Wenn ich über Abtreibung und ihre gesetzliche Regelung in Deutschland nachdenke, habe ich das Gefühl, dass an der Stelle unsere gesellschaftliche Welt in zwei Sphären zerfällt. In eine Sphäre eines abstrakten Diskurses, in dem letzte Werte und Rechtsgüter, das Recht auf Leben und die Rolle des Staates, abgewogen und in ihrem Verhältnis bestimmt werden, fast wie in einem philosophischen Seminar zu Grundfragen der Ethik.
Und in eine Sphäre von Frauen, die ungewollt schwanger geworden und damit in eine große Not geraten sind. Deren Leben auf dem Kopf steht und die wahrscheinlich nicht prinzipiell etwas gegen Kinder hätten, aber deren Leben aktuell durch ein Kind ins Unglück stürzen würde. Und die keinen Ausweg wissen. Die beiden Sphären stehen in großer Spannung zueinander. Ihr Zusammenhang ist hochemotional, von zentralen Grundüberzeugungen
und von elementarer Not geprägt. Die eine ist die der allgemeinen Regelung für das Leben an sich. Eine Gesellschaft braucht das, so denke ich. Aber die andere ist die des wirklichen Lebens. Die eine Sphäre wird von Männern dominiert, betroffen sind in der anderen Sphäre aber nur Frauen. Das verschärft die Spannung. Und ich frage mich unwillkürlich, warum um Himmels Willen lässt man nicht die Frauen das entscheiden?
Weiß denn irgendein Mann an der Stelle etwas prinzipiell besser als eine Frau? Mach ich es mir dabei zu einfach? Ja, ganz sicher. Aber die Spannung der Sphären ist real. Und das seit Jahrzehnten. Und übrigens gerade jetzt wieder Thema.
Denn die Ampelkoalition hat die bestehende Regelung verändern wollen. Und Parlamentarierinnen von SPD und den Grünen haben versucht, in den Wochen nach dem Auseinanderbrechen der Koalition und vor dem Zusammentreten des neuen Bundestages noch eine Gesetzesveränderung ins Werk zu setzen. Davon und von den beiden Sphären erzählt die Lange Nacht zum Paragrafen 218 von Marius Efering.
Seien Sie gespannt. Mein Name ist Hans-Dieter Heimendahl. Ich bin der Redakteur der Langen Nacht. Sie erreichen mich wie immer unter langenacht.de.
Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über norwegische Literatur. Norwegen ist das Gastland bei der Leipziger Buchmesse. Für uns ein willkommener Anlass, gemeinsam mit dem Literaturhaus Leipzig Autorinnen und Autoren aus Norwegen einzuladen und mit ihnen über ihre Bücher zu sprechen. Mit dabei Trude Teige, Erik Vossnes Hansen und Thomas Espedal. Seien Sie gespannt. Sie können alle lange Nächte der letzten Monate auch in der Deutschlandfunk-App nachhören.
Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche. Was wir wollen, ist nicht weniger als die Quadratur des Kreises jenseits von Dimensionen. Das geht nicht. Hallo. Jeanne Disteldorf klingelt an einem Dienstagmorgen an meiner Wohnungstür.
Draußen kämpfen sich Menschen mit Mütze und Schal durch das Winterwetter. Drinnen stelle ich frischen Ingwertee auf den Küchentisch. Das hier ist für mich eine außergewöhnliche Situation. Nie zuvor habe ich als Journalist eine Gesprächspartnerin oder einen Gesprächspartner zu mir nach Hause eingeladen.
An diesem Dienstagmorgen kommt Can Disteldorf nun bereits zum zweiten Mal zu mir. In der Woche zuvor sprachen wir lange, ohne laufende Mikrofone. Can Disteldorf wünschte sich einen sicheren Raum für unsere Gespräche. Und dieser Raum soll jetzt meine Küche sein. Also, Ingwer-Tee, eine Kerze und klar, ein doppelter Espresso. Danke.
Dann geht es los. Ich habe mich gefragt, weil ich immer, wenn ich jetzt quasi Gespräche führe und mit Menschen über dieses Thema spreche... Welches Thema? Abtreiben im Kontext des 218. Dass für jeden der Mittelpunkt dieser Debatte ein anderer ist. Also der Kern dieser Debatte ist ein anderer. Und ich habe mich gefragt, was ist für Sie der Mittelpunkt dieser Debatte und Auseinandersetzung mit dem Thema?
Mein Bauch. Das ist Paragraf 218. Eine lange Nacht über das Abtreibungsrecht in Deutschland. Von mir, Marius Elfering. Warum ist es der Bauch? Weil für mich die ganze Auseinandersetzung mit dem Thema, für mich als Mensch, in diesem Körper, in diesem Leben, hat damit begonnen, dass ich abgetrieben habe.
Über 100.000 Frauen treiben in Deutschland pro Jahr ab. Das sind die offiziellen Zahlen. Die Frauen handeln dabei rechtswidrig, gegen das Gesetz. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland grundsätzlich strafbar. Das regelt der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch seit mittlerweile über 150 Jahren. Erst das Entscheiden, dann das Handeln und dann das mit dem Handeln Leben, Sein, Klarkommen. Und das hatte jahrelang die Form Verdrängen.
Abtreibungen sind in Deutschland nicht nur grundsätzlich strafbar, sondern immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema.
2021 schreibt Jeanne Diesteldorf das Buch »Keine Mutter«. Darin erzählt sie die Geschichten von zwölf unterschiedlichen Frauen, die eine Schwangerschaft abgebrochen haben. Im Vorwort schreibt sie damals auch, dass sie selbst eine Abtreibung hatte. Doch ihre eigene Geschichte erzählt sie nicht ausführlich. Überhaupt, über Jahre hinweg erzählte Jeanne Diesteldorf niemandem, dass sie eine Abtreibung hatte.
Sie fand Worte für andere Frauen. Nach ihren eigenen sucht sie bis heute. Ich für mich höchstpersönlich habe das ausschließlich mit mir ausgemacht. Aber ich habe die Entscheidung danach, ich habe sie nicht infrage gestellt, ich habe sie auch nicht bereut, aber ich habe sie im Kopf 798 Mal wieder aufgemacht. Das rüttelte nicht an der Wahrheit, aber wenn das Nachdenken dann ins Spiel kommt sozusagen,
scheint es wahnsinnig komplex zu werden und kompliziert. Und das liegt garantiert auch daran, dass es so etwas Höchstpersönliches ist. Es findet nur in meinem Bauch statt und das kann kein anderer da draußen nachempfinden. Und deshalb ist es meine Entscheidung. Also mein Gefühl und mein Handeln. Es geht um meinen Bauch. Und ich ahne, das meinen wir alle, wenn wir sagen,
Bisweilen schreien, my body, my choice. Die Diskussion, ob Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nicht mehr rechtswidrig sein sollten, sondern für eine bestimmte Frist rechtmäßig, die läuft seit Jahrzehnten.
Jeanne Disteldorf weiß noch, wie sie sich selbst damals gefühlt hat, als sie merkt. Ich bin schwanger und ich spüre, ich will es nicht sein. Also Entscheidung ist ja per se, also zumindest für mich etwas kopflastiges. Rechts oder links, ja oder nein. Es ist was Duales, schwarz oder weiß. Und gleichzeitig hat es ausschließlich mit dem Bauch zu tun. Und da fängt die Diskrepanz schon an, dass der Kopf meint, er müsste sich in irgendwas einmischen.
was ich im Bauch spüre. Also das sind Sachen, die versuche ich jetzt in Worte zu kleiden.
Und gleichzeitig greift irgendwie kein Wort so richtig, weil es immer nur ein Vehikel ist. Immer nur der Versuch, irgendwas in einen Rahmen zu packen, damit mein Gegenüber versteht, was ich selber spüre. Niemand kann verstehen, was sie spürt. Denn die Geschichte hinter einer jeden Abtreibung ist immer auch eine ganz persönliche Geschichte. Weil es halt nur mein Bauch ist. Und das kannst du, Partner, du, Arzt verstehen.
Du Gesetzgeber, niemals nachempfinden, weil es mein Bauch ist.
Das Gefühl in ihrem Bauch trifft damals auf die Realität des deutschen Strafgesetzbuchs. Wenn sie abtreibt, das ist ihr damals klar, handelt sie gegen das Gesetz. Und trotzdem kann sie diesen Weg gehen. Denn das Strafgesetzbuch sieht vor, dass Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, straffrei bleiben, wenn sie vorher bei einer Beratungsstelle eine Pflichtberatung absolvieren, drei Tage Bedenkzeit abwarten und noch innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach der Befruchtung liegen.
Auch darüber hinaus sind noch Abtreibungen möglich, unter bestimmten Voraussetzungen, aber zu denen kommen wir später. Ich spüre im Bauch Nein zu dieser Schwangerschaft und gleichzeitig bewege ich mich in diesen gesellschaftlichen Strukturen.
die mir verbieten, theoretisch zu tun, was ich tun will, es mir aber trotzdem ermöglichen, auf eine Art und Weise, die mir, da rede ich jetzt nur für mich, höchstpersönlich, unendlich wehgetan haben. Das ist ein Scheißgefühl. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.
Jeanne Disteldorf geht damals den vorgeschriebenen Weg. Zuerst spricht sie mit ihrem Gynäkologen. Ich wurde von meinem Gynäkologen damals professionell und empathisch beraten im Sinne von, er hat mir klar skizziert, wie die nächsten Schritte wären. Ihr Gynäkologe, bei dem sie sich wohlfühlt, sagt ihr damals, dass er keine Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.
Jeanne Disteldorf bleibt nach dem verpflichtenden Beratungsgespräch in einer anerkannten Beratungsstelle keine Wahl, außer sich einen anderen Arzt für die Abtreibung zu suchen. Jahrelang wird sie niemandem von ihrer Abtreibung erzählen. Schweigen. Es für sich behalten. Woran liegt's? Ich hatte damals keinen blassen Schimmer, wie ich damit umgehen soll. Das war zu groß, zu viel, zu tief, zu wirr.
Zu was auch immer. Und dann kam es mir beinahe schon gelegen, dass es ein Tabu sein konnte. Das hat ja keiner mitbekommen. War ja eh alles klammheimlich, zumindest halb. Sowieso illegal, zumindest halb oder auch mehr. Ich brauche ja nicht drüber zu reden. Ich wollte es jahrelang nicht. Ich konnte es jahrelang nicht. Was ist der Kern dieser Geschichte? Der Geschichte des deutschen Abtreibungsrechts. Der Kern des Tabuthemas Abtreibungen in Deutschland.
Der Kern der Debatte, ob Schwangerschaftsabbrüche ins Strafgesetzbuch gehören oder nicht. Der Kern der Debatte rund um mögliche Reformen des Paragrafen 218 StGB. Mein Bauch. Und von da aus? Wohin führt die Diskussion rund um das deutsche Abtreibungsrecht? Von da aus gibt es für mich jede Farbe von...
Schweigen, Fliehen, Lügen, Verbinden, Sehnsuchten bis hin zu x vermeintliche Abstraktionsebenen in den Bundestag rein. Es gibt Themen, die begleiten Politikerinnen und Politiker über Jahre hinweg. Was das ist, das ist ganz unterschiedlich. Je nach Interessen, nach Prioritätensetzung, nach Fachwissen.
In der Krefelder Innenstadt sitzt Ulle Schaufs Ende 2024 hinter einer langen Fensterfront an einem Tisch, auf dem das erste Weihnachtsgebäck steht.
Ulle Schaufs ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete der Grünen und frauenpolitische Sprecherin der Partei. Auch mit der Partei haben wir die Thematik Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch immer zum Thema gehabt. Es war immer in den Wahlprogrammen bei uns so, dass dieser Missstand und auch das Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung von Frauen immer wirklich eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat.
Bis 2022 regelte in Deutschland der Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs, dass für Schwangerschaftsabbrüche nicht geworben werden durfte. Mit der Folge, dass viele Ärztinnen und Ärzte die Befürchtung hatten, strafrechtlich verfolgt zu werden, wenn sie beispielsweise auf ihrer Internetseite Informationsmaterialien zu Abtreibungen zur Verfügung stellten.
Bundesweit bekannt wurde der Fall der Ärztin Christina Hänel, die 2017 genau wegen dieses Paragrafen angeklagt und später zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Christina Hänel wehrte sich in mehreren gerichtlichen Instanzen, legte später sogar Verfassungsbeschwerde ein. 2022 schaffte die Ampelregierung den Paragrafen 219a dann ab.
Christina Hänel wurde rehabilitiert, so wie alle Medizinerinnen und Mediziner, die seit 1990 wegen des Paragrafen 219a verurteilt wurden. Ulle Schaus erzählt, dass diese Debatte auch die Diskussion um eine Reform des Paragrafen 218 vorangetrieben habe.
Jetzt, im Winter 2024, ist sie eine der Initiatorinnen eines Gesetzentwurfes, der vorsieht, dass Abtreibungen in Deutschland bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nach der Befruchtung eben nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden, also nicht mehr rechtswidrig sein sollen. Ich habe im Sommer schon mit der Kollegin Carmen Wege von der SPD gesprochen.
intensiv mich ausgetauscht, auch mit anderen Kolleginnen, auch in unserer Fraktion mit den Fachkolleginnen. Aber wir haben das im Prinzip initiiert und gesagt, wir müssen die jetzt auf den Weg bringen. Carmen Wege, das ist die hier. Sondersitzung Innenausschuss. Carmen Wege steht vor einer großen, blau gerahmten Glastür im Deutschen Bundestag und checkt die Nachrichten auf ihrem Handy.
Ihr Büro hat für das Gespräch einen Konferenzraum reserviert. Doch in dem sitzt gerade noch ein älterer Mann und spricht Notizen durch, die auf einem Zettel, der vor ihm liegt, geschrieben sind. Carmen Wege ist neben Ulle Schaufs die Abgeordnete, die den Reformvorschlag für den Paragrafen 218 federführend mit auf den Weg gebracht hat. 328 Abgeordnete aus unterschiedlichen Fraktionen unterstützen den sogenannten Gruppenantrag in diesen Monaten.
Dass es diesen jetzt, im Winter 2024, überhaupt gibt, liegt vor allem an einem Umstand. Dem frühzeitigen Bruch der Ampelregierung. Denn eigentlich, so sagt es Carmen Wege von der SPD, dachten sie, Ulle Schaufs und die anderen beteiligten Abgeordneten, dass sie mehr Zeit hätten.
Der Zeitplan war, dass wir Richtung Ende des Jahres, Anfang 2025, dann den Gesetzentwurf einbringen und dass wir das dann auch noch so hinbekommen, dass es quasi mit ausreichend Abstand vor der Wahl dann noch ist. Und wir hatten ja durchgerechnet. Wir wissen, dass wir eine Mehrheit haben, wenn es zur Abstimmung kommt. Und wir haben diesen Antrag auch nicht nur mit roten und grünen Abgeordneten erarbeitet, sondern auch mit Abgeordneten der FDP. Und deswegen gab es ja auch einen Abstand.
Konsens innerhalb der Ampelfraktionen, dass wir das machen dürfen und sahen da dann halt auch einfach keine Problematik drin, jetzt nicht rasant zu arbeiten.
Doch dann wird klar, die Ampelkoalition könnte frühzeitig enden. Wir hatten dann ein Treffen am Tag, an dem die Koalition gebrochen ist, vormittags. Und haben gesagt, was machen wir denn, wenn dieser Koalitionsausschuss heute Abend schief geht. Dann haben sich alle in die Augen geschaut und haben gesagt, wir machen es trotzdem, weil wir sind ja unabhängige, aufrechte ParlamentarierInnen.
Es geht um Abtreibungsgegner, die von Kindermord und industrieller Kinderschlachtung sprechen.
Vor allem aber geht es um eines. Frauen, die für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung kämpfen. 2022 veröffentlichte die WHO neue Richtlinien zu sicheren Abtreibungen. Diese sind nicht bindend und verdeutlichen doch, wie sich die deutsche Regelung von internationalen Empfehlungen unterscheidet. Die WHO empfiehlt explizit, Abtreibungen nicht zu kriminalisieren. Die Eingriffe sollen durch medizinisch gut geschultes Personal durchgeführt werden.
Es soll keine Wartezeiten vor den gewünschten Eingriffen geben und die Frau soll die Entscheidung selbst treffen können, ohne dass es notwendig ist, dass andere Menschen, beispielsweise der Erzeuger, zustimmen. Deutschland wird diesen Richtlinien nur in Teilen gerecht. Frankreich beispielsweise hat als erstes Land der Welt das Recht auf Abtreibung in seine Verfassung aufgenommen. Und in Kanada zum Beispiel sind Schwangerschaftsabbrüche in allen Phasen der Schwangerschaft legal.
Fasst man den Gesetzentwurf, den Ulle Schaufs, Carmen Wege und andere Abgeordnete in diesen Monaten auf den Weg bringen, in aller Kürze zusammen, dann folgendermaßen. Sie wollen, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nach der Befruchtung nicht mehr rechtswidrig sind. Darüber hinaus bis auf Ausnahmen, auf die wir später kommen, aber schon.
Die bisherige Pflichtberatung bei einer anerkannten Beratungsstelle soll ebenfalls bleiben, aber die Bedenkzeit hiernach gestrichen werden. Oder wie Ulle Schaufs es in diesen Wochen ausdrückt. Das macht einen Riesenunterschied. 96 Prozent aller Abbrüche, die bisher passieren, passieren innerhalb dieser ersten zwölf Wochen. Die restlichen vier Prozent entfallen auf die sogenannte Indikationsregelung, also Abtreibungen aus medizinischen Gründen oder nach Sexualdelikten.
Morgen.
In Köln treffe ich Bettina Weißer. Sie sitzt in ihrem Büro im vierten Stock eines in die Jahre gekommenen Gebäudes.
Bettina Weißer ist die Direktorin des Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht der Universität zu Köln. Und sie war Mitglied in der Expertinnenkommission, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde, um eine Einschätzung und Empfehlung für eine mögliche Reform des Paragrafen 218 abzugeben.
Bettina Weißer soll helfen zu verstehen, wie die Rechtslage für Frauen in Deutschland aktuell ist. Wir haben ja im Moment eine relativ klare Rechtslage im StGB, die im Grunde genommen den Schwangerschaftsabbruch zunächst mal als Delikt gegen das Leben unter Strafe stellt. Punkt.
Bevor wir mit Bettina Weißer im Detail auf die rechtliche Lage schauen, sollten wir vielleicht einmal einen Blick auf den Paragrafen 218 insgesamt werfen. Strafgesetzbuch StGB, Paragraf 218, Schwangerschaftsabbruch, Absatz 1. Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes. Das ist die aktuelle Rechtslage. Und die gründet im Wesentlichen auf zwei verfassungsgerichtlichen Urteilen. Die sind aus 1975 und 1993. Und gründet im Grunde darauf, dass das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, Frauen trifft.
ab dem Moment der Nidation, also der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter, grundsätzlich die Pflicht, eine Schwangerschaft auszutragen. Das ist tatsächlich auch der Begriff, den das Bundesverfassungsgericht, auf das wir gleich zu sprechen kommen, benutzt. Austragungspflicht. Das ist unsere aktuelle Rechtslage.
Und die beruht darauf, dass das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, der Staat tritt sozusagen an die Stelle des ungeborenen Lebens und verteidigt dieses ungeborene Leben und zwar auch gegen die Mutter. Die beiden Urteile des Bundesverfassungsgerichts prägen die Diskussion um eine mögliche Reform des Paragrafen 218.
Wenn man nachvollzieht, was genau da in den 70er und in den 90er Jahren passiert ist, versteht man auch, warum die aktuelle Debatte so schwierig ist. Kurzer Blick zurück. 1871, mit Gründung des Kaiserreichs, wird der Paragraf 218 in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Bei Abtreibungen drohen bis zu fünf Jahre Zuchthaus, mindestens aber sechs Monate Gefängnis.
In der Weimarer Republik folgen mehrere Vorstöße, den Paragrafen zu reformieren und das Recht zu liberalisieren. Doch sie alle scheitern. Nur für den Fall, dass das Leben der Schwangeren in Gefahr ist, dürfen Abtreibungen ab 1927 straffrei vorgenommen werden. In der Zeit des Nationalsozialismus kommt es zu menschenverachtenden Verschärfungen.
Auf Werbung für Verhütungsmittel mit Ausnahme von Kondomen und Hilfe beim Schwangerschaftsabbruch steht nun ebenfalls Gefängnis. Im Kern geht es jetzt um die Lebenskraft des deutschen Volkes. Wer gewerbsmäßig Schwangerschaftsabbrüche durchführt, wird zum Tode verurteilt. Abtreibungen bei sogenannten dem nationalsozialistischen Volk nicht angehörigen Volksgruppen werden nicht bestraft.
Nach der NS-Zeit wird die Androhung der Todesstrafe wieder gestrichen. Später auch die Möglichkeit der Abtreibung bei einer medizinischen Indikation wieder eingeführt. Wir gehen in die 70er Jahre. Im Bundestag werden in diesem Jahrzehnt immer wieder historische Debatten geführt. Eine dieser historischen Debatten, die auch in die 70er Jahre fällt, ist die um den Paragrafen 218.
Am 6. Juni 1971, einem Sonntag, erscheint das Magazin Stern. Der Titel wird bundesweite Debatten auslösen. Unter der Überschrift »Wir haben abgetrieben« bekennen sich in dem Magazin 374 Frauen dazu, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch hatten. Diese Form der Öffentlichkeit ist dahin kaum denkbar.
1972 dann stellt Willy Brandt die Vertrauensfrage. Es kommt zu Neuwahlen, die Brandt gewinnt. Und mit der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP ab 1972 soll nun auch eine Veränderung des Paragrafen 218 auf den Weg gebracht werden. Die Parteien arbeiten ein sogenanntes Fristenmodell aus. Das Ziel, Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen sollen generell straffrei bleiben.
Am 25. April 1974 ist es dann soweit. Die Sache wird im Bundestag debattiert. Schon am Morgen beginnt die Sitzung und sie wird bis weit nach Mitternacht andauern. Die Opposition aus CDU-CSU ist gegen die Fristenlösung und möchte stattdessen ein sogenanntes Indikationsmodell. Dabei sind Abtreibungen nur möglich, wenn vorab festgelegte medizinische oder ethische Voraussetzungen erfüllt werden.
Willy Brandt sagt damals im Bundestag, dass sich die Rechtsauffassung und die soziale Wirklichkeit auseinanderentwickelt hätten. Und der Paragraf 218 ist in dem, was er real bewirkt, ein schwer erträglicher Restbestand sozialer Ungerechtigkeit des vorigen Jahrhunderts.
Am Ende stimmt das Parlament für die Fristenregelung. 247 Ja-Stimmen gegenüber 233 Nein-Stimmen. Neun Abgeordnete enthalten sich. Doch durch ist die Reform des Paragrafen 218 damals nicht. Der Bundesrat wird von der Union dominiert. Und schließlich kommt es zur Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, das 1975 entscheidet und feststellt, dass
Die Fristenregelung, wie sie vom Bundestag beschlossen wurde, würde dem Artikel 2 des Grundgesetzes nicht gerecht. Kurze Erinnerung, Artikel 2 des Grundgesetzes. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Im Urteil heißt es damals, die angestrebte Reform des Paragrafen 218 würde dazu führen, dass das werdende Leben gegenüber der werdenden Mutter nicht in dem gebotenen Umfang geschützt würde.
Die im Bundestag schon beschlossene Reform des Paragrafen 218 ist damit gescheitert.
Das ist genau der springende Punkt, diese grundsätzliche Prämisse zu sagen, wie kann man überhaupt abwägen. Und das Bundesverfassungsgericht hat eigentlich gesagt, man kann gar nicht abwägen, wenn wir auf der einen Seite die Grundrechtsposition des Ungeborenen haben und auf der anderen Seite die Grundrechtsposition der schwangeren Frau. Wenn Bettina Weißer heute, 50 Jahre nach der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, über diese beiden Grundrechtspositionen spricht,
merkt man, dass es ihr wichtig ist, differenzierter auf die verschiedenen Stadien der Schwangerschaft zu blicken, wenn man über mögliche Lösungen für die Gegenwart debattiert. Was dabei aus dem Blick gerät, ist, dass diese Vorstellung, wir haben zwei Grundrechtsträger, die sich sozusagen unverbunden gegenüberstehen, dass diese Vorstellung, das ist eine Fiktion.
Wir haben in der Frühphase der Schwangerschaft eine Grundrechtsträgerin, das ist die schwangere Frau. Und in der Frühphase besteht die Aussicht darauf, dass sich dieses Leben entwickelt. Da gibt es aber ganz viele Unwägbarkeiten. Also jetzt mal ganz unabhängig davon, wie bestimmte Entscheidungen fallen, kann natürlich in der Frühphase der Schwangerschaft noch sehr, sehr viel passieren.
Das heißt, wir haben jedenfalls nicht von Tag 1 ab Nidation ein vollständiges Wesen und in der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts ein Kind. Sondern, so sieht es Bettina Weißer, wir haben die Möglichkeit und Chance, dass sich ein Kind entwickelt. Und wenn man das so betrachtet, dann muss man...
In dieser Verbindung von sozusagen der Aussicht, dass sich das Leben entwickelt und der Frau, deren Körper hier in Anspruch genommen wird, muss man die Grundrechtsposition entsprechend gewichten. Und das heißt, zu Beginn müssen wir ins Auge fassen, dass es für die schwangere Frau...
die Entscheidung, eine Schwangerschaft auszutragen, massive Veränderungen mit sich bringt. Also es sind massive körperliche Veränderungen, es sind psychische Veränderungen, das ist eine Veränderung der Lebensplanung. Und all das bezieht sie mit ein in ihre Sicht darauf und bezieht
Hier die Entscheidung zu treffen, wie die künftige Lebensgestaltung aussehen soll, das ist im Grunde genommen eine höchstpersönliche Entscheidung. 1976 kommt es im Bundestag zu einem weiteren Vorstoß, den Paragrafen zu reformieren und zwar mit einer Indikationslösung. Musik
Der Bundestag legt damals vier Kriterien fest, unter denen ein Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt und zwar auch über die zwölfte Schwangerschaftswoche hinaus, nämlich die medizinische, embryopathische, die kriminologische und die Notlagenindikation. Diese Reform wird damals gegen die Stimmen von CDU und CSU beschlossen. Es wird eineinhalb Jahrzehnte dauern, bis es zu einem neuen Anlauf kommt, den Paragrafen 218 grundlegend zu verändern.
Nochmal ein Zeitsprung. Dieses Mal in die 90er Jahre. Deutschland verändert sich dramatisch. Die Mauer ist gefallen, das Land wiedervereinigt. Genau das führt 1990 dazu, dass die Politik sich wieder mit dem Paragrafen 218 beschäftigen muss. Eineinhalb Jahrzehnte sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 70er Jahren vergangen.
Jetzt beginnt die Reformdebatte erneut. Während die Frauen aus der ehemaligen DDR ein liberales Abtreibungsrecht kennen – Abtreibungen sind erlaubt, die Frauen dürfen bis zur 12. Schwangerschaftswoche eigenverantwortlich über einen Abbruch entscheiden – sieht die Sache in der BRD damals anders aus. Der Paragraf 218 gilt. Abtreibungen sind generell strafbar.
Die Frauenbewegung erfährt ein neues Momentum. Gemeinsam geht man auf die Straße und protestiert. In Berlin, in Bonn. Man will die Streichung des Paragrafen. Im Rahmen der Wiedervereinigung wird eine Frist von zwei Jahren vereinbart. Bis Ende 1992 sollen in Ost- und Westdeutschland die jeweils bis dahin geltenden Regeln weiter Bestand haben. Dann soll es eine gemeinsame Regelung geben.
Die Diskussion, ob es nicht eine Fristenlösung statt einer Indikationslösung geben könne, gewinnt wieder an Fahrt und mündet wieder in eine Debatte im Deutschen Bundestag rund um die Neuregelung. Es ist der 25. Juni 1992. Auf der einen Seite der Großteil der CDU und CSU, die keine Fristenlösung wollen.
Auf der anderen Seite SPD und FDP, aber auch einige Politikerinnen der Union, wie zum Beispiel Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die sich für eine Fristenlösung aussprechen. Die Debatte wird wieder zum Marathon. 16 Stunden dauert sie. Der Vorschlag für eine Fristenlösung sieht damals vor, schwangere Frauen sollen eine Pflichtberatung absolvieren und können dann in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft abtreiben, ohne Recht zu brechen.
Der Bundestag stimmt diesem Vorschlag am Ende deutlich zu. 357 Ja-Stimmen zu 284 Nein-Stimmen. Doch wie schon in den 70er Jahren landet die Sache schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht. Und das spricht am 28. Mai 1993 sein zweites Urteil.
Die Fristenlösung sei verfassungswidrig. Im Urteil heißt es damals, »Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen.«
Und weiter. Und weiter.
Wie schon in den 70er Jahren fällen die Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht ihr Urteil allerdings nicht einstimmig.
1993 geben zwei der Richter ein sogenanntes Sondervotum ab. Sie schreiben, rechtliche Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs ergreifen den innersten Bereich menschlichen Lebens und berühren grundlegende Fragen menschlicher Existenz. Zu den spezifischen Grundbedingungen menschlichen Seins gehört, dass Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen. Die Folgen dieser Divergenz haben die Frauen zu tragen.
Zu allen Zeiten und in allen von verschiedenen moralischen und religiösen Wertvorstellungen geprägten Kulturen haben sie Auswege aus der Not ungewollter Schwangerschaften gesucht und gefunden und sich dabei durch Androhung auch schwerster und grausamer Strafen nicht davon abhalten lassen, selbst bei Gefahr für das eigene Leben das ungeborene Leben abzutöten, wenn sie ein Kind nicht wollten.
Entsprechend ihrer gewandelten gesellschaftlichen Stellung lösen Frauen heute diesen fundamentalen Lebenskonflikt vornehmlich danach, ob sie nach eigener Einschätzung in ihrer konkreten Lebenssituation die Möglichkeit erkennen, die Aufgaben einer Mutter verantwortlich zu erfüllen.
Und dann werden sie deutlich. Doch das Urteil ist gefällt. Das Reformvorhaben wieder gescheitert.
1995 verabschiedet der Bundestag mit knapper Mehrheit eine Kombination aus Fristen und Indikationslösung. Demnach ist die Abtreibung bei einer medizinischen Indikation, also beispielsweise der Gefahr für das Leben der Schwangeren, nicht rechtswidrig und straffrei. Das gilt auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus. Für die kriminologische Indikation gilt die gleiche Regelung, solange der Abbruch innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen stattfindet.
Außerdem gilt die Fristenlösung, dass Frauen nach einer vorherigen Pflichtberatung abtreiben können und dies bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei bleibt. Aber eben dennoch rechtswidrig. Das ist sozusagen die Grundlage der aktuellen Rechtslage. Wenn man jetzt darüber nachdenkt, diese Rechtslage zu reformieren, dann liegt das daran, dass deutlich geworden ist, dass jedenfalls für die Frühphase der Schwangerschaft
Nach der gegenwärtigen Rechtslage, die Grundrechtspositionen schwangerer Frauen auch rechtlich unterbelichtet sind. Und hier muss man überlegen, wie man eine
gesetzliche Regelungen schafft, die zum einen es ermöglicht, Grundrechtspositionen der Frau in hinreichend angemessener Weise zu schützen und zum anderen den Schutz des ungeborenen Lebens nicht aus dem Auge verliert. Das denkt Bettina Weißer. Und das ist auch die grundsätzliche Position der Expertinnenkommission, in der sie saß.
In der öffentlichen Debatte wird die Regelung, die damals nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1993 geschaffen wird, häufig als gesellschaftlicher Kompromiss betitelt. Diejenigen, die gegen eine Reform des Paragrafen 218 sind, weisen dann oft darauf hin, dass man sich damals auf diese Lösung geeinigt und den Konflikt so befriedet habe. Dass Frauen in Deutschland doch abtreiben können, ohne dass sie bestraft werden.
dass diese Regelung doch jetzt 30 Jahre lang gelte und eine neue Reform nur für Unruhe sorgen würde. Bettina Weißer ist anderer Meinung. Das ist deswegen kein Kompromiss, weil man der schwangeren Frau sozusagen das Signal sendet, es gibt im Grunde genommen nur eine Möglichkeit rechtmäßigen Verhaltens und die besteht darin, die Schwangerschaft auszutragen. Es ist zwar erlaubt und wird strafrechtlich nicht relevant,
wenn man eine Schwangerschaft abbricht, aber es bleibt rechtswidrig. Und da kann ich keinen Kompromiss erkennen. Doch wenn die Regelung aus den 90er Jahren kein Kompromiss war, wie Bettina Weißer es hier beschreibt, wäre dann heute einer möglich? Und wie genau könnten sich Gegnerinnen und Gegner, Befürworterinnen und Befürworter einer Reform darauf einigen?
Im April 2024 legt die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, das ist die korrekte Bezeichnung der Kommission, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde, ihren Abschlussbericht vor. Wie gesagt, Bettina Weißer war Mitglied in der Kommission. In ihrem Bericht geben die Mitglieder Empfehlungen ab, wie eine Neuregelung aussehen könnte. Dabei unterteilen die Expertinnen die Schwangerschaft in die Frühphase, die mittlere Phase und die Spätphase.
In der Frühphase der Schwangerschaft, so der Vorschlag, sollte eine Abtreibung grundsätzlich rechtmäßig sein. Kein Strafgesetzbuch, keine Sorge, dass der Abbruch nicht rechtmäßig ist.
Für die mittlere Phase der Schwangerschaft gibt das Gremium keine konkrete Empfehlung ab, sondern bleibt vage. Es stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, bis zu welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlaubt und ab welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr erlaubt, heißt es da. Für die Spätphase der Schwangerschaft ist die Empfehlung wieder klarer. Hier sollten Abtreibungen bis auf Ausnahmen nicht erlaubt sein.
Die Zusammensetzung der Expertinnenkommission ist in diesen Monaten ein großes Thema. Bei Gegnerinnen und Gegnern einer Reform des Paragrafen 218 schwingt immer wieder der Vorwurf mit, das Gremium sei einseitig besetzt gewesen. Das hat mich auch, ich will nicht sagen entsetzt, aber es hat mich doch wirklich sehr gewundert, wie man da vorgegangen ist. Wenn man normalerweise, ich bin jetzt seit über 20 Jahren im Bundestag, solche grundlegenden ethischen Fragen eigentlich aus dem Parlament heraus begleitet. Das ist ja noch ein bisschen so ein Ding.
In Mönchengladbach kämpft das Büro von Günter Krings, dem rechtspolitischen Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, mit Wasser. Besser gesagt, mit einem Wasserschaden. Ich habe mich mit Günter Krings in seinem Wahlkreisbüro zum Gespräch verabredet. Kurzfristig weichen wir auf einen anderen Raum aus.
Wenn wir auf der einen Seite der Skala die Initiatorinnen des Gesetzentwurfes haben und ihren Wunsch, dass der Paragraf 218 reformiert wird, haben wir auf der anderen Seite der Skala in diesen Monaten unter anderem die CDU. Und damit auch Günther Krings, der sich als rechtspolitischer Sprecher immer wieder zu dem Thema äußert.
Und er findet, die von der Regierung eingesetzte Expertinnenkommission sei in der Sache voreingenommen. Bei dieser Kommission hatten wir nicht die Möglichkeit, überhaupt nur irgendeinen Experten mitzubenennen. Das war eine reine Regierungskommission. Bei einer solchen Frage, die ethische Grundfragen berührt, sehr merkwürdig und der Sache nicht dienlich.
Man hat auch die Experten so gezielt ausgewählt, dass man jedenfalls bei der Frage Schwangerschaftsabbruch damit schon vorgegeben hat, was herauskommen sollte. Es ist beinahe überflüssig zu sagen, dass Ulle Schaufs von den Grünen, Carmen Wege von der SPD und die anderen Befürworterinnen und Befürworter einer Reform das natürlich gänzlich anders sehen. Aber okay, zur Sicherheit. Sie sehen das natürlich gänzlich anders.
Zurück zu Günter Krings von der CDU, der im Winter 2024 in dem Besprechungsraum in Mönchengladbach sitzt. Mittlerweile ist klar, es gibt Neuwahlen. Es bleiben nur noch wenige Wochen und wenn alles gut läuft, so sieht es Günter Krings, dann wird sich am Paragrafen 218 in dieser Zeit genau gar nichts mehr ändern. Also in den nächsten Wochen erhoffe ich mir gar nichts davon, weil das eher in der Tat ein Beitrag zur Polarisierung oder gar zur Spaltung sein könnte. Da habe ich eher die Sorge davor.
Ich glaube, dass wenn wir vielleicht in Ruhe nach einer Wahl das Thema nochmal diskutieren, dass wir dann auch mehr Verständnis für die jetzige Regelung erreichen, dass wir auch den Leuten klar machen können, es gibt gar keine Strafbarkeit der Frau, weil § 218a einen Strafbarkeitsausschluss vorsieht. Und dass wir diese ganzen Fakten nochmal in die Debatte einführen und sie damit auch von Behauptungen, von Vorwürfen eher in das Sachliche hineinziehen können.
Günther Krings bringt hier einen für Juristinnen und Juristen wichtigen Begriff ein, den Strafausschließungsgrund. Zum besseren Verständnis kommt hier einmal kurz der Paragraf 218a des Strafgesetzbuchs, denn der ist für Günther Krings in seiner Argumentation wichtig. Strafgesetzbuch, Paragraf 218a, Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, Absatz 1.
Der Tatbestand des Paragrafen 218 ist nicht verwirklicht, wenn 1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach Paragraf 219 Absatz 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen. 2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und 3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
Soweit so klar. Was Günther Krings damit in Bezug auf den Paragrafen 218 meint, kann er noch etwas anschaulicher erklären. Wir können deshalb übrigens die betroffenen Frauen gar nicht entkriminalisieren, weil sie schon gar nicht kriminalisiert sind. Paragraf 218a, der wird ja oft überlesen, der sieht nicht nur wie früher mal einen Strafausschließungsgrund vor, sondern einen Tatbestandsausschluss. Das heißt...
Wenn eine Frau sich nach Beratung und entsprechendem Verfahren für den Schwangerschaftsabbruch entscheidet, ist sie schon tatbestandlich gar nicht strafbar. Sozusagen, wir Juristen lernen das im ersten Semester in der Strafrechtsvorlesung. Der Tatbestand, dann die Rechtfertigung und dann Schuldausschließungsgründe. Wir kommen zu den zweiten und dritten Ebene schon gar nicht mehr, weil wir schon gar keinen Tatbestand vorliegen haben.
Das Interessante hieran, aus der Feststellung, dass die Frauen keinen Tatbestand erfüllen, ziehen einige Juristinnen und Juristen völlig unterschiedliche Schlüsse. Ich habe Günther Krings Aussage Bettina Weißer, der Direktorin des Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht der Universität Köln vorgespielt. Weil wir schon gar keinen Tatbestand vorliegen haben.
Ja, das ist völlig richtig und deswegen ist die Rechtslage dogmatisch auch überhaupt nicht überzeugend. Denn wenn Sie sagen, der Tatbestand ist nicht erfüllt, gleichzeitig aber die Aussage postulieren, das Verhalten ist rechtswidrig und damit sozusagen ein Unwerturteil postulieren, dann passt das eine nicht zum anderen dazu. Und das ist im Grunde genommen schon die Bankrotterklärung für diese Regelung.
Ganz genau. Wenn sie im ersten Semester vor einem Hörsaal von Studierenden stehen und das erklären, dann gucken die sie an mit großen Augen, weil sie die Welt nicht mehr verstehen. Weil eigentlich ist die Grundregel, was nicht tatbestandsmäßig ist, kann auch nicht rechtswidrig sein. Günther Krings und Bettina Weißer haben an dieser Stelle unterschiedliche Ansichten. Sehr unterschiedliche Ansichten.
Die beiden, das wird vermutlich schon klar, die kommen in dieser Diskussion nicht mehr zusammen.
Aber abseits von den juristischen Diskussionen, wie blickt Günther Krings von der CDU auf den Konflikt und die Debatte als solche? Was bewegt ihn? Wir haben von Verfassungs wegen, aber auch aus ethischen Gründen den Auftrag, zwei wichtige Rechtsgüter zum Ausgleich zu bringen. Einmal das Persönlichkeitsrecht der Frau, aber eben auch das Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Und diese ethischen Fragen sind auch beantwortet.
durchbuchstabiert und interpretiert und ausgelegt worden vom Verfassungsgericht aus dem Artikel 1, dem Artikel 2 des Grundgesetzes, auch aus der Menschenwürde heraus. Und das nimmt dieser Gesetzentwurf einfach nicht ernst. Nur kurz. Er meint natürlich den Gesetzentwurf, über den in diesen Monaten gestritten wird. Er geht da sehr drüber hinweg, über die Aussage auch des Verfassungsgerichts heraus,
dass sich das Kind im Mutterleib nicht zum Menschen entwickelt, sondern bereits als Mensch entwickelt, also bereits Mensch ist, Persönlichkeitsschutz, Würdeschutz ihm zukommt. Wie anders Günther Krings im Vergleich zum Beispiel zu Ulle Schaufs von den Grünen auf das Thema blickt, wird schon alleine dadurch klar, welche Wörter er in seiner Argumentation benutzt.
Er nennt das Embryo Kind und er sagt, ihm sei es wichtig zu betonen, dass am Ende nur eine Person über die Abtreibung entscheidet, die Mutter. Niemand darf ihr da reinreden, ist sogar strafbewehrt zu Recht. Aber für ihn geht diese Aussage mit einer Konsequenz einher. Wenn aber sie alleine entscheidet und wir trotzdem einen Ausgleich zwischen diesen beiden hohen Rechtsgütern haben wollen, haben müssen, dann hat das ungeborene Kind eine einzige Chance, nämlich das Verfahren. Dann muss man das Verfahren sehr ernst nehmen.
Und dann ist insbesondere auch neben der Beratung diese dreitägige Überlegungsfrist ganz entscheidend. Da kann man darauf auch nicht verzichten, um auch deutlich zu machen, dass in diesem Verfahren dem Kind diese eine Chance gegeben werden muss, ob es vielleicht doch möglich ist, dass die Mutter sich für das Kind entscheidet. Wenn sie sich anders entscheidet, ist das vollkommen in Ordnung von der Gesellschaft auch zu akzeptieren. Aber wenn ich das herausstreichere, dann...
Geht diese Abwägung dieser beiden hohen Rechtsgüter nicht mehr in einer fairen, ausgeglichenen Weise aus, sondern dann ist es sehr einseitig zulasten des Kindes und das ist verfassungsrechtlich nicht haltbar, ist aber auch ethisch nicht richtig. Die Union stelle sich nicht gegen eine Diskussion in der Sache, sagt Günther Krings. Nur nicht jetzt, zu schnell, zu voreilig. So ist sein Fazit.
Mit einer neuen Regierung könne man aber nochmal darüber nachdenken. Und natürlich wird die Union sich hier keiner Diskussion verweigern. Wir haben unsere Position. Ich habe bisher keine abweichenden Stimmen uns in der Fraktion festgestellt, wie das sicherlich früher schon mal war, als um andere Fragestellungen auch in ethischen Lebensschutzfragen ging. Und natürlich sind wir aber bereit, gerne auch bereit, dass wir uns in Diskussionen stellen. Das ist vielleicht für eine Gesellschaft auch wichtig. Ich verspreche mir sogar von einer solchen Diskussion, dass die Sinnhaftigkeit dieser Regelung dann wieder deutlicher wird.
Spaltung oder auch Kulturkampf, das sind in diesen Monaten die Wörter, die bei diesem Thema durch die CDU-CSU-Fraktion wabern. Also ich spreche von Polarisierung, man kann natürlich auch von Spaltung sprechen. Schon jetzt wird klar, auf Unterstützung das Thema doch noch in diesen letzten Wochen vor der Wahl anzufassen, brauchen Ulle Schaus von den Grünen, Carmen Wege von der SPD und Co. nicht zu hoffen.
Wenn Ulle Schaufs im Winter 2024-25 beschreiben will, gegen welche Mühlen sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter ihrer Ansicht nach ankämpfen, dann bezieht sie sich immer wieder auf eine ganz spezielle Situation. Erzählt eine ganz spezielle Geschichte, die sie erlebt hat, als es um die damalige Streichung des Paragrafen 219a, also das Werbeverbot für Abtreibungen ging. Ich kann mich an ein Fachgespräch erinnern,
Da saßen Expertinnen aus denjenigen, die das befürwortet haben, 219a zu streichen, und denen, die dagegen waren. Unter anderem saß bei diesem Fachgespräch auch die katholische Bischofskonferenz mit einer Referentin. Die katholische Bischofskonferenz mit der Referentin...
hat argumentiert, warum die Regelung des 219a nicht weg darf und dass man auch schon gar nicht an 218 gehen dürfe und dass 218 dringend im Strafgesetzbuch sein müsse. Und dann habe ich sie gefragt, warum. Und dann hat sie gesagt, also Sie wollen wissen, warum es im Strafgesetzbuch stehen muss? Ich sage, ja, Sie geben mir keine Antwort darauf. Ich sage Ihnen, warum es im Strafgesetzbuch stehen muss. Und sie sagt, ja bitte, damit eine Frau sich schuldig fühlt.
Ich rufe jetzt auf die Zusatzpunkte 10a und 10b.
Donnerstag, 5. Dezember 2024. Im Deutschen Bundestag findet die erste Lesung des Gesetzentwurfs von Carmen Wege, Ulle Schaufs und weiteren Abgeordneten, wie die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt es hier sagt, statt. Als erste Rednerin gebe ich jetzt Carmen Wege das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Frauen. Heute ist ein guter Tag für Ärztinnen und Ärzte. Heute ist ein guter Tag für die Frauen und Männer, die seit Jahrzehnten darum kämpfen, dass wir genau diese Debatte endlich im Plenum des Deutschen Bundestages führen. Jetzt ist es soweit!
reden, ist niemandem spontan in den letzten drei Wochen eingefallen, sondern ist das Ergebnis einer gesellschaftlichen und auch parlamentarischen Auseinandersetzung über das Selbstbestimmungsrecht von Frauen beim Schwangerschaftsabbruch und welchen Rahmen der Staat für diese Entscheidung vorgibt.
Das, worüber wir heute reden, ist keine theoretische Debatte über Regelungsorte oder die vermeintliche Frage, ob wir Frauen und Ärztinnen beim Schwangerschaftsabbruch nun lieber kriminalisieren wollen oder nicht. Denn das Strafrecht führt nicht nur zur Stigmatisierung von Frauen und Ärztinnen, sondern hat auch dramatische Auswirkungen auf die Versorgungslage von Frauen in diesem Land. Die Debatte an diesem Tag wird hart, hitzig. Einige werden später sagen, unsachlich.
Das Wort hat Elisabeth Winkelmeier-Becker. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche es jetzt noch einmal sachlich in dem Ton, der dem Thema angemessen ist; denn es geht um Leben und Tod des Ungeborenen. Davon habe ich bei Ihnen, liebe Kollegin, nichts gehört.
Rot-Rot-Grün legt uns hier noch einen Gesetzentwurf zur weitgehenden Streichung von § 218 vor, für den es in der Ampel keine Mehrheit gab, also ein bisschen Resteverwertung auf den letzten Metern dieser Wahlperiode. Im Schnelldurchgang und ohne die gesellschaftliche Debatte, aber dafür mit falschen Narrativen, die wir gerade wieder gehört haben.
Nach und nach sprechen die Abgeordneten über ihre Positionen. Carmen Wege von der SPD, Elisabeth Winkelmeier-Becker von der CDU, Beatrix von Storch von der AfD, Ulle Schauss von den Grünen oder auch Dorothee Bär von der CSU. Jetzt hat die Kollegin Ulle Schauss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen heute mit 328 Abgeordneten aus Koalition und Opposition einen Gesetzentwurf zu einem Gesetz vor, das Frauen seit 153 Jahren kriminalisiert. § 218 symbolisiert seit 1871, dass eine Frau nicht das Recht hat, selbst über ihre Schwangerschaft und somit ihr Leben und ihren Körper zu bestimmen.
Der § 218 im Strafgesetzbuch ist zutiefst patriarchal. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen: Es war klar, dass es eine sehr schwierige Debatte werden wird. Es war klar, dass es eine emotionale Debatte werden wird. Aber ich muss sagen: Ich bin schon erschüttert mit dem, was die SPD hier vorgelegt hat.
Frau Kollegin Wecke, vielleicht haben Sie es verwechselt. Das ist hier kein Poetry Slam, das ist der Deutsche Bundestag. Es war wirklich in gar keiner Weise dieser Lage angemessen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, daran sieht man ja auch, was von SPD und Grünen kommt, dass genau das Gegenteil der Fall ist von dem, was Sie behaupten. Natürlich geht es um einen spalterischen Kulturkampf.
Auch Güde Jensen von der FDP tritt an diesem Tag an das Mikrofon. Auch sie werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch treffen. Der FDP kommt in diesen Wochen eine ganz besondere Rolle zu. Grundsätzlich ist es denkbar, dass Abgeordnete der Partei einer Reform des Paragrafen 218 zustimmen.
Doch von der Parteispitze, zu der auch Güde Jensen gehört, wurde nach dem Bruch der Ampelregierung auch öffentlich eine Richtung ausgegeben. Wenn überhaupt eine Reform, dann nicht mehr jetzt, nicht vor der Wahl. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein persönlicher Entscheidungsprozess ist abgeschlossen. Ich könnte heute hier darüber beschließen.
FDP erteilt Legalisierung von Abtreibungen vorerst einer Absage. Das wird der Spiegel nach der Debatte schreiben.
Bei Ulle Schaus und Carmen Wegge gibt es in diesen Wochen aber weiterhin die Hoffnung, dass genau diese FDP ihre Meinung ändern könnte. Dass es doch noch zu einer Abstimmung über die Reform kommen könnte. Ich persönlich bleibe optimistisch.
Der Gesetzentwurf wird nach der Debatte im Bundestag in den Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Weihnachten steht vor der Tür und noch bleiben einige Wochen bis zu den Neuwahlen. In einem Café in Berlin treffe ich Adriana Beran. Wir sitzen an einem Tisch abseits. Gerade erst hat der Laden geöffnet, noch ist kaum etwas los.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sich noch nicht einig, welche Musik heute aus den Boxen dröhnen soll. Klaviermusik, Saxophone, Streichinstrumente. An diesem Morgen ist alles dabei. Und auch bei der Lautstärke testen sie noch. Manchmal wirkt das bei dem ernsten Thema, über das wir sprechen, deplatziert. Adriana Beran stellt ihre Tasche auf den Stuhl neben sich, nimmt einen Schwarztee mit etwas Milch und beginnt schließlich zu erzählen.
Wenn sie ihre eigene Geschichte in Worte packt, dann, so sagt sie es, fängt sie eigentlich immer an derselben Stelle an. 2018 zur Weihnachtszeit.
Adriana Beran studiert damals in Münster. Doch während der Feiertage ist sie bei ihrer Familie. Ich hatte schon eine kleine Ahnung, dass wahrscheinlich etwas schiefgegangen ist mit der Verhütung, weil ich immer so ein Ziehen hatte im unteren Bauch. Das ist ja, wenn die Gebärmutter sich ausdehnt. Sie macht in diesen Tagen noch keinen Schwangerschaftstest, hat wenig Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Doch dann, Anfang Januar, ist klar,
Der Test ist positiv. Sie ist schwanger. Und dann weiß ich noch, wie ich da in meiner kleinen Einzimmerwohnung in Münster saß und einfach nur noch bitterlich geweint habe und ganz schockiert und sehr unglücklich war in dem Moment. Die ersten Tage verfällt sie in eine Schockstarre. Doch dann beginnt sie, sich online zu informieren. Oder versucht es zumindest. Und die ersten Seiten, auf die ich damals immer gestoßen bin, waren halt so ganz klare Anti-Abtreibungsseiten.
Und die sind ja zum Teil auch sehr gut gemacht. Die sind ja sehr perfide. Genau. Und ich weiß noch, wie ich so darauf gestoßen bin und dann irgendwie so ein Bauchgefühl hatte und dachte, nee, irgendwie stimmt das nicht. Das ist
Ist so beeinflussend geschrieben. Damals ist der Paragraf 219a, also das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, noch nicht aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Das heißt, es gab noch mal weniger Informationen auch online. Und dann bin ich da auf ganz abstruse Seiten gestoßen. Adriana Beran beginnt zu lesen, was sie findet.
Und sie stößt relativ schnell auf diese eine Sache. Dieser eine Paragraf, der für sie zu einem weiteren Schockmoment wird, wie sie es beschreibt. Und dann bin ich halt eben auch auf den Paragrafen 218 gestoßen, im Strafgesetzbuch, und hab mir den halt durchgelesen. Und der, wirklich war der Satz mir sehr traumatisierend, weil ich einfach nur noch geweint habe und mir dachte, okay, wenn ich mich jetzt für einen Abbruch entscheide...
Sie weiß nicht, was sie machen soll und beginnt, sich selbst vorzustellen, wie das wäre, ein Kind zu haben.
Sie setzt sich hin und schreibt Pro- und Kontralisten. Sie schaut sich Online-Babykleidung an, klickt weiter, landet bei Kindermöbeln. Und dennoch, ihr Gefühl verändert sich nicht. Aber ich fand es furchtbar, schwanger zu sein. Der Erzeuger des Kindes macht ihr klar, er ist weg. Auf seine Unterstützung braucht sie nicht zu hoffen. Nicht sein Problem, dass sie schwanger ist. Nicht seine Verantwortung. Solche Sätze fallen.
Für Adriana Beran ist klar, sie will kein Kind bekommen. Was sie jetzt, nachdem sie den Paragrafen 218 kennt, aber auch weiß, sie muss aktiv werden. Sie hat nicht unendlich Zeit. Und sie weiß nicht, in welcher Woche sie schwanger ist. Sie macht einen Beratungstermin bei einer anerkannten Beratungsstelle, erzählt ihre Geschichte, fühlt sich gut aufgehoben. Und dennoch, ihre Entscheidung ist schon gefallen. Also ich hätte diese Beratung für mich jetzt nicht gebraucht.
Ich musste aber hin, einfach erstmal, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist und weil ich dann da die Informationen bekommen habe, welche ÄrztInnen in der Nähe das überhaupt anbieten. Und das war so eine absurde Situation, weil mir dann wirklich so ein gefaltetes DIN-A4-Blatt quasi über den Tisch zugeschoben wurde. So, hier sind die Infos, so als wären wir in einem Überwachungsstaat, wo ich dann eine Liste hatte, wo ich überhaupt anrufen kann. So.
Und da war dann aufgelistet, welche Praxen, welche Methoden anbieten, so weiter. Und dann muss man die auch noch durchtelefonieren. Das heißt, dieser ganze Prozess ist sowieso schon so lange und dieser Zeitdruck, genau, das war schrecklich, das saß mir so im Nacken. Sie findet eine Ärztin, die den Schwangerschaftsabbruch machen würde. Auch ihr erzählt sie ihre Geschichte. Doch das war es noch immer nicht, denn sie braucht eine Kostenübernahme von der Krankenkasse.
Grundsätzlich gilt, die Kosten für eine Abtreibung müssen die Frauen selbst tragen. Ausnahmen gelten bei der medizinischen oder kriminologischen Indikation. Oder, falls das verfügbare Einkommen eine bestimmte Grenze unterschreitet.
Für den Zeitraum vom 1. Juli 2024 bis zum 30. Juni 2025 liegt diese Grenze bei 1.446 Euro. Und da muss man sich halt mal vorstellen, man ist in dieser Situation, man ist ungewollt schwanger, man ist sowieso schon in keiner guten psychischen Verfassung, war ich zumindest. Und dann muss man einfach zu Pontius und Pilatus rennen und allen möglichen fremden Menschen davon erzählen, hallo, ich bin schwanger und möchte es aber nicht sein.
Was Adriana Beran hier sagt, zeigt die Realität hinter den wenigen Worten im deutschen Strafgesetzbuch. Eine Frau in einer psychischen Ausnahmesituation, in einer höchstpersönlichen Ausnahmesituation, konfrontiert mit der Realität, dass sie in dieser Ausnahmesituation nicht selbstbestimmt entscheiden kann, wem sie überhaupt von ihrer Situation berichten möchte.
Konfrontiert mit der gesetzgeberischen Realität, wenn sie einen Abbruch möchte. Gespräch mit der Gynäkologin, Gespräch mit der Beratungsstelle, Gespräch mit der Krankenkasse, Gespräch mit der Ärztin, die die Abtreibung macht, weil die eigene Frauenärztin es nicht möchte. Und jedes Mal muss man sich da überwinden, weil das ist ja auch einfach privat. Das ist intim. Und auch wenn ich jetzt schwanger bin und schwanger sein möchte...
erzählt man das ja auch in den ersten drei Monaten meistens niemandem, weil halt noch viel passieren kann oder das abgehen kann. Und dann muss man da irgendwie in den ersten Wochen, Schwangerschaftswochen, es all jeden möglichen fremden Leuten erzählen und hat natürlich auch immer Angst davor, irgendwie so bewertet zu werden und verurteilt zu werden. Genau, also es war wirklich ein absoluter Spießrutenlauf.
Dann der Tag des Abbruchs. Die Praxis war so sehr modern eingerichtet und alles so sehr auf Mutterschaft aus. Also es gab zum Beispiel so einen großen Gipsabdruck einer Hochschwangeren an der Wand der Praxis. So alles war so sehr auf Schwangerschaft, auf Mutterwerden irgendwie ausgelegt.
Und dann saß ich da in diesem Wartezimmer alleine und gucke mich so um. Und ganz ehrlich, ich glaube, die waren alle da für eine Abtreibung. Schließlich wird sie aufgerufen. Es wurde dann erstmal ein Ultraschall gemacht und die Ärztin war nicht sonderlich sensibel. Die hätten auch gleich den Monitor hingedreht und mir alles gezeigt. Und ich muss aber auch sagen, dass es tatsächlich, es war okay. Ich habe mir das angeguckt und ich hatte auch keine Wahl. Und da war ich glaube ich so in einer siebten Woche.
Genau, und dann haben wir uns ins Nachbarzimmer gesetzt und dann hat sie mir eben eine Tablette über den Tisch geschoben, die ich dann vor ihren Augen einnehmen musste. Und dann war sie noch, wie ich so dachte, okay, das war es jetzt. Also dafür, dass sie mir diese eine Tablette rüberschiebt, dieser ganze Aufriss. Adriana Beran hat eine medikamentöse Abtreibung. Jetzt eine Tablette, zwei Tage später nochmal zwei Tabletten. Danach, so erzählt sie es, fällt eine riesige Last von ihr ab.
Sie habe endlich wieder atmen können, sagt sie. Und gleichzeitig ist da etwas in ihr geschehen. Diese Zeit verändert sie. Da entwickelt sich dieses Gefühl in ihr. Als es endlich vorbei war, war ich super erleichtert und dann war ich einfach nur unfassbar wütend. Wut. Sie will sich engagieren. Für die Streichung des Paragrafen 218. Und findet ihren Platz im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung.
Sie malt Demo-Plakate und entscheidet schließlich, auf einer dieser Demos offen über ihre Abtreibung zu sprechen. An Adriana Berans Wut hat sich nichts geändert. Doch da ist noch ein anderes Gefühl, wenn sie auf die Diskussion rund um die mögliche Reform des Paragrafen 218 in den vergangenen Jahren schaut. Frust. Wir müssen dieses Thema raus aus dem Strafgesetzbuch haben, weil es da...
Spricht man sie darauf an, dass von der aktuellen Gestaltung des Abtreibungsrechts oft als gesellschaftlicher Kompromiss die Rede ist, dann wird sie deutlich. Sie hält von dieser Argumentation nichts. Wenn man sagt, dass es seitens letzten Kompromiss ist, dann impliziert das ja auch, dass wenn man den jetzt nicht mehr hätte oder das streichen würde...
hier in Großkonflikt ausbrechen würde in Deutschland. Und das halte ich auch für komplett absurd. Die meisten gehen davon aus, dass es eigentlich gar kein Thema ist in Deutschland per se. Man muss ja auch mal sagen, ich glaube nicht, dass die Deutschen sich jetzt, also bevor sie irgendwie Sex haben, sich das Strafgesetzbuch angucken. Mal salopp gesagt. Also nur weil der 218 nicht mehr bestehen würde, gehen wir mal davon aus, heißt es da ja nicht, dass man gleich sagt, so,
Hildegard schmeißt die Kondome aus dem Fenster. Der 218 ist gefallen. Jetzt können wir Spaß haben, wie wir wollen. Das wird ja nicht passieren. Das ist ja total absurd. Überall in Deutschland finden in diesen Wochen vor der Bundestagswahl Veranstaltungen statt, die um eine mögliche Reform des Paragrafen 218 kreisen.
So wie hier in Karlsruhe, wo etwa 2000 Menschen an einem verregneten Tag vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Auf den Plakaten stehen Sätze wie, könnten Männer schwanger werden, wäre Abtreibung ein Menschenrecht. Oder auch, Abtreibung legalisieren jetzt, weg mit Paragraf 218. Auch in Berlin findet eine Demonstration statt. Mehrere tausend Menschen kommen.
Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2024 halten es über 80 Prozent der Befragten für falsch, dass Abtreibungen in Deutschland nach einer Beratung als rechtswidrig gelten. Und über 75 Prozent der Befragten gaben an, dass frühe Schwangerschaftsabbrüche, also innerhalb der ersten zwölf Wochen, eher nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden sollten.
Gut 60 Prozent der Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, haben übrigens zu diesem Zeitpunkt schon ein oder mehrere Kinder.
All diese Zahlen werden auf Demos, auf Veranstaltungen und in den Debatten immer wieder angeführt. Und auch andere Diskussionen werden geführt. Beispielsweise hier bei einer Podiumsdiskussion des Humanistischen Verbands Deutschlands in Berlin, wo sich einen Abend alles um Spätabbrüche, also jene Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche dreht. Denn auch die sind in Deutschland nach dem Indikationsmodell möglich.
Also was wäre der konkrete Mehrwert, eine Indikation zu formulieren, gegenüber der Tatsache, dass ich keine Indikation formuliere und eine Frist setze von egal. Also kann man dann überlegen, man macht es an verschiedenen Kriterien fest. Abbrüche in einem fortgesetzten Stadium der Schwangerschaft sind häufig Kern von aufgeladenen Diskussionen. Denn ist die Schwangerschaft zu weit fortgeschritten, erfolgen sie mittels Fetozid.
Dabei wird beim Fötus im Mutterleib ein Herzstillstand ausgelöst und dann die Geburt eingeleitet. Doch diese Formen der Abtreibung sind, man muss es klar sagen, sehr selten. Sie machen nur etwa 0,6 bis 0,7 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland pro Jahr aus.
Von den 106.218 Abtreibungen in Deutschland im Jahr 2023 fanden 102.187 nach der Beratungsregelung, also vor Ende der 12. Schwangerschaftswoche, statt. 3.996 Abbrüche wurden mit einer medizinischen Indikation begründet, 35 mit einer kriminologischen Indikation.
715 Abtreibungen fanden nach der vollendeten 22. Schwangerschaftswoche oder später statt. Nach der Debatte im Bundestag im Dezember 2024 wird der Reformvorschlag zum Paragrafen 218 in den Rechtsausschuss überwiesen. Hier soll weiter darüber beraten werden.
Doch bei den Befürwortern des Vorhabens breitet sich eine Sorge aus. Dass der Gesetzentwurf nicht mehr aus eben jenem Rechtsausschuss zurück in den Bundestag kommt, wo in zweiter und dritter Lesung weiter debattiert und am Ende auch entschieden werden könnte. Dass CDU und FDP genau das blockieren können. Ich spreche Ulle Schaufs von den Grünen darauf an. Jetzt liegt die Sache im Rechtsausschuss. Wie wahrscheinlich ist es, dass es da wieder rauskommt und nochmal ins Parlament geht?
Ja, das ist eine sehr gute Frage. Ich finde, das Selbstverständnis in unserem Parlament müsste es sein, das sage ich wirklich sehr klar, dass alle
Also in dem Fall, das ist ja ein Gruppenverfahren, über das wir hier reden. Das ist ja keine Sache der Fraktionen. Also es geht nicht nach Fraktionsfarben. Dass das Selbstverständnis von allen Abgeordneten im Fachausschuss, im Rechtsausschuss in dem Fall sein müsste, dass ein Gruppenverfahren nicht gebremst wird. Ich fände es eine Missachtung.
Ich spreche auch Günter Krings von der CDU auf die Situation an. Er ist zu diesem Zeitpunkt der rechtspolitische Sprecher der CDU-CSU-Fraktion und sitzt logischerweise deshalb auch im Rechtsausschuss.
Dass die Union sich in der Sache nochmal bewegt und den Weg raus aus dem Rechtsausschuss und zurück ins Parlament nochmal frei macht, klingt so gar nicht danach. Davon habe ich jedenfalls kein Interesse, das Verfahren zu beschleunigen. Aber wir haben natürlich als eine von vielen Fraktionen im Rechtsausschuss natürlich keine Mehrheit alleine.
Womit wir an einem heiklen Punkt wären. Die SPD, die Grünen und die Linken haben zu diesem Zeitpunkt gemeinsam nicht die benötigten Stimmen, um das Gesetzesvorhaben nochmal aus dem Rechtsausschuss in den Bundestag hineinzubringen. Eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD, sollte die eine Bereitschaft dafür signalisieren, lehnen sie ab. Die Union hat, wie man Günther Krings anhört, auch eine klare Haltung, nämlich kein Interesse, das Verfahren zu beschleunigen, um bei seinem Zitat zu bleiben.
bleibt noch eine Partei, die FDP. Ehemaliges Mitglied der Ampelregierung und jetzt, wenige Wochen vor der Neuwahl, in einer ganz besonderen Situation. Bereits im April 2024, als die von der Bundesregierung, also auch von der FDP, eingesetzte Expertinnenkommission ihre Einschätzung zur aktuellen Gesetzeslage rund um den Paragrafen 218 und eine mögliche Änderung veröffentlichte,
versucht der FDP-Chef Christian Lindner das Thema vom Tisch zu wischen. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagt er damals, das Land habe einen stabilen, funktionierenden gesellschaftlichen Konsens bei der Frage des legalen Schwangerschaftsabbruchs. Und wenn man einen stabilen gesellschaftlichen Konsens habe, sollte man ihn nicht ohne Not aufgeben.
Die Parteispitze spricht sich also gegen eine Entscheidung in der Sache noch in dieser Legislaturperiode aus. Zu kurzfristig, zu wenig Bedenkzeit, zu wenig Debatte. Diese Argumente fallen um den Jahreswechsel 2024-2025 immer wieder. Doch innerhalb der Partei, da brodelt es, wenn es um diese Position geht. Nadine Zaja ist die Landesvorsitzende der Jungen Liberalen in Niedersachsen. Ich treffe sie in Hannover.
Als Journalist weiß man vor Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern, dass diese in den meisten Fällen gut vorbereitet und rhetorisch geschult sind. Bei Nadine Zahia bekommt man diesen Eindruck nochmal in einer ganz anderen Form. Sie ist nicht nur tief im Thema, sondern blitzschnell darin, ihre Argumentationsketten aufzubauen. Und sie ist in diesen Wochen, wenn es um den Paragrafen 218 geht, im Angriffsmodus. Und zwar gegenüber der eigenen Parteispitze.
Ich weiß nicht, in welchen gesellschaftlichen Räumen Christian Lindner sich bewegt, offenbar einen ganz anderen, als ich es tue. Ich merke nämlich keinen gesellschaftlichen Konsens und keinen Rückhalt für dieses Thema. Sonst wären nicht mindestens zweimal im Jahr große Demonstrationen auf den Straßen, in den großen Städten, überall da, wo es Universitätskliniken gibt, überall da, wo es auch viele Medizinstudenten gibt. Und überall da, wo man sich irgendwie in einem Raum bewegt, wo über solche Themen gesprochen wird, merkt man, es gibt keinen Konsens darüber.
Und ich kann es nicht nachvollziehen, wie man dieses Thema fast 30 Jahre nicht angefasst hat seit dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts und jetzt der Meinung ist, die Gesellschaft ist immer noch die gleiche, wie sie 92 war, jetzt im Jahr 2024 und da von einer gesellschaftlichen Befriedigung spricht.
Am 19. November 2024 schickt Nadine Zahler gemeinsam mit der Juristin Friederike Alt und deren Ehemann Lars Alt, der ehemaliger niedersächsischer FDP-Landtagsabgeordneter ist, einen Brief an die Mitglieder der eigenen Bundestagsfraktion.
In diesem Brief beziehen sich die drei ebenfalls auf die Arbeit der Expertinnenkommission und schreiben Es ist dem Verantwortungsbewusstsein der FDP zu verdanken, dass eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingerichtet worden ist.
Und weiter? Diesem wissenschaftlichen Rational sollten wir folgen. Der Brief fordert die Abgeordneten auf, den Weg zur Abstimmung einer Reform des Paragrafen 218 noch in der ablaufenden Legislaturperiode freizumachen. Die seit 1993 geltende strafrechtliche Regelung, nach der sich sowohl die Schwangere als auch Dritte grundsätzlich strafbar machen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen oder vornehmen lassen, ist aus heutiger Sicht nachdrücklich zu überdenken.
Die Bestrafung einer höchstpersönlichen Entscheidung über den eigenen Körper im Rahmen des Strafrechts als Ultimo Ratio der deutschen Rechtsordnung ist nicht nur problematisch, sondern berücksichtigt zudem in unzureichendem Maße das Recht der Schwangeren auf Selbstbestimmung.
führen Nadine Zaja, Frederike Alt und Lars Alt aus und fordern, dass man sich mit dem eingebrachten Gesetzentwurf befasst. Es gab nie eine gesellschaftliche Befriedung des Konfliktes. Wir können uns daher nicht hinter einem angeblich fehlenden gesellschaftlichen Diskurs verstecken. Der Diskurs ist seit Jahren im Gange, wird im Zweifelsfall wieder einmal ohne uns geführt und liegt nun in Form eines Gesetzentwurfes vor Ihnen und Euch. Musik
Einige Wochen später sitzt Nadine Zahier also an einem langen Konferenztisch in der Landesgeschäftsstelle der FDP Niedersachsen in Hannover.
Sie glaubt nicht mehr so richtig daran, dass die Sache aus dem Rechtsausschuss nochmal rauskommen wird und widerspricht der Position der FDP im Bundestag. Ich sehe das diametral anders als die Fraktion, ist aber auch keine Überraschung. Wir haben ja auch 15 Abgeordnete, die sich namentlich und öffentlich sozusagen dafür positioniert haben, aber dann im zweiten Gesetz haben, aber in der nächsten Legislaturperiode.
Die Position der jungen Liberalen, wenn es um die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen geht, ist klar.
Im Kern geht es ihnen darum, dass diese nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden. Sie finden keinen anderen Tatbestand, der in der Art und Weise ein Selbstbestimmungsrecht eines Menschen strafrechtlich ahndet. Man muss sich ja vorstellen, das Strafgesetzbuch ist das schwerste Schwert eines Rechtsstaates. Also das Ultima Ratio, sagt man da in der Juristerei, das lernen wir im ersten Semester, erste Stunde Strafrecht. Also es gibt nichts, was so krass einschneidet in das Leben der Bürgerinnen und Bürger als das Strafgesetzbuch.
Und ich habe kein Verständnis dafür, warum eine Frau, die sich selbstbestimmt darüber entscheiden möchte, wie sie über ihren eigenen Körper verfügt, mit einem Bein im Gefängnis steht.
Nadine Zahier wirkt nicht nur frustriert, wenn sie auf die Debatte blickt, die in diesen Wochen geführt wird. Und dann kamen ja die Aussagen der Parteispitze dahingehend, dass die Fraktion einstimmig gegen den Gesetzesvorschlag von Rot-Grün stimmen wird und dass es darüber auch keine Diskussion gäbe in der Fraktion. Und da waren wir schon sehr schockiert.
Hunderte Kilometer von Nadine Zahier entfernt sitzt Güde Jensen, zu diesem Zeitpunkt Bundestagsabgeordnete der FDP, Büro Nummer 4762. Als der Bundestag im Dezember 2024 über den Gesetzentwurf in erster Lesung im Parlament debattiert, da hält Güde Jensen die erste Rede für ihre Fraktion. Wir haben vorhin schon einmal kurz reingehört. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Fokus in der Rede ist schnell klar. Sie ist generell für eine Reform des Paragrafen, spricht sich aber gegen eine schnelle Neuregelung in der aktuellen Legislaturperiode aus. So wie es die Fraktionslinie in diesen Wochen ist.
Wenn man Güde Jensen darauf anspricht, warum die FDP keine Abstimmung mehr in der restlichen Zeit der Legislaturperiode möchte, auf den Brief von Nadine Zahler und abweichende Meinungen innerhalb ihrer Partei, auf die Situation im Rechtsausschuss, dann spricht sie zuerst über ihre ganz eigene Positionierung in der Sache. Sie selbst habe ihre Entscheidung ja schon getroffen.
Mein Prozess ist insofern abgeschlossen, als dass ich heute dafür stimmen könnte, dass wir den Teil von 218 aus dem Strafgesetzbuch nehmen, der den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der jetzt schon bestehenden Wochenfristen, also bis zur 12. Schwangerschaftswoche, nicht nur straffrei stellt, sondern auch entkriminalisiert und aus dem Strafgesetzbuch rauslöst.
Man könnte ihn regeln im Schwangerschaftskonfliktgesetz. Und dafür würde ich mich auch mit meiner Stimme, wenn es abgestimmt werden sollte, einsetzen. Im Grunde ist das 1 zu 1 die Position, die Nadine Zahia skizziert hat. Doch damit noch abgestimmt würde, müsste der Entwurf eben wieder aus dem Rechtsausschuss raus. Und deswegen ist mein Entscheidungsprozess abgeschlossen. Aber ich habe ja auch in der Rede gesagt...
Ich würde nicht von meiner Überzeugung auf die anderer schließen und dazu stehe ich auch nach wie vor. Es ist interessant. Auf der einen Seite sind da diejenigen, die sagen, wir haben als Gesellschaft schon so lange über den Paragrafen 218 debattiert, über die Ausgestaltung des deutschen Abtreibungsrechts, jahrzehntelang. Es ist Zeit für eine weitere Entscheidung.
Und auf der anderen Seite sind diejenigen, die in diesen Wochen immer wieder darauf hinweisen, die restliche Zeit reicht nicht für eine vernünftige Debatte und Auseinandersetzung mit dem Thema im Deutschen Bundestag. Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen erlebt, die gesagt haben, darüber habe ich mir noch kaum Gedanken gemacht. Das kann man jetzt lächerlich finden.
Ich erkenne an, dass es Menschen gibt, die das tun. Ich tue das nicht aus dem Grund, dass es viele Menschen in Deutschland hier im Bundestag gibt, die sich mit anderen Themen beschäftigt haben.
die aber möglicherweise sich auch die Zeit nehmen würden, wenn sie ihnen gegeben wird, und sich neben den eigentlichen Themen, die sie hier im Bundestag machen oder auch in der Öffentlichkeit, in anderen Berufen, nehmen würden, um darüber eingehender nachzudenken. Aus welchem Grund auch immer diese Zeit nicht da war, für den Deutschen Bundestag kann ich sagen, das Verfahren wäre sicherlich sogar anders geendet, das ist natürlich jetzt eine Hypothese,
wenn die Koalition regulär geendet wäre, zum Ende der Legislatur im September 2025. Weil wir in diesem Jahr Zeit dafür gehabt hätten, die Gespräche zu führen, die es braucht, um ein ordentliches Gruppenantragsverfahren einzuleiten. Wenn man Güde Jensen sprechen hört, dann klingt das alles sehr final. Und nicht so, als würde die FDP sich nochmal bewegen und die Sache zurück ins Parlament lassen.
Mit ihren Stimmen im Rechtsausschuss wäre das möglich. Ich nehme mein Handy zur Hand und spiele Güde Jensen einen O-Ton von Ulle Schaufs vor. Die FDP macht sich einen verdammt schlanken Fuß. Und ich finde das überhaupt nicht redlich für eine liberale Partei. Zu sagen, wir wollen das, aber er ist in der nächsten Wahl bei Ulle. Das geht doch gar nicht. Was ist denn das für eine Logik? Stille. Güde Jensen muss kurz nachdenken, bevor sie antwortet.
Ich habe Ulle, wir kennen uns auch aus der letzten Legislatur, deswegen sage ich jetzt Ulle, weil wir duzen uns das auch in Gesprächen in kleinerer Runde, aber auch direkt gesagt. Der Grund, warum dieses Gruppenantragsverfahren überhaupt in dieser Legislatur noch auf den Weg gebracht wurde, ist, dass sie sich dahinter geklemmt hat. Das war niemand anders in der Grünen-Fraktion. Das war Ulle. Und auch wenn dieses Verfahren...
so seinen Weg genommen hat, bin ich ihr dankbar dafür, dass sie das gemacht hat. Das zeigt auch, wie sehr möglicherweise einzelne Abgeordnete hier einen Unterschied machen können. Möglicherweise würde sie jetzt sagen, aber ich habe ja keinen Unterschied gemacht, weil, ich zitiere jetzt sie, die FDP sich einen schlanken Fuß gemacht hat. Ich habe mir vorgenommen,
Und dabei bleibe ich auch, so nicht in dieser Sache über Kolleginnen und Kollegen der Grünen zu sprechen, weil mir das Thema zu wichtig ist, als dass ich jetzt Fingerpointing mache. Sie, glaube ich, ist der Auffassung, dass es in der nächsten Legislatur nicht gelingen kann. Ich bin da gegenteiliger Meinung. Ich spreche sie auf eine Aussage von Friedrich Merz an, der in diesen Wochen mit großem Vorsprung die Umfragen zur Bundestagswahl anführt.
In einer möglichen nächsten Legislaturperiode hätten wir möglicherweise einen Kanzler Merz, der noch im November gesagt hat, dass dieses Thema das Land wie kein anderes spaltet. Und nachdem im April die Expertinnenkommission ihren Bericht rausgebracht hat, hat Christian Lindner gesagt, wir haben einen stabilen, funktionierenden gesellschaftlichen Konsens bei der Frage des legalen Schwangerschaftsabbruchs.
Wenn man einen stabilen gesellschaftlichen Konsens hat, sollte man ihn nicht ohne Not aufgeben. Was macht Sie so sicher, dass das gelingen könnte, dieses Verfahren wieder auf den Weg zu bringen bei diesen zwei Aussagen von Parteispitzen?
Der gesellschaftliche Konsens, den wir nicht nur durch die Expertinnenkommission, sondern vor allen Dingen durch Demoskopie auch von Anfang, Mitte letzten Jahres und regelmäßig auch jetzt über die Monate bestätigt sehen, ist, dass die überdurchschnittliche Mehrheit der Deutschen gerne eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs wünscht.
Aber es klingt aus den Parteispitzen nicht so, als sei das realistisch. Alles kann sich ändern. Die FDP kämpft in diesen Wochen ums politische Überleben. Darum bei der anstehenden Wahl die 5-Prozent-Hürde zu erreichen. Noch einmal zurück zu Nadine Zahier in Hannover und ihren Gedanken, wie es mit einer möglichen Reform des Paragrafen 218 weitergehen könnte.
Ihre Position ist völlig anders als die ihrer Parteispitze. Und doch absolut klar. Die Mehrheiten werden im nächsten Bundestag ganz anders aussehen. Ich bin mir wirklich unsicher, ob die FDP aus eigener Kraft heraus eine Mehrheit für dieses Vorhaben da auf die Beine stellen wird und fraktionsübergreifend und vor allem auch regierungsübergreifend da dann irgendwie einen Konsens schaffen will. Ich glaube, man hätte diese mehrheitlich-progressive Beziehung
Stimme im Bundestag hervorragend nutzen können, um nochmal einmal positiv mit der Ampel etwas ins Rollen zu bringen, wo man gesellschaftlich doch schon so viel geschafft hat. In einem langgezogenen Haus im Dortmunder Osten liegt die Praxis von Gabi Raven. Im Erdgeschoss des Gebäudes ist ein großer Supermarkt untergebracht. Menschen schieben ihre Wocheneinkäufe gedankenverloren durch den Laden. Ältere Damen und Herren treffen sich auf eine Tasse Kaffee beim Bäcker.
Gleich gegenüber, auf der anderen Straßenseite, liegt eine Polizeistation. Und wenn Gabi Raven darüber spricht, dann sagt sie, dass das wirklich ein Zufall gewesen sei, als sie sich für diese Praxisräume entschied. Ein glücklicher Zufall natürlich.
Gabi Raven führt mich an einem Tag im Winter durch ihre Praxis. Durch den Wartebereich, durch die Teeküche, durch die Behandlungsräume, in denen die Schwangerschaftsabbrüche stattfinden. Das ist für die chirurgischen Eingriffe. Die anderen gehen mit.
Sie bleibt vor einer Anrichte stehen, in der eine Glasplatte eingelassen ist und drückt auf einen Schalter an der Wand. Ein Licht, das unter der Glasplatte installiert ist, geht an und lässt sie erstrahlen.
Hier kann Gabi Raven sich das Gewebe nach einem Schwangerschaftsabbruch nochmal genau ansehen. Sie führt seit Jahrzehnten Abtreibungen durch. Geplant, so erzählt sie es, war das so eigentlich nicht. Als 26-Jährige bin ich mit meinem damaligen Partner nach Afrika, nach Samia gegangen, in ein Missionskrankenhaus.
Es hat ein halbes Jahr gedauert, bevor ich herausgefunden habe, weshalb manche Frauen, die ich gesehen habe, so krank waren und starben. Und nach einem halben Jahr hatte ich anscheinend das Vertrauen der Frauen, dass die mir gesagt haben,
Das mit Kräutern in der Vagina sind Abtreibungsversuche. Mit diesen Eindrücken, die sie verändern werden, kehrt Gabi Raven zurück in die Niederlande.
Ich hatte damals mein erstes Kind bekommen und ich wollte nicht Vollzeit arbeiten. Mein Mann war auch Arzt. Und die Möglichkeit, Facharzt zu werden, part-time, das war fast unmöglich in den Niederlanden. Und dann habe ich allerhand Dinge gemacht, mit Drogenabhängigen gearbeitet. Und dann bin ich nach einigen Jahren gefragt von einer Praxis, ob ich Abbrüche machen möchte.
Und ich dachte, eigentlich finde ich es gut, dass es legalisiert ist und auf eine nicht gefährliche Weise gemacht wird. Und da habe ich damals angefangen und dachte, okay, ich mache das fünf Jahre und dann suche ich mir etwas anderes. Das war 1992. Seitdem hat sie nie wieder aufgehört, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Gabi Raven leitet heute zwei Kliniken in den Niederlanden, in denen Schwangerschaften abgebrochen werden.
Im Laufe der Jahre hatte sie unzählige deutsche Frauen bei sich. Sie fuhren über die Grenze, um bei ihr eine Abtreibung zu haben, die in Deutschland nicht mehr möglich war. Deutsche Frauen, die wir sehen, die sind ziemlich weit schwanger. Bei uns in den Niederlanden darf es bis 24 Wochen. Wir machen es bis 22. In den Praxen, in den Krankenhäusern bis 24. Aber wir sehen fast nie Frauen in den Niederlanden, die so weit schwanger sind.
Deutsche Frauen, die für eine Abtreibung über die Grenze fahren und zu Gabi Raven in die Kliniken kommen, das ist für sie Alltag. Der Grund ihrer Meinung nach? Die Hörner hier sind schrecklich. Die sind so groß. Die Frauen wird es so schwierig gemacht.
Und die fühlen sich so schlecht behandelt. Die werden auch schlecht behandelt. Die fühlen sich nicht nur schlecht behandelt, die werden schlecht behandelt. Wenn Gabi Raven über das spricht, was im Leben der deutschen Frauen, denen sie in den Niederlanden immer und immer und immer wieder begegnet, passiert...
Dann hört man aus ihrer Erzählung heraus, wie sehr sich die Abläufe ähneln. Die Frauen hier sind nicht anders als in den Niederlanden. Die wissen mit sechs Wochen, auch wenn sie einen Schwangerschaftstest machen, ich will das oder ich will das nicht. Aber dann fängt es hier an. Dann müssen die zum Frauenarzt und dann müssen die einen Termin bekommen.
Das bekommen die nicht so schnell. Die sind voll oder im Urlaub oder haben keine Lust oder weiß ich was. Dann bekommen die da einen Ultraschall. Dann müssen die
Zur verpflichteten Beratung bekommt man auch nicht sofort einen Termin, sicher nicht im Dezember und in den Sommermonaten. Wenn die Glück haben, bekommen die einen Beratungsschein, meistens bekommen die einen Beratungsschein und dann müssen die mit dem Beratungsschein zur Krankenkasse für eine Kostenübernahme.
Da müssen sie sagen, was sie verdienen, wie sie es verdienen, woher sie es verdienen. Und dann müssen die noch irgendwo eine Blutgruppe hinholen. Und dann, wenn die das alles geschafft haben, dann sind sie Wochen weiter. Dann müssen sie sich einen Arzt suchen. Dann haben die einen gefunden, der macht dann nur medikamentös. Da gehen die hin und dann sind sie zu weit ab, weil das darf ja nur bis neun Wochen. Und dann müssen sie sich wieder einen neuen suchen. Und dann gehen sie zu einem anderen Arzt.
Und dann der sagt, sie sind zwölf Wochen, es darf nicht mehr. Und dann sitzen die Frauen da und dann müssen die in den Niederlanden. Im Laufe ihrer Karriere hat Gabi Raven in unterschiedlichsten Ländern gearbeitet. 2022 dann entschied sie sich, nicht nur Praxen in den Niederlanden zu betreiben, sondern auch eine in Dortmund.
Nun, zwei Jahre später sitzt sie in ihrem kleinen Büro in genau dieser Praxis und denkt offen darüber nach, ob es sich noch lohnt, sie zu betreiben. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie frustriert ist. Der Grund, sie kann nicht alle Leistungen abrechnen. Ich bin kein Facharzt. Das ist hier das Halleluja. In Holland sind ein Drittel der Ärzte kein Facharzt.
Weil bei uns ist das Studium ganz anders organisiert. Ich habe auch keine KV-Zulassung. Die bekomme ich auch nicht, weil ich kein Facharzt bin. Die Versorgungslage der Frauen. Das ist immer wieder Thema bei der Diskussion rund um den Paragrafen 218. Und immer werden in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der vom Bund geförderten ELSA-Studie genannt. ELSA steht hier für Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer.
60 Prozent der befragten Frauen gaben hierbei an, dass sie Schwierigkeiten gehabt hätten, an Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu kommen. Etwa 4,5 Millionen Frauen leben nach den Ergebnissen mehr als 40 Minuten Autofahrt von spezialisierten Kliniken entfernt, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Die Versorgungslage ist in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedlich gut. In Bayern beispielsweise besonders schlecht, in Stadtstaaten wie Berlin eher gut.
Man muss an dieser Stelle sagen, von Kritikerinnen und Kritikern werden die Ergebnisse der Studie immer wieder als verzerrt oder nicht aussagekräftig angezweifelt. In den Monaten vor der Wahl ist dies ein großes Thema in der Debatte. Man muss aber auch etwas anderes sagen. Spricht man über die Versorgungslage, dann geht es eben nicht nur um die Erreichbarkeit von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
sondern auch um die Frage, wie viele von ihnen es überhaupt gibt und wie hoch ihr jeweiliger Anteil an der Gesamtzahl der Abtreibungen ist. Ein Beispiel. Der Arzt Friedrich Stapf führt in Bayern als einer der wenigen Abtreibungen durch. Über 3000 pro Jahr. Er ist Ende 70 und macht weiter. Denn eine oder mehrere Nachfolgerinnen oder Nachfolger, die auffangen können, was wegbricht, wenn er aufhört? Nicht in Sicht.
Die Versorgungslage in Deutschland ist nicht nur eine Frage der Fahrzeit, sondern sie hängt in vielen Fällen an wenigen Einzelpersonen, an Ärztinnen und Ärzten, die machen, was andere nicht machen wollen. Gabi Raven sagt, dass sie hier in Dortmund pro Jahr etwas unter 1000 Abtreibungen durchführen würden. Das wäre ein gutes Prozent aller Abtreibungen, die in Deutschland jährlich stattfinden.
Doch weil sie nicht alle Leistungen abrechnen kann, so erzählt sie es, zahlt sie seit der Eröffnung der Praxis vor zwei Jahren drauf. Monat für Monat.
Wenn man mit ihr über diese Situation spricht, dann merkt man, dass sie wütend ist. Nicht nur wegen dem Geld, das ihr fehlt, sondern wegen vieler Dinge, die ihrer Meinung nach rund um den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland schieflaufen. Sie redet sich dann in Rage. Vor unserem Gespräch hatte sie mich gewarnt. Sie werde immer so böse, wenn sie über das Thema spreche. Wir sind geöffnet seit Oktober 2022.
Sie hat im Laufe ihrer Karriere viele Frauen bei sich gehabt. Nach einem Abbruch gibt sie ihnen immer ihre private Handynummer mit. Für den Fall der Fälle, damit sie sich melden können. Der Schwangerschaftsabbruch als tabu. Gabi Raven beschäftigt das seit Jahrzehnten. Auch weil sie Situationen erlebt hat, die sich in ihr Hirn eingebrannt haben.
Zum Beispiel die zwei Schwestern, die beide in ihre Praxis kamen und beide einen Abbruch wollten, ohne voneinander zu wissen, dass sie schwanger sind. Wer über Abtreibungen in Deutschland sprechen will, der kommt nicht drum herum, auch über radikale Abtreibungsgegnerinnen und Gegner zu sprechen. Gabi Raven hat viele Erfahrungen damit gemacht. Wie sehr sie im Laufe der Jahre immer wieder unter Druck stand und Hass ausgesetzt war, zeigt sich auch an folgendem Fall. Kurze Vorwarnung, es wird jetzt heftig.
Im Herbst 2022, nur kurz nach der Öffnung der Praxis von Gabi Raven in Dortmund, entwirft ein Abtreibungsgegner eine Vielzahl von Flyern.
Die erste Seite des Flyers zeigt einen blutigen Fötus. Dann auf der zweiten und dritten Seite folgen ein Foto von Gabi Raven und von dem Vermieter ihrer Praxisräume. Außerdem steht da die Adresse ihrer Praxis, die Privatadresse des Vermieters von Gabi Raven und sogar Einzelheiten zu dessen privater Freizeitgestaltung.
Doch damit nicht genug. Auf den Flyern sind auch folgende Sätze abgedruckt. Gabi Raven ist Massenmörderin. In ihren beiden Abtreibungskliniken in Rotterdam und Roermond werden jährlich 6300 Kinder vor der Geburt geschlachtet. Damit gehört Gabi Raven schon heute zu den ganz Großen in der europäischen Abtreibungsindustrie. Nun hat Gabi Raven eine weitere Abtreibungsklinik in Dortmund eröffnet. In den Abtreibungskliniken von Gabi Raven wird getötet wie am Fließband.
Die industrielle Kinderschlachtung läuft dort im Akkord. Gabi Raven und ihre Mitarbeiter führen keine einzige Heilbehandlung durch. Der Fall landet schließlich vor dem Amtsgericht Köln. Mir liegen noch weitere Unterlagen vor, die zeigen, dass gegen den beschuldigten Mann noch mindestens ein weiteres Verfahren lief. Darin ging es um die Darstellung des Tors des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz.
Statt dem Schriftzug Arbeit macht frei, war ein anderer Schriftzug eingefügt. Abtreibung macht frei. Dieses Verfahren wurde jedoch eingestellt. Gabi Raven hat viel erlebt in den letzten Jahrzehnten. Wie Abtreibungsgegnerinnen und Gegner in ihre Praxisräume kamen. Oder das eine Mal, als sie bei einer ihrer Praxen die Türschlösser zugeklebt hatten und niemand mehr reinkam, weil die Schlüssel nicht mehr ins Schlüsselloch passten.
Wenn sie so erzählt, dann kann man wütend werden. Über das, was ihr alles widerfahren ist. Doch sie selbst, sie wischt die Sache erstmal ein wenig vom Tisch. Beispielsweise, als sie über den Fall vor dem Amtsgericht Köln spricht und man ihr anmerkt, dass sie sich viel lieber mit ihrer Arbeit beschäftigen würde, als mit all dem, was ihr so oft entgegenschlägt. Mein Foto, alles steht drauf. Und da dachte ich, okay, ich weiß nicht, ob ich das jetzt so mag, aber...
In den verteilten Flyern, um die es bei dem Verfahren vor dem Amtsgericht Köln ging, stand auch folgender Satz. Gabi Raven könnte die Provokation nicht stärker zuspitzen. Hoffentlich dreht niemand durch, wie in den USA. Dort wird in Abtreibungskliniken Feuer gelegt und geschossen. Das gibt es in Europa natürlich nicht. Noch nicht.
Im Sommer 2024 beschloss der Deutsche Bundestag, dass sogenannte Gehsteigbelästigungen in Zukunft mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro bestraft werden können. Bei den Gehsteigbelästigungen sprechen Abtreibungsgegner und Gegnerinnen, Schwangere vor Praxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, und vor Beratungsstellen gezielt an und versuchen, sie von einer Abtreibung abzuhalten.
Seitdem der Bundestag beschlossen hat, dass genau diese Gehsteigbelästigungen nun strafbar sind, so erzählt es Gabi Raven, habe sich die Situation, zumindest vor der Praxis, entspannt. Und dennoch. Die Vorwürfe, die Aggression, die Demonstranten, so persönlich wie das in Deutschland ist, habe ich es noch nie erlebt in den Niederlanden.
Im Verfahren vor dem Amtsgericht Köln stellte das Gericht schließlich fest, Der Flyer dient nicht der sachlich-informativen Auseinandersetzung mit dem Thema Abtreibung. Es steht nicht die Behandlung einer die Öffentlichkeit berührenden Frage im Vordergrund. Das Hauptanliegen des Flyers ist es, den Geschädigten die Schuld an der Durchführung von einzelnen Abtreibungen zu geben, indem die persönliche Verantwortung in den Mittelpunkt der Information gestellt wird.
Aus dem objektiven Inhalt des Flyers erwächst auch die potenzielle Gefahr, dass die Geschädigten Opfer eines rechtswidrigen Übergriffs werden. Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.300 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Warum machst du das? Was treibt dich an, die Motivation dahinter? Das, was mich am meisten treibt, ist, dass ich finde, dass ein Kind, das geboren wird, gewünscht sein soll. Viele haben, als ich jünger war, mich gefragt, haben Sie Kinder? Und dann sage ich, ja, ich habe drei. Haben Sie drei Kinder? Ich sage, wieso fragen Sie das so? Soll ich Kinder hassen, um diese Arbeit zu machen? Ich denke gerade nicht daran.
Ich hasse sie nicht und ich gönne, jedes Kind erwünscht zu sein. Aber dann bin ich nicht derjenige, der entscheiden kann,
wie das Gewünschsein aussehen soll. Ob man ein großes Haus, kleines Haus, viel Geld, wenig Geld, Geschwister. Darüber sollen die Frauen entscheiden. Und auch, ob es gewünscht ist oder nicht. Und dann, wenn es nicht gewünscht ist, jetzt, dann soll das eine Möglichkeit geben, dass die das überleben, wenn die einen Abbruch haben. Und nicht dran sterben. Marius Elfering.
Am Tag nach der nicht öffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestags ruft mich Ulle Schaufs an. Sie ist nicht glücklich damit, wie diese erste Sitzung gelaufen ist.
Es sind nur noch gute neun Wochen bis zur Bundestagswahl. Das, was im Rechtsausschuss am Tag zuvor passiert ist, das nennt Ulle Schaufs jetzt das Worst-Case-Szenario.
es das passiert, was wir im Worst-Case-Szenario uns gedacht haben, wenn es tatsächlich so ist, dass die Union, aber leider eben auch die FDP, wie sich gestern herausgestellt hat, im
Im engen Schulterschluss alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sie haben, um zu verhindern, dass wir im Ausschuss eine Debatte mit Sachverständigen haben, um auch den Gesetzentwurf noch mal breiter zu diskutieren. Also das zu unterbrechen und zu unterbinden, aber auch die Möglichkeit, nachher wieder im Plenum zum Abschluss zu kommen. Dann haben sie das alles gestern versucht und das ist ihnen gelungen.
Nicht ganz gelungen, aber es ist ihnen zumindest gelungen, dass wir sehr, sehr, sehr knapp vor Ende der Legislaturperiode jetzt eine Anhörung haben. Die Wahrscheinlichkeit, dann am nächsten Tag noch im Plenum zum Abschluss zu kommen, die Chancen sind auch nicht sehr groß.
Man muss ein bisschen Ordnung in die Sache bringen, um zu verstehen, weshalb diese erste Sitzung des Rechtsausschusses in der Sache für diejenigen Abgeordneten, die sich für eine Reform des Paragrafen 218 aussprechen, so frustrierend lief.
Die Abgeordneten, die für eine Abstimmung über den Paragrafen 218 noch in diesen letzten Wochen der Legislaturperiode sind, signalisieren, okay, man kann im Rechtsausschuss nochmal eine Anhörung von Expertinnen und Experten in der Sache haben. Die sollen dann im Rechtsausschuss Rede und Antwort stehen. Nach dieser Anhörung von Expertinnen und Experten könne man das Ganze dann wieder zurück ans Parlament überweisen, nochmal im Bundestag debattieren und dann kann man das Ganze wieder zurück ins Parlament überweisen.
und letztlich abstimmen. Und zwar in den letzten Wochen, bevor dann die Neuwahlen anstehen. Das, so berichtet es Ulle Schaufs, hätten die Union und die FDP jedoch nicht gewollt. Es sei dann lange Zeit hin und her gegangen. Die genauen Abläufe sind etwas wirr, etwas kompliziert. Letztlich sei die Debatte aber doch darauf hinausgelaufen, dass es eine öffentliche Anhörung von Expertinnen und Experten im Rechtsausschuss geben soll.
Es steht sogar ein konkreter Termin im Raum. Der 13. Januar 2025. Wir haben den 13. Januar vorgeschlagen. Wir haben auch gesagt, wenn der 13. Januar nicht geht, dann geht jeder andere Tag in der dritten Kalenderwoche. Wir sind da total offen. Wir machen alles möglich. Und das wurde ganz klar abgelehnt. Und der Vorschlag war, der einzige Vorschlag, der von Seiten der Union kam, war der 10. Februar von 17 bis 20 Uhr.
Nochmal kurz. Der Vorschlag, der jetzt im Raum steht für die Sitzung des Rechtsausschusses, ist der 10. Februar 2025. Nur einen Tag später kommt der Deutsche Bundestag zum letzten Mal zusammen. Dass es dann noch zu einer Debatte und Verabschiedung des Gesetzes kommt, quasi ausgeschlossen. Wären wir hier beim Schach, dann wäre das hier zwar noch nicht der Matzzug, aber ehrlich gesagt, viel fehlt nicht mehr.
Damit die Reform des Paragrafen 218 noch kommt, müsste nun etwas ziemlich Außergewöhnliches passieren. Wenn der 10. jetzt mit der Anhörung feststeht und der 11. der letzte Tag ist, wie sieht Ihr Plan jetzt aus? Ja, die Fragen kann ich verstehen. Sie stellen sie uns auch gerade. In den Tagen nach der Sitzung gibt es bei den Befürworterinnen und Befürwortern der Reform unterschiedliche Gedankenspiele. Unter anderem folgendes.
Der Rechtsausschuss tagt am 10. Februar 2025. Expertinnen und Experten werden angehört, man tauscht sich aus, berät. Die Sitzung ist angesetzt von 17 bis 20 Uhr. Danach sind es nur noch wenige Stunden bis zum letzten Tag im Deutschen Bundestag. Die Abgeordneten, die für eine Reform sind, könnten an diesem Abend eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragen. Rein theoretisch wäre es möglich, diese direkt an die Expertinnenanhörung dran zu hängen.
Im Grunde also einfach sitzen bleiben und weitertagen. Hier könnte man dann beantragen, die ganze Sache wieder ins Parlament zu überweisen, um dann dort noch debattieren und eventuell verabschieden zu können. Auch Sondersitzungen des Parlaments wären rein theoretisch noch möglich. Es gibt jedoch ein Aber. Wenn Sie das wirklich verhindern wollen, können Sie das ganz cool abblitzen lassen.
Denn wenn weder die Union noch die FDP für diesen Weg stimmen würden, dann bräuchte es die Stimmen der AfD für eine Rücküberweisung ins Parlament. Und das schließt Ulle Schaufs aus. Korrekt ist das nicht. Das ist alles unparlamentarisch. Das ist alles eine Verweigerung aus Angst vor dieser Abstimmung. Ich sage das in aller Klarheit. Es ist eine ganz große Angst vor dieser Abstimmung. Und ich glaube, also ich sage jetzt auch, und deswegen wird es auch bis zum letzten Tag auch für mich so klar sein, dass wir da sind.
Doch kann das klappen? Könnte die FDP ihre Position vielleicht doch noch ändern? Ulle Schaufs, Carmen Wege und die weiteren Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzentwurfes wollen die Hoffnung in diesen Tagen nicht aufgeben.
50 Jahre. Fragt man Monika Börding, wie lange sie sich schon so richtig intensiv mit Selbstbestimmungsrechten von Frauen in Deutschland beschäftigt, dann nennt sie diese Zahl. 50 Jahre. Sie sei in der zweiten Frauenbewegung sozialisiert worden, erzählt sie an einem Tag im Frühjahr 2025, als sie an ihrem Esstisch in Bremen sitzt. Draußen suchen sich die ersten sanften Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolkendecke. Musik
Monika Börding gründete in ihrer Karriere ein Seminarhaus für Frauen. Später war sie Geschäftsführerin des Pro Familia Landesverbandes Bremen. Dann ging sie in den Ruhestand und kam doch wieder zurück. Wenn sie spricht, dann hört man es schon in ihrer Stimme. Sie ist noch nicht fertig.
Monika Börding ist heute die Vorsitzende des Bundesvorstands von Pro Familia. Pro Familia, das nochmal kurz, ist die größte nichtstaatliche Organisation für Sexual-, Schwangerschafts- und Partnerschaftsberatung in Deutschland. Frauen können bei Pro Familia ihr Beratungsgespräch führen und auch einen Beratungsschein ausgestellt bekommen, den es für die Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach der Befruchtung braucht.
Es gibt eben auch noch andere Träger, die beraten, also evangelische Kirche etc. Aber ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung und Praxis, dass wir zu bestimmten Zeiten wirklich Wartelisten hatten und eben nicht so schnell beraten konnten, wie es eigentlich erforderlich gewesen wäre, weil den Frauen ja auch immer die Zeit wegrennt. Also sie haben ja eben nur zwölf Wochen Zeit und
Von dem Zeitpunkt, wo sie überhaupt erfahren haben, dass sie schwanger sind, bis dahin dann auch noch einen Abbruchtermin zu finden, ist das Zeitfenster einfach sehr klein. Pro Familia, das Deutsche Rote Kreuz, die Caritas, Pro Femina. Die Liste der Beratungsstellen ist lang. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz heißt es, die nach § 219 des Strafgesetzbuches notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus.
Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden.
Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Unterschiedliche Beratungsangebote werfen sich gegenseitig immer wieder Voreingenommenheit vor. Dass Frauen überzeugt werden sollen, Schwangerschaften doch auszutragen. Oder das Gegenteil, dass Beratungsscheine einfach ausgestellt würden. Ich kann jetzt einfach nur unsere Haltung darstellen. Und die ist, dass die Frauen, genau weil es eine Beratungspflicht ist, sehr verhalten in diese Beratung kommen, weil sie denken...
Es findet jetzt eine Gewissensprüfung statt bei Ihnen und es wird irgendwie normativ doch nochmal darauf hingewirkt, dass Sie ein schlechter Mensch sind und eine Schuld tragen und doch bitteschön die Schwangerschaft austragen sollen und ausrechnen.
Das, was wir tun, ist als erstes, und das ist auch wie so ein Eisbrecher, ihnen zu sagen, wir respektieren jede Entscheidung, die sie treffen. Wir sind nicht die staatliche Kontrollinstanz, sondern wir unterstützen sie in die Richtung, die sie vorgibt. Und das heißt für uns ergebnisoffen. Wenn Monika Börding über ihre Erfahrungen spricht, darüber, wie sie zur Pflichtberatung steht, dann stellt sie einen Punkt in den Vordergrund. Der Großteil ist entschieden. Also mit Sicherheit 80 Prozent sind entschieden.
Und kommen auch so in die Beratung. Die 20 Prozent, die nach ihrer Einschätzung noch nicht entschieden haben, was sie machen sollen, kommen mit ganz unterschiedlichen, ganz individuellen Problemen und Gedanken. Naja, ob sie das finanziell schaffen, überhaupt ein Kind großzuziehen, ob ihre Beziehung das aushält. Oft kommt eben auch schon, dass die Beziehung klar ist, dass sie es nicht aushält, sondern ob sie das Alleinerziehend schaffen.
Ob sie das soziale Umfeld haben, ob sie beruflich nicht völlig ins Abseits geraten mit Kind, ob sie ihre Ausbildung abbrechen müssen, all sowas. Das sind existenzielle Fragen einer Frauenbiografie. Und das finde ich eben, die übernehmen Verantwortung. Wenn es um die Zukunft der Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland geht, dann ist die Position von Pro Familia klar. Sie wollen die Abschaffung der Beratungspflicht.
Stattdessen soll es ein Recht auf Beratung geben. Das, so die Hoffnung, würde nicht nur die Versorgungslage, sondern auch die Beratung selbst voranbringen. Es bleibt mehr Zeit, es bleibt mehr Raum für Gedanken, für Gespräche, für mögliche Lösungen der ganz individuellen Probleme. Weil es ist ein völliger emotionaler Ritt, den die Frauen da machen, der auch mit sehr viel Trauer verbunden ist und
Ja, mit sehr viel Schuld und je nachdem eben auch, wie die Gesellschaft oder wie stigmatisierend ihr Umfeld ist, sind sie in einer absolut traumatischen Situation. Ich kann das wirklich nicht anders sagen. Bei den Debatten rund um eine Veränderung des Paragrafen 218 gerät die Beratungspflicht immer wieder in den Fokus. Warum es sie geben sollte oder nicht, die Positionen unterscheiden sich an dieser Stelle sehr.
Günther Krings von der CDU beispielsweise hat ebenfalls eine sehr klare Positionierung in der Sache und die sieht, nicht überraschend, sehr anders aus als die von Monika Börding. Es geht dann schnell wieder um die Abwägung des Selbstbestimmungsrechts der Frauen und um den Schutz des ungeborenen Lebens. Kurze Erinnerung an die Gedanken von Günther Krings von der CDU. Wenn ich das herausstreiche, also insbesondere diese dreitägige Wartefrist, dann erinnere
geht diese Abwägung dieser beiden hohen Rechtsgüter nicht mehr in einer fairen, ausgeglichenen Weise aus, sondern dann ist es sehr einseitig zulasten des Kindes und das ist verfassungsrechtlich nicht haltbar, ist aber auch ethisch nicht richtig. Dass eine Streichung der Pflichtberatung und die Umwandlung in ein freiwilliges Beratungsangebot aktuell kaum durchsetzbar sind, weil die politischen Mehrheiten dafür fehlen, das zeigt nicht nur der Gesetzentwurf, über den in diesen Wochen debattiert wird.
Er sieht vor, dass die Pflichtberatung bestehen bleibt und nur die folgende Wartezeit entfällt. Monika Börding ist sich dessen ebenfalls bewusst. Und von da ist es natürlich ein Kompromiss.
der einfach erstmal jetzt ein pragmatischer Ansatz ist. Unsere Positionierung ist natürlich weitreichender, wie gesagt eben Abschaffung der Beratungspflicht und so weiter. Aber wenn der so durchgehen würde, wäre das schon eine große Errungenschaft. Monika Börding und ich kommen auf das Thema Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu sprechen. Sie selbst teilt diesen Aspekt in drei unterschiedliche Bereiche ein. Ich glaube, traditionell hat es immer noch was damit zu tun, dass das Idealbild in Deutschland...
die Mutter ist, die Frau als Mutter und die ja irgendwie selbstlos lebend und sonst was ist. Und eine Frau, die sich gegen diese Schwangerschaft oder auch diese Mutterschaft entscheidet, ist eben eine böse Frau, eine schlechte Frau. Das ist das eine. Das andere ist dieses Unvermögen, glaube ich, auch mit der Selbstbestimmung von Frauen tatsächlich umzugehen. Also das Bedürfnis, sie weiter zu kontrollieren zu wollen.
Das dritte ist dieses ominöse, völlig aufgeblasene Schutz des ungeborenen Lebens, also wo einfach reale Babys imaginiert werden, die jetzt umgebracht werden. Und wo er das im Fokus steht statt der Spenden einer Schwangerschaft. Und dann sind wir sofort wirklich bei Tod und Mord, was ja eben der Paragraf 218 auch widerspiegelt mit der Kriminalisierung.
Wir sprechen weiter über die Tabuisierung, über das Strafgesetzbuch, über ihre Erfahrungen in den vergangenen Jahrzehnten. Und auch über diejenigen, die komplett anderer Meinung sind als sie selbst. Und dann nimmt das Gespräch sehr plötzlich eine für mich ziemlich überraschende Wendung. Ich erzähle Ihnen nochmal ein Beispiel. Ich habe Kontakt mit Florian Dinerowicz. Der ist ein aktiver Abtreibungsgegner. Den wollte ich letzte Woche treffen.
Ich kenne Florian Dinarowicz, von dem Monika Börding hier spricht. Beziehungsweise persönlich kenne ich ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Unser Treffen steht noch bevor. Ich bin aber auf ein Buch von ihm aufmerksam geworden. Florian Dinarowicz ist im Fachgebiet Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg wissenschaftlich tätig und arbeitet außerdem als Arzt.
Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, weil er ein wissenschaftliches Buch geschrieben hat mit dem Titel Gründe für den Schwangerschaftsabbruch – Schwangerschaftskonflikte im Kontext der Abtreibungsdebatte. Jetzt, ich sitze bei Monika Börding am Esstisch, spricht sie mich auf ihn an. Er hat mich immer wieder versucht zu kontakten, ich habe mich darauf eingelassen. Und dann hatte ich letztes Jahr mit ihm, habe ich mich auf eine Podiumsdiskussion eingelassen und
Die hat die Konrad-Adenauer-Stiftung für ihre Stipendiaten organisiert. Und die war in Oldenburg. Und es war schon klar, dass wir Pole sind. Und ich fand das ganz schön, dass sie mich eingeladen haben. Und das ist ein sehr netter Mann. Und der hat mir jetzt zu Weihnachten einen Brief geschrieben. Der war einfach ganz nett. Und dann hat er mir nochmal sein Theoriegerüst erklärt. Dann habe ich zurückgeschrieben und habe gesagt, Florian, ich freue mich total über deinen Brief. Es ist alles super. Aber...
Und das ist genau das, wo ich da, das ist der Prozess, der stattfinden muss. Wirklich, man muss miteinander im Gespräch bleiben. Und man kann nicht einfach Gegnerschaften machen, sondern man muss wirklich gucken, wie ticken die Leute, was haben die für Glaubenssätze. Ich treffe Florian Dienerowitz an seiner Arbeitsstelle. Er trägt an diesem Tag die entsprechende Kleidung. Hellblaue Hose, hellblaues Oberteil, ganz der Arzt.
Wir setzen uns in einen leeren Besprechungsraum und er beginnt davon zu erzählen, weshalb ihn das Thema Abtreibungen schon seit 2016 beschäftigt. Als Medizinstudent überlegt man sich ja dann irgendwann, ob man eine Doktorarbeit machen möchte oder nicht und was man denn dann da machen möchte. Und da mein Interessensgebiet ohnehin auch jetzt nicht nur rein auf dieses medizinische, sondern auch medizinethische Themen oder prinzipiell auch Geschichte, auch geisteswissenschaftliche Aspekte eben betrifft.
Also ich bin da durchaus interessiert, hat sich das dann eben angeboten, da dann so ein Thema anzugehen. Und Schwangerschaftsabbruch an sich, nun das fand ich einfach interessant. Ich hatte hier und da mal gehört, was so Gründe sein können und das hat sich dann einfach angeboten. Florian Dienerowitz, man kann es nicht anders sagen, kennt sich exzellent in der Geschichte der Debatte rund um den Paragrafen 218 aus.
Er gibt immer wieder auch Interviews hierzu. Aber nicht nur zur geschichtlichen Entwicklung, sondern auch zu seiner Forschung zur Frage, was sind überhaupt die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche? Tatsächlich sind die Daten zu dieser Frage in Deutschland eher dünn. Einige Bundesländer führen Statistiken hierzu, andere nicht.
Was Florian Dinarowicz im Rahmen seiner Forschung festgestellt hat? Wenn Statistiken erhoben werden, dann sind die am häufigsten genannten Gründe für Abtreibungen Partnerschafts- und familiäre Probleme, psychische und physische Überforderung, materielle Sorgen oder auch ganz simple biografische Gründe. Es ist beispielsweise einfach der falsche Zeitpunkt für ein Kind. Oft, das muss man auch sagen, ist es wohl eine Mischung aus mehreren Aspekten.
Ich spreche mit Florian Dienerowitz über die Geschichte des Abtreibungsrechts in Deutschland. Irgendwann kommen wir zur Wiedervereinigung. Kurze Erinnerung. In der DDR war das Abtreibungsrecht deutlich liberaler geregelt. Frauen konnten bis zur 12. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung haben, ohne die Gründe näher darlegen zu müssen. Und da hatte man eben diese Fristenregelung, dass wirklich bis zur 12. Woche der Schwangerschaftsabbruch frei war und quasi ein Recht der Frau auch darauf zuzugreifen.
interessant ist, wie sich das dann entwickelt hat, also die Abtreibungszahlen, wenn man die sich anschaut,
Sofern die Statistiken vergleichbar sind, das ist natürlich noch ein anderer Punkt. Aber im Prinzip in der DDR hatte man sehr hohe Schwangerschaftsabbruchszahlen von bis zu 30 Prozent aller Schwangerschaften. Und in der Bundesrepublik Deutschland waren es so um die 11 Prozent. Das ist natürlich vielleicht einerseits auf die Regelungen zurückzuführen, natürlich auch auf andere Umstände. Also man kann das natürlich nicht allein auf die Regelungen zurückführen, aber es ist doch durchaus interessant, einfach mal so diese Begründung,
Gegensätze zu betrachten, was dann eben auch zu den Regelungen in den 90er Jahren direkt führt. Bis zu diesem Punkt unseres Gesprächs war Florian Dienerowitz darum bemüht, die jeweiligen Positionen klar zu markieren. Wer war wofür? Wer wogegen? Ohne Wertung und das gelingt ihm auch.
Nach meiner nächsten Frage aber kommt er zum ersten Mal ins Stocken. Das ist ein Punkt, an dem man schon sagen kann, dass zumindest für Frauen aus der DDR das Selbstbestimmungsrecht zurückgefahren wird mit der Neuregelung, oder? Nein.
Also zumindest wurde es anders gehandhabt. Inwieweit das Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt ist oder nicht eingeschränkt ist, das ist wahrscheinlich eher eine philosophische Frage. Naja, es gibt ja einen direkten Vergleich zur Zeit der DDR. Zugang hatten die Frauen nach wie vor. Inwieweit das Selbstbestimmungsrecht an dieser Stelle also eingeschränkt wurde, wie gesagt, ich würde sagen, das ist tatsächlich eine philosophische Frage.
die man in die eine oder auch in die andere Richtung diskutieren kann. Echt, finden Sie? Ja, tatsächlich. Ja, weil ich meine, bei Frauen in der DDR haben wir ja kein 208, das heißt, vorher ist es rechtmäßig, jetzt ist es rechtswidrig, oder? Also ab 92 dann. Gut, das führt jetzt natürlich darum, den Begriff der Selbstbestimmung an sich mal zu betrachten. Was ist Selbstbestimmung? Selbstbestimmung...
Es ist ein fluider Begriff, den man nicht ganz genau definieren kann. Und wir alle sind in gewisser Weise in unserer Selbstbestimmung eingeschränkt. Es ist das erste Mal in unserem Gespräch, dass ich wirklich merke, dass da seine Meinung durchkommt. Und das ist ja auch klar. Letztlich hat jeder Mensch, der über dieses Thema spricht, zumindest ein Stück weit eine Positionierung in der Sache.
Und fairerweise, ich habe auch ein bisschen in die entsprechende Richtung gefragt. Was in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch man eben betrachten muss, sind diese unterschiedlichen Interessenslagen. Also haben wir die Interessenslage der Frau und die mutmaßliche Interessenslage des Kindes. Konsens besteht darin, dass man sagt, Selbstbestimmung geht so weit, wie man die Rechte eines Dritten nicht derart einschränkt, also nicht über ein gewisses Maß einschränkt, ja.
Und das ist natürlich beim Schwangerschaftsabbruch dann nicht gegeben, wenn man denn von der philosophischen Betrachtung oder naturwissenschaftlichen Betrachtung kommt, das Ungeborene als einen Menschen eben mit Lebensrecht und Menschenwürde zu betrachten.
Es gibt noch einen zweiten Moment, wo durchscheint, wo er selbst steht. Nämlich als wir darüber sprechen, dass Befürworter und Befürworterinnen einer Reform des Paragrafen 218 nicht unbedingt der Meinung sind, dass die Regelung aus den 90er Jahren wirklich ein gesellschaftlicher Kompromiss ist, der den Konflikt beherrscht.
Also ich würde mal sagen, damals, die Konservativen hätten damals auch argumentiert und gesagt, es ist eigentlich kein Kompromiss, sondern es ist ein sehr, sehr weites Entgegenkommen einer selbstbestimmten Entscheidung der Frau. Schon vor unserem Gespräch sagte Florian Dienerowitz zu mir, dass bei dem Thema Abtreibung die Positionen von Menschen, die sich öffentlich dazu äußern, häufig schon klar seien.
Vorhin haben Sie gesagt, man weiß in etwa, wer die Player da sind und wer was sagt. Sind Sie auch ein Player in dem Spiel? Also, ich würde schon sagen, dass ich da auch eine gewisse Rolle spiele, weil ich mich eben versucht habe, mit den Gründen für den Schwangerschaftsabbruch auseinanderzusetzen, was vorher bisher wenig bis nicht getan wurde. Player, das ist ein bisschen wie ein Spieler,
Ja, auch in der Hinsicht, dass, wie ich schon gesagt habe, natürlich jeder zu einer gewissen Position kommt in dem Thema. Und es natürlich die Kunst der Wissenschaft ist, trotz einer gewissen Position, die man vertritt, oder die man vielleicht gerade bei so einem Thema aus einer moral-ethischen Perspektive vertritt, trotzdem, wenn man sich die Sache wissenschaftlich anschaut, zurückzutreten,
Und sich die Sache, sage ich mal, soweit es geht, objektiv anzuschauen. Auch wenn man eine Position vertritt. Ich bin interessiert und will wissen, ob sich Florian Dinarowicz selbst als Abtreibungsgegner bezeichnen würde. Deshalb spiele ich ihm die Aussage von Monika Börding vor. Ich erzähle Ihnen nochmal ein Beispiel.
Ich habe Kontakt mit Florian Dinerowicz, der ist sein aktiver Abtreibungsgegner. Den wollte ich letzte Woche treffen. Der hat mich immer wieder versucht zu kontaktieren, ich habe mich darauf eingelassen. Und dann hatte ich letztes Jahr mit ihm, habe ich mich auf eine Podiumsdiskussion eingelassen.
Die hat die Konrad-Adenauer-Stiftung für ihre Stipendiaten organisiert und die war in Oldenburg. Florian Dinarowitz lächelt leicht, als er Monika Börding sprechen hört. Er macht keinen Hehl daraus, dass auch er sie sympathisch findet. Beim Wort Abtreibungsgegner verzieht er keine Miene. Das wäre natürlich spannend, was ihr jetzt weiter dann noch berichtet, aber wie finden Sie das Wort Abtreibungsgegner in dem Zusammenhang? In Bezug auf meine Person? Ja, das war ja jetzt ein Bezug auf Ihre Person am Anfang. Also...
Ich mag an sich dieses Wort nicht aus politischer Perspektive, weil es einen in eine Ecke drängt und einem das Wort nimmt. Also sobald man Abtreibungsgegner genannt wird, wird man nicht mehr gehört oder wird einem das Wort sehr stark eingeschränkt. Und das finde ich sehr problematisch, weil ich führe das auch in meiner Dissertation aus, diese Begrifflichkeiten, das sind ja allein schon ideologische Kampfbegriffe.
Der Einfachheit halber, wenn man jemanden in einem Lager zuschlagen möchte, dann kann man die natürlich verwenden, aber das Problem ist, wenn man diese Worte verwendet oder diese Begrifflichkeiten, dass dann kein Diskurs mehr stattfinden kann, weil man eben schon in einer Ecke ist. Von meiner Positionierung her, aus meiner medizinethischen Schlussfolgerung, die ich ziehe, muss ich mich klar dazu bekennen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nie eine erstrebenswerte Sache ist.
weil es einen individuellen Menschen tötet. Okay, das ist eine klare Aussage. Das ist das, was es ist tatsächlich. Und mein Verständnis ist einfach, dass Töten prinzipiell nicht gut ist. Ich möchte damit aber nicht, dass man bei dem, was Sie jetzt dann, weiß ich nicht, was Sie schneiden oder nicht schneiden, ich möchte damit nicht, dass man mich als jemanden bezeichnet, der gegen Schwangere in Not in irgendeiner Form wäre.
Weil ich weiß, dass es eine heftige und brutale Situation ist, die man in vielerlei Hinsicht gar nicht wahrscheinlich richtig mitfühlen kann, wenn man in dieser Situation nicht war. Also ich möchte nicht, dass man nur, weil ich von der medizinärtischen Positionierung dahin komme zu sagen, Schwangerschaftsabbruchung ist die Tötung eines Menschen, eines individuellen Menschen.
Was an sich keine gute Sache ist, möchte ich nicht, dass man daraus Schluss folgert, ich verurteile Frauen, die das tun. Es gibt verschiedene Publikationen von Florian Dinarowicz, unter anderem für die Konrad-Adenauer-Stiftung, in denen er klar Position bezieht. Er ist gegen die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch.
Und wenn man ihn von Tötung sprechen hört, dann wird einem klar, warum. Und die Tötung ist an sich im Strafgesetzbuch zu regeln, egal zu welchem Zeitpunkt das in der weiten Spannbreite des menschlichen Lebens stattfindet. Aber Tötung eines menschlichen Lebens ist ja auch erstmal die Frage, wie definieren wir den Beginn menschlichen Lebens? Ist denn ein Neugeborenes ein werdendes Leben?
Ob ein Neugeborenes ein Erdnuss ist? Ein Neugeborenes ist frisch, frisch geschlüpft. Ein Neugeborenes ist ein Mensch? Ist ein Mensch, ist ein Kind, das zwei Minuten vor der Entbindung ist, ein Mensch. Ja, von zwei Minuten vor der Entbindung zu Einmistung der Eizelle sind schon noch neun Monate. Das ist richtig, aber man kann ja zurückstaffeln.
Also ich kann in zwei Minutenschritten bis eben zur Einnistung gehen, ich kann in ein Minutenschritten gehen und Sie werden keinen Punkt finden, an dem Sie biologisch solide begründet sagen können, hier ist es ein Mensch und hier ist es kein Mensch. Ich lasse diese Position mal kurz für sich stehen. Auf diese Debatte schauen wir gleich nochmal. Monika Börding und Florian Dinarowicz werden in ihren Positionen nie zusammenfinden. Dennoch halten sie Kontakt, weil da Sympathie zwischen ihnen ist.
Der Gesprächskanal zwischen ihnen bleibt offen. Und trotzdem hat Monika Börding, wenn sie über solche gegensätzlichen Positionen spricht, natürlich eine klare Haltung. Und das sagt sie auch. Er wollte mich von seiner Position weiter überzeugen, das wollte ich natürlich auch. Aber trotzdem...
Ist da ein Dialog, wo diese Sachen einfach gegeneinander gestellt werden und miteinander ins Gespräch und sagen, hier, vielleicht bist du doch ein bisschen falsch abgebogen in deinem Denken. Es gibt ja so viele Einflüsse, die wir dann plötzlich ernst und wichtig nehmen und denken, das ist es jetzt. Und es kann eben auch ein falsches Abbiegen sein.
Nach unserem Treffen bekomme ich noch zwei sehr lange Mails von Florian Dinarowicz. Er empfiehlt mir, mit wem ich noch sprechen soll. Dass ich auch mit Frauen reden soll, die sich für ein Kind entschieden hätten. Er schildert auch private Umstände, die ihn bewegt haben. Er geht nochmal auf den Begriff der Selbstbestimmung ein. Er nennt historische Details, in denen er wirklich Expertise hat. Er sagt, dass Männer stärker in die Pflicht genommen werden müssten, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern.
Er betont, dass er kein Mitglied einer sogenannten Lebensschutzorganisation ist, noch nie auf einer entsprechenden Demo war und distanziert sich maximal von, Zitat, aggressiv fragwürdigen Vergleichen und jeder Gewalt. Ich glaube ihm, dass er diese Diskussionen ohne Schaum vor dem Mund führen möchte. Was aber auch stimmt, er vertritt eine Position, die es in dieser Gesellschaft gibt und die nicht nur die Meinung vertritt, dass es den Paragrafen 218 braucht,
sondern im Grunde annimmt, dass die Regelungen eventuell sogar weiter verschärft werden müssten. In einer seiner Mails schreibt er, Gleichzeitig halte ich nichts davon, strenge Verbote auszusprechen und die Schwangeren in ihren Nöten allein zu lassen.
Der Schutz des ungeborenen Lebens. In der Debatte rund um den Paragrafen 218 ist das immer wieder eines der Kernthemen der Diskussion.
Und das ist ja auch klar nach den beiden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Gegnerinnen und Gegner kritisieren am Reformvorschlag, dass der Schutz dieses ungeborenen Lebens nicht ausreichend berücksichtigt würde. In der Bundestagsdebatte klingt das dann beispielsweise so. Was eben auch ganz klar war und das ist heute wieder rausgekommen, weder SPD noch Grüne haben mit einem einzigen Wort das Kind erwähnt. Einzigen Wort zu sagen...
Es geht um die Selbstbestimmung der Frau. Jetzt sage ich Ihnen mal was. Uns geht es auch um die Selbstbestimmung der Frau, selbstverständlich. Aber es geht eben zusätzlich auch noch um jemanden, der noch keine Redemöglichkeit hat in Deutschland, der nicht für sich selbst sprechen kann.
Ja, oder die. Von mir auch immer. Ihre Zurufe, es wäre nicht besser, die sind auch relativ dümmlich an dieser Stelle. Aber wir sind die einzigen Anwältinnen und Anwälte für das ungeborene Leben. Die einzigen, die hier noch überhaupt stehen. Und bei Florian Dinarowitz, wir hatten es gerade, klingt es beispielsweise so. Schwangerschaftsabbruch ist die Tötung eines Menschen. Es ist die immer wiederkehrende Diskussion. Wann beginnt eigentlich menschliches Leben? Und wer genau legt das fest?
Oder wie Monika Börding vorhin ihre absolut gegenteilige Sichtweise beschrieben hat. Dieses ominöse, völlig aufgeblasene Schutz des ungeborenen Lebens, also wo einfach reale Babys imaginiert werden, die jetzt umgebracht werden. Und wo er das im Fokus steht statt der Spenden einer Schwangerschaft. Und dann sind wir sofort wirklich bei Tod und Mord, was ja eben der Paragraf 218 auch widerspiegelt mit der Kriminalisierung.
Ich komme nicht drum herum, mir dieses Thema noch einmal näher anzusehen. In Nürnberg steht Claudia Wiesemann in ihrer Küche und bereitet einen wirklich hervorragenden Espresso zu. Auf einem Tisch mit gelber Tischdecke steht ein Teller mit selbstgebackenen Vanillekipferln. Als sie sich wieder zu mir setzt, erzählt sie, dass das Thema Abtreibungen sie ihr gesamtes Berufsleben über begleitet hat. Musik
Claudia Wiesemann ist seit kurzem im Ruhestand. Davor war sie als eine der bekanntesten Medizinethikerinnen des Landes über viele Jahre hinweg die Direktorin der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen. Wenn man also die ethische Debatte rund um das Abtreibungsrecht in Deutschland verstehen möchte, dann lohnt es sich mit ihr zu sprechen.
Auch sie war übrigens Teil der Sachverständigenkommission der Bundesregierung, hat sich hier allerdings mit einem anderen Themenbereich, nämlich der Eizellspende und der Leihmutterschaft beschäftigt.
Für Claudia Wiesemann ist klar, die Debatte rund um das Abtreibungsrecht in Deutschland gehört zu den schwierigsten medizinethischen Fragen überhaupt. Weil sie einerseits menschlich schwierig ist, andererseits aber auch aus philosophischen Gründen, aus konzeptuellen Gründen nicht einfach zu lösen ist. Sie ist eben nicht einfach einzustufen. Um was für ein Problem handelt es sich hier überhaupt überhaupt?
Darüber sind sich ja schon die Geister uneinig und
Wenn man so früh beim Fundament anfangen muss zu diskutieren, dann kommt man nicht schnell zu einem Ende. Dennoch, das ethische Grundproblem, das kann Claudia Wiesemann ziemlich schnell herausarbeiten. Das reale Problem ist, wie gehen wir mit diesem besonderen Sachverhalt um, dass ein Lebewesen im Körper eines anderen Lebewesens aufwächst. Das ist auch philosophisch gesehen eine Schwerpunktmöglichkeit.
Schwierige Fragestellung, denn normalerweise gehen wir von zwei voneinander unabhängigen Individuen aus, die nicht körperlich voneinander abhängig sind. Im Laufe der vielen Jahre, in denen die Debatte rund um Abtreibungen in Deutschland geführt wird, haben sich ganz unterschiedliche Argumentationsmuster herausgeschält, je nachdem, ob man für eine Streichung oder Reform des Paragrafen 218 oder dagegen ist.
Da gibt es zum Beispiel auf Seiten der Abtreibungsgegnerinnen und Gegner die sogenannten Ausdehnungsargumente. Diese zielen im Kern darauf ab, die Grundrechte und den Lebensschutz maximal auszudehnen, also auch auf menschliche Embryonen, und zwar sobald Eizelle und Samen miteinander verschmolzen sind.
Oder das Potentialitätsargument, welches betont, dass schon in der befruchteten Eizelle das Potenzial liegt, dass sich hieraus ein fühlender und denkender Mensch entwickelt. Mit allen grundrechtlichen Folgen, die das nach sich ziehen würde. Es gibt eine Reihe weiterer Argumente, die in diese Richtung gehen. Auf der anderen Seite, also jener, die für die körperliche Selbstbestimmung der Frauen kämpfen, liegen die sogenannten Umgehungsargumente.
Hierbei wird vor allem damit argumentiert, dass die schwangere Frau und der Embryo eine Einheit bilden. In der Fachliteratur wird dieser Umstand als ein intrapersoneller und eben nicht als ein interpersoneller Konflikt definiert.
Auch Claudia Wiesemann kommt schnell auf die Debatte zu sprechen, ob wir es bei der schwangeren Frau und dem Embryo mit zwei eigenständigen Wesen zu tun haben oder eben nicht. Unsere gesamte Moral ist entwickelt in der Vorstellung, dass wir zwei getrennte körperliche Wesen vor uns haben. Unser Tötungsverbot etwa.
Das besagt ja letztendlich, wenn zwei Fremde sich begegnen, sollen sie sich friedlich behandeln und sie sollen sich nicht gegenseitig erschlagen. Aber wenn man versucht, das Tötungsverbot auf die Schwangerschaft zu übertragen, dann kommt man in große Schwierigkeiten. Das funktioniert so gar nicht. Ich darf so kompliziert werden, oder? Klar, was für eine Frage.
Wenn man versucht, Parallelen zu ziehen zwischen dem Tötungsverbot von zwei körperlich unabhängigen Menschen und der Schwangerschaft, dann gerät man in einige Schwierigkeiten hinein. Bei der Frau ist es ja so, wenn sie über ihren eigenen Körper nicht entscheiden darf, aufgrund des Tötungsverbots, dann muss sie akzeptieren, dass sie erstens eine Schwangerschaft durchlebt, also eine körperliche Veränderung ihres eigenen Körpers mit entsprechenden Risiken,
Und noch dazu nimmt sie in Kauf dann, dass sie mindestens 20 Jahre für das so entstehende Wesen verantwortlich sein will. So weit, so klar. Übertragen wir das mal auf das Tötungsverbot zwischen zwei unabhängigen Erwachsenen, die einander begegnen, würde das heißen, wenn ich verzichte, dich zu erschlagen, dann nehme ich aber auf jeden Fall in Kauf, erstens, dass mein Körper sich komplett verändert, zweitens, dass ich 20 Jahre für dich verantwortlich bin, für diesen Menschen, den ich nicht erschlagen habe.
Und zwar auf eine umfassende Art und Weise, sodass mein ganzer Tagesablauf davon geprägt ist. Wenn man diese Parallelen zieht, dann sieht man schon, es taugt nichts. Also wir können das, was wir vernünftigerweise für geborene Menschen entwickelt haben, wir können das nicht einfach auf die Situation des Ungeborenen und die Schwangerschaft übertragen. Zugegeben, diese Parallele, den Vergleich zu ziehen, das kann erst einmal irritieren. Vielleicht auch an den Haaren herbeigezogen klingen.
Aber zur Erinnerung, Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs steht in einer ganz speziellen Reihe von Strafrechtsparagrafen. Paragraf 211 StGB, Mord. Paragraf 212 StGB, Totschlag. Paragraf 216 StGB, Tötung auf Verlangung.
Kann man also wirklich mit dem Strafgesetzbuch das Abtreibungsrecht in Deutschland regeln? Für Claudia Wiesemann ist klar, nein. Es ist richtig, dass sowohl Lebensschutz des Ungeborenen als auch Selbstbestimmungsrecht der Frau hier bedacht werden müssen. Aber meines Erachtens reicht das nicht aus. Diese beiden Aspekte allein beschreiben auch hier wieder nicht angemessen, was eigentlich der Sachverhalt ist. Der Sachverhalt ist nämlich, dass die Frau selbst
mit der Schwangerschaft und der Geburt dieses Kindes eine Verantwortung für die Existenz eines anderen Menschen übernimmt. Und diese Verantwortung ist ja keineswegs trivial. Die fällt auf sie zurück natürlich, weil sie ihr Leben dann der Sorge für dieses Kind unterwerfen, unterordnen muss. Und deswegen meine ich, dass man gerade in der Schwangerschaft zusätzlich zum Lebensschutz und zur Selbstbestimmung berücksichtigen muss,
Claudia Wiesemann kennt die ethischen Gegenargumente, die an dieser Stelle häufig kommen. Dass wir mittlerweile in einer Welt leben, in der Adoptionen möglich sind. Dass man das Kind doch austragen und dann noch Verantwortung abtreten könne.
Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinen Urteilen ja sogar von einer Austragungspflicht der Frauen. Doch diese Argumente lässt sie nicht gelten. Tatsächlich gibt es die Möglichkeit der Adoption, das mildert etwas die Verantwortung, die die Frau übernimmt, aber nur zu einem geringeren Teil. Zumindest sagen uns das die
Die Erfahrungen, die Frauen selber machen in solchen Situationen, ein Kind zur Adoption wegzugeben, ist offensichtlich eine sehr schwere Entscheidung. Sehr schwere Entscheidung. Und es ist eine Entscheidung, die die Frau über ihr Leben weiter begleiten wird. Hier kommen laut Claudia Wiesemann gleich mehrere Diskussionsstränge zusammen.
Auf der einen Seite sagt sie, sei das deutsche Recht, wenn es um sogenannten Lebensschutz gehe, oftmals nicht eindeutig. Das gelte nicht nur für den Paragrafen 218. Unsere Gesetze sind da nicht einheitlich und auch nicht eindeutig. Teilweise unterstellen sie ein Recht auf Lebensschutz von der Befruchtung an, teilweise unterlaufen sie diese Unterstellung aber auch an Befruchtung.
Und gleichzeitig würde diese Debatte eben nicht nur rechtlich geführt, sondern vor allen Dingen begründet auf moralischen Vorstellungen, oftmals geprägt durch Religion und Spiritualität.
Wobei Claudia Wiesemann hier gerne ein wenig genauer unterscheiden möchte. Zwischen einer religiösen oder auch vielleicht spirituellen Haltung zum Schwangerschaftsabbruch und einer kirchlichen Haltung. Unsere Debatten sind über die letzten 150 Jahre sehr dominiert worden von kirchlichen Haltungen.
Und da haben sich nahezu ausschließlich Männer zu dieser Thematik geäußert. Ich glaube, unsere Debatte heute und auch die Debatte in den Kirchen krankt daran, dass die Position der Frauen, die Sichtweise der Frauen, die Erlebensweise der Frauen nicht sichtbar genug war, nicht stark genug wahrgenommen wurde. Im Winter 2024-25, als die Debatte auf Hochtouren läuft, da tut sich auch im kirchlichen Kontext etwas.
Während die katholische Kirche in Deutschland bei ihrer Haltung bleibt und sich klar dafür ausspricht, dass Schwangerschaftsabbrüche weiterhin im Strafgesetzbuch geregelt werden sollen, positioniert sich die Evangelische Kirche Deutschland im Dezember 2024 ebenfalls und veröffentlicht ein Diskussionspapier.
Darin heißt es,
Und weiter.
Und für den Wert der Elternschaft, den Wert der Mutterschaft,
Und das entspricht durchaus auch dem Erlebens vieler Frauen in der Schwangerschaft. Denn die haben natürlich von Anfang an, wenn es eine gewünschte und gewollte Schwangerschaft ist, von Anfang an das Gefühl, das ist ein Kind, das in mir wächst. Und ich glaube, wir sollten auch diese Haltung unterstützen als Gesellschaft. Wir sollten sie ernst nehmen. Nur wir sollten stärker als bisher die Wahrnehmung und die Erlebensweise und das Verantwortungsgefühl der Frauen ernster nehmen in dieser spezifischen Situation.
Und akzeptieren, dass sie am ehesten entscheiden kann, kann ich dieses Risiko tragen, ein Kind in die Welt zu setzen? Kann ich mich für die Verantwortung, für die Existenz dieses Kindes verantwortlich zeigen?
Wir haben...
Eine lange Geschichte der Kriminalisierung von Frauen für Schwangerschaftsabbrüche. Dieses immanente Schuldgefühl, was den Frauen über Jahrhunderte hinweg eingetrichtert worden ist, das wird man nicht so ohne weiteres los. Und es ist auch tatsächlich keine ganz kleine Entscheidung, sich gegen Leben zu entscheiden. Gegen ein Leben, das im eigenen Körper wächst, das ja dann sogar einen Eingriff in den eigenen Körper erforderlich macht.
Aber vor diesem Schuldkomplex ist es wirklich wichtig, dass wir uns befreien als Gesellschaft. Übrigens auch die Männer, die sich eher da schamhaft im Hintergrund halten, sagen, dass die Entscheidung überlasse ich dir und damit glauben, Verantwortung von sich weisen zu können für diese gesamte Situation. Und auch hier wäre es, glaube ich, wichtig, dass sich Männer stärker positionieren können,
in der Öffentlichkeit positionieren. Nicht nur im Sinne von, ich lasse meine Frau das machen, sondern im Sinne von, ich habe respektiert und akzeptiert, dass es ihre Entscheidung ist in dieser Situation und ich trage diese Entscheidung mit. Der 10. Februar 2025 ist ein kalter, windiger und dennoch recht sonniger Tag in Berlin. Ulle Schaufs von den Grünen hastet auf der Hinterseite des Bundestags entlang.
Am späten Nachmittag steht die letzte Sitzung des Rechtsausschusses für diese Legislaturperiode an. Auf der Tagesordnung nur ein Thema. Der Gesetzentwurf zum Paragrafen 218. Die Anhörung von Expertinnen und Experten in der Sache steht an.
Ulle Schaufs drückt an diesem Tag Fragen, wie es später laufen könnte, etwas weg. Einige Stunden zuvor hatte die FDP öffentlich verkündet, sie wird keiner Sondersitzung des Rechtsausschusses zustimmen. Also der einzigen Möglichkeit, das Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode noch mal ins Parlament zu bringen, ohne abhängig von Stimmen der AfD zu sein. Das ist nicht so schön. Das ist nicht so schön? FDP und...
Weil sie es ziemlich leise sagt, Ulle Schaufs murmelt hier, die FDP und die Union verweigern sich. Das war absehbar. Bleibt da noch Hoffnung bei Ihnen für heute Abend? Nee.
Auch hier nochmal, weil man sie schlecht versteht. Ulle Schaufs murmelt, wir kriegen keine Sondersitzung, wenn die das nicht wollen. Und dann, bezogen auf die FDP, spricht der Frust aus ihr. Die müssen sich jetzt überlegen, mit was wollen die eigentlich abdanken? Ulle Schaufs überquert die Straße und betritt einen großen freien Platz.
Eine Menschentraube steht vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin, einem der sogenannten Funktionsgebäude des Deutschen Bundestags. Drinnen Konferenzräume, Sitzungssäle, Büros. Draußen eine Menschenmasse mit einem gebastelten, überdimensionierten Uterus, Schildern, auf denen Paragraf 218 abschaffen steht und Abgeordnete, die eine entsprechende Petition entgegennehmen. Ulle Schaus begrüßt Menschen, die sie kennt, umarmt sie und schüttelt Hände.
An diesem Nachmittag spürt man hier noch die Hoffnung, dass auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode doch noch etwas gehen könnte. Dass der Paragraf 218 doch noch reformiert werden könnte. My body, my choice, raise your voice!
Nach zwei kurzen Ansprachen bekommt auch Ulle Schaufs das Mikrofon in die Hand gedrückt. Neben ihr Carmen Wege. Wir werden alles tun, egal was heute und morgen passiert, dass es auf jeden Fall zu einer Entkriminalisierung kommt.
Und dass es weitergeht, wenn es heute oder morgen nicht funktioniert. Nach und nach löst sich die kurze Kundgebung auf. Und gute zwei Stunden später verlagert sich das Geschehen dieses Tages dann in einen großen Sitzungssaal in einem der Bundestagsgebäude. Draußen geht die Sonne langsam unter. Die Spree zieht ruhig vorbei. Unten im Saal sitzen die Abgeordneten. Oben auf einer langgezogenen Tribüne die Besucherinnen und Besucher.
Einen schönen Nachmittag Ihnen allen. Herzlich willkommen hier im Anhörungssaal. Ich eröffne hiermit die 133. Sitzung des Rechtsausschusses und begrüße hier in der Runde die Abgeordneten. Die meisten sind hier, manche auch am Bildschirm, vor allem aber die Sachverständigen hier vor Ort und auch an den Bildschirmen. Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses, Thorsten Lieb von der FDP, eröffnet die Sitzung.
Die Sachverständigen, die an diesem Tag zu ihren Einschätzungen rund um die mögliche Reform des Paragrafen 218 sprechen sollen, haben zum Teil schon vorher Stellungnahmen abgegeben. Sie alle hier im Raum haben eine relativ klare Meinung. Entweder sind sie für eine Reform oder dagegen.
Da ist Professor Matthias David, ein Facharzt für Frauenheilkunde. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass das deutsche Gesundheitssystem, wenn nicht das Beste, so doch eines der Besten auf der Welt ist. Und es ist völlig undenkbar, warum gerade beim Schwangerschaftsabbruch die Versorgungssituation schlecht sein sollte. Es gibt eine bedarfsgerechte, flächendeckende, gut erreichbare, sichere medizinische Versorgung in Deutschland.
Und ich hoffe, dass ich Ihnen dann in der Fragerunde dazu noch einige Beispiele geben kann. Da ist Frauke Rostalski, Professorin für Rechtswissenschaften und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Sehr geehrte Damen und Herren, der Gesetzentwurf sollte nicht weiter verfolgt werden. Die grundlegende Argumentation überzeugt nicht.
Außerdem setzt sich gerade das, was vorgeschlagen wird, dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit aus. Da ist Dr. Beate von Mikell vom Deutschen Frauenrat. Seit über 150 Jahren wird über verschiedene politische Systeme hinweg über den Paragraf 218 in der deutschen Gesellschaft gerungen.
Den Kern des Konfliktes beschrieb Ernst Gottfried Marenholz 1993 treffend. Ich zitiere, zu den spezifischen Grundbedingungen menschlichen Seins gehört, dass Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen. Die Folgen dieser Divergenz haben die Frauen zu tragen. Da ist Professorin Frauke Brosius-Gersdorf, eine Verfassungsrechtlerin, die auch Mitglied in der Expertinnenkommission war. Da sind viele weitere, die in diesen Stunden zu Wort kommen.
Bevor ich das Wort weitergebe, noch mal ein klarer Hinweis für den Fall, dass das nicht allen eindeutig genug war am Anfang. Sie sagen, es sei nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es nicht so, dass es
Sie sagt Bild- und Tonaufnahmen und ähnliches und das schließt insbesondere ein, dass hier nicht aus der laufenden Sitzung Dauer X gepostet oder sonst welche Postings abgegeben wird. Das ist der letzte ausdrückliche Hinweis an dieser Stelle. Wenn wir das nochmal sehen oder uns zugetragen wird, führt das hier zum Ausschluss von der Tribüne. Ich hoffe, das ist jetzt hinreichend klar und deutlich geworden. Ein weiteres Mal werde ich nicht darauf hinweisen. Mit dem Hinweis an die Tribüne wird auch der Ton unten im Saal schärfer.
Gar nicht so sehr unter den Abgeordneten, sondern eher unter den Sachverständigen. Es kann Ihnen sehr egal sein, was ich verfassungsrechtlich denke. Es kann Ihnen wahrscheinlich auch egal sein, was meine Kolleginnen und Kollegen verfassungsrechtlich denken. Aber es kann Ihnen nicht egal sein, was das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich denkt. Daran sollten Sie sich orientieren. Und da ist es mir ein Bedürfnis, zunächst einmal ganz klar zu sagen...
Alles, was wir heute von Nicht-Verfassungsrechtlern zur Bindungswirkung an die Urteile des Bundesverfassungsgerichts für den Gesetzgeber gehört haben, trifft nicht zu. Es missachtet die ständige, gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
dass seine Urteile die Regelungsfreiheit des Gesetzgebers gerade nicht einschränken. Während Carmen Wege und Ulle Schaufs sich während der Sitzung immer wieder mit anderen Abgeordneten beraten, sich Dinge zuflüstern und manchmal mit dem Kopf schütteln, rollt Günther Krings mit seinem Bürostuhl ebenfalls zu Kolleginnen und Kollegen, macht leise Einwürfe, schreibt auf seinem Tablet. Mit einem Unterschied. Seine Stimmung scheint deutlich besser zu sein. Er lächelt häufig, wirkt entspannt.
Und tatsächlich wird klar, dass genau das passieren wird, was sich in den Tagen zuvor immer stärker abgezeichnet hat.
Es gibt keine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Damit sind wir in der Tat am Ende einer dreistündigen Anhörung. Ich glaube, man kann das sehr gut so einordnen, dass wir hier eine weit, weit überwiegend sehr sachliche, sehr intensive Diskussion miteinander geführt und erlebt haben, dass sehr klar und deutlich geworden sind, wie die unterschiedlichen Sichtweisen auf dieses Thema sind. Um kurz nach 20 Uhr, über drei Stunden nach Beginn, schließt Thorsten Lieb die Sitzung.
Während die meisten Abgeordneten aufstehen, bleibt Ulle Schaufs noch einen kleinen Moment sitzen, blickt starr geradeaus. Nur 20 Minuten nach dem Sitzungsende verschicken Carmen Wege und Ulle Schaufs ein gemeinsames Pressestatement. Darin heißt es, Es wäre noch möglich, zu einer Abstimmung über die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in dieser Legislaturperiode zu kommen. Diese Abstimmung wollen wir als Gruppe aber nur mit einer klaren demokratischen Mehrheit erwirken.
Ohne positive Signale von der Union und der FDP riskieren wir eine Zufallsmehrheit mit Stimmen der AfD im Ausschuss. Diese rote Linie überschreiten wir nicht. Dass Union und FDP nicht gewillt sind, übliche parlamentarische Vorgänge zu ermöglichen, ist der parlamentarischen Praxis unseres Hohen Hauses nicht würdig und ein fatales Signal für unsere Demokratie. Guten Morgen, ich begrüße Sie zur Tagesschau.
Bei der Bundestagswahl ist die Union klar stärkste Kraft geworden. Nach dem vorläufigen Ergebnis verliert die SPD massiv und kommt noch auf 16,4 Prozent der Stimmen. Die Union liegt bei 28,5 und die Grünen bei 11,6 Prozent. Die FDP scheidet aus dem Bundestag aus. Die AfD legt kräftig zu auf 20,8 Prozent. Die Linke verbessert sich auf 8,8.
Das Bündnis Sarah Wagenknecht scheitert knapp an der 5%-Hürde. Die Reform des Paragrafen 218 ist gescheitert. Mal wieder. In meiner Küche sitzt Jeanne Disteldorf, die selbst abgetrieben und ein Buch über zwölf Frauen geschrieben hat, die einen Schwangerschaftsabbruch hatten. Wir sitzen am Esstisch und trinken eine geletzte Schlucke Ingwertee.
Die Kerze neben ihr flackert sanft. Draußen trifft der graue Himmel auf grauen Beton. Ich frage sie, ob wir genug gesprochen haben. Also nicht wir zwei, sondern wir als Gesellschaft.
darüber, wie wir zu Abtreibungen stehen. Dazu, wer eigentlich über das Selbstbestimmungsrecht von Frauen bestimmen darf. Darüber, ob der Paragraph 218 reformiert und Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach der Befruchtung grundsätzlich rechtmäßig gestellt werden sollten. Also so wie es jetzt ist, noch 35 Jahre weiter zu debattieren, ist Zeitverschwendung, ist Ressourcenverschwendung.
dehnt das Leid und den Schmerz und dieses beschissene Bauchgefühl unnötig aus. Wir haben ein Kommunikationsproblem, ein Kommunikationsproblem,
Das können wir gerne noch 50 Jahre nach vorne fortführen. Es wird nichts daran verändern. Jeanne Diesteldorf ahnt, dass die Diskussion weitergehen wird. Dass weiter debattiert wird. Und sie hat einen Wunsch. Für mich wäre es wunderbar,
Der Umgang wäre respektvoll. Und ich meine das wortwörtlich voll von Respekt. Voller Respekt. Möglichst ehrlich, authentisch und mitfühlend. Urteilsfrei. Das geht fast nicht bei so einem Thema. Aber urteilsarm, urteilsanft, geprägt von dem Willen eines jeden, sich einzugestehen,
Ich habe eine Meinung und der andere hat wahrscheinlich eine andere Meinung. Und das ist okay so. Frei. Ja, es ist vor allen Dingen deshalb, glaube ich, auch schwierig zu realisieren, weil jeder halt, der in die Diskussion einsteigt, seine eigene Geschichte mitbringt. Exakt. Exakt. Das ist ja bei vielen Themen so, aber bei diesen ganz besonders. Exakt. Genau. Und wir sind alle als Menschen von unserer Mutter geboren worden.
Wir hängen alle zusammen in dem Thema. Aber wenn es dann ans Entscheiden geht, eben nicht mehr. Und genau weil wir, wenn es ans Entscheiden geht, wie Jeanne Disteldorf es sagt, nicht mehr gemeinsam drinhängen, sondern die ganz persönlichen Entscheidungen für oder gegen eine Abtreibung eben auch ganz persönlich getroffen werden, hofft Jeanne Disteldorf auf Veränderung. Und jetzt versuche ich, den Bogen effizient zu schließen. Und ich glaube,
Ganz viel dieses Tabu-Gefühls, dieses Gefühl von Sprachlosigkeit, ich darf das nicht sagen, ich weiß nicht wie, ich kann das nicht, das war eh verboten, keiner wird mich verstehen, hat für mich damit zu tun, dass es den Paragrafen 218 gibt, weil der eine Reihe von
Konsequenzen gebracht hat bis heute, die die Strukturen so aufbauen, wie sie eben heute sind in diesem Land. Und das wiederum führt dazu, dass sich das Tabu für mich so anfühlt wie ein Tabu. Also es ist viel zu einfach zu sagen, ich streiche den Paragraf und morgen ist alles gut. Also fällt morgen 218, ist übermorgen nicht alles gut. Aber ich glaube, es ist die Chance, vieles ein kleines bisschen leichter zu machen. Musik
Das war Paragraf 218. Eine lange Nacht über das Abtreibungsrecht in Deutschland. Von und mit mir, Marius Elfering. Es sprachen Josef Trattnig und Anna Panknin. Ton und Technik Eva Pöpplein, Wolfgang Rixius und Jens Müller. Regie Hanna Steger.
Redaktion Hans-Dieter Heimendahl In der vergangenen Woche gab es nochmals einen Vorstoß der Grünen.
Sie sahen die Möglichkeit, über eine Reform des Paragrafen 218 in der Sondersitzung des alten Bundestags zu entscheiden, die für die Modifikation der Schuldenbremse angesetzt worden war. Und setzten das Reformvorhaben deshalb nochmals auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses. Doch hier wurde das Thema dann mit den Stimmen von Union, FDP und AfD wieder abgesetzt.
Die Abgeordneten der SPD haben sich in der Sitzung bis auf eine Stimme enthalten. Nächste Woche erwartet sie an dieser Stelle eine lange Nacht über norwegische Literatur. Norwegen ist das Gastland bei der Leipziger Buchmesse. Für uns ein willkommener Anlass, gemeinsam mit dem Literaturhaus Leipzig Autorinnen und Autoren aus Norwegen einzuladen und mit ihnen über ihre Bücher zu sprechen.
Mit dabei Trude Teige, Erik Vossenes-Hansen und Thomas Espetal. Seien Sie gespannt. Sie können alle langen Nächte der letzten Monate auch in der Deutschlandfunk-App nachhören. Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche.