Interessen? Konflikt, der Podcast. 15 Minuten Ethik, Führung, Vorurteile mit Karin Barthelmes-Wehr und Dr. Irina Kummert. Hallo Karin. Hallo Irina. Wie sieht es aus bei dir? Gut. Ja, bei mir, ich habe hier gerade so eine dicke Spinne sitzen, habe ich eben festgestellt.
Ja, naja. Sie hört zu, was wir hier reden. Insofern, solange sie da sitzt, ist es okay. Ja, das Schlimme ist, wenn du einmal kurz wegguckst, dann weißt du nicht, wo sie ist. Genau. Dann ist sie vielleicht irgendwo hingereist. Ja. Ja.
Das war ja wieder mal ein Übergang. Was fällt dir denn als erstes zum Thema Reisen ein, Karin? Ja, das ist jetzt im Augenblick für mich ganz klar, da fällt mir unser Sabbatical ein. Wir reisen ja im Winter acht Wochen lang durch die Weltgeschichte und daran denke ich und da freue ich mich sehr drauf. Ich liebe ja Reisen insofern. Ah, herrlich.
Ja, du musst mir nochmal erzählen, wo ihr überhaupt überall seid, fällt mir gerade ein. Genau, das machen wir off the record. Irina, was fällt dir ein als erstes? Schlafende Mopedfahrer in Ho Chi Minh Stadt. Ah ja. Ja, das war für mich echt ein Riesenerlebnis. Reisen ist ja für mich in erster Linie damit verbunden, Dinge zu sehen oder zu erleben, die neu für mich sind.
Und in Vietnam ist mir aufgefallen, dass die Mopedfahrer im Sitzen auf ihren Mopeds geschlafen haben.
Das fand ich wirklich bemerkenswert. Ich schaffe das ja mit dem Schlafen noch nicht mal im Bett so richtig gut. Und die haben geschlafen wie die Bären in einer Haltung, die bei mir nie im Leben zum Schlafen gepasst hat. Also das hat mich echt beeindruckt. Also die hingen dann da so auf dem Sitz runter oder wie? Wie so ein Panda oder wie muss man sich das vorstellen? Die hatten sich wie so eine Art Schneidersitz auf ihr Moped gesetzt und schliefen.
Verrückt. Und zwar reihenweise. Da waren ganz viele, die da auf den Moped saßen und geschlafen haben. Unfassbar für mich. Lustig. Erzähl uns doch mal bitte, wo der Begriff der Reisen, seine etymologischen Brötzeln mit Karin. Ja, das ist schon seit vor dem 9. Jahrhundert als Erbwort belegt. Kommt aus dem althochdeutschen Wort Reiser. Das hieß Aufbruchfahrt.
Insofern nicht so wahnsinnig spannend, aber was vielleicht noch ganz nett ist, ist ja, dass der früher auf Segelschiffen übliche Wachruf, Reise zum Aufstehen für die Matrosen, heute noch in der Marine gebräuchlich ist. Aha, das wusste ich gar nicht. Gibt es so etwas wie eine Definition, was genau ist denn eine Reise?
Im Sinne der Verkehrswirtschaft ist das eine Fortbewegung von Personen über einen längeren Zeitraum hinweg. Aber es gibt ja auch eine ganz interessante metaphorische Bedeutung, nämlich den Wandlungsprozess eines Menschen. Ja, das stimmt. Was ist dir eigentlich wichtiger, das Ankommen oder das Reisen? Das Ankommen. Echt? Also meinst du, das Ankommen am Urlaubsort? Also das Reisen an sich, damit meine ich, ich sitze in irgendwelchen Transportmöglichkeiten,
Zug, Auto, Pfleger. Das brauche ich nicht. Also ich wäre sehr fürs Beamen, wenn das dann endlich mal erfunden wird. Das brauche ich nicht. Wenn du mich fragst, ob der Weg des Reisens, in dem man irgendwo rumreist und dann nochmal woanders hin und dann das, das liebe ich auch. Wie ist es bei dir? Ja, bei 870 Kilometern Autofahrt am Stück ist mir definitiv das Ankommen auch wichtiger. Oder? Ja. Ja.
Ja, wie sieht es denn aus, Irina? Welche Funktionen haben Reisen, die nach Gesellschaft, Kontext und Kultur kreisen? Gibt es da auch ethische Bezüge? Ja, in vielen Gesellschaften haben Reisen ja eine religiöse Bedeutung. Denkt man an Pilgerfahrten, die sind ja in einigen Religionen tief verwurzelt. Sei es die Hatsch im Islam nach Mekka, Pilgerfahrten nach Jerusalem im Christentum oder der Besuch von heiligen Städten im Hinduismus.
In asiatischen Gesellschaften, insbesondere im Buddhismus, ermöglichen Pilgerreisen, den Reisenden spirituelle Städten zu besuchen und dabei inneres Wissen und Einsicht zu gewinnen. Bei uns ist das ja der Jakobsweg, der der Selbstfindung dient. Im Mittelalter waren Reisen eng verknüpft mit Handelsaktivitäten. Das ist das, was mir auch sofort einfällt. Das hat sich wahrscheinlich etwas verändert, weil heute ja viel übers Internet funktioniert.
Und Reisen kann natürlich auch den Zweck haben, kulturelle Brücken zwischen verschiedenen Gesellschaften zu schlagen, internationale Begegnungen durch Tourismus, Austauschprogramme oder sogar diplomatische Reisen ermöglichen es, andere Kulturen besser zu verstehen und Vorurteile abzubauen. Ja, und diese diplomatischen Reisen, die sind ja auch wichtig, um Bündnisse zu schließen, um Frieden zu wahren oder zu erreichen. Also da gibt es eine ganze Menge Ansatzpunkte, auch mit ethischen Bezügen.
Was mir so eingefallen ist als ethischer Bezug, ist, dass Reisen ja vielfach, vor allen Dingen früher, aber ich finde auch heute noch immer so als eine Art von Luxus oder Privileg wahrgenommen wurde. Also was ich ganz lustig fand, ich habe gelesen, dass Theodor Fontane schon 1873 sich lautstark folgendermaßen beschwerte.
zu den Eigentümlichkeiten unserer Zeit gehören die Massenreisen. Sonst reisten bevorzugte Individuen, jetzt reist jeder und jede. Immerhin auch schön gegendert von ihm, aber da war er dann doch so ein bisschen elitär unterwegs. Und ich habe den Eindruck, dass das bis heute eigentlich immer noch so ein bisschen so ist. Also im Grunde dieser Masse,
Ich glaube, viele Menschen haben so dieses Gefühl, nicht jeder sollte so durch die Welt reisen. Man möchte auch gern irgendwo alleine sein und da sollen nicht noch viele andere Touristen sein.
Das finde ich irgendwie ganz interessant. Ja, und es funktioniert ja auch nicht. Es funktioniert nicht, ja, nur an bestimmten Orten, für die es dann wirklich wahnsinnig teuer ist. Und ich glaube auch, ähnlich wie du es eben über die diplomatischen Reisen gesagt hast, dass auch bei diesem ganz normalen Tourismus, in Anführungsstrichen, man einfach durch Reisen mehr Verständnis voneinander gewinnt, für Unterschiede der Kulturen und so weiter. Und das ermöglicht ja auch Begegnungen. Ja, richtig.
Welche Rolle spielen denn Reisen für Wirtschaft und Unternehmen, Karin? Ja gut, als erstes fallen wir da natürlich Dienstreisen ein. Da gibt es ja oft ganz umfangreiche Vorschriften. Wer darf überhaupt reisen? In welcher Klasse darf man reisen? Und so weiter. Das war vor Corona wirklich signifikant gestiegen. Also seit den 2000er Jahren hatten sich die Geschäftsreise in Deutschland fast verdoppelt vor Corona.
Und dann natürlich durch die Pandemie ein diesbezüglicher Stillstand, danach wieder ein rasanter Anstieg. Aber durch das hybride Arbeiten ist es eben für viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heute nicht mehr mit der Frequenz wie früher. Und ich denke, das hat viele Vor- und Nachteile, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Aber diese Begegnungen und Meetings im digitalen Raum, die können aus meiner Sicht die persönlichen Begegnungen nicht ersetzen. Ich weiß nicht, wie du das wahrnimmst, aber ich traue dem zum Teil ein bisschen hinterher.
dass wir jetzt so viele Online-Meetings haben und nicht mehr so viele Reisen. Aber was vielleicht interessant ist, ist tatsächlich Reisen als Wirtschaftsfaktor. Da gibt es einen World Travel and Tourism Council. Die geben jedes Jahr Zahlen heraus, wie viel die Menschen weltweit für Reisen ausgeben. Und für 2024 haben die 11,1 Billionen Dollar prognostiziert. Das ist 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Und Deutschland liegt da auf Platz. Was meinst du?
Keine Ahnung. Drei. Auf Platz drei. Weltweit. Also wir sind echt ein Land, wo Reisen ein riesen Wirtschaftsfaktor ist. Weltweit übrigens 384, Entschuldigung, 48 Millionen Arbeitsplätze in dem Bereich Reisen. Also ein wirklich großer Wirtschaftsfaktor. Ich habe irgendwo gelesen, das Unternehmen einen Return on Investment von etwa 12,50 Dollar
für jeden Dollar sehen, der für Geschäftsreisen ausgegeben wird, weil direkte Geschäftskontakte effektiver seien als digitale Kommunikation. Das stützt so ein bisschen das, was du vorhin gesagt hast. Ja, also sollten wir uns eigentlich doch die Zeit nehmen und mal wieder zueinander reisen. Ja. Interessant. Wie ist es mit der Philosophie, Irina? Ich glaube, jetzt haben wir endlich einen weißen Fleck gefunden. Von wegen.
Schon wieder nicht. Ich schaff's einfach nicht. Die sagen wirklich zu allem was, oder? Ja, ja, genau. Wir sagen zu allem was. Sag's ruhig. Das ist ein schönes Motto für die Philosophie, oder? Untertitel, wir sagen zu allem was. Wir haben zu allem was zu sagen. So ist es, genau. Und du hast es ja vorhin schon erwähnt, diesen metaphorischen Ansatz.
Und der ist natürlich auch in der Philosophie durchaus präsent. Bei Platon beispielsweise ist das Reisen eine Metapher für den Prozess der Selbsterkenntnis und der Suche nach der Wahrheit. Da gibt es dieses fulminante Höhlengleichnis, was mich schon schlaflose Nächte gekostet hat. Weil mir mitten in der Nacht nicht mehr eingefallen ist, wie das genau gewesen ist. Und da, ich werde das aber jetzt nicht sagen, jetzt weiß ich es inzwischen.
Aber vielleicht hat ja der ein oder andere Hörer oder die ein oder andere Hörerin Lust, sich das mal anzugucken. Und da beschreibt, mit dem Höhlengleichnis beschreibt Platon die Reise aus der Dunkelheit, der Unwissenheit ins Licht der Erkenntnis. Und bei Nietzsche, den ich ja sehr liebe, wird das Bild des Wanderers und der Reise oft als Symbol für den philosophisch Suchenden verwendet.
In »Also sprach Zarathustra« beschreibt Nietzsche das Leben als Reise oder Wanderung, bei der der Mensch sich ständig neu erschafft und über sich hinaus wächst. Da steht also Reise für die ständige Veränderung, den Umgang mit Unsicherheit und das Überwinden von Hindernissen.
Ganz gerne gelesen habe ich Siddhartha von Hermann Hesse, hast du bestimmt auch gelesen. Ja, genau. Und Hesse beschreibt ja die Reise als spirituelle Suche nach Erleuchtung und innerem Frieden. Jetzt habe ich Hesse mal eben bei den Philosophen eingemeindet. Ich hatte auch gerade so ein kleines Störgefühl. Aber wir kommen noch zu einem Philosophen Montagne, ein französischer Essayist und Philosoph der Renaissance.
Der sagt, Reisen sei eine Gelegenheit zur Selbsterkenntnis und zur Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Also ein ganz moderner Ansatz, den ich selber auch unterschreiben würde. Und der letzte, den ich hier vielleicht noch ganz kurz mit reinnehmen möchte, ist Jean-Paul Sartre.
Für ihn ist das Leben eine Reise, bei der wir ständig Entscheidungen treffen und damit unsere Existenz und die unserer Umgebung gestalten. Und in seinem Existenzialismus, der ja ganz berühmt ist als Konzept, da geht es eben genau darum, dass der Mensch zur Freiheit verurteilt ist und sein Leben durch seine Entscheidungen selbst gestaltet.
Da war aber jetzt ganz viel Schlaues dabei. Ich fand ganz viel Nachvollziehbares. Ich habe das manchmal so, wenn du da die philosophischen Ansichten und Thesen hier unterbreitest, dass ich mitunter denke so, hm,
Da würde ich jetzt nicht so mitgehen und das finde ich ein bisschen schwierig, das Konzept. Das ist ja auch das Spannende an der Philosophie, dass sich die Philosophen und Philosophinnen ja gerne mal komplett widersprechen und unterschiedliche Positionen einnehmen. Aber da fand ich jetzt zwar sehr viel bei, was ich so auf meinen Reisen auch so nachvollziehen kann, oder? Ja, das freut mich. Schön. Bei der Philosophie geht es ja nicht ums Recht haben, insofern alles das Fühle erlaubt. Genau, das ist das Gute.
Mal abgesehen davon, dass du jetzt eine schöne Reise vor dir hast, Karin, welche Reise würdest du denn gerne unternehmen, wenn die Zeit, die Kosten und der Aufwand keine Rolle spielen würde? Also Geld spielt keine Rolle. Eine Reise, die glaube ich viele Menschen gerne machen wollen würde, nämlich eine Reise ins All. Ich würde wirklich wahnsinnig gerne mal von oben auf die Erde gucken und da so ein bisschen rumlaufen.
wandern, rumschweben und das All wahrnehmen. Also ich glaube, das ist schon irre toll. Und es ist ja jetzt auch mittlerweile kommerziell möglich oder wird möglich sein, aber so kosten die dann hier doch etwas den Rahmen sprengen. Naja, wie ist es bei dir, Irina? Zeitreise.
Ja, tatsächlich. Ja, ich weiß, dass das gar nicht deins ist. Nee, das hatten wir schon mal, das Thema. Ja, genau. Also ich würde gerne in die Zukunft reisen und gucken, wie alles weitergeht, wie sich die KI beispielsweise weiterentwickelt, ob wir alle gesund 100 Jahre oder vielleicht sogar noch älter werden und ob es dann überhaupt noch Grenzen gibt beispielsweise und wenn das Ergebnis gut aussieht, dann freue ich mich.
Und wenn nicht, dann kann man ja vielleicht dazu beitragen, zu versuchen, die Zukunft zu verändern. Ja, das kannst du ja nicht. Dann würdest du ja diese Zeitreise... Das ist ja die Logik. Du kannst ja eigentlich nichts verändern. So eine Logik akzeptiere ich nicht. Das ist ja der Quatsch immer in diesen Spielfilmen.
Die wäre ja nicht so, wie sie ist, die Zukunft, wenn du sie gesehen hättest, wenn du sie dann hinterher verändern könntest. Ja, aber es gibt auch Filme, die zeigen, wie das gehen kann. Erzähl ich dir mal in Ruhe. Ja, ich erinnere mich an diese Serie Dark zum Beispiel. Naja, gut. Ja, hat wieder Spaß gemacht, unsere Unterhaltung, Karin. Beim nächsten Mal unterhalten wir uns auch über ein, wie ich finde, sehr nettes Thema. Wir reden nämlich
gemeinsam über das, was wir beide wahrscheinlich selten haben, nämlich Langeweile. Genau. Bis dahin denken wir weiter. Das machen wir. Tschüss, Irina. Mach's schön. Du auch. Ciao. Interessen. Konflikt. Ist ein Podcast von Dr. Irina Kummert und Karin Bathelmes-Wehr, der alle 14 Tage erscheint. Beratung Jens Teschke. Grafik Prof. Gerd Sedebis.