Ist die Welt noch zu retten? Das Radio 3 Klimagespräch.
Und genau in diesen Minuten entscheidet sich, welches Buch in diesem Jahr den Deutschen Sachbuchpreis bekommt. Die Preisverleihung, die läuft seit 18 Uhr in der Elbphilharmonie in Hamburg. Und ich habe vor der Sendung mit einem der Nominierten gesprochen, mit dem Berliner Biologen Bernhard Kegel. Der hat ein Buch geschrieben, das eben nominiert ist für den Sachbuchpreis. Und es ist ein Buch mit ganz konkreten Ideen, wie wir die Klimakrise in den Griff bekommen können. Das Buch heißt »Mit Pflanzen die Welt retten«.
und wie das gehen soll, was er da Neues über Pflanzen rausgefunden hat. Darüber habe ich mit ihm gesprochen und ich habe ihn erst mal nach dem Titel seines Buches gefragt, mit Pflanzen die Welt retten. Ist das ernst gemeint oder ist es eher so eine zugespitzte These, damit der Titel des Buchs dann gut klingt? Ist schon ein bisschen zugespitzt. Also wir haben ja viele, viele Buchumschläge und Titel, die die Apokalypse eher in den Vordergrund stellen. Ich stelle also eher sozusagen das Positive oder eine Option für das Positive in den Vordergrund.
Und naja, um das Resümee sozusagen gleich zu ziehen, mit Pflanzen allein werden wir die Welt nicht retten. Aber ohne sie werden wir es bestimmt nicht schaffen. Und wie sieht es aus? Also was können wir auf Pflanzenebene tun? Stellt man sich vor, okay, wir müssen einfach 700 Milliarden Bäume pflanzen, damit das... Aber Ihre Idee ist ja, CO2 zu entziehen. Wir brauchen Pflanzen, um das wieder rückgängig zu machen. Genau. Den...
des Pariser Klimaabkommens liegt ja zugrunde, dass wir große Mengen an CO2 wieder aus der Atmosphäre zurückholen. Das ist wenig bekannt eigentlich, aber es ist sehr ambitioniert. Also das ist mit eingerechnet in diese Szenarien, dass wir ungefähr, ich glaube, 800 Gigatonnen, das ist das 20-fache, was die Erde global, also die Menschen auf der Erde global emittieren. Das ist also ein sehr ehrgeiziges Ziel, ohne dass wir wüssten, wie das eigentlich erfolgen soll bis Ende des Jahrhunderts.
Und naja, da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man macht es mit großtechnischen Anlagen und deponiert das CO2 dann in der Tiefe. Die andere Möglichkeit, sozusagen der grüne Weg, der biologische, der mich als Biologe natürlich besonders interessiert ist, wir benutzen Pflanzen dazu. Und das habe ich untersucht. Wie weit kommen wir damit?
Und typisch, dass sie mit den Aufforstungen beginnen, das ist sicherlich das, was den meisten Menschen sofort in den Kopf kommt. Leider musste ich lernen während der Recherchen zu meinem Buch, dass gerade die Aufforstung natürlich ein wichtiger, unverzichtbarer Bestandteil dieser Methoden ist. Aber es birgt auch viele Fallstrecke.
Also man muss schon sehr genau gucken, wo man aufforstet, mit welchen Bäumen man aufforstet.
Es gibt zum Beispiel die Tatsache, dass in ariden Gebieten, also in trockenen Gebieten, Bäume, Wälder die Trockenheitsproblematik möglicherweise noch verstärken, weil sie sehr viel Wasser verdunsten. Also da ist das sehr problematisch, die Aufforstung. Das, was wir bisher an großflächigen Aufforstungen in der Welt haben, vor allen Dingen in China, China hat ungeheuer viel aufgeforstet.
Ist leider kein Vorbild, weil das sind Monokulturen von oft standortfremden Bäumen, die also nur danach ausgewählt wurden, dass sie möglichst schnell wachsen. Ziel war ja, das Vordringen der Wüste Gobi zu verhindern, also nicht so sehr der Klimawandel. Man kann das natürlich in diesem Zusammenhang auch gut verkaufen heute, aber es ist nicht das, was wir eigentlich brauchen.
Das Gute, wenn ich das noch sagen darf, bei all diesen Verfahren, ob es jetzt die Moore betrifft oder die Wälder oder die Ozeane, ist, dass wir damit ja das zweite große Problem, was wir heute haben, nämlich die schwindende biologische Vielfalt auch adressieren. Also in dem Moment, wo wir solche Ökosysteme renaturieren, schaffen wir auch wieder Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Und das ist etwas, was wir mindestens genauso dringend brauchen.
Also Bäume sind es nicht nur und ich finde es auch spannend, weil ihr Buch, wenn ich das sehe, dann sind da ja Pflanzen ganz viele vorne drauf. Das sind keine Bäume, sondern das ist super bunt, sind ganz viele verschiedene Pflanzen drauf. Gibt es denn bestimmte Pflanzen, wo man sagen kann, die eignen sich besonders gut, um CO2 zu entziehen?
Also wenn ich von den Ökosystemen, die ich mir angeguckt habe, eins rausgreifen sollte, dann wäre es die Moore. Die Moore sind von ganz zentraler Bedeutung. Wir haben ja über 90 Prozent unserer Moore in Deutschland trockengelegt. Und wenn man Moore trockenlegt, dann verwandeln die sich in wahre CO2-Schleudern. Weil in dem Moment, wo Luft oder Sauerstoff mit diesem organischen Boden in Berührung kommt, beginnt sofort die mikrobielle Zersetzung und die erzeugt massenhaft CO2.
Das führt zu geradezu grotesken Situationen. Also in Gesamtdeutschland emittieren die Moore 6% unserer CO2-Ausstoßes. Das ist genauso viel wie der gesamte Flugverkehr. Und in manchen Bundesländern, wie etwa Mecklenburg-Vorpommern,
Da machen diese Emissionen der trockenen Moore 30 Prozent der Gesamtemissionen des Landes aus. Also es führt überhaupt gar keinen Weg vorbei daran, diese Moore wieder zu vernässen, weil dann hört das sofort auf, diese Emissionen, weil sonst erreichen wir die Klimaziele nicht. Das stimmt.
Das ist ein total interessanter Aspekt, den viele wahrscheinlich gar nicht auf dem Schirm haben. Aber was würde es denn konkret bedeuten? Also Moore jetzt wieder vernessen, benessen, wie haben Sie es gerade gesagt? Was müsste man dafür tun? Ist es realistisch, das zu tun?
Dafür gibt es durchaus, also es sind schon einige Prozent der Moore in Deutschland wiedervernässt worden. Das ist im Prinzip gar nicht so schwer. Man muss sie einfach nur wieder unter Wasser setzen. Das heißt, man muss diese ganze wasserregulierende Infrastruktur, die wir geschaffen haben, also Wehre, Dämme, all diese Dinge, die muss man sozusagen zurückbauen. Man muss die...
einfach wieder nass werden lassen. Man muss dazu aktiv gar kein Wasser da einlassen, weil das Wasser ist in der Regel da. Was man nicht erwarten darf, ist, dass man damit sofort die Moore, wie sie einmal waren, wiedererhält. Sondern man erhält was anderes. Man erhält Feuchtbiotope mit einer enormen Biomasse, die dort entsteht, weil die sind natürlich sehr nährstoffreich, die Böden. Dieser Torf, der ist zersetzt worden.
Und es sind eine Menge Nährstoffe im Boden, außerdem viel Stickstoff eintragen über die Luft. Das heißt, da wächst also nicht diese spärliche Moorvegetation, die wir kennen, sondern dann ein 1 Meter, 2 Meter hohes Gestrüpp aus Säcken, Gräsern, Rohrkolben, Schilf und so weiter. Und die Frage ist, was macht man damit?
Wir können den vielen Landwirten, die auf diesen Böden jetzt wirtschaften, nicht einfach die Böden wegnehmen. Da haben wir hier 10.000 wütende Landwirte im Land. Entschädigen können wir sie dafür auch nicht, weil dafür gibt es Modellrechnungen. Das würde also selbst unsere Fähigkeiten übersteigen. Das heißt, die Lösung ist, eine Wirtschaftsweise zu finden, die mit nassen Mooren arbeitet.
Und daran wird intensiv geforscht und es gibt tatsächlich die Möglichkeit, das zu tun. Das nennt sich Paludikultur.
Man kann also aus dieser Biomasse, die da rausspriest, eine Menge sinnvoller Dinge tun. Man kann Dämmplatten damit herstellen, man kann Pressspannplatten damit herstellen, Verpackungsmaterial damit herstellen. Man kann mit einigen dieser Pflanzen sogar Schlafsäcke befüllen. Es gibt eine Fülle von Ideen. Das war für mich eine sehr schöne Erfahrung eigentlich, wie viele Ideen es da gibt, wie viele kleine Startups an solchen Fragestellungen arbeiten.
Und eine ganz wichtige Meldung und Nachricht aus dem letzten Jahr, die auch völlig untergegangen ist, war, dass sich einige deutsche große Industrieunternehmen, Bauunternehmen, Baumarktketten, Papierhersteller dazu verpflichtet haben, unter dem Oberbegriff Allianz der Pioniere,
diese Biomasse, diese Paludi-Biomasse der nassen Moore abzunehmen und daraus eine Kette von verwertbaren Produkten herzustellen. Okay, also da ist schon einiges auch im Gange. Spannend, das alles nochmal genauer nachlesen zu können. Zum Schluss nochmal ein Blick in die Stadt. Viele unserer Hörerinnen und Hörer leben in Berlin, in der Großstadt. Ja.
Spielt das auch eine Rolle? Ich glaube, das taucht in Ihrem Buch gar nicht auf, wie die Begrünung der Stadt dazu beiträgt. Vielleicht zu wenig Grün hier in der Stadt. Man hätte dieses Thema noch viel weiter fassen können. Also das Thema Stadtbegrünung ist eins, was ich nicht behandle, weil ich mich vor allen Dingen auf diese Ökosysteme, die auch was für die Biodiversität bringen, konzentriert habe.
Aber natürlich, das sind aber vor allen Dingen stadtklimatische Gründe, die den Menschen, die hier leben, zugutekommen würden. Spricht vieles dafür, auch in der Stadt viel mehr Grün zu schaffen, viel mehr Flächen zu entsiegeln, damit das Wasser versickern kann.
Und Bäume kühlen natürlich, Bäume spenden Schatten, Bäume sind gut für die Seele oder Pflanzen sagen wir mal allgemein. Ja, da wäre einiges zu tun, allerdings nicht unbedingt der große Durchbruch im Hinblick auf den Klimaschutz.
Das sagt der Biologe Bernhard Kegel und sein Buch heißt Mit Pflanzen, die Welt retten. Grüne Lösungen gegen den Klimawandel. Das ist erschienen im DuMont Verlag. 288 Seiten, kostet 15 Euro als Taschenbuch, 25 als Hardcover und vielleicht bekommt es auch den Deutschen Sachbuchkreis verdient. Und ich sage erstmal ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Kegel. Sehr gerne.