es darf, im Prinzip darf es eigentlich jeder. Muss es ein Arzt sein, der da sitzt? Nein, es muss kein Arzt sein. Also medizinische Kenntnis ist nicht vorgeschrieben. Es ist allerdings so, dass ich...
Sterbewillige oft an Ärzte adressieren, weil sie natürlich möchten, dass es klappt. Aber es ist nicht so, dass das vorgeschrieben ist. Martina, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gab es Bundestagsabgeordnete, die sich zusammengetan haben und an Gesetzentwürfen gearbeitet haben, weil sie gesagt haben, jetzt muss man das aber trotzdem verfolgen.
irgendwie regeln. Wir können schon jetzt vorwegnehmen, es gab ursprünglich mal drei Gesetzentwürfe, die liegen hier hinter mir auf dem Tisch. Insgesamt 60 Seiten zu lesen ungefähr. Es wurden dann zwei, beide sind gescheitert. Das heißt, wir haben noch, sagen wir mal, eine relativ ungeregelte Situation. Und das Interessante daran ist, jetzt wird es spannend, in die Gerichte zu schauen, die in Zweifelsfällen
über solche Fälle entscheiden müssen. Und wir gehen jetzt mal in den Januar 2024. Da steht vor dem Landgericht in Essen Johann Spittler. Wer ist Johann Spittler? Johann Spittler ist ein Neurologe und Psychiater im Ruhestand. Er ist jetzt 82 Jahre alt, also er ist über 80 Jahre alt.
Er ist wohl einer der bekanntesten deutschen Suizidhelfer. Also er hatte schon 2003 seine erste Suizidbegleitung gemacht. Dann hat er während der Phase, wo es den Paragraf 217 gab, es nicht mehr getan, weil er es öfters gemacht hat, ja geschäftsmäßig gewesen wäre. Das waren diese fünf Jahre des Verbots. Das waren die fünf Jahre des Verbots und seit 2020 war er sehr aktiv, hat also bis zu
zu dem Zeitpunkt, wo er nicht mehr durfte, 116 Menschen beim Suizid unterstützt. Jetzt steht er vor Gericht. Warum wird ihm jetzt der Prozess gemacht? Ihm wurde der Prozess gemacht, weil er einem psychisch kranken Mann beim Suizid geholfen hatte. Und das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Mann nicht vorbeikommt.
frei entscheiden konnte in dem Moment, wo er die Suizidhilfe bekommen hat und wo er auch einen Spittler kontaktiert hatte. Das ist ein ganz wichtiges Kriterium, das das Bundesverfassungsgericht auch aufgestellt hat, die freie Entscheidung. Du hast vorhin schon mal ganz deutlich darauf hingewiesen, das ist eigentlich das Thema der heutigen Folge.
Ist der freie Wille, ich möchte jetzt sterben, wirklich gegeben? Und darum, lass uns doch diesen Patienten einmal ganz genau angucken. Oliver H. heißt er in deinem Text. Wie alt ist der denn, der Oliver H.? Der war, als er starb, 42 Jahre alt. Also noch relativ jung. Ja. Erzähl mal, was der für ein Leben hatte und warum er sterben wollte.
Er war seit mehreren Jahren, seit vielen Jahren psychisch krank. Also es war 2007 erstmals bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Er war auch mehrfach in psychiatrischer Behandlung im Krankenhaus, hatte auch Therapien durchgeführt.
Er hat zwar noch erst einige berufliche Tätigkeiten ausüben können, aber irgendwann hat er das nicht mehr gekonnt oder hat seine letzte Stelle dann verloren. Vielleicht, weil er überfordert war, dass es konnte nicht ganz klären oder vielleicht, weil er einen Konflikt hatte mit einem Angehörigen des Chefs. Er hat dann bei seiner Mutter in so einer Einliegerwohnung gelebt.
Er hatte, bevor er den Herrn Spittler kennenlernte, eine Phase von drei Jahren, wo es ihm besser ging. Also er war ja sonst von Ängsten getrieben, hatte eben auch teilweise Wahnvorstellungen, also er hatte so Verfolgungsideen. Er hatte dann aber eine Partnerin gefunden, die auch psychisch krank war, aber während dieser drei Jahre ging es ihm recht gut. Er hatte in der Endphase wohl dieser Beziehung die Medikamente, die er immer bekam, selbstständig abgesetzt.
Sein Zustand verschlechterte sich dann wieder, er konnte nicht alleine bleiben, es kam auch zur Trennung. Und dann war er verzweifelt über seine Situation und hat dann versucht, sich selber zu kurieren. Er war auf ein Fachbuch gestoßen, das er aber ganz falsch verstanden hatte. Er hat dann eine Selbsttherapie mit hochdosierten Kortison unternommen. Die hatte nicht die Folge, dass seine psychische Krankheit kuriert war, er hatte das Buch auch ganz falsch verstanden bekommen.
sondern dass er einen grauen Starr auf beiden Augen entwickelte. Er hat sehr hohe Kortisondosen genommen. Wo hat er die denn hergekriegt? Die hat er sich beschafft. Das war ein hochintelligenter Mann. Der hatte sich irgendwie über das Internet das beschafft. Und er hat Dosen genommen, die wirklich gefährlich waren. Und als Nebenwirkung dieser Selbsttherapie hat er dann ein Augenproblem bekommen. Er hatte dann auf beiden Augen einen Katarakt. Also er war jetzt nicht nur psychisch krank, sondern auch noch krank.
Er hatte das Problem, aber grauenstark kann man behandeln. Er war aber tief verzweifelt über diese selbst zugefügte Schädigung und hatte dann auch die Vorstellung, er würde erblinden. Das ist aber nicht der Fall. Aber in dieser Phase hat er dann insgesamt drei Suizidversuche unternommen.
Er war dann auch dreimal in psychiatrischer Behandlung im Uniklinikum Münster. Wie hat er denn die Suizidversuche unternommen? Du schreibst von schweren Suizidversuchen. Was ist ein schwerer Suizidversuch? Naja, es war gefährlich. Er hätte da auch sterben können. Aber ich sage jetzt nicht im Einzelnen, welche Tode er gewählt hat. Denn man weiß, wenn man über Methoden erzählt, dass das Menschen ja beherrscht.
beeinflussen kann oder man nennt das den sogenannten Werter-Effekt. Deswegen möchte ich da nicht gerne ins Detail gehen. Völlig verständlich. Wir sollten auch nochmal zur Kortison-Hochdosis-Therapie sagen. Das ist wirklich ein großes Missverständnis, dem er da aufliegt. Ein großes Missverständnis. Also bitte keine Zusammenhänge zwischen Schizophrenie und Hochdosis-Kortisonen.
Nein, auf keinen Fall. Er hatte da etwas völlig falsch verstanden, aber dann eben in eigener Regie und auch ohne ärztliche. Aber das ist kein Thema, das ist keine Behandlung für Schizophrenie. Nein, nein, aber er hat sich dadurch eben Schaden zugefügt, der ihn weiter in die Krise getrieben hat. Und er hat auch diese Vorstellung gehabt, er ist selber schuld, das sei für ihn wie ein Todesstoß. Also er ist dann sehr verzweifelt gewesen.
Und war dreimal in psychiatrischer Behandlung in der Uniklinik Münster. Dort hat man dann auch sein Augenproblem untersucht, hat festgestellt, das kann man gut behandeln. Er hat dann eine Operation gemacht im März, da hatte er schon zwei Suizidversuche hinter sich, die war erfolgreich. Er hatte wieder 100 Prozent Sehkraft auf dem einen Auge.
Das zweite Auge wurde dann noch im Mai 2020 operiert. Dann hatte er auch einen recht guten Erfolg, 63 Prozent Sehkraft. Und ein Sachverständiger, Zeuge vor Gericht, sagte dann, dass seine Sehfähigkeit absolut alltagstauglich war. Er konnte lesen, er konnte fernsehen, er konnte Auto fahren. Also er hatte kein gravierendes, sich immer weiter verschlechterndes Sehproblem. Aber das war seine Überzeugung, die so eine Art hypochondrischer Wahn hat, der
der Sachverständige Psychiater vor Gericht dann so das eingeordnet. Das wird gleich noch, darum reden wir darüber, solange er eine wichtige Rolle spielen. Denn genau seine Sehbehinderung, seine Einschränkung nennt er gegenüber Johann Spittler als ein Argument, warum es ihm jetzt so schlecht geht und warum er diesen Sterbewillen entwickelt hat. Und Spittler, das wird das Gericht feststellen, guckt eben nicht ganz genau hin, was da jetzt eigentlich wirklich in Sachen Sehkraft bei ihm passiert.
passiert ist. Wie kam er denn auf Spittler? Den hat er im Internet gegoogelt, denke ich. Und er hat ihn dann angeschrieben und Herr Spittler hat sich dann auch gleich zurückgemeldet.
Und Herr Spittler hat dann, wie er es üblicherweise tut, sich erstmal einen ausführlichen Lebenslauf von dem Mann schicken lassen und hat Krankenunterlagen angefordert. Und der junge Mann hat ihm den Lebenslauf geliefert, hat dann Krankenunterlagen auch geschickt, allerdings hat er
den Arztbrief von der letzten Klinikbehandlung in Münster vom Mai 2020 nicht mitgeschickt. Von der psychiatrischen Klinik oder von der Augenklinik? Von der psychiatrischen Klinik. Er hat auch nicht die augenärztlichen Unterlagen mitgeschickt. Und bei seinen drei Klinikaufenthalten
zwischen Ende 2019 und Mai 2020 war jedes Mal in der Psychiatrie eine akute paranoide, also mit Wahnvorstellungen verbundene Schizophrenie diagnostiziert worden plus eine mittelgradige depressive Episode. Das sind so Begriffe, die sind in einem internationalen Diagnoseschlüssel ICD-10 so formuliert. Der kam mir schon öfter vor. Ja.
Und den letzten Arztbrief hat er nicht mehr mitgeschickt. Das war kurz bevor er auf Spittler traf. Und dieser dritte Aufenthalt war...
von Verfolgungsängsten geprägt gewesen. Es war die Corona-Zeit, die Klinik war abgeschirmt, aber er hatte Angst, dass in die Klinik jemand eindringen und ihn umbringen könnte und er war so überzeugt davon, dass ihm da Gefahr drohte, dass er eine Nacht lang mit gepackter Tasche an den Stationskasten
Tresen stand und nach Hause wollte und die Ärzte haben dringend abgeraten, dass er geht, fanden ihn dringend behandlungsbedürftig und haben ihn dann aber, als dann sein Vater sich bereit erklärte, ihn abzuholen, dann in dessen Obhut entlassen. Aber das war der letzte Klinikaufenthalt und
Die Diagnose war wie bei den Zweien zuvor akute paranoide Schizophrenie und mittelgradige depressive Episode. Also er hat sehr gelitten. Es ist ein großes Leid, was du da schilderst. Ja, er war sehr krank. Es war eine sachverständige Zeugin, die damals verantwortliche Psychiaterin auch vor Gericht gewesen. Und sie hat gesagt, das war ein wirklich schwerer Fall. Der ist ihr ja sehr gut in Erinnerung geblieben. Oliver H. hat jetzt, wie du sagst, im Vorjahr,
vermutlich im Internet recherchiert, ist auf Johann Spittler gestoßen, hat Spittlers Wünsche, schickt mir einen Lebenslauf, schickt mir Krankenakten, die hat er erfüllt, zum Teil jedenfalls. Es kommt zu einem ersten Gespräch, das ist der 12. August 2020 und das Gespräch findet nicht nur zwischen den beiden statt, habe ich bei dir nachgelesen. Es war das erste und
Auch das letzte persönliche Gespräch vor der Suizidhilfe. Und bei dem Gespräch war die Mutter des Patienten dabei. Also Herr Spittler schätzt es, wenn Angehörige dabei sind. Es spricht auch da nichts gegen, dass bei einem Gespräch Angehörige dabei sind. Es ist ja eigentlich gut, wenn sie einbezogen werden. Aber es ist natürlich dann wichtig, noch mal ein Gespräch anzunehmen.
alleine mit demjenigen zu führen, weil zum Beispiel er lebte in dieser Einigerwohnung im Haus der Mutter, die sich sicher sehr um ihn gekümmert hat und es war aber zum Beispiel eine der Behandlungsmöglichkeiten oder der Maßnahmen, die ihm hätten helfen können, war nach Einschätzung der Psychiater, dass er vielleicht in eine Art Wohneinrichtung kommt, in ein betreutes Wohnen.
Man hatte festgestellt, wenn er nach dem Klinikaufenthalt dort wieder in diese Einigerwohnung kam, dass er dann sehr passiv wurde, nur noch Fernsehen geschaut hat.
Also offenbar hätte es da Möglichkeiten gegeben, die vielleicht, ja. Seine Einsamkeit ein bisschen abzustellen. Darum geht es ja auch in so einer Wohngemeinschaft. Wahrscheinlich, also ein anderes Umfeld. Er saß da bei seiner Mutter drin und ist da oben versauert. Das war die Besorgnis. Ich glaube, so würden Psychiater das nicht ausdrücken. Aber sicherlich war das eine Situation, die...
man hätte vielleicht verändern können. Das hätte ihm nach Einschätzung der Psychiater gut getan. Also eine Möglichkeit, in diesem familiären Kontext, so wie er existierte, aufzubrechen. Und dann ist es natürlich problematisch, wenn das einzige Gespräch in Anwesenheit der Mutter stattfindet. Ja, er wurde dann von Herrn Spittler gefragt, ob er sich sowas wie betreutes Wohnen vorstellen könnte. Und das hat er entschieden abgelehnt in Anwesenheit der Mutter, was natürlich aber der psychiatrische Gutachter, der den gesamten Prozess begleitet,
hat, dann für problematisch hielt, weil wie frei kann man sich dann äußern in so einer Situation? Johann Spittler kommt zu dem Urteil, ich möchte diesem Mann helfen. Gibt es eigentlich auch so Fälle, wo nach so einem Gespräch dann Schluss ist, wo jemand dann sagt, ein Sterbehelfer dann sagt oder eine Organisation sagt nein und was passiert dann?
Sicherlich gibt es das. Eine Statistik darüber führen allenfalls Sterbehilfeorganisationen selbst. Also da gibt es nichts Äußeres, kein Register, wo sowas alles dokumentiert wäre, unabhängig. Das gibt es. Sterbehilfeorganisationen sind jetzt auch bei Menschen mit bekannter psychischer Krankheit verantwortlich.
Also sie lassen oft dann eben ein psychiatrisches Gutachten erstellen, um sich selber juristisch oder die Suizidhilfe juristisch abzusichern. Natürlich steht es menschenfrei dann weiter,
woanders wieder zu versuchen oder vielleicht da nochmal ein neues Gutachten erstellen zu lassen. Es geht ja darum, dass sie einfach in der Situation, wo sie diesen sehr gravierenden Entschluss fassen, sich das Leben zu nehmen, dass sie da wirklich frei entscheiden können. Und bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung gibt es ja Phasen, wo sie stabil sind, wo das vielleicht gerade nicht akut ist. Und in solchen Phasen ist es durchaus grundsätzlich möglich, das frei zu entscheiden. Aber eben das, was
muss man genau untersuchen. Wie kam denn Herr Spittler in diesem Fall von Herrn Oliver H. darauf, dass er frei entscheiden kann und dass er tatsächlich ein Fall ist, dem man beim Sterben helfen sollte? Was waren denn die Kriterien für Herrn Dr. Spittler?
Also für Herrn Spittler ist ganz wichtig, dass es eine Plausibilität gibt. Also dass derjenige folgerichtig plausibel erklären kann, warum er sterben möchte. Er hatte im persönlichen Gespräch keine Anzeichen von Wahn festgestellt. Er hat wohl bemerkt, dass der Mann entgegen seiner schriftlichen Wahrheit
Erklärung seines Lebenslaufs offenbar sehr gut lesen konnte. Also er hat ja erst mal gemerkt, dass er auf dem Handy ihm diesen Lebenslauf getippt hatte. Das hatte er so geschrieben. Dann hat er sich in der Wohnung gut bewegt. Er konnte lesen, unterschreiben. Also es war für Herrn Spittler offensichtlich, dass das mit dieser von dem Mann...
großen Beeinträchtigungen der Sehkraft, dass das nicht so weit her sein konnte. Dem ist aber nicht nachgegangen. Und er hat letztlich in seinem Befundsbericht, so hat er das genannt, zur Entscheidungsfähigkeit, Freiverantwortlichkeit, da hat er dann geschrieben, dass er sowohl für seine psychischen Probleme kaum eine Chance hätte auf Besserung und dass auch zudem er eine immer schwierigere Situation mit den Augen hat.
haben würde. Ich habe die genaue Formulierung jetzt nicht mehr im Kopf. Und er habe aber eben keine Anzeichen von Wahn feststellen können und er habe das sehr plausibel darlegen können, warum er sterben möchte und insofern hat er ihm diesen freien Willen so attestiert. Vor Gericht wird ein Video vorgeführt, das Johann Spittler selbst aufgenommen hat und das ist das Video der eigentlichen Suizidhilfe.
Es soll vor allem Johann Spittler schützen vor dem Vorwurf etwas anderes als Suizidhilfe, also etwa aktive Sterbehilfe geleistet zu haben. Vielleicht müssen wir an diesem Punkt einmal so die verschiedenen Begriffe, die so durch die Gegend geistern, rund um die Sterbehilfe und die Suizidhilfe einmal auseinandernehmen.
Die aktive Sterbehilfe, sozusagen Tötung auf Verlangen, wäre, wenn ein Arzt eine Spritze nimmt, eine tödliche Spritze, und diese Spritze verabreicht. Weil ich sage, ich möchte es. Weil du sagst, du möchtest es. Die ist in Deutschland verboten, die ist in fast ganz Europa verboten, mit drei Ausnahmen, die ich kenne, Niederlande, Luxemburg und Belgien, da ist es erlaubt. Und jetzt kommen Sterbehilfebegriffe, die, glaube ich, so ein bisschen in Auflösung begriffen sind.
Es gibt auf der einen Seite die passive Sterbehilfe, in der alten Terminologie sozusagen, man bricht eine Behandlung ab, eine indirekte Sterbehilfe, man gibt in einer Palliativ-Situation eine erhöhte Dosis Schmerzmittel, um Schmerzen zu lindern und nimmt in Kauf, dass jemand stirbt. Aber ich glaube, diese Begriffe sind gerade in Auflösung begriffen. Ist das richtig?
Ja, ich würde sie jetzt nicht mehr verwenden. Also Sterbehilfe ist ein Überbegriff, wo sich ganz vieles darunter fassen lässt. Also wenn man es ganz weit spannt von eben der Tötung auf Verlangen, die in Deutschland bei Strafe verboten ist, bis ja zu palliativer Begleitung am Lebensende, wo es darum geht, Symptome zu lindern, also die letzte Lebensphase auch lebenslos.
wert zu machen, auch jemanden zu unterstützen dabei. Man muss nicht mit Atemnot sterben oder mit großen Schmerzen oder mit gravierender Übelkeit. Man kann nicht alles am Lebensende lindern, aber man kann sehr, sehr viel tun und oft verschwinden dann auch Sterbewünsche,
Kann man sich ja auch denken, wenn man schwerste Schmerzen hat, dann möchte man vielleicht nur noch, dass es aufhört. Aber wenn die dann genommen werden, dann ist es schon wieder eine andere Situation. Und dazwischen gibt es dann eben zum Beispiel, kann jeder Mensch, der bei Bewusstsein ist, sagen, ich möchte eine bestimmte Behandlung nicht. Also man kann zum Beispiel, wenn man ein Dialyse-Patient ist und man möchte...
Das ist für Ärzte oft schwer, aber dann können diese Menschen unter palliativer Abschirmung, so ist dieser Fachausdruck, also sie sollen dann nicht Atemnot erleiden, aber man kann die Beatmung beenden.
Das ist alles legal und man kann auch sagen, ich möchte eine bestimmte Chemotherapie nicht mehr. Ich habe jetzt schon drei Zyklen hinter mir oder drei Behandlungslinien, wie die Ärzte sagen, die vierte möchte ich nicht mehr. Das ist das gute Recht und es ist sogar gute Medizin, wenn man nicht bis zum letzten Atemzug maximal beantragt.
Therapie betreibt, sondern vielleicht dann einfach Leiden lindert, die Symptome lindert. Das kann sogar mehr Lebenszeit und vor allen Dingen bessere Lebenszeit noch verschaffen. Und es gibt sogar die Möglichkeit, dass man zum Beispiel, wenn jemand ganz schwere Schmerzen hat, dass man eben ihm so viel Mittel gibt, dass man riskiert, dass er vielleicht etwas eher stirbt. Aber dann geht es darum, die Schmerzen zu lindern und nicht zu töten. Das ist alles legal und
Ja, die Suizidhilfe ist dann wiederum ein Sonderfall. Das ist, dass jemand sich selber das Leben nimmt. Und da ist ganz wichtig, die Juristen sagen, die Tatherrschaft. Also er muss es oder sie muss es selber tun. Und dazu, um das zu belegen, wird dann oft so ein Video gedreht, wie es auch Herr Spittler gedreht hat, um zu zeigen, nicht er hat diese Infusion in Gang gesetzt, sondern der Mann selbst. Mhm.
Was hat man ihm denn dann vorgeworfen? Wie kam die Sache denn jetzt an die Polizei oder an die Staatsanwaltschaft? Also assistierte Suizide wie auch Suizide sind unnatürliche Todesfälle und die müssen immer der Polizei gemeldet werden, sodass dann auch immer die Staatsanwaltschaft involviert ist. Und die schauen dann offenbar, ob es Anhaltspunkte gibt, dass
dort was anderes passiert ist, als was es deklariert ist, nämlich als assistierter Suizid. Und ja, dann kann es zu Ermittlungen kommen und auch zu Anklagen kommen. Wobei ich habe versucht mit Polizei und ja, mit Juristen, die da mit Ermittlern ins Gespräch zu kommen, aber das ist mir nicht gelungen,
Vielleicht auch aus guten Gründen, weil wenn die genau sagen, auf welche Kriterien sie gucken, dann ist das vielleicht ja auch ein Hinweis, wie man es macht, wenn man die täuschen möchte. Aber das ist jetzt Spekulation. Jedenfalls weiß ich nicht genau, wonach die das entscheiden. Angeklagt war er jedenfalls wegen Totschlags.
Ja, das ist eine durchaus anspruchsvolle rechtstheoretische Konstruktion. Totschlag in mittelbarer Täterschaft. Das heißt, der Suizidhelfer wird zum Täter, weil er den Suizidenten als Werkzeug gegen sich selbst benutzt. Also es klingt schon so kompliziert und es ist auch kompliziert. Und es ist sehr aufwendig zu recherchieren und zu beweisen. Und die zwei Urteile, die es bislang gibt gegen Suizidhelfer, sind auch komplex.
Sehr aufwendig recherchiert oder vor Gericht ermittelt worden und auch vorgerichtlich ermittelt worden. Also das eine Urteil ist 50 Seiten stark, das andere Urteil 90 Seiten stark. Und eines davon ist seines, nicht? Eines ist seins, ja. Was hat denn das Gericht nun festgestellt und was war dann die Konsequenz?
Das Gericht hat festgestellt, dass der Oliver H. zum Zeitpunkt, als er Spittler traf und auch zum Zeitpunkt seines Suizids, was zwei Monate später war, Entschuldigung, nicht frei entscheiden konnte, dass er unter einer akuten Paranoiden, also mit Wahnvorstellungen,
begleiteten Schizophrenie litt. Zudem unter einer eben mittelgradigen depressiven Episode. Und diese Depression, die hatte durchaus schwere Depressionen, die hat ihm auch nicht möglich gemacht, zum Beispiel Behandlungsperspektiven noch wirklich einzuschätzen. Also man konnte ihm zwar erzählen, deine Augen sind blutig,
jetzt wieder okay und mit einer Brille kannst du den letzten Rest auch noch wieder verbessern. Also das eine Auge hatte ja nur 63 Prozent Sehfähigkeit, was aber viel ist.
Das hat ihn, im Kopf konnte er das vielleicht aufnehmen und wiedergeben, aber es hat ihn nicht wirklich erreicht. Also er war zu einer realitätsgerechten Abwägung nicht mehr in der Lage, sagt das Gericht. Und diese Wahnvorstellungen, die er hatte, die waren ja nochmal beim letzten Krankenhausaufenthalt festgestellt worden und hatten ja auch dazu geführt, dass das vorzeitig abgebrochen wurde auf seinen Wunsch.
Und es war nicht davon auszugehen, dass ohne Behandlung, er hat nämlich dann auch Medikamente nicht weitergenommen, dass das von selber verschwunden wäre, bis der Herr Spittler ihn getroffen hat. Er wollte in einem Friedwald begraben werden und da wollte er kein Schild haben, damit ihn da keiner mehr ausgreift. Also dieser Verfolgungswahn bezog sich sogar auf seine Asche.
Genau. Er hatte Angst, dass irgendwie das Schild vielleicht oder die Grabstätte geständet werden könnte von irgendwelchen Rechten, die ihn verfolgten. Und ja, so weit gingen seine Ängste. Er war sehr von Ängsten geplagt. Er hat sich auch, das hat dann der leibliche Vater vor Gericht ausgesagt, beim Spaziergängen mochte er nicht unter Menschen gehen. Also die beiden haben sich dann ja zu Spaziergängen im Wald verabredet. Er hatte Angst, wenn Menschen drum waren, er ist...
Nach Aussage des Stiefvaters vor Gericht, weinend auf die Treppe runtergekommen aus seiner Wohnung. Sein Bruder hat gesagt, dass er immer nur noch davon sprach, sich das Leben nehmen zu wollen. Er war in einer wirklich ganz schlimmen Krise offenbar.
Zu welchem Urteil ist das Gericht gekommen? Das Gericht hat den Herrn Spittler wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Es hat strafmildernd berücksichtigt, dass der Herr Spittler eben schon älter ist, dass er nicht vorbestraft ist und dass er, um zu helfen, handelt aus Mitleid. Aber es hat ganz klar festgestellt, dass
Er schon die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht genannt hat, die ihm sehr wohl bekannt sind, dass er die eigenwillig umgedeutet hat, dass er die Diagnosen, die er gestellt hat, dass die fahmlosend formuliert waren. Und dass er sich nicht auch wirklich umfassend informiert hat, was die Vordiagnosen angeht, nicht? Von der Augenverbesserung wusste er nichts?
Ja, alle Erkenntnisse dienen dem Zweck festzustellen, war dann dieser junge Mann frei verantwortlich oder nicht und natürlich spielt das eine Rolle, wenn, ja in dem Fall hat er sich ja als Gutachter und Suizident betätigt, wenn der nicht alle Unterlagen vorliegen hat und
dann auch nicht nachhakt. Also zum Beispiel, das war ein Dialog, der mir vor Gericht hängen geblieben ist. Der Richter hat den Herrn Spittler darauf angesprochen, warum haben Sie eigentlich den Oliver Hahn nicht darauf aufmerksam gemacht, dass er ja offenbar seine Sehbeschwerden übertrieben darstellt. Und dann hat der Herr Spittler geantwortet,
das hätte an seinem Sterbewillen nichts geändert. Und dann hat der Richter gefragt, woher wissen Sie das? Und was sagte Spittler denn dann? Woher wissen Sie das? Und dann, was war die Antwort? Das weiß ich nicht mehr. Schweigen im Walde. Nein, die Antwort war ja, das hätte an seinem Sterbewillen nichts geändert. Martina, mir kommt es ein bisschen so vor, du hast vorhin so nebenbei fast erwähnt, Johann Spittler hat 116 Menschen beim Sterben begleitet. Seit 2020. Seit 2020, dass der Mann...
Nicht nur einer von vielen möglichen Sterbehelfern ist, sondern in gewisser Art und Weise auch Aktivist im Sinne der Sache sozusagen. Also er kämpft in gewisser Art und Weise dafür, diese Suizidhilfe für viele Menschen zugänglich zu machen, gerade auch für psychisch Erkrankte zugänglich zu machen.
Interessant ist dabei aber auch, seine Diagnosen, das hast du auch gerade gesagt, sind sehr unscharf. Er orientiert sich eben nicht an diesem Diagnoseschlüssel, der weltweit verbreitet ist. Und ich glaube, auch darauf hat der Richter ihn angesprochen. Dann kommt die schöne Antwort dazu,
Ich kann Schemata nicht leiden. Ich bin gegen Schematismus. Das heißt, er kämpft auch so ein bisschen gegen zu enge Regelwerke, oder? Ja, in diesem Fall. Also wir wissen ja nicht, was sonst gelaufen ist. Aber es ist so, dass er in seinem Lebenslauf so eine Situation hatte, die für ihn sehr einschneidend war. Er stand vor der Wahl, fristlos entlassen zu werden in der Universitätsklinik, wo er als Neurologe tätig war oder als Gutachter in Sozialmedizin.
medizinischen Dienst zu gehen. Und zwar hatte er da eine, so steht es auch im Gerichtsurteil, er hat es mir aber auch erzählt, es ging um einen Konflikt um die Patientenselbstbestimmung. Und er hatte damals, wohl nach Auffassung seines damaligen Chefs, eigenmächtig gehandelt. Also er hatte eine Frau mit Kreuzfeld Jakob, die in der Klinik war und schon im fortgeschrittenen Zustand war. Also das ist ja auch so eine Erkrankung, wo das Gehirn zerstört wird.
Dort hatte er dann nach Absprache mit dem Ehemann, der auch dann wohl Betreuer war, die Ernährung und Flüssigkeitszufuhr eingestellt. Das war 2002 oder 2003, also jedenfalls Anfang der 2000er. Das hat ihn dann letztlich diesen Job gekostet und es war ein Konflikt um Patientenselbstbestimmung, wie er es bezeichnet.
Also der mutmaßliche Wille der Frau wurde zugrunde gelegt. Ich weiß gar nicht, wie dieser Fall etwas später eingeschätzt worden wäre, aber das war sicherlich auch etwas, kann ich mir vorstellen, das ihn geprägt hat. Und da ist ein sehr eigenwilliger Mann, der auch, ist auch im Gerichtsurteil nachzulesen, der offenbar auch mit dieser Entscheidung im Fall von dem Oliver H. durchaus verfolgt.
vielleicht eine juristische Klärung herbeiführen wollte. Ihm war bewusst, schreibt das Gericht im Urteil dann später, dass man diesen Fall auch anders hätte beurteilen können und er wollte, dass juristisch geklärt wird. Also er hat
hat, ich sag's mal in meinen Worten, durchaus es drauf ankommen lassen. Also er hat auch sehr viel geredet, das schreibst du ja. Und er war auch nicht das erste Mal vor Gericht. Er stand ja schon das zweite Mal vor Gericht. 2019 hatte er bereits einen Prozess. Was war denn damals? Liebe Hörerinnen und Hörer von Zeitverbrechen, wir wollen euch auf ein Angebot aufmerksam machen.
In der Zeit und auf Zeit Online berichten wir über Kultur, Politik, das Weltgeschehen und immer wieder, ihr wisst es, auch über Verbrechen. Ein gratis Probeabo mit unbegrenztem Zugang, digital oder ganz klassisch gedruckt, gibt es unter abo.zeit.de slash Verbrechen. Und jetzt geht es weiter mit der heutigen Folge. Das war ein Prozess, der sich über mehrere Instanzen und Jahre zog. Er hatte zwei Hamburger
Frauen, ich glaube über 80, befreundet, die lebenssatt oder müde waren, Suizidhilfe geleistet. Und damals war er aber nicht angeklagt wegen Verstoß gegen Freiverantwortlichkeit des Suizidenten, also wegen Totschlag, sondern wegen unterlassener Hilfeleistung. Das Verfahren ging dann bis vor den
Bundesgerichtshof. Er wurde freigesprochen in unteren Instanzen, aber dann ging das eben in die Revision und dort wurde er wieder freigesprochen. Das Gericht kam dann zu der Auffassung, dass er nicht verpflichtet war, den Frauen, denen er beim Suizid geholfen hatte, in der Phase, wo sie dann ihr Bewusstsein verloren hatten,
ärztliche Hilfe angedeihen zu lassen, weil diese Frauen aus freiem Willen, so hat das Gericht geurteilt, eben nicht mehr leben wollten. Und dann ist der Arzt nicht mehr verpflichtet zu helfen. Dann ist diese sogenannte Garantenpflicht verpflichtet.
Das ist der juristische Ausdruck nicht mehr relevant. Und das war ein Urteil, was eben auch grundlegend war und ganz wichtig, weil es gab vorher die Diskussion über diesen Kipppunkt. Der Arzt kommt und bringt möglicherweise das tödliche Medikament mit im Sinne der Suizidhilfe und dann
fällt seine Patientin, sein Patient in die Bewusstlosigkeit und ändert sich jetzt in dieser Sekunde, in dieser Millisekunde quasi, die Rolle des Arztes. Er muss jetzt plötzlich zwanghaft
Ja, was natürlich absurd ist. Er kommt, um beim Sterben zu helfen und soll dann das Sterben verhindern. Das ist ja in sich ein Wahnsinn. Aber das war damals Gegenstand dieses Prozesses. Das war Gegenstand dieses Prozesses und eines zweiten Prozesses. Die beiden Verfahren wurden dann vor dem BGH zusammen verhandelt. Da waren eben dann zwei Ärzte vor Gericht und beide wurden dann freigesprochen in der Sache. Und es ist jetzt seither klar, dass...
In diesen Fällen, wenn jemand aus freiem Willen sich das Leben nimmt, der Arzt ist dabei, bleibt auch dabei, wenn dann Bewusstlosigkeit eintritt, dass er dann nicht verpflichtet ist, Hilfe zu leisten. Also ich glaube, die Suizidhelfer lassen sich das vorsorglich auch nochmal schriftlich bestätigen von den Suizidwilligen, den Sterbewilligen. Aber das ist seither geklärt. Der zweite Arzt, der damals mit ihm war.
vom BGH verhandelt worden ist. Um den geht es jetzt in unserer zweiten Geschichte, die du dabei hast. Christoph Turowski, der ist auch ein älterer, bereits quasi emeritierter Arzt. 75 ist er, glaube ich, zum Zeitpunkt des Prozesses. Der Prozess läuft fast parallel im Frühjahr 2024, nicht in Essen, sondern vor dem Landgericht Berlin. Wer ist Christoph Turowski?
Also emeritiert ist er nicht, sondern er ist ein Internist und Hausarzt im Ruhestand seit 2015. Auch Christoph Toroski ist ein bekannter Suizidhelfer seit 2020. Also dieser Prozess vor dem BGH hat ihm auch zu einer Bekanntheit verholfen. Es war damals sein erster Fall für Suizid.
Spittler war es damals nicht der erste Fall gewesen, aber für ihn war es der erste Fall von Suizidassistenz, der ihn dann vor Gericht gebracht hatte. Mit einem Freispruch endete das Verfahren. Herr Torowski hat dann seit 2020 auch angefangen, Suizidhilfe häufig zu leisten. Und zwar hat er mit der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben in aller Regel zusammengearbeitet, die ihm die Fälle vermittelt hat.
Und einige hat er auch in Eigenregie gemacht, zum Beispiel in dem Fall, wegen dessen er dann angeklagt worden ist. Darf ich dich mal fragen, du hast ja beide Ärzte kennengelernt, Turowski und Spittler persönlich gesprochen auch.
Was sind das für Leute? Wie haben die auf dich gewirkt? Wie die als Menschen sind, kann ich natürlich nicht beurteilen, weil so gut kenne ich sie nicht. Also Herrn Spittler habe ich schon mehrfach getroffen und oft gesprochen. Herrn Torowski habe ich auch zu einem langen persönlichen Gespräch getroffen und auch im Prozess beide erlebt. Was sie beide gemeinsam haben, ist die Überzeugung, dass zum Beispiel gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen diskriminiert werden in ihrem Suizidwillen.
Sie wollen denen helfen, Herr Torfsky nennt das seinen inneren ethischen Kompass, der gebietet ihm dann Menschen zu helfen. Das Gefährliche an dieser Haltung ist, man könnte sie als…
Überzeugungstäter bezeichnen. Aber Überzeugungstäter sind nicht unbedingt die besseren Täter. Also die besseren Menschen. Das gefährliche ist nämlich, dass sie vielleicht im Einzelfall nicht so genau dann hingucken, wie es der Einzelfall erfordert. Weil sie haben eine Überzeugung, die über den Einzelfall hinausgeht. Ja, sie haben eine Mission.
Kann man, glaube ich, so sagen. Also ich glaube, damit trete ich Ihnen nicht zu nah, weil Sie wirklich die Überzeugung haben, dass eben Menschen mit psychischen Erkrankungen es zu schwer haben, dass ihnen zu hohe Hürden gesetzt werden, um Suizid dafür zu bekommen. Der Richter, der das Urteil über Herrn Spittler verkündet hat, allein gefällt hat er es ja nicht, wird ja eine große Strafkammer gewesen sein, aber er hat es verkündet und er hat gesagt...
Der ärgste Feind der Einsicht ist die Absicht, so lese ich es in deinem Artikel. Es heißt Absicht, er hatte die Absicht, dass sein Patient Oliver H. stirbt. Oder was soll er sonst für eine Absicht gehabt haben? Also der Richter hatte da eine Formulierung des Verteidigers von Spittler aufgegriffen und umgedreht und auf Herrn Spittler angewandt. Ich würde jetzt nicht den Umkehrschluss draus machen, aber er sagt, der ärgste Feind der Einsicht ist die Absicht. Das heißt...
Die Beurteilung, so habe ich es verstanden, dieses Mannes war bei Herrn Spittler vielleicht überlagert von seinem Wunsch, psychisch Kranken beim Suizid zu helfen. Ja, wir reden ja gerade von dem, was über den Einzelfall hinausgeht. Ja, genau. Wie war es jetzt bei Herrn Torowski mit diesem neuen Fall, den zweiten, der vor Gericht gelandet ist, in Berlin? Genau, es geht um eine Patientin, Isabel R., die ist zum Zeitpunkt, den wir hier verhandeln, also zum Zeitpunkt der Verhandlung,
Suizidhilfe, 37 Jahre alt. Also auch jung. Auch jung. Mehr weißt du, Martina.
Ja, Isabel R. war Studentin der Veterinärmedizin. Sie hatte vorher eine andere Ausbildung gemacht, aber sie war dann engagiert in diesem Studium. Auch sie hat eine längere Krankengeschichte. Im Alter von 21 Jahren ist bei ihr erstmals eine Depression festgestellt worden. Sie hatte Klinikaufenthalte. Es gab auch einen Suizidversuch in der Vorgeschichte.
was ja das Risiko erhöht, dass es nochmal passiert. Sie ist dann 2013 nach Berlin gezogen. Sie kam aus dem süddeutschen Raum und hat dann dieses Studium der Veterinärmedizin aufgenommen, weil sie hatte auch den Wunsch, später dann im Tierschutz vielleicht tätig zu sein. Also sie war sehr tierlieb und
Sie hat dann eine relativ stabile Phase offenbar erlebt. Das haben die Aussagen von Zeugen, Zeuginnen vor Gericht und auch Krankenunterlagen belegt. Also das war von 2013 bis 2018.
18, 19 etwa ging es ihr wohl recht gut. Sie war von einer Freundin, wurde sie als so sehr offene, kommunikative Frau geschildert, die gern gereist ist, die gern viel gelacht hat, die auch so Geselligkeit geliebt hat. Sie hatte sich einen Freundeskreis aufgebaut. Sie selber hat ihn als gut bezeichnet. 2020 kam einiges zusammen, was offenbar dazu beigetragen hat, dass es ihr psychisch wieder schlechter ging. Also sie hatte erst sich von ihrem Neubau
Lebenspartner oder Freund getrennt. Sie hatte dann nicht mehr Zugang zu einem kleinen Garten, den der wohl hatte. Sie saß auch wegen der Corona-Zeit viel allein in ihrer kleinen Wohnung. Dann im Herbst war ein Baugerüst vor der
der Wohnung aufgebaut. Es war auch noch dunkel. Genau, es war dann dunkel in der Wohnung. Zudem stand ihr ein Praktikum in einem Schlachthof sehr bevor. Sie hatte schon ein anderes hinter sich gehabt und war entsetzt über den Umgang mit den Tieren. Und sie musste aber eben dieses Schlachthof-Praktikum noch absolvieren, um ihr Studium abzuschließen. Sie war schon sehr weit in ihrem Studium, hat alles geschafft. Aber das stand ihr sehr bevor. Und ja, da ist sie in eine Krise gerutscht.
Sie war auch fortlaufend noch so in Kontakt mit einem Arzt gewesen, der ihr psychiatrische Medikamente verschrieben hatte. Sie hatte auch eine Therapeutin, aber jetzt in dieser Situation hat sie den Kontakt wieder intensiviert. Das war vorher wohl eher sporadisch, aber dann hat sie gemerkt, es geht ihr schlechter und sie hat dann auch Suizidgedanken entwickelt. Also sie hat gleichzeitig in dieser Krise ärztliche Hilfe gesucht?
Aber die Suizidgedanken, ich glaube Corona hat ganz viele Menschen mit psychischen Vorerkrankungen oder in psychischen Krisen noch mal viel stärker in die Krise hineingetrieben. Und auch gesunde. Ich kenne selber Leute, die Kinder haben in der Entwicklungsphase, in der jugendlichen Phase, die dann auf einmal einen Psychiater gebraucht haben. Ganz schlimm. Und jetzt beginnt sie in dem Moment nach Suizidhilfe zu suchen? Ja, sie hat sich dann im
Juni 2021 an Herrn Torowski gewandt mit einer E-Mail und so etwas verklausuliert so angedeutet, dass sie wohl Suizidhilfe möchte, aber noch nicht ganz klar und Herr Torowski hat ihr dann gleich geantwortet und hat aber gesagt, dass er sie persönlich kennenlernen möchte und
Das war dann wenige Tage später schon der Fall. Also die haben sich dann verabredet im Juni 2021 und es gab ein anderthalbstündiges Gespräch. In diesem Gespräch hat sie ihren Suizidwunsch beantwortet.
sehr dringend gemacht. Herr Torowski, der sie alleine aufgesucht hat, hat ihr nahegelegt, sich an eine Sterbehilfeorganisation auch zu wenden, die mit einzubeziehen, weil das ist ja auch für ihn als Suizidhelfer wichtig, zu seiner Absicherung, das hat sie abgelehnt. Das dauerte ihr zu lange, weil dann muss man erst Mitglied werden und dann geht
Eine Wartezeit ins Land, die Zeit wollte sie sich nicht nehmen. Dann hat sie es abgelehnt, ihm Kontakt zu ihren Vorbehandlern zu ermöglichen. Sie wollte auch nicht, dass er Angehörige oder Freunde einbezog, weil sie die Auffassung hatte, die wollten sie nur vom Sterben dann bestimmt abbringen. Er hat nach Krankenunterlagen gefragt und sie hat gesagt, die seien jetzt nicht verfügbar.
Da käme sie jetzt nicht so schnell ran. Also sie hat ihm nur einen Operationsbericht oder so zu einem nicht psychiatrischen Problem übergeben, aber nicht die psychiatrischen Krankenunterlagen. Und das hat ihm ausgereicht?
Die war krank und die wollte was von ihnen. Und dann hat er gesagt, ja, aber die Behandlungsunterlagen waren ja nicht verfügbar. Das hätte sich später auch bestätigt. Also ein Teil der Unterlagen war offenbar selbst dem Gericht dann nicht zugegangen worden. Aber es gab natürlich Unterlagen, die auch zugänglich gewesen wären. Aber ich muss nochmal nachfragen, warum das so entscheidend ist. Denn wir haben ja ganz am Anfang gesagt, nicht, dass eine Irritation entsteht. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, jeder darf sterben.
Wenn er frei entscheidet.
Sondern das Entscheidende ist, kann er diesen Wunsch zu sterben wirklich frei äußern? Wir haben es gerade nicht ganz richtig formuliert. Vielleicht nochmal, du hattest gesagt, jeder darf sterben wollen. Das ist eine komische Formulierung. Also jeder Mensch kann sich suizidieren. Also da hat man ja auch nicht die Kontrolle drüber. Deswegen passieren ja auch viele Suizide im Affekt.
Aber es geht ja jetzt um den Anspruch auf Hilfe dabei. Also der Anspruch auf straflose, also legale Suizidhilfe, den hat ein Mensch nur, wenn er frei entscheiden kann. Und ein Suizidhelfer bleibt dann straffrei, wenn diese Entscheidung aus freiem Willen getroffen wurde. Aber wenn ich das jetzt nochmal umdrehe, entscheidend jetzt, was hier vor Gericht verhandelt wird, ist nicht, hilft Torowski einer Kriminalität,
Krankenperson beim Sterben oder eine Nicht-Krankenperson beim Sterben, sondern hilft Torowski einer Person, die frei entscheiden kann oder die nicht frei entscheiden kann. Und nur in diesem Kontext sind diese Patientenakten und sind diese Arztberichte über psychische Erkrankungen von so großer Bedeutung. Um das noch einmal klar zu machen. Genau, das ist ganz...
Und es heißt noch nicht mal, dass wenn er sich diese Unterlagen nicht beschafft hat und darauf verzichtet hat, wenn ihm das gereicht hat, dass er dann zu verurteilen wäre. Es geht tatsächlich darum zu erkunden,
in welcher Verfassung war die Frau damals, konnte sie frei entscheiden. Und es ist auch so, dass im Urteil, das später gefällt wurde, er bei der ersten Suizidhilfe, er hat nämlich ihr zweimal Suizidhilfe geleistet, das erste Mal ist schief gegangen, dass er im Fall der ersten Suizidhilfe freigesprochen wurde, weil nicht auszuschließen sei, dass die Frau entgegenkommt,
zu dem Zeitpunkt vielleicht noch frei entscheiden konnte. Sie war wohl beeinträchtigt durch ihre depressive Erkrankung, aber das Gericht hat gesagt, es ist nicht auszuschließen, dass sie vielleicht noch frei entscheiden konnte und im Zweifel für den Angeklagten. Das heißt, die Krankenunterlagen hatte er bei allen beiden Suizidversuchen, die in kurzem Abstand hintereinander waren,
jeweils nicht vorliegen, aber im ersten Fall hat das nicht zur Verurteilung geführt. Also das ist nicht das Kriterium. Es geht wirklich um den Zustand der Frau zum Zeitpunkt der Suizidassistenz. Und der war schwankend. Du schreibst zum Beispiel, am 5. Juli etwa schreibt sie ihrer Therapeutin, also wir reden jetzt von dieser sterbewilligen 37-jährigen Frau, die schreibt an ihre Therapeutin über ein Telefonat mit dem Herrn Torowski,
Jetzt habe ich mit dem Doktor Tod gesprochen und ihm gesagt, dass das ein Zeichen war, dass ich leben sollte. Nämlich das Schiefgegangene. Die schiefgegangene Suizidversuch. Sie bezieht sich dabei auf den Suizidversuch mit Tabletten, den sie überlebt hatte. Am 6. Juli geht eine WhatsApp-Nachricht direkt an den Arzt.
Ich hatte einfach zu großen Ärger, dass es wieder nicht klappt und ich erneut überlebe. Nochmal später schreibt sie, Hallo, ich habe mich gegen die Methode entschieden. Ich glaube, der liebe Gott hat noch Pläne mit mir. Selbst am Todestag ändert Isabel R. ihre Meinung noch innerhalb einer halben Stunde. Um 9.30 Uhr schreibt sie, Ich denke manchmal, es soll doch wohl noch weitergehen, auch wenn es hart wird.
Und Torowski schreibt dann an sie, ich verstehe ihre Not, fahren sie in die Heimat.
Und um 9.58 Uhr schreibt sie wiederum, die Isabel R., an den Arzt, am liebsten würde ich es heute machen, auch weil der Hund noch anderweitig untergebracht ist. Also da sieht man mal, wie sie hin und her gerissen ist, zwischen dem Wunsch, also ein eindeutiger, langfristiger, was du am Anfang gesagt hast, es muss eine eindeutige, langfristige Entschiedenheit da sein. Davon ist auch hier keine Rede. Das hat das Gericht so bewertet.
Also der Suizidwunsch muss von Dauerhaftigkeit und innerer Festigkeit sein und das Gericht hat bei der Urteilsverkündung die Nachrichten, die da hin und her gegangen sind, ausführlich vorgestellt, um auch zu zeigen, wie schwankend und ambivalent sie war, selbst an ihrem Urteil.
Todestag noch. Also die Frau war nach dem ersten gescheiterten Suizidversuch, also da hatte sie sich nach vier Stunden erbrochen, hatte dann eben nicht eine tödliche Dosis aufgenommen, war dann benommen, kam erst in einen
Notfallklinik und dann wurde sie gegen ihren Willen in eine geschlossene psychiatrische Station einer Klinik eingewiesen. Und dort war sie ungefähr zwei Wochen und war in dieser Zeit in ständigem Kontakt mit Herrn Torowski, was die behandelnden Psychiater nicht wussten. Und in dieser Zeit sind eben diese Nachrichten dann auch hin und her gegangen, das starke Schwanken. Ja, Herr Torowski allerdings
Er habe dann im Nachhinein das einmal so quantitativ ausgewertet und in 95 Prozent der Nachrichten sei sie für Sterben gewesen und nur in 5 Prozent gegen das Sterben. Und das war für ihn das Argument, dass er dennoch von innerer Festigkeit ausgehen konnte. Dem ist das Gericht aber nicht gefallen. Aufgrund seiner Menschenkenntnis? Naja, seine Menschenkenntnis hat er herangezogen für die Beurteilung ihres Zustands. Er hatte ja keine Akte gesehen.
Kein Arztbericht, gar nichts. Ja, und er ist kein Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie. Er ist Allgemeinmediziner. Das unterscheidet ihn auch von Arzt 1. Er ist Internist. Und er hat diese Fachkompetenz...
Nicht, er sagt aber, er hat ja als Hausarzt in den vielen Jahren seiner Tätigkeit oder Jahrzehnten seiner Tätigkeit auch Menschen mit psychischen Erkrankungen in Mitbehandlung gehabt und seine Berufserfahrung und seine Menschenkenntnis hätten ihm ermöglicht, dennoch das einzuschätzen, was für eine Verfassung die Frau war.
Wie hat denn das Gericht nun reagiert? Wie war denn das Urteil? Auch Herr Turowski ist zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen Totschlags. Wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft. Beide Verfahren sind nicht rechtskräftig abgeschlossen. Ach, immer noch nicht? Die schweben noch. Beide Verteidiger haben Revision beantragt beim Bundesgerichtshof. Aber ich hatte auch kürzlich nochmal nachgefragt, noch ist da nichts vorhanden.
passiert. Das eine Verfahren ist da schon eingegangen, das andere ist noch wohl beim Generalbundesanwalt, aber da ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Aber auch Herr Torowski ist verurteilt worden und zwar zum einen geht das Gericht davon aus, dass die Frau beim
zweiten Suizidversuch. Beim ersten ist er freigesprochen worden, hatte ich gerade erklärt. Beim zweiten nicht mehr in der Lage war, ihren Willen frei zu bilden, aufgrund ihrer Erkrankung. Das Gericht hat auch gesagt, dass von dieser inneren Festigkeit nicht auszugehen ist, was diese Sprachnachrichten sehr deutlich gemacht haben. Und hinzu kommt, dass
die Frau große Angst hatte, dass auch der zweite Suizidversuch nochmal scheitern könnte. Und sie hat den Herrn Torowski dann dringend gebeten, dass er, falls wieder was schief geht, dann nachdosieren würde. So hat sie das ausgedrückt und
Dass er dann nachhilft sozusagen. Dass er nachhilft und Herr Turewski hat ihr das versprochen, obwohl er nach Überzeugung des Gerichts das nie getan hätte, denn dann hätte er sich ganz klar der Tötung auf Verlangen entschuldigt gemacht. Das wusste er ganz klar, dass das eine Grenze ist, die er nicht überschreiten kann, weil er dann verurteilt werden kann. Also hat er sich belogen. Und er hat sich darüber getäuscht.
Das ist ein Fall von Täuschung. Also das Bundesverfassungsgericht hatte ja gesagt, man muss in Kenntnis der Alternativen handeln. Man darf nicht unter Druck sein und man darf nicht getäuscht werden. Und das ist so ein Aspekt. Das war ja eine Täuschung, denn sie ist davon ausgegangen, er tut das. Und das hat ihre Suizidentscheidung nach Auffassung des Gerichts entscheidend beeinflusst. Das Gericht geht davon aus, die hätte das womöglich nicht getan, weil sie eben so eine Angst davor hatte, dass es schief gehen könnte.
Interessant finde ich, wenn wir uns jetzt nochmal diese beiden Fälle vor Augen führen, die ja so in der Oberflächenstruktur einander ähneln, aber wenn man genau hinguckt, sich doch ganz deutlich unterscheiden, dass bei beiden das gleiche Strafmaß herausgekommen ist. Wie ist deine Wahrnehmung dazu, Martina?
Also ich glaube, was da bei dir im Kopf vielleicht abgeht, ist, ja der eine Mann war ja so schwerstkrank, der war von Wahnvorstellungen geprägt und diese Frau war ja in Anführungszeichen nur depressiv. Also der junge Mann hatte ja auch noch eine Depression dazu und dann kommen solche Werturteile im Kopf hinzu, die man verursacht.
vielleicht hat, ja, in dieser Situation versteht man es ja. In der anderen Situation da ist doch noch so viel zu machen. Also das ist eine ganz gefährliche Schiene und die ist auch nicht ausschlaggebend. Ich glaube auch nicht, dass der Andreas das gemeint hat. Entschuldigung, dann habe ich dich falsch interpretiert. Du hast nicht die Fälle unterschieden, sondern du hast die Ärzte unterschieden. Der eine wird von seinem eigenen Mandanten oder
von seinem eigenen Patienten getäuscht, indem er ihm nicht alle Unterlagen vorlegt. Der andere schaut sie sich erst gar nicht an, sondern verlässt sich auf seine Menschenkenntnis. Da ist doch ein erheblicher Rechercheunterschied, oder? Absolut, würde ich auch sagen. Aber ich fand deine Ausführung trotzdem sehr wichtig. Ich würde mir gar nicht anmaßen, von außen irgendwo hineingucken zu können und entscheiden zu können, wie groß ein Leid ist. Das fände ich anmaßend.
Aber der Blick auf diese Ärzte zeigt doch ein sehr unterschiedliches Verhalten. Der eine hat eben, wie gesagt, sehr doch gründlich recherchiert, ist getäuscht worden, weil ihm bestimmte Sachen nicht vorgelegt worden sind. Der andere hat gar nicht erst weiter insistiert.
Aber insgesamt finde ich, dass diese Fälle insofern unglaublich interessant sind, als sie jeden von uns betreffen. Also jeder von uns, wie wir hier im Raum sitzen, wir sind ja jetzt nicht nur zu dritt, sondern es ist ja hier auch noch eine ganze Menge von Menschen, die für Ton und Bild zuständig sind.
Alle, wie wir hier sitzen, werden wir irgendwann in die Situation kommen, höchstwahrscheinlich uns über diese Fragen Gedanken zu machen. Und insofern ist es gut, dass wir so ausführlich heute darüber gesprochen haben. Ich glaube nicht, dass wir unbedingt alle in diese Situation kommen. Man weiß ja nicht, wie es einem geht, wenn es ans Lebensende geht. Ich habe gesagt, Gedanken machen. Ich mache mir jetzt schon Gedanken, ehrlich gestanden. Das kann ja sein. Wenn ich sehe, wie die Eltern von Menschen, die in meinem Alter sind, jetzt
zum Teil ja, wirklich eingehen, in fürchterlichen Situationen verharren müssen über Jahre. Ich habe ja vorhin gesagt, Martina, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat es Gesetzentwürfe gegeben, um diesen Bereich, in dem jetzt die beiden Gerichte entschieden haben und in dem jetzt die Revisionen laufen, genauer zu regeln. Diese beiden Gesetzentwürfe sind gescheitert. Wir stehen jetzt vor Neuwahlen. Der Bundestag wird neu gewählt.
Glaubst du, dass es notwendig ist, dass der Gesetzgeber hier nochmal nacharbeitet, dass hier präzisiert wird, um Rechtssicherheit für Patientinnen, Patienten, Ärztinnen und Ärzte zu schaffen? Ich glaube, dass es eine Art Regulierung oder vor allen Dingen Kontrolle braucht, die
Denn das, was da jetzt so passiert, also einmal auf der Ebene der Suizidhilfeorganisationen, Sterbehilfeorganisationen, aber auch durch einzelne Personen, die sich da in dem Bereich betätigen, das ist vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen. Also man weiß noch nicht mal die Zahlen der assistierten Suizide in Deutschland im Jahr. Da hat man nur die Angaben der Sterbehilfeorganisationen selbst und die sind ja noch nicht mal vollständig, weil es viele Einzelhelfer auch noch gibt.
Und da ist eine ganz große Intransparenz und ein Jurist, mit dem ich gesprochen habe, der sagt mir, da tut sich im Moment eine ganze Menge, auch unterhalb der Ebene dieser Strafbarkeit, lebensgefährliches, hat er es genannt. Und wir ahnen das teilweise nicht mehr. Nein, zumal ja auch die Ärzte, es müssen ja gar keine Ärzte sein, es können ja du und ich sein.
Die da Sterbehilfe leisten.
Da kann man durchaus kritische Fragen dran stellen. Wie sorgfältig passiert das? Und was wir bräuchten, ist eine Kontrolle, vielleicht auch Register, dass diese Suizidhilfefälle erfasst werden, die Suizidhelfer erfasst werden, dass es vielleicht eine Berichtspflicht gibt. Aber die Aufgabe, die der Gesetzgeber hat, ist extrem schwierig. Weil wenn die Regulierung zu streng ausfällt, wenn die Vorgaben zu streng sind, wenn vielleicht neue Verbote erlassen werden, dann kann es ...
dass es wieder Verfassungsbeschwerden gibt. Das hatten wir ja jetzt einmal beim 217. Wenn die aber zu lasch ausfallen, die Vorgaben, dann werden Menschen, die in ihrer Autonomie eingeschränkt sind, nicht ausreichend vor unfreien Suizidentschlüssen geschützt. Und auch das ist eine Aufgabe, die man aus der Verfassung ableiten kann. Denn der Schutz des Lebens ist auch eine Verfassungsaufgabe. Das heißt, das ist ein...
Enger Spielraum eigentlich, den die Bundestagsabgeordneten haben und eine sehr schwierige Aufgabe, denn bei jeder Regulierung muss man auch gucken, führt die wirklich zu einer besseren Kontrolle, Transparenz oder zu mehr Normalisierung, dass man also bestimmte bürokratische Vorgaben abhakt. Das war bei dem einen Gesetzentwurf so, dass das Land mit einem Netz von Suizidassistenzberatungsstellen überzogen werden sollte.
Und dann sitzen da Menschen, die vielleicht nichts anderes tun, als Suizidwillige zu beraten. Vielleicht stellen sich da Routinen aus, vielleicht werden Häkchen an Fälle gemacht. Es ist eine ganz, ganz schwierige Aufgabe. Aber der Geist ist aus der Flasche. Also man kriegt das nicht mehr eingefangen. Hinter dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommt man wahrscheinlich nicht mehr zurück und dennoch bemerkt,
braucht es eine Regulierung und da muss man wahrscheinlich mit Hilfe von Experten für Suizidprävention, mit Palliativmedizinern, mit Juristen gemeinsam sich Sachverstand zusammenholen und dann gucken, denn das kann bisher niemand genau sagen, wie sieht es aus. Das Gesetz zur Suizidprävention hat den Bundestag passiert?
Das ist vielleicht der Moment, an dem wir sagen müssen, liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, sollten Sie sich mit Suizidgedanken tragen, suchen Sie Hilfe. Ich meine jetzt nicht die Hilfe von Suizidhelfern, sondern die Hilfe von Menschen, die Ihnen Alternativen aufzeigen können. Liebe Martina, ganz herzlichen Dank, dass du uns diese beiden Fälle vor Gericht mitgebracht hast. Große, schwierige Fälle. Danke. Dankeschön. Gerne.
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