Interessen? Konflikt, der Podcast. 15 Minuten Ethik, Führung, Vorurteile mit Karin Barthelmes-Wehr und Dr. Irina Kummert. Hallo Karin. Hallo Irina. Fühlst du dich auch so friedlich wie ich?
Ja, was soll ich machen? Jetzt habe ich einmal angefangen mit diesen grauenvollen Überleitungen, jetzt komme ich irgendwie da nicht mehr raus. Also, Irina, was fällt dir als erstes zum Thema Frieden ein? Waffen. Ja, es gab ja jetzt kürzlich anlässlich einer Mitgliederversammlung des BVB in Dortmund, ist ein Fußballverein, nur für den Fall, dass... Für die wenigen, die es nicht wissen. Ja, genau.
Da gab es wieder die Forderung, auf den Deal mit Rheinmetall als Sponsor zu verzichten. Und nach einem entsprechenden Antrag stimmte tatsächlich auf der Mitgliederversammlung eine absolute Mehrheit für das schnellstmögliche Ende der Partnerschaft sowie dafür, ich zitiere, habe ich gelesen in der Zeitung, keinesfalls über die Vertragslaufzeit hinaus, Zitat Ende, zu verlängern.
Und das waren 855 der anwesenden Mitglieder, die da teilgenommen haben. Und davon haben 556 dafür gestimmt, 247 dagegen, 52 haben sich enthalten. Das Ergebnis ist allerdings für die Vereinsführung nicht bindend. Dass wir Waffen nutzen, um Kriege zu führen, liegt auf der Hand. Wie wichtig aber sind Waffen für den Frieden?
Und da tendiere ich zu einer Sowohl-als-auch-Antwort. Das ist das, was mich dazu in den letzten Tagen beschäftigt hat. Ja, Sowohl-als-auch finde ich gut. Wie sieht es denn bei dir aus, Karin? Ich denke an Goethe. Und zwar an sein Gedicht zum ewigen Frieden. Ich hatte das noch irgendwie im Hinterkopf, konnte das aber nicht mehr richtig zusammenbekommen und habe das dann nochmal rausgekramt, jetzt in Vorbereitung für unseren Podcast. Das ist ganz kurz, aber ich finde, das trifft es sehr gut. Es geht folgendermaßen.
Bald kennt jeder den eigenen Vorteil und gönnet dem anderen seinen Vorteil. So ist ewiger Friede gemacht. Ich finde das wunderbar, wie er darauf hinweist, dass Friede dann herrscht, wenn du dem anderen Gutes wünschst und ihm das gönnt, was er oder sie braucht oder hat oder haben möchte, aber eben auch deinen eigenen Vorteil kennst und auch weißt, was du selber brauchst. Mhm.
Ja, Ausgleich von Interessen. Genau, finde ich sehr gut auf den Punkt gebracht, der gute Alte. Ja, finde ich auch sehr gut. Sag uns doch mal bitte, wo der Begriff oder das Konzept, muss man ja schon fast sagen, Frieden eigentlich herkommt. Ja, das ist im 8. Jahrhundert Althochdeutsch als Friedo belegt und das hieß Schonung und Freundschaft. Und davor war es ein geschütztes, umzäuntes Gebiet. Das kennen wir ja auch noch als Frieden.
Ja, ist richtig. Von der Freundschaft eher dann zu einer etwas umfassenderen Bedeutung gewachsen. Ist Frieden eigentlich mehr als die Abwesenheit von Krieg, Konflikt und Gewalt? Ja, das ist eine. Wie viel Zeit wollen wir uns nehmen? Das ist eine sehr umfassende Frage, zu der sehr viel gefordert wird. Da kommen wir, glaube ich, vielleicht gleich nochmal zu, oder? Ja, okay. Dann hast du uns ja bestimmt mal eine Definition wieder mitgebracht.
Ich würde sagen, es ist der Zustand der Stille und Ruhe. Also die Abwesenheit von Störung, Beunruhigung und man versteht eben auch meistens gerade die Abwesenheit von Krieg darunter. Im heutigen Sprachgebrauch ist es allerdings der allgemeine Zustand zwischen Menschen, sozialen Gruppen oder Staaten, in denen bestimmte Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden.
Verstehen wir alle eigentlich dasselbe, wenn wir über Frieden sprechen? Wie sieht es denn in den unterschiedlichen Weltregionen zum Beispiel aus? Ich habe mir mal angeschaut, was für einen Stellenwert Frieden in den Religionen hat. Also im Islam zum Beispiel, Islam, das wusste ich zum Beispiel nicht oder ich hatte es vergessen, das Wort bedeutet Frieden und Hingabe. Und im Koran taucht Frieden mehr als 40 Mal auf. Im Christentum werden wir ja aufgefordert, unsere Feinde zu lieben.
Im Hinduismus geht man davon aus, dass der eigene Geist friedlich sein sollte und dass man dann eben auch sein Umfeld friedlich betrachtet. Der Buddhismus gilt als sehr friedliebende Religion, keinem Lebewesen soll ein Leid zugeführt werden. Im Judentum kommt Shalom sogar 200 Mal in der Tora vor oder mehr als 200 Mal. Das jüdische Volk soll auch laut Tora in Frieden mit sich selbst, den Nachbarvölkern und Gott leben. Also es scheint mir doch, dass in allen großen Weltreligionen das einen ähnlichen und großen Stellenwert hat.
Da frage ich mich sofort, nur weil das so häufig genannt wird, heißt das dann auch was? Das war ja nur ein Punkt, dass es oft genannt wird. Ich habe das ja angereichert. Das war ja keine Kritik an dir, sondern ich habe mich gerade gefragt, wenn ein Begriff sehr häufig genannt wird, egal welcher das jetzt ist,
dann bin ich eigentlich eher skeptisch, weil meine Erfahrung ist, dass viel Wolke gemacht wird, wenig dahinter ist. Ja, könnte man annehmen. Aber ich glaube, es ist sehr genau definiert in den einzelnen Heiligen Schriften, was damit gemeint ist. Wenn du an die Bibel denkst, halte die andere Wange hin und ähnliche ganz klare Anweisungen. Ja, gerade die Bibel, die ist ja voll von
von Szenen, die jetzt nicht unbedingt was mit Frieden zu tun haben. Ja, das stimmt schon. Das ist sicherlich ein ambivalentes Thema. Da muss ich nochmal nachdenken.
Also in jedem Fall großes Wort und klingt auch immer irgendwie wie so ein ultimatives Konzept, Irina, hinter dem sich alle versammeln können. Kann man sich denn jetzt eine Situation vorstellen, in der Frieden vielleicht keine gute Wahl ist? Natürlich. Natürlich. Oh, wir sind gespannt. Ja, du kennst doch sicher den Begriff des gerechten Kriegs.
Ja, ich würde tatsächlich auch von einem gerechten Frieden sprechen. Wenn Frieden durch Gewalt, Autorität oder Zwang aufrecht erhalten wird, dann haben wir einen Frieden der Unterdrückung und das ist dann eben gerade, wenn man das so sagen will, nicht gerecht. Beispiele wären dann Diktaturen oder totalitäre Regime, die jeglichen Widerstand unterdrücken und damit oberflächlich Ruhe erzwingen.
Ja.
Wir müssen aber gar nicht in andere Länder gehen. Wir können auch zu Hause auf dem Sofa sitzen bleiben. Wenn in Partnerschaften nur oberflächlich Frieden herrscht, dann kann es unter der dünnen Decke des Friedens auch brodeln. Und dann kommen dabei Filme raus wie Wer hat Angst vor Virginia Woolf oder Der Gott des Gemetzels.
In solchen Konstellationen kann Frieden eben bedeuten, getrennte Wege zu gehen, statt zu versuchen, einen Burgfrieden herzustellen, der alle Beteiligten unglücklich macht. Und für mich ist Frieden grundsätzlich dann negativ besetzt, wenn er durch Gewalt, Ungerechtigkeit und Unterdrückung erzwungen wird, wenn er bestehende Ungleichheiten oder Missstände zementiert,
wenn er durch Ignoranz oder Resignation entsteht oder wenn moralische und ethische Prinzipien komplett über den Haufen geworfen werden, um ihn zu erreichen. Also Frieden ist nicht automatisch positiv. Ja, ich habe mich auch gefragt, ob nicht vielleicht ein Friedensbegriff besser wäre, der nicht derartig idealisiert eine Abwesenheit von allen Konflikten. Frieden klingt immer gut. Genau, sondern eher einen Umgang mit Konflikten in den Mittelpunkt stellt.
Also da habe ich mir nochmal angeguckt, es gibt ja die Friedensforschung bei uns, die ja einen allumfassenden Frieden fordert und auf dieser Grundlage werden dann viele gesellschaftliche Strukturen als per se hinderlich kritisiert.
Der Frieden soll dann irgendwie alle sozialen Probleme lösen. Aber Konflikte sind ja auch wichtig. Die machen ja Spannung wahrnehmbar und Veränderungen werden ermöglicht. Und im Grunde muss man sich dann fragen, wie kann friedlicher Wandel und Entwicklung in einer Gesellschaft dann zusammenpassen? Und ich glaube, Differenzen und Uneinigkeiten müssen halt als solche anerkannt werden. Und es muss eine Form der Konfliktbearbeitung sein.
mit Institutionen, Regeln und Verfahren dazu geben. Und dann ist es, glaube ich, ein guter Frieden, wenn du so willst. Oder um es vielleicht mit Gandhi zu sagen, es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg. Das fand ich auch eigentlich sehr schön und passend. Das ist einfach ein Prozess. Welche Rolle spielt denn Frieden für unsere Wirtschaft und in unseren Unternehmen und Führungsetagen, Karin?
Ja, da habe ich mir mal angeguckt, wie jetzt wirklich Wirtschaft und Frieden zusammengehen. Und die wissenschaftliche Forschung zeigt, dass es bisher keine aussagekräftigen Daten gibt, die einen positiven Zusammenhang hier belegen. Jedenfalls im Sinne von einer Art, sagen wir mal, Friedensrendite, die dann autonomisch aus einer wirtschaftlichen Entwicklung erwächst.
Und auch umgekehrt wird kein Schuh draus. Es gibt ja eine vielfach vertretene Annahme, dass wirtschaftliche Entwicklung eigentlich stabile Verhältnisse benötigt. Aber das wird wissenschaftlich auch nicht oder ist nicht zu bestätigen. Man muss ja hier nur auf Kriegsökonomien schauen oder auf fragile Staaten, in denen sehr viel investiert wird, zum Beispiel im Kongo oder in Myanmar.
Und der Grund ist, dass verschiedene staatliche und zivilgesellschaftliche, lokale und internationale Entwicklungs- und Wirtschaftsakteure eben oft gegenseitige Interessen haben, mit sehr unterschiedlichen Konzepten zum Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Frieden, nach denen sie operieren. Und ja, da gibt es dann eben manchmal lokale versus großflächige Wirtschaftsentwicklung-Dokumentationen,
Und ein Investment, was vielleicht eine ganz große Fabrik an einer Stelle bedeutet, die nicht unbedingt das ganze Land voranbringt und dann vielleicht auch nicht dem Frieden in diesem Land zuträglich ist. Also ich glaube, man muss sich fragen, welche Begleitmaßnahmen wichtig sind, um einen positiven Rahmen zu schaffen für wirtschaftliche Entwicklung und Frieden, der dann auch allen zugutekommt. Das ist ein sehr komplexes Thema.
Und ich habe mir ein Konzept angeschaut, da geht es darum, die sogenannten Eliten in Ländern dazu zu motivieren, Konkurrenzen zuzulassen, sich inklusiv zu verhalten, sich friedensfördernd zu verhalten.
Also das erschien mir durchaus anspruchsvoll, das Thema. Ja, ich habe auch schon einige Studien gelesen, deren Ergebnisse allesamt auf Goethe abzielen. Da ist er wieder. Also dass ein Interessensausgleich grundsätzlich eine gute Idee ist, wenn wir langfristig Frieden erleben wollen. Ich glaube fast, das gilt tatsächlich grundsätzlich, sowohl für die Wirtschaft, für Führung als auch für...
Für die Ehe. Für die Menschen an sich, genau. Klingt sehr logisch. Irina, was hat denn die Philosophie zum Thema Frieden zu sagen? Kant beispielsweise, der beschreibt Frieden nicht nur als Abwesenheit von Krieg, sondern als Zustand, der durch Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Förderung von Staaten erreicht werden kann. Viele Philosophen verbinden Frieden mit dem Konzept der Gerechtigkeit. Da kann man Platon, Rousseau oder John Rawls nennen.
Die glauben beispielsweise, dass der Eindruck der Gerechtigkeit ein maßgebliches Element zur Wahrung oder Herbeiführung von Frieden ist. Da ist ja wieder dieser Interessensausgleich. Also wenn das stimmt, dann leben wir in einer recht instabilen Welt aktuell. Ich vermute nämlich, dass es im Augenblick viele Menschen gibt, die sich ungerecht behandelt fühlen.
Das ist übrigens ganz toll zu sehen, wie viel man aus der Philosophie dann letztlich rausziehen kann und wie einem das hilft, gesellschaftliche Bewegungen oder Zustände nochmal anders einzuordnen.
Thomas Hobbes beispielsweise glaubte, dass Menschen Verträge schließen, um einen Naturzustand zu überwinden, in dem ständiger Konflikt, also Hauen und Stechen, das hat er nicht so gesagt, dass jetzt Mainz vorherrscht. Und Hannah Arendt, die betonte die Bedeutung unter anderem des öffentlichen Diskurses.
dass Meinungsvielfalt zugelassen wird für die Erhaltung von Frieden. Und für sie ist Frieden, wie du es vorhin auch formuliert hast, eben gerade kein statischer Zustand, sondern eine gelebte Praxis des Zusammenlebens in Freiheit. Und auch wenn es danach geht, dann steht es um unseren Frieden auf Sicht hier bei uns eher schlecht.
Weil ich erlebe die öffentliche Debatte schon länger eher als eindimensional und wenig offen für Positionen, die nicht von der Mehrheit geteilt werden. Also hier muss ich sagen, gibt es mehrere Ansatzpunkte, wo man geneigt sein könnte, mal darüber nachzudenken, ob wir uns im Moment zumindest in eine gute Richtung entwickeln. Oder eher in eine unfriedliche. Ja, genau.
Dann sind wir schon bei unserer Schlussfrage. Da hätte ich gerne von dir mal gewusst, was dir wichtig für deinen ganz persönlichen Seelenfrieden ist. Zu wissen, wie es ausgeht.
Also mein Seelenfrieden ist massiv gestört, wenn ich ein spannendes Buch lese, einen spannenden Film gucke oder eine spannende Serie und dann irgendwie zwischendurch aufhören muss. Ich muss dann wissen, wie es endet. Ob es mir dann gefällt oder nicht, ist eine andere Frage, aber das kann ich wirklich nicht sehr gut aushalten.
Das ist interessant. Also rauszögern ist nicht so deins. Also jedenfalls nicht bei, also nicht wenn es ein spannendes Bogen gibt. Ich stelle die Frage jetzt nicht, woran du jetzt schon wieder denkst. Jetzt komm mal mit deinem Seelenfrieden hier. Wofür brauchst du dann, oder wofür ist es wichtig, dass du dann persönlich... Ich fange schon an zu stottern. Ja, vor lauter Aufregung hier. Also bei meiner Antwort ist ganz klar, dass ich ab und zu meine Ruhe habe. Also
Also so gerne ich früher beispielsweise die Hitparade geguckt habe, einen Mann wie Dieter Thomas Heck, den Moderator der Sendung, falls den heute nicht mehr viele Leute kennen, den würde ich keine zwei Stunden aushalten. Schnell, viel und Dauersprecher, die bringen mich um. Also das ist für mich ganz furchtbar. Also du brauchst dann auch Ruhe im Sinne von keiner Hintergrundmusik? Ja, wirklich mal Ruhe. Von mir aus das Schnurren meiner Katze.
Aber ansonsten mal Ruhe. Das finde ich wichtig. Okay. Ja, Karin, hat wieder Spaß gemacht, unsere Unterhaltung. Beim nächsten Mal, ich hoffe, ich kriege den an Land, reden wir mit einem Kunsthistoriker, den ich im Kontext einer Franz-Hals-Ausstellung in der Gemäldegalerie in Berlin kennengelernt habe, über Perspektiven. Bis dahin denken wir weiter. Das machen wir.
Tschüss, Serena. Tschüss, Karin. Mach's schön. Ich versuch's. Tschüss. Tschüss. Interessen. Konflikt. Ist ein Podcast von Dr. Irina Kummert und Karin Bathemes-Wehr, der alle 14 Tage erscheint. Beratung Jens Teschke, Grafik Prof. Gerd Sedevis.