Ist die Welt noch zu retten? Das Radio 3 Klimagespräch. Ja, ist die Welt noch zu retten? Das ist unsere Frage immer wieder in unserem Klimagespräch. Und heute schauen wir mit dem Journalisten Georg Dietz auf die jüngere Vergangenheit, nämlich auf die 90er Jahre und auf die Folgen.
Von den Versprechen der 90er zu den Krisen der Gegenwart, so heißt das neue Buch von Georg Dietz im Untertitel. Schönen guten Tag, Georg Dietz. Ich grüße Sie. Guten Tag, freut mich. Warum blicken Sie auf die 90er Jahre und dann von denen ausgehend auf unsere Gegenwart, auf den gegenwärtigen Zustand des Klimas?
Die Frage ist einfach, was gerade los ist. Warum sind wir in so einer schlichten Sackgassen-Situation, in so einer Krise des Politischen? Und warum ist der Klimawandel so ein großes Thema geworden? Und wann wurde das eigentlich übersehen? Das ist für mich die Frage gewesen im Ausland.
Angang für das Buch und es ist einfach fürs Klima die zentrale Schlüsselstelle. Es ist Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, wo eigentlich alles klar war. Seite 1, Nachricht der New York Times, Bundestag hat eine große Enquete-Kommission beschlossen. Alles war bereit, um zu handeln und dann geschah nichts. Okay, aber was haben wir damals in den 90er Jahren falsch gemacht?
Wir ist ein großes Wort. Wir beide, Sie und ich. Ich glaube, in Deutschland ist Folgendes passiert. Es gab die Einheit und die Einheit hat letztlich den Klimawandel strukturell überdeckt oder auch inhaltlich überdeckt. Es gab nicht genug Geld für Aufbau Ost und Klimamaßnahmen. Es gab nicht genug Aufmerksamkeit für eine Enquete-Kommission, die im Bund ist.
Tag irgendwie schon groß etabliert war, um wirklich wirkungsvoll zu handeln. Und dadurch hatte die Regierung Kohl einfach letztlich alles liegen lassen, was möglich gewesen wäre. Oskar Lafontaine, damals 1990 Kanzlerkandidat der SPD, hatte ein extrem gutes Wahlprogramm, was eine sozial-ökologische Wende bedeutet hätte, wurde durch die deutsche Einheit nicht gewählt. Das heißt... Wir waren abgelenkt? Das heißt, wir waren abgelenkt von anderen Dingen?
Es waren ja nicht nur wir. Wir waren abgelenkt. Die Welt hat ein bisschen den falschen Weg gewählt. Also es gab irgendwie den berühmten James Hansen, der hat 1989 gesagt, 99 Prozent ist der Klimawandel menschengemacht. Das war halt die einzige Geschichte der New Times. Daraufhin hat die UN gehandelt und hat eine Kommission, einen Prozess aufgesetzt, einen IPCC-Prozess, der mit in Rio begonnen hat.
Und das war aber schon falsch aufgesetzt, weil es Nationen waren, die extrem manipulativ von Lobbyakteuren angegangen werden konnten. Und das ist auch passiert in den 90er Jahren. Das heißt, in den 90er Jahren hatte man strukturell verstanden, was geschieht.
Hat aber die falschen Strukturen gewählt und war dadurch extrem anfällig für die Industrieinteressen. Aber kann man denn, selbst wenn man bei dieser Beschreibung jetzt mitgeht und das würde ich jetzt mal tun, selbst dann würde ich noch nicht sagen, wir hätten an dem Punkt anders agieren müssen. Wir hätten darauf mehr Rücksicht nehmen müssen. Also wissen Sie, worauf ich hinaus will? Was hätten wir denn anders machen sollen? Also welche anderen alternativen Handlungen wären damals in dieser Zeit von der Politik, nicht von uns beiden, nötig gewesen?
Man hätte damals schon eine andere Form von Konsumverhalten denken können. Man hätte eine andere Art von Energieerzeugung denken können. Man hätte schon auch damals so regenerative Energien massiv umstellen können. Das wurde ja auch vorgeschlagen von zum Beispiel SPD oder Grünen. Interessant ist eben im internationalen Maßstab, dass es eine große Denkschule gab, die das für falsch erklärt hat. Die eben unterstützt von Wissenschaft auch, auch von Nobelpreisträgern, William Nordhausen.
was der ungarische Wirtschaftswissenschaftler gesagt hat, das stimmt nicht und die Folgen des Klimawandels seien minimal. Es stimmen nicht, menschengemacht und wenn ja, minimal der Unterschied. Sie fragen aber, was wir hätten konkret machen können. Wir hätten natürlich einfach tatsächlich eine andere Form, wir hätten früher aus der Kohle aussteigen können, wir hätten irgendwie früher eine andere Form von Verkehr, Verkehrspolitik machen müssen, mehr auf die Schiene umstellen. Also alles, was wir jetzt auch machen könnten.
Wir haben die 30 Jahre verloren. Aber ich frage mich immer noch, ist es korrekt, ist es richtig, ist es redlich? Wenn wir von heute aus der heutigen Perspektive auf die 90er schauen, womit wir da beschäftigt waren, haben Sie ja selber schon gesagt. Wir haben irgendwie versucht, da durchzukommen. Ist es redlich zu sagen, Mensch, hättet ihr nur die Augen aufgemacht oder wärt ihr Konsequenz gewesen, dann wären wir heute 2025 nicht in der Situation, in der wir sind. Kann man ja immer machen beim Rückblick auf die Vergangenheit. Ja.
Ja, aber wenn Sie zurückdenken, Sie sind dann so alt wie ich, nehme ich an, dann würde ich sagen, dass man zuerst in den 80er Jahren schon das ganze Thema sauberer Regen hatte, schon ein extremes Umweltbewusstsein gab. Waldsterben. Und dass man Waldsterben und solche Sachen und dass man eben durch die Nachrichten der späten 80er Jahre schon aufgerüttelt war und dass es nicht...
nicht Thema war im Wahlkampf. Also es ist nicht so, wie Sie sagen, dass man nur im Rückblick eigentlich sagen kann, oh, wir haben was verpasst, sondern dass man in der Zeit aktiv von der Politik
das benannt hat. Wolfgang Schäuble sagt es sehr, sehr eindrucksvoll in seinen Memoiren. Es war für mich so ein Schlüsseldokument in der Reflexion über die 90er Jahre. Das hätte man wirklich, grün-schwarze Politik hätte man machen müssen, sagt er. Und man hätte wirklich den ökologischen Wandel vorantreiben müssen, sagt er, als Konservativer. Und das sagt er ausgerechnet Wolfgang Schäuble. Nun heißt ja Ihr Buch Kipppunkte. Ich gehe mal davon aus, dass Sie nicht die Klima-
Kipppunkte meinen, sondern wahrscheinlich gesellschaftlich-kulturelle-politische Kipppunkte, oder? Ja.
Absolut. Und die haben auch miteinander zu tun. Also weil die, würde ich sagen, große Kippbewegung der 90er Jahre, würde ich aus meiner Sicht sagen, die von der Demokratie zur Marktwirtschaft war. Also das Markt zum dominierenden Begriff gedanklich wurde. Dass die Demokratie die zweite Position hinter dem Markt angenommen hat. Und diese Marktlogik
Wurde eben auch in der Klimapolitik stark bevorzugt, dass man Marktmechanismen versucht hat, über diese Marktmechanismen die Klimapolitik zu regeln und nur nicht durch politische Aktionen, wie zum Beispiel Industriepolitik, die erneuerbare Energien oder Handelspolitik,
andere Energienutzungsformen gefördert hätte. Das heißt, diese Marktlogik ist zentral für die Kipppunkte der 90er Jahre, betrifft auch letztlich Außenpolitik, betrifft Technologie, betrifft die deutsche Einheit. Ja, der Markt wird schon richten. Das war damals so falsch, wie es heute ist. Zum Schluss nochmal. Man sagt ja immer so schön, wenn man sich das damals, wenn man sich die Geschichte genau anguckt, wissen wir, wie wir heute besser leben könnten und wie wir die Zukunft besser organisieren könnten.
Soweit ich das verstanden habe, wollen Sie eigentlich auch immer optimistisch bleiben. Also was ziehen wir denn jetzt aus diesem Wissen über unser Fehlverhalten in den 80er und 90er Jahren für ein Wissen raus für die Zukunft?
Erstens ist es für mich schon bewegend gewesen zu sehen, dass 1992, als der Klimagipfel in Rio war, ein Parallelgipfel war von indigenen Bevölkerungen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, die sehr genau benannt hatten, wie eine andere Form des Wirtschaftens, eine andere Form der Landwirtschaft, eine andere Form des Miteinanderlebens möglich wäre. Da gehen auch viele heute zurück in den Versuch, eine andere Art von Klima,
die Growth oder also nennt man das, also eine Art von Wachstumsskeptischer Politik zu entwickeln. Und die Geschichte ist für mich ein Reservoir an guten Ideen, die einfach nicht umgesetzt wurden. Wir müssen nicht unbedingt nur starr auf uns schauen oder starr nach vorne gucken, sondern wir können durchaus aus dem Reservoir der ungeschöpften Möglichkeiten oder der alternativen Möglichkeiten oder Perspektiven, finde ich scheinbar,
alternativlose Zeit entwickeln. Das ist eine tolle Formulierung, das Reservoir der Möglichkeiten und der Ideen wieder anschöpfen oder anknacksen. Ich danke Ihnen, Herr Dietz, für das Gespräch. Danke Ihnen. Tschüss. Der Journalist Georg Dietz über sein neues Buch Kipppunkte von den Versprechen der 90er zu den Krisen der Gegenwart. Dieses Buch ist gerade im Aufbau Verlag erschienen, im Buchhandel für 26 Euro.