Was für ein Leben Josephine Baker geführt hat. Unglaublich. Aus ärmsten Verhältnissen in den USA, mit scharfer Rassentrennung, als Tänzerin auf die Bühne nach Paris, wo sie sich zu einem großen Star entwickelt hat. Während der deutschen Besatzung hat sie sich im Widerstand engagiert und nach dem Krieg die Bürgerrechtsbewegung in den USA unterstützt. Ein Jahrhundertleben, so scheint mir Josephine Baker.
Ein Leben, in dem sich große Konflikte und Veränderungen des 20. Jahrhunderts spiegeln.
»Wahrscheinlich hätte ich ein solches Etikett vor 20 Jahren noch nicht benutzt, weil mir da noch nicht vor Augen stand, dass die Selbstbestimmung der Völker nach dem Kolonialismus und die Überwindung des Rassismus als globale Themen die Welt im 20. Jahrhundert geprägt haben, sowie die Shoah, der Nationalsozialismus und die beiden Weltkriege das deutsche und europäische 20. Jahrhundert geprägt haben.«
Josephine Baker muss eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein. Mit einer unbändigen Energie und einer, so stelle ich mir vor, verblüffenden Heiterkeit und großem Humor. Zu meinem Erstaunen war sie übrigens häufig in Deutschland. Sowohl vor als auch nach dem Krieg. Sowohl als Showstar und Sängerin, hat sich sogar als Werbefigur für die Altenhilfe einspannen lassen.
als auch als Mahnerin und Rednerin gegen den Rassismus. Lassen Sie sich überraschen von Josephine Baker in der Lange Nacht von Berit Hempel. Mein Name ist Hans-Dieter Heimendahl. Ich bin der Redakteur der Lange Nacht.
Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über Rolf-Dieter Brinkmann, den Popschriftsteller und Wüterich, der Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre neueste amerikanische Literatur nach Deutschland zu bringen half und selbst neue Töne und neue Unmittelbarkeit in Literatur und Kunst zu bringen sich bemühte. Brinkmann lief zu großer Form auf, wenn er sich wütend empörte. Eine seiner häufigsten Ausdrucksformen ist die Tirade.
50 Jahre ist es her, dass er bei einem Autounfall ums Leben kam. Seien Sie gespannt auf einen schillernden Berserker und zarten Lyriker. Sie können alle langen Nächte der letzten Monate auch in der Deutschlandfunk-App nachhören. Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche.
Was ist los? Sie fürchten doch nicht, dass ich meine Kleidung ausziehen könnte? Ich verspreche Ihnen, ich werde nichts ausziehen. Ich werde auch kein Striptease machen?
Ich wünschte, ich könnte. So warm. Oh, wenn es so warm ist. Oh, meine Damen und Herren. Würdet ihr ein Spiel mit mir spielen? Ein sehr schönes Spiel und ein sehr einfaches. Das Spiel heißt Make Believe. Hm? My lucky star I saw you from a... ...onivelle Jeu... ...en fument... ...seine...
Musik
Das ist die Sängerin Josephine Baker im Tivoli in Kopenhagen, vermutlich in den 1960er Jahren. Das ist Josephine Baker als politische Aktivistin. 28. August 1963.
250.000 Menschen, zumeist People of Color, sind nach Washington marschiert, um gegen Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten zu demonstrieren. Mit dabei der internationale Revue-Star Josephine Baker. Die Sängerin und Tänzerin ist 57 Jahre alt und steht als Rednerin in der US-amerikanischen Hauptstadt auf der Bühne. Sie trägt Uniform, ist mit fünf hochrangigen Orden dekoriert und hält Tätigkeiten.
neben dem Bürgerrechtler Martin Luther King eine Rede. Sie will den Menschen Mut machen und zieht gleichzeitig ein Resümee ihres bewegten Lebens.
Dies ist der glücklichste Tag meines ganzen Lebens. Und wie Sie alle wissen, habe ich bereits ein langes Leben. Wir stehen hier zusammen, Salz und Pfeffer, als vereintes Volk. Endlich, denn nur zusammen können wir siegen.
Ich bin glücklich, dass für mein Heimatland, das Land, in dem ich geboren wurde, dieser Tag nun gekommen ist. Dank eures Kampfes über so viele Jahre, eures Kampfes um eure Rechte, die Menschenrechte sind. Ich möchte euch sagen, wie stolz ich bin, heute hier zu sein.
Ich sah es als meine Pflicht zu kommen. Und ich sage euch nochmal, ihr habt es fast geschafft. Macht weiter. Es ist der richtige Weg und die ganze Welt steht hinter euch. So äußert sich die Aktivistin Josephine Baker auf der großen Kundgebung in Washington in einer dunkelblauen Uniform, weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Und sie wollte bei Martin Washington nicht weggehen.
als Chansonsängerin, nicht als Tänzerin, nicht als Entertainerin dastehen. Sie wollte dastehen und für sich selbst zeigen oder der Welt zeigen, dass sie das Exempel ist. Sie hat sich befreit, sie ist zu diesem Superstar geworden und sie ist in diesem Kampf gegen Rassismus eine eminent wichtige Figur. Und wie ernst sie das nimmt, kann sie zeigen über ihre Uniform. Erklärt Biografin Mona Horn-Kassel.
Und so beschreibt sich der Revue-Star Josephine Baker selber als künstlerische Person in ihren Memoiren. Voila, das bin ich, Josephine Baker. Ich lasse die Schultern im Fleisch kreisen wie Räder.
Meine Augen rollen wie Murmeln herum. Ich ziehe eine Schnute, gehe auf den Fersen und auf allen Vieren, wann es mir passt. Ich schüttle alle Blicke ab. Ich bin hier schließlich kein Nadelkissen, in das man hineinpiekst. Ich erzähle alles über mich mit meinen Händen und meinen Armen. Ich rudere und schwimme in der Luft herum. Ich schwitze, ich hüpfe. Das bin ich.
Eine lange Nacht über Josephine Baker. Revue-Star, Weltstar, Sängerin, Tänzerin, Spionin, Mutter von zwölf Kindern, Kämpferin für Menschenrechte, erste schwarze Frau in der nationalen Ruhmeshalle Frankreichs, dem Panthéon. Eine Frau, die lange unterschätzt wurde.
Reduziert wurde auf die halbnackte, schwarze Tänzerin im Bananenrock. Musik
Neben Josephine Baker kommen dabei auch Menschen zu Wort, die ihr sehr nahe standen. Mein Name ist Brian Bouillon Baker. Ich bin ein Sohn von Josephine Baker, Teil der Regenbogenfamilie. Ihre große Familie mit zwölf Kindern aus aller Welt. Der Dominique, du parais sur naturelle.
Jeder kannte sie als Tänzerin im Bananenrock, Charleston, Jazz. Und jeder wusste, dass sie die Mutter einer großen Familie war.
Nun erkennen viele, dass sie auch eine Idealistin war, eine Kämpferin auf verschiedenen Ebenen. Da war ja nicht nur der Zweite Weltkrieg und Martin Luther King, sie kämpfte auch gegen den Vietnamkrieg. Und so sehen sie viele Menschen in Frankreich und Deutschland mittlerweile als Helden, als Ikone. Wobei, das hätte sie nicht gemocht.
Sie war wie die italienische Mama einer großen Familie. Wir alle saßen um den Tisch herum und gaben ihr nacheinander einen Kuss. Sie war wie eine Glucke mit vielen Küken, auf die sie aufpasste.
Sie kümmerte sich um jeden Einzelnen. Aber das Problem in einer so großen Familie ist, dass du nie deine Mutter für dich hast oder deinen Vater. Meine Mutter sagte oft, ihr Kinder, ihr Kinder. Nur manchmal, wenn einer von uns mit ihr alleine gereist ist, dann hatte er die Mutter für sich. Ich?
Mona Horncastle, Biografin von Josephine Baker und Kuratorin der Baker-Ausstellungen. Ja, bei Josephine Baker, ganz im ersten Moment dachte ich, eine Tänzerin, ein Revue-Girl, hat mir das nicht ein bisschen zu wenig Substanz? Also gerate ich da nicht sehr schnell an Grenzen, dass ich auch ein Desinteresse eigentlich überwinden muss?
Und dann hat sich aber gezeigt, was für ein Kulturphänomen der 1920er sie war in Europa. Und was es wert ist, sich aus heutiger Perspektive anzuschauen, wie hat sie mit diesen ganzen, ich spreche jetzt in Anführungszeichen, Exotismen,
Wie hat sie damit gespielt? Wie ist sie damit umgegangen? Und wie ist sie damit umgegangen, dass sie letztendlich auch stigmatisiert wurde? Und dass sie daraus dann so einen fantastischen Freiheitskampf nicht nur für sich selbst gemacht hat, sondern der noch viel, viel weiter gegriffen hat, also bis hin zur Weltmutter, zu der sie sich stilisiert hat und diesen Kampf gegen Rassismus überall auf der Welt für sich selbst definiert hat.
Das fand ich dann höchst spannend, weil das war bis zu dem Zeitpunkt wirklich ein weißer Fleck in der Wahrnehmung von Josephine Baker und ihren Lebensleistungen, nämlich dass sie eben so ganz, ganz...
intensiv und viele, viele Jahrzehnte sich eingesetzt hat für die Freiheit, universelle Freiheitsrechte, unabhängig von Hautfarbe und Nationalität und sexueller Orientierung und Religion und so weiter und so fort. Ich mag, dass sie für ihre Zeit sehr forward war, also...
Sachen, die sie angesprochen hat oder die sie so verkörpert hat, die sind ja beispielsweise auch heute noch ganz aktuell. Ich mag auch, dass sie so kämpferisch war und auch sehr mutig, eine sehr mutige Frau. Ich mag, dass sie die Regenbogenfamilie gegründet hat. Das kann ich total gut nachvollziehen. Und jedes Mal, wenn ich diesen Song singe, dann...
Dann fällt so eine kleine Träne vor meinem Herz, weil ich sie so richtig darin fühlen kann, was sie sich dabei hat denken müssen. Die Rögenbogenkinder sind sieben kleine Süße, auch sieben großen Lächerchen.
Also ich mag natürlich sie als Künstlerin, ihre Ausstrahlung, ihren Tanz, ihren Gesang, ihr ganzes Wesen, aber auch das, was dahinter steht. Also nicht nur das, was man sieht, das Bananenröckchen und die X-Ozeanen,
und Obeine und das Schielen, sondern auch diese starke Kämpferin und auch jemand, die wirklich wusste, wofür sie steht und auch dafür eingestanden hat und sich auch sogar dafür in Gefahr gebracht hat. Das finde ich echt Hut ab. Musik
Mein Name ist Alice Francis und ich habe die Ehre, Josephine Baker spielen zu dürfen in der Show von Rodrigue Funke. Ich bin in Ost-Berlin geboren, bin 46 Jahre alt und bin Regisseur und Caster im Wintergarten-Varieté in Berlin. Musik
Ich bin Afrodeutscher, mein Vater ist Afrikaner, meine Mutter Deutsche und alleine daraus ergeben sich natürlich schon so ein paar Parallelen. Ich bin Artist gewesen, viele, viele Jahre lang und von Josephine Baker als Künstlerin und Performerin immer schon begeistert gewesen. Und was mich an dem Bild von Josephine immer etwas störte in Deutschland ist, wann immer man ihren Namen sagte,
kam sofort dieses Bild auf, die nackte, lustige Frau im Bananenrock. Und ihr Leben war ja weitaus mehr als das. Und das war mir quasi eine besondere Herzensangelegenheit, das aufzugreifen und einfach dieses Buch von Josephine Baker und die Geschichte ein bisschen weiter aufzumachen und zu zeigen, dass da wirklich deutlich mehr war als nur dieser doch eigentlich sehr kurze Ausschnitt in ihrem Leben.
Ich bin Ines Hahn und betreue im Stadtmuseum Berlin die Fotosammlung, bin also Kuratorin für Fotografie. Das Archiv des Stadtmuseums befindet sich in Spandau-Haselhorst. In einem hellen Raum auf einem langen Tisch liegen Fotos und Zeichnungen und zeigen Josephine Baker in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens. Von den 1920ern bis zu den 1970ern.
Ein Foto ist mit einem Text für die Presse beschriftet.
Zum zweiten Male wird, auch diesmal wieder unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Dr. Heinrich Lübcke, vom deutschen Fernsehen die Lotterie für die Deutsche Altershilfe durchgeführt. Das ist eine Collage, wie Bildagenturen das machen. Die wirbt für eine Veranstaltung auch wieder in der Düsseldorfer Kongresshalle, die im Fernsehen übertragen wurde und durchgeführt.
Spenden für die deutsche Altershilfe einwirbt. Gegen Einzahlung von 5 D-Mark kann sich jeder daran beteiligen und mit ein bisschen Glück einen der über 20.000 Preise im Wert von vielen Millionen Mark
Darunter u.a. auch wieder Autos und Reisen in alle Welt gewinnen. Da ist sie mit deutschen Stars zusammen. Lilly Palmer, Dieter Borsche, Peter Kraus, Willi Rose. Darunter sind alte Leute, die auf einer Parkbank sitzen. Das ist ein fotografisches Werbeblatt für die Deutsche Altershilfe, wo sie sich auch einspannen lässt als Star. Herr Thorn.
Josephine Baker hat viele Facetten. Aktivistin, zwölffache Mutter, Showstar.
beginnen wir mit dem Anfang ihrer Karriere, mit ihrer Kindheit in den Vereinigten Staaten, als Schwarzen und Weißen nicht dieselben Rechte zugestanden wurden, als Rassentrennung herrschte und Schwarze und Weiße nicht dieselben Schulen und Restaurants besuchen, nicht denselben Aufzug benutzen durften. Ich würde weiß sein, für mich ist es ein Wunder, wenn meine fünf Mischungen zwei Farben verändern.
1917. Josephine Baker ist elf Jahre alt, sterben auf der anderen Flussseite ihrer Heimatstadt St. Louis 50 bis 100 Afroamerikaner durch Angriffe von Weißen. Die Angaben über die Zahlen der Toten variieren. Warum ich Tänzerin wurde? Weil ich aus einer kalten Stadt komme. Weil ich als Kind immer sehr gefroren habe. Weil ich immer im Theater tanzen wollte.
In St. Louis bei meiner Mutter hatte ich in unserem Keller ein kleines Theater eingerichtet. Ich war noch nicht mal zehn Jahre alt. Der Vorhang bestand aus vielen kleinen aneinandergestückelten Stoffresten. Ich hatte Kerzenstummel auf Konservendosen von Pfirsichen aus Neuseeland gestellt. Eine auf jeder dritten Stufe beleuchtete die Treppe beim Heruntersteigen. Ein Dutzend Mädchen und Jungen aus der Nachbarschaft waren mein Publikum. Sie saßen auf Kisten und einer alten Bank herum. Musik
In ihrer Autobiografie »Memoiren, Tanzen, Singen, Freiheit« schreibt sie über ihre Heimatstadt, wo sie am 3. Juni 1906 als Freda Josephine MacDonald geboren wurde. St. Louis ist eine große Stadt. Dort ist es kalt. Und es leben dort 800.000 Einwohner. Männer und Frauen, Arbeiter, viele Schwarze. Es ist die Stadt der 100.000 Schwarzen.
Der Mississippi, immer gelb vor Schlamm, fließt durch die Stadtmitte und ist unter den vielen Frachtschiffen und dem schwarzen Rauch der flachen Dampfer, die Baumwolle zum Meer transportieren, kaum zu sehen. Zu ihrem Vater gibt es unterschiedliche Angaben, vermutlich ein Musiker mit spanischen Wurzeln. Aber es ist auch egal, denn in der Erziehung von der kleinen Josephine spielt er keine große Rolle. Wichtiger ist die Mutter.
Amateur-Tänzerin und Wäscherin, deren Familie vermutlich aus dem Senegal stammt. Mein Vater und meine Mutter haben sich in der Schule kennengelernt und alle waren dagegen, dass sie heirateten. Aber sie haben trotzdem geheiratet und waren arm, weil ihnen niemand geholfen hat. Man hat sie sogar verstoßen. Mein Vater und meine Mutter haben sich getrennt, sie haben gearbeitet und jeder hat sein eigenes Leben geführt.
Meine Mutter lebte zusammen mit ihrer Mutter, die sehr arm war. Ich war noch ein kleines Kind, aber daran erinnere ich mich sehr gut. Wir waren alle entsetzlich arm. Mit acht Jahren habe ich die Schule verlassen und angefangen zu arbeiten.
Wir hatten alle solchen Hunger und froren so sehr, dass Mamas Geld, sie verdiente als einzige welches, nicht für alle reichte. Acht Jahre. Das muss im Jahr 1914 gewesen sein. Meine Tante kannte viele Leute im Viertel. Sie war auch nicht so traurig wie Mama. Sie stellte mich überall vor und brachte mich zu amerikanischen Damen, damit ich auf ihre Kinder aufpasste. Oh ja, ich war ganz zufrieden. Kleine weiße Kinder, die sind so zart, so sanftmütig.
Und so zerbrechlich. *Sie singen auf Englisch.* *Sie singen auf Englisch.*
Mit acht Jahren wird Josephine Baker als Dienstmädchen zu einer alleinstehenden Frau, Mrs. Kaisers, geschickt. Zum Schlafen muss Josephine in den Keller, wo sie sich mit in eine Hundekiste legt, weil sie kein Bett hat. So schreibt Mona Horncastle in ihrer Biografie über die Künstlerin. Als Mrs. Kaisers wütend ist, überschüttet sie das Kind mit kochendem Spülwasser.
Josephine Baker wird zu einem Ehepaar geschickt und arbeitet da. Bis das Kind eines Tages die Ehefrau fragt, ob ihr Mann denn krank sei. Er würde nachts stöhnend bei ihr am Bett stehen. Mit 13 Jahren scheint sich für Josephine ein Ausweg aufzutun. Sie heiratet. Die Ehe wird nicht lange. Sie heiratet mit 15 ein zweites Mal, einen gewissen William Baker. Er ist 23 Jahre alt.
Doch auch diese Ehe garantiert kein glückliches Leben. Josephine Baker sucht ihr Glück auf der Bühne, singt und tanzt mit der Jones-Family. Manager Red Burnett erinnerte sich. Sie wirkte so winzig, wenn sie vor der Menge stand und sang.
Ihre Stimme war schön, ähnlich der von Diana Ross. Sie war genauso ergreifend. Man konnte sehen, dass sie arm war. Ehrlich gesagt hatte ich deswegen meine Bedenken, sie auf die Bühne zu holen. Musik
Die junge Josephine Baker tourt mit den Dixie-Steppers durch die Staaten, kommt schließlich nach New York. Damals, als ich noch an der 64th Street auftrat, sah ich einen kleinen Mann, der vor meiner Garderobentür auf mich wartete. Er war ein komischer kleiner Mann, mit karottenfarbenem Haar, hervorstehenden Augen und einer schiefen Schulter. »Hören Sie«, sagte er unvermittelt.
Ich komme aus South Carolina und habe dort einen Freund ihrer Familie getroffen. Er hat mir ein Geschenk für sie mitgegeben. Passen Sie gut drauf auf, es ist ein Glücksbringer, eine Hasenpfote. Damals ging es mir nicht besonders gut und ich schaute oft, wie man es ja machen soll, über meine linke Schulter auf das letzte Viertel des Mondes und schüttelte dabei ein Geldstück in meiner hohlen rechten Hand. Ich war aber trotzdem noch kein bisschen reicher geworden. Also habe ich die Hasenpfote genommen.
Am nächsten Tag zur selben Uhrzeit stand wieder derselbe kleine, rothaarige Mann vor meiner Garderobentür. Er wiederholte. »Sie dürfen die Hasenfurter auf keinen Fall verlieren. Miss, sie ist Ihr größter Schatz. Wenn Sie sie verlieren, wird aus Ihnen nur irgendeine unbedeutende Angestellte. Auf Wiedersehen.« Er schnalzte mit der Zunge und verschwand im Gang zwischen den Kulissen. »Ich habe die Pfote in meinem Schminkkoffer aufbewahrt. Und nachts habe ich sie mir unters Kissen gelegt.«
Am nächsten Tag zur selben Zeit dachte ich schon, der kleine Mann würde vielleicht wieder vor meiner Tür auf mich warten. Stattdessen stand dort aber ein hochgewachsener, magerer Mann. Mademoiselle Baker, nicht wahr? Er reichte mir einen Brief in einem Umschlag. In dem Brief schrieb mir ein Herr, kommen Sie bei mir vorbei, wegen eines Engagements. Ich lief so schnell, dass ich keine Luft mehr kriegte. Ich kam an, klopfte an die Tür. Treten Sie ein. Möchten Sie im Plantation Cabaret am Broadway tanzen? Hier ist Ihr Vertrag.
Ich komme heraus, ich lache. Ich tanze. Hoch lebe meine Hasenfote. Auf der Straße küsse ich meine Hasenfote. Ich habe sie eine Stunde lang abgeküsst. Sechs Monate später hatte ich ein Engagement in Paris. Die Freiheitsstatue verschwand am Horizont. Ich nahm Abschied von Amerika. Ich würde wieder von vorn anfangen müssen. Überhaupt. Anfangen.
Würde ich genug Kraft und Ehrgeiz dafür haben? Europa. Paris.
Musik
Sprungbrett in die Welt war überhaupt dieser Sprung aus Amerika nach Europa. Das war ein Befreiungsschlag, weil in Amerika damals haben wir Segregation. Also nicht nur Rassismus, sondern wirklich einfach komplette Ausgrenzung von schwarzen Menschen.
Viele, viele schwarze Frauen haben Frankreich und im Speziellen Paris als einen Ort für sich entdeckt, an dem sie ihre zweifache Stigmatisierung und Diskriminierung überwinden können, nämlich als Frau zu bestimmten Ausbildungsberufen nicht zugelassen zu werden und als schwarze Frau schon gleich gar nicht. Und dadurch ist Paris als Ort der Freiheit. Das war in den Zwischenkriegsjahren schon etwas, was man in Amerika wusste.
Das ist das Paradies, da müssen wir hin, da sind die Dinge möglich, da können wir über uns hinaus wachsen, dort werden wir ernst genommen, dort können wir unser Potenzial ausschöpfen. Also das ist der eigentliche Befreiungssprung, den Josephine Baker macht. Wenn du ein ganz normales Mädchen ohne Geld warst, gab es nur drei Möglichkeiten der Armut zu entkommen. Als Dienstmädchen, als Prostituierte oder als Tänzerin.
Am 22. September 1925 kommt sie am Gare Saint-Lazare im 8. Arrondissement in Paris an. In einem schwarz-weiß karierten Mantel tritt sie auf den Vorplatz. Es regnet. Josephine Baker ist 19 Jahre alt. Welch ein Glück. Es regnet. Das ist ein gutes Zeichen. Wenn man zum ersten Mal in einer Stadt ankommt, ist der Regen ein Glücksbringer. Ach, wie ulkig alles aussieht.
Kleine Häuser, kleine Straßen, kleine Bürgersteige. Ich denke mir, hier werde ich niemals tanzen können. Das ist ja alles viel zu klein. Wo sind die schnurgeraden Straßen von New York? Und außerdem spreche ich kein Wort Französisch. Und dann habe ich nur lächerliche Kleidchen eingepackt, wie sie junge Mädchen in Amerika tragen. Und Schuhe mit flachen Absätzen. In Frankreich sind die Häuser zwar klein, aber die Absätze an den Frauenschuhen sind sehr hoch.
Josephine Baker tritt am Théâtre des Champs-Élysées auf, einem schicken Art-de-co-Bau in der Nähe der Seine. Einen kurzen Spaziergang vom Eiffelturm entfernt. Revue Nègre heißt die Show. Die junge Frau betritt die Bühne. 2000 Zuschauer blicken erwartungsvoll auf die kleine, zierliche Person. Musik
Sie geht rasch und mit angewinkelten Knien, trägt eine zelungte Hose und sieht aus wie eine Mischung aus boxendem Känguru, Sensen, Kaugummi und Radfahrer. Josephine Baker. Ist es ein Mann oder eine Frau? Ihre Lippen sind breit und schwarz geschminkt, ihre Haut ist bananenfarben, das kurzgeschnittene Haar klebt am Kopf wie eine Perücke aus Kaviar.
Sie quäkt mit schriller Stimme, bewegt sich unaufhörlich und ihr Körper windet sich schlangengleich oder vielmehr wie ein zum Leben erwachtes Saxophon. Die Musik scheint aus ihrem Körper zu kommen. Sie schneidet Grimassen, schlängelt sich, schielt, bläst die Wangen auf, verrenkt sich, macht einen Spagat und krabbelt schließlich steifbeinig auf allen Vieren davon, den Hintern höher gestreckt als den Kopf, wie eine junge Giraffe. Sie ist schrecklich, sie ist hinreißend. Musik
Schreibt der Journalist Pierre de Régnier.
Das Publikum war zweigeteilt. Der eine Teil applaudierte und fragte sich, wer diese junge 19-jährige Frau ist, die halbnackt Charleston tanzt, die wie eine wilde Frau in einer amerikanischen Show tanzt. Die Leute waren nicht gewohnt, so eine Review zu sehen, mit Jazz, Dramatik.
Völlig verrückt für die Franzosen, die so etwas noch nie gesehen und gehört hatten wie Jazz, Schwarze. Ein Teil des Publikums war also sehr enthusiastisch. Weniger als die Hälfte war gegen so eine Show. Diese Leute waren geschockt.
Einige Kritiker jener Zeit sind euphorisch. »Das wirklich Neue an dieser Show ist für uns ihre anhaltende starke Wirkung, der mitreißende Rhythmus des Ganzen und die persönliche Ausstrahlung mehrerer beteiligter Künstler, vor allem des Stars Josephine Baker.«
Man wird nach und nach regelrecht von dieser kraftvollen Bewegung, dieser unaufhörlichen Vibration, dieser ständigen hektischen Raserei ergriffen, mitgerissen, eingehüllt und verzaubert. Und die aufeinanderfolgenden Bilder in ihrer geschmackvollen Unbefangenheit, abwechselnd brutal und melancholisch, transportieren uns wirklich anderswohin.
Versetzen uns in andere Welten, während der Rhythmus des Jazz nach und nach sowohl von den Zuschauern als auch von den Schauspielern Besitz ergreift, bis in die Tiefen unseres Wesens dringt und jeden von uns an der Bewegung der Tänze und der Show teilhaben lässt. Andere Kritiker empören sich.
Bei der Revue Negre handelt es sich um einen erbärmlichen transatlantischen Exhibitionismus, der uns in kürzerer Zeit wieder zum Affen zu machen scheint, als wir gebraucht haben, um uns von ihm fortzuentwickeln. Ich weiß ja wohl, dass kluge und feinfühlige Geister bei dieser Unterhaltung ein heimliches Vergnügen gefunden haben. Bei mir hat sie eher Wut und etwas ausgelöst, das Schamgefühl ähnelt.
In dem Augenblick, in dem Josephine Baker erscheint, zwingt sie ihre Beine zu den schrecklichsten Verrenkungen, verdreht ihre Augen zum hässlichsten Schielen, verbiegt ihren Körper ohne jede Meisterleistung, während sie ihre Wangen wie weibliche Affen aufbläst, die darin Haselnüsse verstecken.
Die Regisseure, die Produktion, die hatten gesagt, wir möchten eine exotische Show. Wir möchten was, was unterhaltsam ist, was lustig ist. Josephine Baker war nämlich wahnsinnig komisch. Also die hatte eine große humoristische Begabung. Wir wollen auch Sex da drin haben und wir wollen Jazzmusik und jemand, der dazu tanzt. Und die Afrika-Shows, die waren damals einfach die Kassenschlager.
Es gab mehrere davon, aber es gab nur eine, in der eine Josephine Baker getanzt hat. Und Josephine Baker war einfach...
Die beste und sie hat auch am besten in dieses Klischee reingepasst, weil die Gemengelage war ja enorm, ist ja völlig absurd eigentlich, dass man Jazzmusik spielt, also die Musik, die in der Sklavenkultur Nordamerikas wurzelt und die mit den GIs im Ersten Weltkrieg nach Europa gekommen ist. Also wir spielen hier eine Form von Musik, die in
Amerika wurzelt aber aus einer Unterdrückungssituation der Sklaven heraus, die aus Afrika kommen. Wir haben aber ein völlig naives Bühnenbild, was Afrika schreit. Und dann haben wir eine junge Amerikanerin, die das Afrika-Klischee bedient, die natürlich damit überhaupt gar nichts zu tun hat. Aber alles, was auch wieder Anführungszeichen, die müssen wir uns wirklich häufig mitdenken bei Josephine Baker. Musik
Die Europäer haben den Charleston durch die Schwarzen kennengelernt. Sie haben daraus einen anderen Tanz gemacht, der nicht viel mit dem ursprünglichen Charleston zu tun hat, aber trotzdem sehr gut ist. Wer Charleston tanzt, muss dazu eine Muschelkette tragen, die auf der Haut scheuert und rasselt und eine trocken klingende Musik erzeugt. Ich habe die Muschelkette durch Bananen oder Federn ersetzt. Man tanzt vor allem mit den Hüften.
verlagert das Gewicht von der einen auf die andere Seite, von einem Fuß auf den anderen, streckt den Hintern vor und schüttelt die Hände. Seit einiger Zeit versteckt man den Hintern zu sehr. Dabei gibt es ihn doch und dem ist nichts vorzuwerfen, finde ich. Natürlich, es gibt dumme, angeberische, unbedeutende Hinterbacken. Sie sind gerade gut genug, um sich drauf zu setzen. Und selbst das...
Also Josephine Baker hat sich nicht ausgesucht, im Bananenrock zu tanzen. Die hat sich nicht ausgesucht, mit nackten Brüsten zu tanzen. Gleichzeitig war das überhaupt nichts Besonderes. Tänzerinnen haben damals in Frankreich in den Revues sehr wenig angehabt. Dass es eine Hauptdarstellerin ohne so viel Textilien macht, das war dann doch ein bisschen was anderes. Ich habe für mich...
an irgendeinem Punkt entschieden, dass die Sichtweise zu sagen, sie hat diese Exotismen wie die Bananen, wie die Dschungeldekoration in den Revue, wie die Liedtexte, die dann später dazu kamen, sie hat diese Exotismen wie ein Accessoire getragen, solange es nötig war. Und ab dem Zeitpunkt, wo sie wirklich ein Mitspracherecht hatte,
Und wo sie entscheiden konnte, singe ich mehr oder tanze ich mehr, trage ich ein BH oder mache ich das barbüßig, da hat sie begonnen, sich dann zu einer Diva zu entwickeln. Sie hat sehr, sehr schnell dann angefangen, Roben zu tragen und eben nicht mehr den Bananenrock. Also sie hat es nicht bewusst gesagt, ich tanze jetzt mit dem Bananenrock, weil das wollen alle sehen, sondern...
Das war einfach das Kostüm, was ihr gegeben wurde. Musik
Man kann ja auch nicht diese Bürde auferlegen, dass sie jetzt diejenige gewesen sein muss, die jetzt sich gegen solche Sachen wehrt und rebelliert und deswegen nicht auftritt oder irgendwelche Demonstrationen. Das würde ja gar nicht gehen. Wir können nicht den Maßstab von heute nehmen und den auch früher draufpressen. Das passt nicht.
Sie natürlich als schwarze Frau, welche Möglichkeit hat sie gehabt im Showbusiness zu dieser Zeit? Das war ein Stilmittel, was sie benutzt hat, um dann eben einen Grundstock an
an Karriere zu bauen, auf dem sie dann jahrzehntelang weitergesegelt ist. Aber geblieben ist in der Wahrnehmung tatsächlich, speziell in Deutschland, eben nur dieses nackte Image, was in Frankreich ja auch anders ist. In Frankreich ist sie ja viel mehr als Revue-Star anerkannt. Es gibt ganz andere Darstellungen, wo sie edel aussieht, teuer aussieht. Sie war ja stellenweise die reichste Frau. Sie hatte wahnsinnig teure, opulente Kostüme, hat mit den besten Designern, mit den besten Künstlern gearbeitet. Aber speziell wir hier in Deutschland sehen,
reduzieren sie dann eben auf dieses nackte Bild. Und woher das kommt, kann ich tatsächlich auch nicht beantworten, aber es hat eben immer auch so ein bisschen für mich eine Reduzierung ihres wirklichen Könnens, ihres wirklichen Intellekts, ihres ganzen Kampfes, Intos und ich
Ich glaube nicht, dass das jetzt gesellschaftlich so gewollt ist, aber dass es bestimmte Automatismen gibt, die dann eben dazu neigen, gerade schwarze Künstler dann wieder auf irgendetwas Exotisches zu reduzieren. Josephine Baker wird schnell der erfolgreiche Star einer großen Revue. Dieser Erfolg auf der Bühne ist das eine. Das andere ist, dass ihr dieser Erfolg eine Befreiung erlaubt.
Ihre persönliche Befreiung von der amerikanischen Rassentrennung. Ihr Leben in Frankreich ist ein ganz anderes als das in den Staaten. Sie kommt als diese doch sehr, sehr junge Frau nach Europa, geboren in einem armen Viertel in St. Louis, in einem Land,
in Amerika, in dem Segregation herrscht. Und jetzt sitzt sie in Paris in einem Café und ein weißer Kellner bringt ihr einen Café au lait. Und sie kann in eine U-Bahn einsteigen, die kann einfach die Metro benutzen und da gibt es keine Sonderzüge, da gibt es keine Sonderabteile. Das sind schon mal Freiheiten, die unvorstellbar waren.
Und dann steht sie auf der Bühne und auch das in Amerika, da haben schwarze Entertainer für ein schwarzes Publikum gespielt und weiße für ein weißes. Auch das war nicht normal, dass sie auf der Bühne steht oder kein Erfahrungswert, mit dem sie arbeiten konnte, auf der Bühne zu stehen und ein rein weißes Publikum sitzt da.
Und jubelt ihr zu. Und sie kriegt Fanpostkarten und kriegt Geschenke in die Garderobe geschickt und ist danach noch in ihrem Club und auch dort wieder. Also die Begeisterung, die sie ausgelöst hat bei einem weißen Publikum, war erstmal ein riesen Wow. Musik
Im Archiv des Berliner Stadtmuseums hält Ines Hahn ein besonderes Foto in der Behandschutenhand.
Ein Foto aus dem Jahr 1926, das die Abschlussszene einer Show zeigt, mit der Josephine Baker in Berlin im Metropoltheater auf Tour war. Ein Bild, das die Wahrnehmung von ihr bestimmte. Und das andere ist hier eine Fotografie von einem Pressefotografen. Alle Bilder, die wir haben von ihr, sind von der Presse.
Und die Presse berichtet nicht nur, sondern die kultiviert ja auch bestimmte Bilder von Personen, wie die gesehen werden wollen, auch von der Gesellschaft. Und hier ist die Schlussszene von einer Revue im Metropoltheater. Black People heißt die. Und wir sehen hier auch am Bühnenbild Palmen und Josephine Baker auch wieder in einer sehr drastischen, breitbeinigen Pose und eine Begeisterung.
Andere, vermutlich schwarze Personen, die so stark geschminkt ist, dass die Lippen wie, weiß ich nicht, Tennisbälle so dick sind. Das ist ein ganz typisch kolonialer Blick auf
der sich hier in diesem Bild findet. Also es gibt vielfältige Bilder von schwarzen Menschen aus der Zeit des Kolonialismus, wo das so extrem übertrieben ist mit den Lippen. Und das sieht man hier auf diesem Bild. Nicht bei Josephine Baker, sondern bei der Partnerfigur, mit der sie da gerade im Dialog ist. Also das ist das Milieu, in dem sie auftritt. Also der Kontext, in den sie gestellt ist und in dem sie versucht, sich zu behaupten.
Es ist immer überzeichnet. Es ist überzeichnet und es ist eine groteske. Und wenn man aber noch weiter, noch früher geht, diese Bilder, wo sie quasi clownesk gearbeitet hat mit so einer kurzen Shorts und quasi so ein bisschen à la Tramp. Sie hat halt ein wahnsinnig großes komödiantisches Clown-Talent eigentlich gehabt. Diese Nacktheit mit den Bananen war immer auch erstaunlich.
Mit Comedy kombiniert, also ins Clowneske gezogen, was die Menschen sehen wollten. Und bis heute ist es ja oft so, gerade im Zirkus und im Varieté, dass wenn jetzt afrikanische Künstler kommen, die dann weiterhin diese Grimassen zeigen, ihre Backen aufbauen.
Komische Bewegungen machen. Und es ist ganz egal, wo diese afrikanische Musik herkommt, wo dieser afrikanische Stoff herkommt. Hauptsache, es wirkt irgendwie in diese Zeit verfrachtet. Und das ist ja nach wie vor in Europa präsentieren wir schwarze Künstler so. Und ich denke, dass sie das auch benutzt hat, natürlich um Erfolg zu haben und um Arbeit zu haben. Musik
Josephine Baker berührt ihr Publikum zu einer Zeit, als Kolonialausstellungen und Völkerschauen Menschen aus Afrika oder anderen Kontinenten vorführen. Künstler, Inspiration in außereuropäischer Kunstsuche. Musik
Ich glaube, zu dieser Zeit, wo Kolonialismus, das waren ja alles sehr frische Geschichten in dieser Zeit, es war absolut modern, diese Malerei, die Südseeschönheit, das war das Einzige, wo man dann mal nackte Brüste abbilden konnte. Es waren interessanterweise dann meistens schwarze oder farbige Frauen, wo man ungefiltert Nacktheit zeigen konnte, die dann nicht vordergründig sexualisiert war, was es natürlich trotzdem war. Und
In meiner Wahrnehmung hat sie durchaus damals auch mit diesen Fratzen, mit diesen Grimassen der Gesellschaft damals schon einen Spiegel vorgehalten, was nicht unbedingt immer so wahrgenommen wurde, weil es wurde als zuckend und entzückend und entartet. Also da gibt es ja alle möglichen Betrachtungsweise, manche waren ganz empört, manche waren ganz entzückt.
Und ich finde, sie hat eben da so eine Plattform geboten. Sie wusste, es ist ein Skandal. Sie wusste auch, damit hat sie Erfolg. Aber es war eben doch schon, so seht ihr als weißes Publikum den schwarzen Menschen. Also das ist so, wie ich es wahrnehme. Josephine Bakers Adoptivsohn Brian Bouillon Baker sitzt in Paris im Théâtre de Champs-Élysées in einem nüchternen Pausenraum. Mit Blick auf den Innenhof
Kaffeemaschine und Wasserflaschen auf einem Sideboard. Von draußen dringen manchmal Probengeräusche herein. Dieses Theater hier ist eines der größten in Paris. Josephine Baker begann hier ihre Karriere,
Da war sie noch nicht der große Star der Show, sie war nur ein Teil davon. Sie war damals Tänzerin und hat noch nicht gesungen. Sie hatte schnell großen Erfolg, 1925 nach dieser Revue Negre. Für sie war das hier ein wichtiger Ort, denn hier begann alles.
Aber sie kehrte nie an dieses Theater zurück. Ihre größeren Erfolge hatte sie an anderen Theatern in Paris, wie dem Folies Bergère, dem Casino de Paris und nach dem Krieg im Olympia-Theater. Hierher kehrte sie nie zurück. Brian Bouillon Baker glaubt im Gegensatz zu Roderick Funke nicht,
dass seine Mutter mit zappeligen Bewegungen und Schielen die Klischeevorstellungen, die Europäer von Afrikanern hatten, bewusst aufs Korn genommen hat.
Das sagen Intellektuelle, Journalisten. Sie war intelligent, aber nicht intellektuell. Sie spielte mit gewissen Codes. Die Show, in der sie auftrat, galt als exotisch und Frankreich hatte zu der Zeit viele Kolonien.
Die Show war also mehr oder weniger kolonial-exotisch. Und sie machte sich darüber lustig, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie die Kolonien repräsentierte. Ich würde sagen, sie machte sich darüber lustig, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein. Biografen und Journalisten behaupten, sie hätte es mit voller Absicht getan, vorbereitet und reflektiert.
Das glaube ich nicht. Ich glaube, sie tat das aus dem Gefühl heraus, ganz natürlich. Sie machte sich darüber lustig, was sie repräsentieren sollte. Sie war wie ein Spiegel. Die Produktion verlangt von mir, exotisch zu tanzen? Okay, dann mache ich das. Aber so, dass die Leute über diese Stereotype lachen. Musik
Rund 100 Jahre später, nach den ersten Auftritten von Josephine Baker, sprechen Roderige Funke und Alice Francis im Berliner Wintergarten über das Phänomen Josephine Baker. In wenigen Minuten muss Alice Francis auf die Bühne für die Vorstellung »Josephine, the Queen of Entertainment«.
In kurzen Stationen wird das Leben von Josephine Baker skizziert, unterbrochen von Varieté-Einlagen, von Tänzern, Akrobaten, Sängern und Sängerinnen. Mit der Show Josephine, the Queen of Entertainment, verneigt sich der Wintergarten vor einer einzigartigen Künstlerin. Bühnenstar, Aktivistin, Freiheitskämpferin. Heißt es auf der Homepage des Theaters.
Alice Francis ist eine von zwei Hauptdarstellerinnen, die Josephine Baker auf der Bühne verkörpern. Sie singt, sie tanzt, trägt auch kurz einen stilisierten Bananenrock. Schielen auf der Bühne wie Josephine Baker tut sie nicht.
Eine Diskussion zwischen Regisseur Roderike Funke und der Darstellerin entspinnt sich, wie das Verhalten von Josephine Baker einzuordnen ist, mit dem Blick von damals und dem Blick von heute. Ich habe immer so das Gefühl, dass sie das halt...
richtig überzogen hat. Ich meine, sie hat angefangen zu schielen und Grimassen zu schneiden. Und ich habe auch das Gefühl, das kommt aus so einem bestimmten Impuls heraus. Und ihr hat das wahrscheinlich auch nicht richtig geschmeckt, dass sie die ganze Zeit in solche Rollenbilder gedrückt wurde. Und das ist, wo sich das so ein bisschen entladen hat, glaube ich. Also sie hat damit versucht umzugehen,
auf eine ironische Art und Weise und auf eine zynische vielleicht auch und überzogene Art und Weise. Und ich finde, da kann man schon auch ein bisschen sehen, dass sie das schon nicht so alles so okay fand, wie sie behandelt wurde. In dieser Zeit als Künstlerin, welche Chance hast du gehabt als schwarze Künstlerin? Du hattest keine Wahl. Du musstest quasi diesen Drahtseilakt hinbekommen irgendwie. Du gibst dir...
Den Produzenten, den Auftraggebern das, was sie wollen und trotzdem muss irgendwas von dir mit da drin sein, wo ich ja eben sage, ich finde das immer eine Spur Sarkasmus da mitgeschwungen ist und Zeitkritik, die nicht unbedingt für jeden zu erkennen ist.
Für mich ist sie das immer gewesen. Und deswegen finde ich das auch sehr ungerecht, wenn man dann im Nachgang sagt, ja, aber sie hat auch bestimmte Bilder immer wieder repliziert und darum ist sie auch schuld daran gewesen. Ja, was willst du denn machen? Das war das Bild damals, die Kolonne. Wir sind die...
Herrscher der Welt, da ist jetzt auf einmal eine schwarze Frau und eigentlich hat sie gesagt, ich bin die Königin der Kolonien und hat sich damit auf dieselbe Ebene gehoben wie eben die Leute, die sie gebucht haben. Hätte sie sich damals hingestellt und gesagt, und
aktivistisch auf der Bühne dem Publikum irgendwas zugeworfen, das wäre ihr letzter Auftritt gewesen. Sie hat in der Zeit wirklich ganz, ganz viel erreicht für schwarze Künstler. Biografin Mona Horncastle lenkt unseren heutigen Blick noch einmal in eine andere Richtung. Es gab kein Vorbild, die hat das alles vom Scratch gemacht. Also die muss wirklich eine sehr, sehr beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein, weil...
Die hat sie einfach gesagt, verdammt nochmal, das ist mein Leben und ich bestimme, was ihr von diesem Leben wissen dürft. Und ich bestimme, was mir wichtig ist, was erzählt wird. Das ist Selbstermächtigung. Und das eben wirklich ab Ende der 20er Jahre. Das gab es so nicht. Und wie sie mit den Medien auch umgegangen ist, hoch souverän. Also es war die meistfotografierte Frau ihrer Zeit. Deswegen gibt es so viele Fotos.
und einige davon, die eben auch sehr ikonisch sind. Im Archiv zeigt Ines Han auf eine Zeichnung, die der Pressezeichner Konrad Neubauer in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre von Josephine Baker mit schwarzer Kreide aufs Papier gebracht hat. Wo man sieht, was das ist.
wofür sie berühmt geworden ist. Also diese sehr drastische Haltung, die Nacktheit wirklich nur mit so einem kleinen Puschel um die Hüfte bekleidet, das Rausstrecken des Hinterteils, das Durchbiegen des Rückens und das Schielen, ganz eindeutig das Schielen.
Das ist das, womit sie bekannt geworden ist. Dazu ist ja zu sagen, dass sie keine Afrikanerin ist und hier ein Bild reproduziert in der Art, wie sie tanzt und sich der Öffentlichkeit darbietet, was im Grunde ein Klischee darstellt. Ja, sie hat als Darstellerin das performt. So ist das. Man schlüpft in eine Rolle. Sie hat sich nicht selbst dargestellt. Musik
Den stilisierten und viel zitierten Bananenrock trug sie übrigens nur wenige Jahre. Danach elegante Roben mit langen Schleppen, Federboas, aufwendige Kopfbedeckungen und Diademe. Musik
Mein Land ist Paris Mein Herz ist ravierend
Musik
Paris, Mitte der 1920er Jahre. Männer und Frauen aus unterschiedlichen Ländern der Welt kommen hier zusammen, zu leben und zu überleben. Um ihre Kreativität auszuleben, Inspiration zu suchen. Eine von ihnen ist die junge Josephine Baker.
Eine von mehreren jungen Afroamerikanerinnen, die der Segregation in den Staaten zu entfliehen suchen. Der gesetzlichen Trennung von Weißen und People of Color. Und die in Frankreich ihre Zukunft sehen. Es sind Bildhauerinnen, Opernsängerinnen, Schriftstellerinnen. Ada Smith, alias Bricktop, ist ein Jahr vor Josephine Baker aus den Vereinigten Staaten nach Paris gekommen.
Die Sängerin betreibt einen Club in Montmartre. Zwölf Jahre älter als Josephine Baker nimmt sie sich der jungen Kollegin an. Es wird oft übersehen, dass sie noch ein Kind war. Und sie war der verletzlichste Star, den ich je getroffen habe. Damals waren schwarze Entertainerinnen in Paris noch eine Seltenheit. Es war also selbstverständlich, dass wir uns trafen. Sie erweckte meine Muttergefühle.
Sie hatte fast keine Schulbildung, konnte gerade so ihren Namen schreiben, als alle ein Autogramm von ihr wollten. Ich sagte, Baby, besorgte einen Stempel. Das ersparte ihr einige Peinlichkeiten. Sie hat einfach irgendwo angefangen und war quasi eigentlich Dritte von links. Dann war sie irgendwie ganz vorne, dann war sie nackt und bumm war sie Josephine Baker und das war sie 60 Jahre lang. Finde ich wahnsinnig faszinierend. So der Choreograf und Regisseur Roderige Funke.
Josephine Baker hat so großen Erfolg, dass sie auf Tournee geht und am 14. Januar 1926 in Berlin auftritt. In einem späteren Interview 1968 in Deutschland wird sie nach ihrer frühen Erinnerung an Berlin gefragt. Wann sind Sie das erste Mal in Berlin gewesen? Das erste Mal? Das erste Mal. Das erste Mal war 1925.
1925 mit der berühmten Revue der Blackbirds, stimmt's? Nein. C'était la Revue Negre. Mit der berühmten Neger Revue 1925 und wenn ich mich nicht täusche, war das im Admiralspalast. Ich glaube. In einem Theater in Berlin. Ohne Nein, das war im Nelson Theater. Im Nelson Theater. Und Sie haben sicherlich an diese Zeit oder an einen anderen Aufenthalt in Berlin eine gute Erinnerung, ein hübsches Souvenir.
Ich erinnere mich an Berlin in jener Zeit. Ich war sehr jung. Und wenn man jung ist, sieht man das Leben in rosa. Ich bin in Kurfürstendamm hinaufgelaufen, ich bin in Kurfürstendamm hinabgelaufen. Am Tag, in der Nacht, egal wann.
Jeden Augenblick in dieser Zeit war ich glücklich. Ich habe gesungen wie die Vögel in den Bäumen.
Und ich habe die Bekanntschaft gemacht mit einem Freund, den ich bewundere. Sogar mit zwei Freunden. Dr. Vollmöller und Max Reinhardt. Natürlich, ich war jung und ich liebte das Leben. Ich habe Berlin ziemlich schnell wieder verlassen und bin nach Paris zurückgekehrt. Aber kaum war ich in Paris, wollte ich zurück nach Berlin. Und wenn ich wieder in Berlin war, sehnte ich mich nach Paris.
Ich war immer hin und her gerissen zwischen meinen beiden Lieben.
Mehrere Wochen tritt die Künstlerin in Berlin auf. Ihre Aufführungen sind ausverkauft. Manche Gäste kommen jeden Abend. Mitglieder der Familie Krupp sind dabei. Harry Graf Kessler und andere illustre Berliner Persönlichkeiten. Berlin war damals eine der schönsten Hauptstädte der Welt und im Alltag am besten durchorganisiert. Die Höflichkeit der Polizisten, die zugewandte Korrektheit der Angestellten suchte ihresgleichen.
Im Übrigen trieb in Berlin wie in ganz Deutschland die Gastfreundschaft die raffiniertesten Blüten. Es war seltsam, fast schon besorgniserregend. Und die Berlinerinnen überraschten mich. Ihre unbestreitbare Eleganz gefiel mir. Ich bestaunte sie in meinem Nachtlokal in der Bärenstraße, das ich reibungslos leiten konnte. Im Westen Berlins lag rund um den Kurfürstendamm eine reiche, gastfreundliche, glitzernde, fröhliche neue Stadt.
Das Nachtleben dort war von einer Ausgelassenheit und einer Vielfalt, die selbst Paris nicht kannte. Die großen Kaffeehäuser, die großen Restaurants waren gigantische Dampfschiffe. In jedem Stockwerk spielte ein Orchester. Es ratterte leise und rhythmisch wie von Maschinen. Zwei Dinge in Berlin sind mir geblieben wie ein Traum. Das eine lautlos. Das Aquarium im Zoologischen Garten.
Das andere, ohrenbetäubend. Das kolossale Haus Vaterland, in dem alle Länder der Welt ihre Spezialitäten hatten. Ihr eigenes Restaurant und ihre eigene Bühne. Nach ihrem Auftritt sieht Josephine Baker weiter. Auf verschiedene Privatpartys. Die 20-Jährige ist begeistert. In ihren Memoiren erinnert sie sich...
Berlin. Beim ersten Mal war es toll. Ein Triumphzug. Ich werde gefeiert. In einem großen Tanzlokal hören, als ich eintrete, die Musiker zu spielen auf. Erheben sich und verneigen sich vor mir. Berlin ist der Ort, an dem ich die meisten Liebesbriefe, Streuße und Geschenke bekomme. Max Reinhardt besucht mich. Er hat einen Vertrag dabei.
Ich engagiere sie für drei Jahre am Deutschen Theater und glauben Sie mir, sie werden der hellste Stern auf den Bühnen Europas. Doch bevor ich nach Deutschland ging, hatte ich bereits einen Vertrag bei den Folies Bergère unterschrieben. Vielleicht war das ihr Glück, denn die Stimmung in Berlin wird sich nach 1926 bald ändern. Josephine Baker kehrt nach Paris zurück, wird weiterhin vom Publikum geliebt und gefeiert, bekommt viel Fanpost.
Der große Erfolg ermutigt die junge Frau, 1926, mit 20 Jahren, ihren eigenen Club in Montmartre zu eröffnen. Hier beginnt sie live zu singen. Früher tanzte ich nach dem Auftritt. Jede Nacht. Im Abbey du Thulem, im Imperial, in einer Milonga. Wenngleich es nicht besonders bequem ist, mit den Armen zu tanzen. Auf allen Vieren oder auf den Knien zwischen den Tischen. Zwischen den nächtlichen Wilden, die einen mit ihren Augen verschlingen.
Ab Mitternacht sind auf dem Momatre nur lauter Wilde. Ich dachte mir, warum eröffne ich nicht mein eigenes Kabarett? Also ließ ich mich nieder, eröffnete mein Bistro. Man sagt doch Bistro, nicht wahr? Es war der 14. Dezember 1926. Nie hatte ich so viel Spaß. Ich machte Witze. Den Glatzköpfen streichelte ich über die Glatze, die Bärtigen zog ich am Bad.
Diese Herren sehe ich auch tagsüber. Da sind sie viel weniger lustig. Und dann lasse ich die dicken Damen tanzen. Das finden die nicht immer spaßig, aber ich amüsiere mich immer. Carolina, is there anyone finer in the same Carolina? Is there reason you know her short for me?
Alle los zum Charleston, zum Swing, zur Samba, Kellner, Oberkellner, die Köchin, der Kessier, Jäger, Ziege und Schwein. Ich aber tanze. Ich tanze, ich lache, ich lach mich kaputt. Ich ziehe an der nächstbesten Nase, an Ohren, Haaren, Bärten. Es fliegen die Luftschlangen, die Bälle und die ganze Nacht wechselt das Licht. Morgens um fünf gibt es eine Nachtmahlzeit.
Manchmal tanzte ich 18 Stunden am Tag, vor allem sonntags. Choreograf und Regisseur Roderike Funke bewundert Josephine Baker für ihr künstlerisches Talent. Sie hatte ein wahnsinniges Timing, sie hatte ein wahnsinniges Bewegungstalent, sie hatte eine Komik, die ihr inne lag, plus die Stimme, die dazu kam, plus die tänzerischen Skills, plus ein Bezug zum Publikum, der absolut eindringlich
einmalig war. Also die Art und Weise, wie sie überall auf der Welt den richtigen Ton gefunden hat, um dort das Publikum anzusprechen und in ihren Band zu ziehen, das ist wirklich Ausnahmekünstlerin. Die war sehr...
Selbstbewusst und letztendlich wahrscheinlich auch einfach street smart, weil die Verhältnisse, aus denen Josephine Baker kommt, waren ja nun alles andere, als ihr Resilienz beizubringen, bewusst Resilienz beizubringen und vorzubereiten auf diese Weltkarriere. Also die musste einfach schon als kleines Mädchen mit Erniedrigungen, Gewalt, Hunger leben.
Armut, Kälte, auch sexualisierter Gewalt umgehen, damit instrumentalisiert zu werden. Und jeden Schritt, den sie macht zu mehr Erfolg und damit auch mehr Macht, den nimmt sie sofort und verwandelt ihn nochmal in, legt nochmal eins drauf, nochmal eine Schippe drauf, nochmal eine Schippe drauf, nochmal eine Schippe drauf. Erzählt Biografin Mona Hornkase.
Journalist Pierre Loisley besucht den Club Chez Josephine in der Rue Fontaine und schreibt seine Eindrücke auf. Mitternacht. Ein Meer entblößter Schultern und Smoking umgeben von rotem, cremefarbenem Dekor. Perlen und Ohrringe wie aus Tausend und einer Nacht. Trinken, Essen, Hoffnungslosigkeit liegen in der Luft. Das Fleisch ist schwach.
»Jazzmusik heult und wimmert, plötzlich schimmert etwas durch den Raum. Applaus, Schreie, Tumult. Josephine Baker ist da. Schnellen Fußes tänzelt sie von Tisch zu Tisch, bleibt hier und da stehen, wirft eine Papierschlange durch die Luft und macht Witze.«
Die zauberhafte Stimmung und Freude hat Einzug gehalten. Sie tanzt. Plötzlich erinnert sie sich daran, dass sie Gastgeberin ist und fordert einen Besucher nach dem anderen zum Tanzen auf. Sobald jeder auf der Tanzfläche ist, geht sie in die Küche und holt ihren Koch, damit auch er mittanzt. Musik
Josephine Baker gelingt es, mit ihrem offenen Wesen unterschiedliche Menschen anzusprechen. Sie lacht viel.
Und Männer und Frauen fühlen sich von ihr angezogen. Josephine Baker wurde schon zu Lebzeiten von der queeren Community entdeckt. Also es gab damals schon queere Künstler, die in Paris dann auch Clubs aufgemacht haben und ihre Bühnen-Performances nachgetanzt haben. Die ist eine Identifikationsfigur für die queere Community, weil sie eben auf diese Freiheit und Gleichheit aller Menschen und sie hat die sexuelle Orientierung mit reingenommen.
Dieses Ich darf bestimmen, wer ich bin, ich darf bestimmen, wie ich lebe, da hat sie viel, viel vorgelebt beziehungsweise als Ideale in die Welt getragen. Da hat sich die queere Community gesehen. Die queere Community sagt auch, sie hat ja so einen fluiden Lifestyle gehabt, da würde ich ein großes Fragezeichen dahinter setzen, weil…
In den 20er Jahren, dass Frauen sexuelle Beziehungen miteinander eingegangen sind, hat einen emanzipatorischen Hintergrund. Zu sagen, Josephine Baker war queer, ist zu weit gesprungen.
Und wurde aber schon damals gerne so gemacht und auch von der Presse, da reichte es aber, wenn sie mit Frida Kahlo auf einem Foto war, dann hatte sie automatisch eine Affäre mit Frida Kahlo. Wissen wir nicht, sie hat darüber nichts gesagt, wirkliche Belege gibt es auch dafür nicht. Prägend für die persönliche und künstlerische Entwicklung von Josephine Baker sind Frankreich und die Metropole Paris.
In einem späteren Interview erzählt Josephine Baker, wie wichtig ihre neue Heimat für sie war. Ich glaube, Frankreich hat mich adoptiert. Und Paris vor allem hat meinen Geist humanistisch gebildet.
Das war am wichtigsten für mich in meinem Leben. Neben der Tänzerin und Sängerin Josephine Baker tummeln sich viele Künstler in Paris. Und Josephine Baker hat Kontakt zu ihnen, mit Auswirkungen auf deren Kunst.
Der Bildhauer Alexander Calder lässt sich von ihr zu einer beweglichen Drahtskulptur inspirieren. Paul Klee porträtiert sie in zarten, ungewohnt schwungvollen Linien. Der Architekt Adolf Loos widmet ihr gleich ein ganzes Haus. Fett moi voir vos dos d'un tron.
Dann hat er auch, das Modell gibt es noch, die Pläne gibt es noch, die sind in der Albertina Wien, hat er wirklich ein ganz faszinierendes Modell und einen Entwurf gemacht, der wurde nie realisiert. Wenn man sich den anschaut, versteht man auch sehr gut, warum. Los hat vor allem aber eins gemacht.
Der hat in seinem Raumkonzept für Einfamilienhäuser immer einen zentralen Raum, der ist der Begegnungsraum. Bei Josephine Baker gibt es diesen Raum so nicht. An der Stelle des sozialen Begegnungsraumes innerhalb des Hauses ist ein gläserner Pool vorgesehen und der gute Adolf Loos imaginierte die nackte Josephine Baker in ihrem eigenen Pool schwimmend, während um die Treppen herum das Publikum steht.
Der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier zeichnet ein besonderes, sehr intimes Bildnis von ihr in sein Notizbuch. Eine schlafende Josephine Baker, die ihren Kopf seitlich auf ein weiches Kissen gelegt und die Bettdecke bis hoch zum Ohr gezogen hat.
Dieses Bild muss in einem sehr privaten Rahmen entstanden sein. Le Corbusier. Nun, Le Corbusier hat sie kennengelernt auf der Überfahrt von Südamerika zurück nach Europa. Und die beiden hatten eine Liebesbeziehung. Und das ist auch die einzige Liebesbeziehung zu einer prominenten Person, die Josephine Baker hatte, die klar dokumentiert ist, weil Le Corbusier war...
Ein sehr, sehr braver Sohn. Der hat regelmäßig Briefe geschrieben an seine Mama und in diesen Briefen war also dann immer von Josephine Baker die Rede. Und wenn man dann seine Tagebuchauszeichnungen noch kennt und die Porträts, die er von Josephine Baker gezeichnet hat, in dieser sehr kurzen Zeit, dann kann man das eins zu eins zusammenzählen. Er hat natürlich seiner Mutter nicht geschrieben, was er alles mit Josephine Baker getrieben hat, aber man kann dann natürlich...
Also das war eine Liebesaffäre, die getragen war auch von gegenseitiger Faszination. Josephine Baker ist begeistert von dem Architekten, wie sie in ihren Memoiren festhält. Sieh an, Monsieur Le Corbusier. Le Corbusier hatte in Brasilien Vorträge gehalten. Wir freundeten uns an. Ich sang für ihn ein paar Liedchen, er erzählte mir von der Architektur.
Außerdem sprach er vom Botanischen Garten in Rio. Auch er, unmöglich zu beschreiben. Bei der Äquator-Taufe verkleidete er sich als Josephine Baker. Wenn er nicht ein großer Architekt wäre, würde Monsieur Le Corbusier einen hervorragenden Varieté-Clown abgeben. Einen kaltblütigen Clown. Einen sehr guten Partner. Nun denn. Doch sich mit der Person of Color zu schmücken,
Dann hat sie...
mehrere Erfahrungen gemacht mit wohlhabenden Männern. Da haben die Familien gesagt, spinnst du, kommt überhaupt gar nicht in Frage. Es gibt ja auch verschiedene Zitate von ihr, gerade wenn es um Beziehungen zu Männern ging. Und wenn sie irgendwie mit weißen Männern zusammen war, die dann gesagt haben, heiraten kann ich dich aber nicht, weil du eine schwarze Künstlerin bist, das wird nicht funktionieren. Sie hat ja viele Begegnungen auch im Privaten, wo sie immer wieder an so Grenzen zurückkam.
Schließlich verlobt sie sich 1927 mit Pepito Abatino, ein schlanker Mann mit zurückgegeltem Haar, schwarzem Schnäuzer, Molokel und Zigarettenspitze. Pepito Abatino gibt sich gerne als Graf und exzellenter Reiter aus, was er aber beides nicht ist.
Wahrscheinlicher ist, dass er ein Steinmetz aus Sizilien ist. In ihm findet Josephine Baker ihren Manager und, für rund zehn Jahre, ihren Lebenspartner. Josephine Baker umgibt sich auch gerne mit Tieren. Sie soll eine Ziege in ihrer Garderobe gehalten haben, flaniert mit einem Geparden an der Leine durch Paris, hält in der Küche ihres Clubs das Ferkelchen Albert, fährt in Berlin mit einer Kutsche durch die Stadt und
die von einem Strauß gezogen wird. Ein Journalist besucht sie zu Hause für ein Interview. Im Vorzimmer ihrer eleganten Wohnstätte, dort oben fünf Treppen hoch an den Champs-Élysées, drei Uhr nachmittags, wird der harmlose Besucher von einer überaus erquicklichen Kakophonie empfangen. »O göttliches Tohuwabohu, o unerwartete Jazzmusik«,
In diesem Stimmengemisch ist alles vertreten. Zehn Kätzchen laufen herum und miauen, zwanzig Luxushündchen balgen sich und imitieren das Bellen, Singvögel zwitschern, Papageien schreien schrill. Ein Klavier wird gequält, ein Grammophon johlt und von der Küche her hört man Kassrollen misshandeln.
Aber von innen tönen uns Rufe und Geplauder zu. Ein perlendes Lachen bricht sich los, als wollte es zum Gruße uns vor die Füße quälen. Drinnen klingeln gleichzeitig zwei Telefone. Über der Türflur geht schon wieder die Klingel los. Ein neuer Besuch. Auch der Künstler Jean Cocteau war begeistert von ihr. Ich begriff immer mehr, je länger ich sie kannte, was die Ursache ihrer Triumphe war. Ihr Herz.
Sie ist eine so großartige Frau von einer Güte, die, glaube ich, zu diesem echten Triumph geführt hat. Josephine ist nicht einfach ein Mechanismus, ein Vogel mit einem Mechanismus, der aus einer goldenen Schachtel springt. Das ist Josephine nicht. Sie ist ein goldener Vogel, doch vor allem ein goldenes Herz. Das goldene Herz unterstützt seine Familie in St. Louis, schickt ihr Geld und nimmt an Wohltätigkeitsveranstaltungen in Paris teil.
Schon hier hat sie besonders Kinder im Fokus. Weihnachten 1926 habe ich den Kindern der Pariser Schutzpolizisten im Theater einen Weihnachtsbaum geschenkt. Eine Tanne mit klitzekleinen Kerzen, Kugeln aus Glas, Kuchen, Spielzeug. Das war schon seit langem mein Traum. Ich wollte eine Weihnachtsfrau sein. Eine junge, schwarze Weihnachtsfrau.
An dem Tag habe ich mich mehr gefreut als alle Kinder. Ich war noch begeisterter als sie, begeistert wie ein Kind. Und der Beifall ihrer kleinen Hände ist für mich der schönste Erfolg geblieben. Brasil, the Brazil that I knew, where I wandered with you, lives in my imagination.
Der große Star tourt durch die Welt, durch die Niederlande, durch Dänemark, Schweden, Ungarn, Spanien, Norwegen, Uruguay, Chile, Brasilien, Argentinien, Rumänien, die Tschechoslowakei. Sie wird begeistert empfangen.
In ihren Memoiren erinnert sie sich an Prag. Im Theater habe ich keine Angst vor der Menge. Es ist wie ein Duell. Ich spanne jeden Muskel an, mein Herz ballt sich zur Faust. Es geht darum zu gewinnen. Hier am Bahnhof macht mir die Menge jedoch zum ersten Mal Angst. Ich habe mich vor ihrer Neugier, ihren Gefühlen, ihrer Begeisterung gefürchtet. Eine Flut der Herzlichkeit, der Freundschaft. Wie sollte ich aus dem Waggon aussteigen? Wie mir ein Weg durch diese Menge bahnen?
Pipite und ich klammerten uns aneinander fest, um uns nicht zu verlieren. In strammer Haltung schritt uns der Bahnhofsvorsteher wie ein General entgegen und empfing uns mit allen Ehren. Oh weh! Kaum hatte ich einen Fuß auf den Bahnsteig gesetzt, als die Menge in höchste Aufregung geriet. Im linken Arm hielt ich einen Blumenstrauß in den tschechoslowakischen Nationalfarben. Er wurde mir entrissen und innerhalb kürzester Zeit zerpflückt, zerstückelt, in Luft aufgelöst. Plötzlich drehte ich mich um.
Pepito war verschwunden. Die Menge hatte ihn mit sich gerissen. Ich befand mich allein inmitten von hunderten hochgereckter Arme und Hüte, die herumgeschwenkt wurden. Josephine Baker entwickelt sich zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau, die parallel zu ihrer Kunst eine eigene Kosmetiklinie entwirft. Mit der Körpermilch Baker Lotion, dem Haargel Baker Fix und dem Sonnenöl Baker Oil. 1934 gilt sie schließlich als reichste afroamerikanische Frau.
So exzentrisch, so übervoll, so kreativ das Leben von Josephine Baker ist, so ist es auch gezeichnet von negativen, sehr verletzenden Erfahrungen. Die Künstlerin erlebt auf der einen Seite überschwängliche Begeisterung für ihren Tanz und ihren Gesang,
Auf der anderen Seite aber auch Rassismus gegenüber ihr als schwarzer Frau. Sie kommt nach Wien. In Wien läuten die Glocken der Paulanerkirche, um vor dem schwarzen Teufel zu warnen. Da werden Sondergottesdienste abgehalten, in denen die Gemeinde davor gewarnt wird,
in Josephine Bakers Revue zu gehen, weil das ist zersetzend für die Moral und das ist schlecht für die Sitten und hat natürlich genau den gegenteiligen Effekt. Also jeder, der im Gottesdienst war, ist danach und hat sich ein Ticket gekauft. Also sozusagen unbezahlte Werbung. Es wurde sehr skandalisiert. Nichtsdestotrotz wurde sie noch eher getragen von Begeisterung und die Anfeindungen haben sich auf andere Dinge fokussiert.
Es war ihr Reichtum, dieser sehr schnelle Reichtum, zu dem sie gelangt ist. Es war die Freizügigkeit, all solche Dinge. Es war viel, viel seltener ihre Hautfarbe. Allerdings erwartete man dort aufgrund des ganzen Rummels keine Tänzerin mehr, sondern eine Dämonin. Die schwarze Dämonin. Die Ketzerin höchstpersönlich. Bei meiner Ankunft in Wien haben die Glocken geläutet und alle Gläubigen gewarnt, damit sie mir nicht begegnen und sich in den allergeheimsten Ecken von mir verstecken.
Auf den Straßen und Alleen verteilte man Hetzschriften gegen mich, auf dass sie bestraft werde, wie sie es verdient, die Sittenlose. Dennoch, muss ich gestehen, kamen wirklich viele und angesehene Leute, um diese Sittenlose, trotz der warnenden Glocken und der kleinen Broschüre, willkommen zu heißen. Denn die Wiener sind charmant und reizend.
Josephine Baker beobachtet die Skandalisierung ihrer Person aufmerksam.
Und bei ihrem ersten Auftritt reagiert sie auf ihre Art auf den Tumult in Wien. Da gab es Debatten dann im Parlament wegen Sittlichkeitsbedenken und moralischen Bedenken und so weiter und so fort. Währenddessen fuhr Josephine Baker Ski und kam dann zurück, als beschlossen wurde, sie darf auftreten. Und erwarteten natürlich alle, dass Josephine Baker halbnackt im Bananenrock auf der Bühne steht.
Und daran zeigt sich, das war 28, wie klug die Frau war. Die kommt dann auf die Bühne in einer Robe und singt ein Lied. Und in diesem Lied haben keine Bananen eine Rolle. Sie singt ein Chanson. Sie wird erwartet als Nackttänzerin im Bananenrock. Das ist das, was skandalisiert wurde im Vorfeld. Und sie steht auf der Bühne als Grand Dame, die sie dann erst wird, aber abgelenkt.
So viel zur richtigen Kostümierung, zur richtigen Zeit und die Signalwirkung. Wien ist nicht die einzige Station, in der sie in Europa auf den Rassismus reagieren muss. In ihren Memoiren schreibt sie auf, was ihr zum Beispiel in Berlin, Holland und anderen Ländern widerfahren ist. Mein Name sprach sich in Holland schnell herum.
Einmal, in einer kleinen, sauberen und sehr ruhigen Stadt, hielt mich die Leute am Ärmel fest und wollten, dass ich auf der Straße tanze. Also habe ich getanzt. Alle waren zufrieden. Da habe ich einer Zuschauerin ihr kleines Kind aus den Armen genommen. Ein hübsches Baby. Und wollte es küssen und ein bisschen wiegen. Ich hätte auch ganz gern zusammen mit dem Baby getanzt. Aber die Mutter warf mir einen bitterbösen Blick zu und hat mir sofort das Kind aus den Armen gerissen. Sie hat ihr Baby vor der Wilden gerettet. Verstehen Sie?
Die Leute denken wohl, dass ich aus dem Urwald komme. Ich glaube, in entlegenen Gegenden, in Holland oder anderswo, hätten sie mir ganz freundlich zerstoßenes Glas zum Trinken angeboten. Der primitive Instinkt, nicht wahr? Der Sinnestaume, das animalisch Wilde. Ach, was hat man darüber nicht alles geschrieben? Die weißen Fantasien, wenn es um Schwarze geht. Und die Vorurteile sind überall die gleichen. Du, du, du, du, du, du, du.
In Mitteleuropa und in Deutschland, dasselbe sollte mir übrigens auch noch in Südamerika passieren, benutzten mich, natürlich ohne dass ich etwas davon ahnte, verschiedene Parteien als Schreckensbild, als ein rotes Tuch. In der Politik sind den Politikern wohl alle mittelrecht, aber damals wusste ich das noch nicht.
Inzwischen habe ich auf dem Gebiet meine Erfahrungen gemacht. Es ist traurig und lustig zugleich. Die traditionellen katholischen Parteien haben mich mit christlichem Hass verfolgt. Von Bahnhof zu Bahnhof, von Stadt zu Stadt, von einer Bühne zur nächsten. Es gab Handgemenge, Kämpfe, Verletzte. Hunderte, tausende Polizisten und Soldaten wurden eingesetzt.
Im Mitteleuropa habe ich Polizisten erlebt, die direkt vor mir die Säbel zückten oder Menschen mit dem Revolver in der Hand rennen sehen. Das werde ich nie vergessen. Und auch nicht, dass es Leute gibt, die dumm genug sind, meinetwegen, wegen meiner Tänze, meiner Freiheit, ein solches Getöse zu veranstalten. Das sind Regungen, die mir immer vollständig fremd waren.
Also 28 kommt sie dann nach Berlin im Zuge ihrer Welttournee. Und die beiden Produzenten ihrer Show sind Juden. Die Dame, die vorher auftritt, ist eine blonde Frau.
Also damals waren solche Revues, da war nicht der Star und hat den ganzen Abend gespielt, sondern es gab immer verschiedene Bilder und verschiedene Performer. Also da wurde dann auch gesagt, wie kann man denn nur Josephine Baker auf eine Bühne stellen mit unserer, ich meine,
Ich möchte jetzt keine Namen nennen, weil das bringt dann immer wieder so andere Dinge auf. Aber die blonde Sängerin, so und so, geht doch nicht. Die eine Jazzband, die zu der Zeit in Berlin gespielt hat, die konnten teilweise ihr Hotel nicht mehr verlassen. Also da gab es wirklich Braunhemden-Demonstrationen. Da wurden massiv die Auftritte gestört. Bei Josephine Baker hatte das eben sehr viel mit den jüdischen Produzenten zu tun. Und nur zum Teil mit ihr selbst und mit ihrer Hautfarbe. Und die...
in Berlin hätte eigentlich drei Monate dauern sollen, 1928, die hat sie nach drei Wochen abgebrochen und ist gegangen. Also da merkte man massiv, wie...
Der Nationalsozialismus sich formiert wie Braunhemden durch die Straßen skandieren und protestieren. Und da kippte es in eine Feindseligkeit. Die hat alles, was danach kam, schon mal ein Vorgefühl dafür gegeben. Auch der Süden Deutschlands macht dicht für den großen Star. Nein, mein Fräulein, in München werden sie nicht tanzen. München, mein Fräulein, ist eine anständige Stadt.
Ich tanzte also nicht in München. Die Polizei verbot es mir. Auf der anderen Seite des großen Teichs ist es nicht anders. Josephine Baker kehrt für eine Tour in die Staaten zurück. Hier sind ihre Erlebnisse noch niederschmetternder als in Europa. Denn die Staaten sind immer noch ein Land der Rassentrennung.
In New York 1935 wird die Künstlerin von Hotels abgewiesen, muss den Hintereingang benutzen und wird im Restaurant nicht bedient. Ihre Show floppt.
Wie geht ein Mensch mit solchen Verletzungen um? Wie verkraftet Josephine Baker diese Demütigungen? Das finde ich auch so Wahnsinn an ihr. In all diesem Drama, in dieser Zeit, wirklich schrecklichste Erlebnisse, war sie immer lebensfroh und hat das Positive gesehen, im Menschen und im Leben. Und das ist ja was, ich glaube, wir als Künstler bemerken.
Davon sind wir auch abhängig. Dass wir immer, oh Gott, jetzt ja, dort ist die Regierung, dort ist die Regierung, was passierte um uns herum. Berlin als kleine Insel, trotzdem nimmt man ja wahr, was außen passiert. Und wenn wir nur damit immer auf die Bühne gehen würden, ich beherrsche
Ich bin auch Dozent an der Artistenschule. Ich sage den jungen Künstlern immer: "Ich verstehe, dass ihr euch mit dem Klimawandel und all diesen schlimmen Dingen beschäftigt. Aber in der Kultur, wenn wir nur das auf die Bühne bringen, dann werden wir unserer Aufgabe auch nicht gerecht. Die Leute wollen nicht abends ins Theater gehen, um dann noch traumatisierter und trauriger nach Hause zu gehen und zu sagen: Es ist wirklich alles sehr, sehr hoffnungslos. Und gerade wir im Varieté, finde ich, sind dazu da, zu sagen: Nein, es kann auch schön werden.
1934 sorgt Josephine Baker als erste schwarze Hauptdarstellerin in einem Tonfilm in Frankreich für Furon. In dem Kassenschlager Zouzou spielt sie die Titelheldin an der Seite von Jean Gabert.
Pepito hatte ihr sowohl ein Mitbestimmungs- als auch die Vermarktungsrechte gesichert. Ihre finanzielle Situation ist bestens. Die reichste Afroamerikanerin, die ab 1937 die französische Staatsbürgerschaft besitzt, hat einen großen Traum vom luxuriösen Leben auf dem Land.
Sie mietet ein Schloss am Fluss Dordogne, sechs Autostunden von Paris entfernt, circa zwei von Bordeaux. Das Schloss mit Türmen, Balustraden und Weinkeller liegt inmitten einer Parkanlage neben einem einfachen kleinen Dorf. Josephine Baker lässt Strom- und Wasseranschlüsse für das Schloss wie auch für das Dorf anlegen. So wird Milan zum ersten Dorf im Perigon mit Strom und fließend Wasser.
Das Schloss wird eine entscheidende Rolle in ihrem Leben spielen, für ihren Einsatz gegen die Faschisten, als Heimat für ihre Regenbogenfamilie, als Heimat für ihre Familie aus Amerika, aber auch als Ort der Verzweiflung, aber der Reihenart.
Der Wind in Europa wird in den 1930er Jahren eisiger und rauer.
In Italien kommt Benito Mussolini an die Macht. Ein Faschist, den Josephine Baker zunächst unterstützen möchte. Denn, so sagt es Mussolini in einer Ansprache, er wolle in Abessinien, heute Äthiopien, die Sklaverei abschaffen. Josephine Baker war auch nur ein Mensch. Und die hat teilweise wirklich ganz schlimme antisemitische Dinge gesagt. Josephine Baker lebte auch in ihrer Zeit. Josephine Baker war keine Heilige. Die hat viele Dinge erzählt.
Als Ideale für sich gesetzt und dafür gekämpft, widerspricht sich aber auch häufig. Wobei man dann auch sagen muss, ja, sie hat Mussolini zugejubelt. Viele haben Mussolini zugejubelt. Kann man ihr das zum Vorwurf machen, als junge Frau? Weil er sagt, und das ist eher Naivität, weil er sagt, er befreit jetzt Afrika von der Sklaverei. Er hat sich gesagt, hey, wenn du mich brauchst,
Ich bin an deiner Seite, ne? Die Faschisten in Deutschland bezeichnen indes die Musik von Josephine Baker als entartet. Die Künstlerin selber tritt wiederum 1938 der Ligue Internationale contre le Racisme et l'Antisemitisme bei, der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus.
1937 heiratet Josephine Baker den jüdischen Zuckerfabrikanten Jean Lyon und nimmt die französische Staatsbürgerschaft an. Das war erstmal ganz fancy, weil da hat sie einen Flugschein gemacht. Sie ist mit ihm ausgeritten im Bois de Pologne und sind gemeinsam mit dem Privatflugzeug rumgeflogen. Ihre vierte Ehe wird nur fünf Jahre dauern, bevor sie sich scheiden lässt.
In diesen fünf Jahren fährt Josephine Baker Ski und geht mit ihrem Mann auf die Jagd. Was sie immer weniger macht, ist singen und tanzen. Das liegt zum Teil vermutlich an ihrem Ehemann, aber auch an der politischen Situation. Der Zweite Weltkrieg und die darauf folgende Teilbesetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten unterbrechen weitere berufliche Pläne des Stars. Solange auch nur ein Deutscher in Frankreich ist, werde ich nicht singen.
Mitte Juni 1940 marschieren die Deutschen in Paris ein. Für Josephine Baker, gebürtige Afroamerikanerin und verheiratet mit einem Juden, ist das eine existenzielle Bedrohung. In der französischen Hauptstadt zu bleiben, ist zu gefährlich. In die Vereinigten Staaten will sie nicht zurück. Also entschließt sie sich, in ihr Schloss an der Dordogne auszuweichen.
Hier hört sie Charles de Gaulle's Radioansprachen aus London, in denen er zum Widerstand gegen die Nazis aufruft und folgt seinen Worten. In ihrem Schloss, das in einem Gebiet liegt, das nicht von den Deutschen besetzt ist, versteckt sie Flüchtlinge, die auf dem Weg in den Süden sind, zum Beispiel ihren jüdischen Ex-Mann Jean. Mittlerweile sind sie geschieden und dessen Familie.
Ihr Adoptivsohn Brian Bouillon Baker. Ich bringe Jean, seine Eltern, seinen Bruder, insgesamt sieben Personen, in den Süden Frankreichs, ins Schloss und Widerstandskämpfer. Sie versteckte sie. Die Rolle, die sie im Zweiten Weltkrieg gespielt hat, ist relativ klar. Und da war sie wirklich, wirklich mutig. Also sie ist nicht in die Résistance geflogen.
Das ist was anderes, sondern sie hat sich Schauder-Gohls aufgerufen zum bewaffneten Widerstand, also dem freien Frankreich hat sie sich angeschlossen. Und dafür hat sie Geheiminformationen geschmuggelt, vor allem eben nach Portugal. Lissabon war eben der Ort, an dem man sich noch relativ frei bewegen konnte als neutrales Land. Da hat sich dann auch alles gesammelt. Sie konnte durch ihren Ruhm reisen, was viele nicht mehr konnten.
Und sie hat natürlich auch Zutritt überall bekommen. Also sie war die ideale Besetzung. Wenn sie erwischt worden wäre...
Trotz humorvoller Erzählung im Rückblick ist es doch sehr riskant, was Josephine Baker da tut und lebensgefährlich.
In ihren Memoiren fasst sie die Anfänge zusammen und was aus ihnen folgt. Eines Abends im Oktober 1940 kam ein Ritter mit einem kleinen Koffer zu mir ins Schloss Lémy-Londes. Mein Freund war ein Ritter im Untergrund. Hauptmann Jacques Aptey vom deuxième Bureau des Generalstabs. Die Vorhersehung schickte ihn mir als Gefährten. Er war der Beste in einer Truppe, in der es an Rittern nicht fehlte. Alle im Dienste Frankreichs und Frankreichs allein. Was hätte ich ohne sie getan?
Wahrscheinlich habe ich Ihnen geholfen. Noch mehr aber haben Sie mir geholfen. Wir haben getan, was wir konnten, so gut es ging. Mit viel Herzklopfen, oh lala. Können Sie sich vorstellen, Monsieur Sauvage, wie ich mich wie ein Aal durch die Sperren wende, mit geheimen Zettelchen zu einer Art Wurm aufgerollt und züchtig unter mein Kleid genäht, aber aufgepasst von vorne. Als ich Hauptmann Optay kennenlernte, hieß er Hauptmann Fox. Es war zu Beginn des Krieges.
Einem Vorort von Paris.
»Ich hatte nur einen Gedanken. Das Mindeste war für mich, dem Land zu dienen, dem ich immer noch dankschuldig war und wenn ich ihm ein Leben opfern musste. Frankreich hat mich zu dem gemacht, was ich bin, jenseits aller Vorurteile. Aber ich war keine Spionin. Das passt nicht zu mir, Sie wissen das. Ich war bei der Luftrettungssanitäterin des Roten Kreuzes, die von Madame Schneider mit der Aufnahme der belgischen Flüchtlinge beauftragt wurden.«
Anfangs stand ich im weißen Kittel in der rüdischer Valery, in einem ehemaligen Obdachlosenheim, wo endlose Mengen erbärmlicher Flüchtlinge durchgeleitet wurden. Manche aber machten mich stutzig, merkwürdig gelockte Schafe in der Herde der Unglücklichen. Ich hatte den richtigen Blick und ich hatte das richtige Gehör. Denn andererseits hatte ein Attaché der italienischen Botschaft es sich zur guten Gewohnheit gemacht, mir Dinge ins Ohr zu flüstern. Offenbar waren es hochinteressante Dinge.
Ich erzählte sie Hauptmann Fox weiter, oder Petz, wie seine Kameraden ihn auch nannten. Er freute sich. Dann floh ich ins Schloss L'Emilante, wo es sehr heiß wurde, obwohl der Herbst die Landluft allmählich erfrischte. Es war September 1940. Tock, tock, tock.
Der Türklopfer hämmerte, wie um die Tür einzuschlagen. Ein deutscher Soldat, gefolgt von einem Offizier, steif wie ein Stock, dahinter ein Unteroffizier und drei grün uniformierte mit Gewehren. Sie verstecken in diesem Schloss Waffen, wir wissen Bescheid. Oh lala. Der Herr war korrekt, eiskalt, zu allem bereit. An den Türen standen seine Aufpasser. Aber im Schloss waren keine Waffen. Da war etwas Besseres. Puh.
Wie gut doch ein Sessel tut nach so einem Besuch. Auch Adoptivsohn Brian Bouillon-Baker kennt diese Geschichten aus Erzählungen.
Das Schloss, das sie besaß, wurde zweimal von der deutschen Armee oder der SS, da bin ich mir nicht so sicher, durchsucht, ob da kein Widerstandskämpfer war, keine Waffen versteckt wurden und so weiter. Da waren Waffen, aber die haben sie nicht gefunden. Denn da gab es ein Versteck, einen geheimen Durchgang unter dem Schloss.
Unten im Schloss gab es acht große Weinfässer und eins davon, in der Mitte, mit der Nummer 5, hatte einen Knopf, mit dem man das große Fass öffnen konnte. Da war kein Wein drin. Nein, es ging zu einem 800 Meter langen Korridor, wo dann die Waffen lagerten. Nach der zweiten Besuchung
Nach dem zweiten Besuch der Deutschen rieten sie ihr, das Schloss und Frankreich zu verlassen. Zwei Besuche. Das bedeutete, dass die Nazis das Gefühl hatten, dass da etwas nicht stimmt. Sie ging dann nach Marokko und trat in die Armee ein. Air Force.
Die Biografin Mona Horn-Kasel hat ihre Zweifel, was die Schilderungen von Josephine Baker anbelangt. Also ob jetzt ihr Schloss in der Dordogne schon ein Waffenlager war, ob dort konspirative Treffen stattgefunden haben oder ob sie Menschen versteckt hat. Dass konspirative Treffen stattgefunden haben, das ist naheliegend.
Alles andere, es gibt diese nette Geschichte, dass dann irgendwie die Gestapo an der Tür steht und sie sie wegschamiert. Und wären sie durch die Tür gekommen, hätten sie Waffen gefunden. Das ist ähnlich wie mit der Notlandung. Die Notlandung, die Josephine Baker in einer ihrer vielen, insgesamt fünf, Autobiografien beschreibt. Sie ist mit einem Flugzeug auf dem Weg von Algier nach Corsica, um vor den Truppen dort zu singen.
Doch die Maschine erreicht die Insel nicht. Kurz darauf sackte sie in die Tiefe. Der zweite Motor war abgesoffen, voller Öl. Wir befanden uns nur noch 200-300 Meter hoch über dem Meer, mitten in einer weiten Bucht. »Stützt euch ab! Abstützen!« brüllte der Pilot. Sein gebeugter, breiter Rücken direkt vor unseren Augen, seine Arme, die durchgedrückten Ellbogen, seine Hände, die sich festklammerten. Das Flugzeug stürzt. Stürzt senkrecht in die Tiefe. Und dann...
Der entsetzliche Aufschlag der Flugzeugnase. Zersplitterndes Holz, aufschäumendes Wasser, schäumendes Wasser weiß wie Milch, ein gewaltiger Wasserschwall. Am Strand nahmen schwarze Männer, Tirailleure, Schützen der Kolonialtruppe gerade ein Bad. Alle völlig nackt. Diese Männer haben uns gerettet. Sie konnten schwimmen wie Fische.
Andere Spionagetätigkeiten lesen sich in der Autobiografie der Josephine Baker so. Kaum in Casablanca musste ich also den Zug nach Tanga nehmen, mit einem Koffer voller beliebiger Papiere. Theaterprospekte. Aber zwischen den Zeilen stand anderes, mit Wasser geschrieben, wissen Sie, mit unsichtbarer Tinte. Diesen Koffer brachte ich nach Lissabon. Das war mein erster Auftrag. Ich strahlte und war sehr brav. Ja, brav wie die Unschuld.
Josephine Baker unterstützt die französischen und britischen Truppen in Nordafrika, indem sie vor ihnen auftritt und sie unterhält. Auch vor den amerikanischen Streitkräften. Allerdings stellt sie dafür die Bedingung, dass die Rassentrennung im Publikum aufgehoben wird. Schwarze und Weiße sollen nebeneinander sitzen dürfen. Denn »wichtig ist zu beweisen, dass in der amerikanischen Armee Weiße und Farbige gleich sind«.
Andernfalls wäre es nicht der Mühe wert, gegen Hitler zu kämpfen. Der Star setzt sich durch, sodass alle Soldaten unabhängig von ihrer Hautfarbe gemeinsam nebeneinander im Publikum sitzen. Josephine Baker nutzt ihre Popularität.
Sie hat einen spezifischen Song gemacht.
Sie hatte einen besonderen Song mit bestimmten Codes, der für de Gaulle gedacht war. Es war eine Art geheimer Song, durch den sie Informationen weitergab, auf geheimem Weg, durch ihren Gesang, nicht durch den Text. Sie war im Kontradiktionskamp mit der französischen und amerikanischen Armee.
Mit der französischen und amerikanischen Armee erreichte sie ein Konzentrationslager. Wenn ich mich richtig erinnere, war sie in zwei KZs, Buchenwald und ein zweites nicht weit entfernt davon. Danach war sie in Berlin, Hamburg und Dresden, nicht mit dem Militär, mit anderen Leuten.
Sie hatte gelesen, dass diese Städte komplett zerstört waren durch den Krieg. Sie hatte die Orte vor dem Krieg gesehen. Und sie wollte wissen, was in Berlin los war, das sie aus den 20er und 30er Jahren kannte. Und auch Hamburg und Dresden.
Josephine Baker war gerade von einer Unterleibsoperation und ihren schweren Folgen genesen, meldet sich aber, um vor dem befreiten Gefangenen aufzutreten. »Ja, Lieder haben eine Seele. Man muss ihnen eine Seele geben und sie nähren. Nur so werden sie wertvoll. Manchmal aber macht die Seele, dass die Lieder einem im Hals stecken bleiben.«
Als ich zum Kriegsende in Deutschland war und dort die KZs befreit wurden, suchte der Generalstab Freiwillige für einen Auftritt in einem der schrecklichsten Todeslager, in dem gerade das Fleckfieber grassierte. Solange die unglücklichen Insassen, Halbtote, Skelette, vor Fieber glühende Gespenster nicht transportfähig waren, musste man versuchen, sie abzulenken, ihnen wieder Hoffnung zu geben, Trost oder sie mit Hoffnung überhaupt erst zu retten. Ich meldete mich im Rahmen meiner Mission.
Denken Sie nur, als sie erfuhren, dass ihre Befreier kamen, hatten sich Dutzende dieser Deportierten aus aller Herren Länder, soweit sie konnten, an den Stacheldraht der Lager geschleppt, hatten sich dort festgeklammert, waren dort gestorben, am Ende ihrer Kräfte, auf den Knien, mit zerfetzten Händen und aufgerissenen Augen. Die anderen warteten. Sie konnten sich nicht rühren, die meisten waren dem Tode geweiht. Nie habe ich etwas Abscheulicheres gesehen.
Ich wusste, dass es für die meisten keine Hoffnung mehr gab. Das KZ lag in einem kleinen, von Bäumen umstandenen Tal, mitten im Grün. Keiner wusste. Keiner konnte wissen, dass es da war. Die Leute aus der Gegend erklärten, sie hätten nie davon gewusst. Aber die elenden, todgeweihten Deportierten waren da. Als ich kam, lagen sie auf Brettern. Trotzdem lächelten sie. Zumindest versuchten sie es.
Um ihren mageren Arm trugen sie eine Binde mit dem Lothringer Kreuz der Résistance. Mich wirkten die Tränen in der Kehle, aber ich wollte nicht weinen. Ich las Daten, Namen, Sprüche auf den Brettern. Namen armer Verstorbener am Bettrand der Lebenden. Ich musste lächeln, ich musste singen. Halblaut sang ich ihn dans mon village, als würde ich für jeden von ihnen singen. Von Gruppe zu Gruppe, in allen Baracken.
Das Lied blieb mir im Hals stecken. Das Lied blieb mir im Hals stecken.
Bereits 1945 tritt sie in Berlin wieder auf. Der Galaabend fand im Kammergericht statt, zwischen Ruinen und Ratten. Berlin sah schrecklich aus.
Die breiten Straßen, Gärten und Denkmäler waren nicht wiederzuerkennen. Alles war zerstört. Überall nur Einschusslöcher, herabgestützte Steine, herumliegende Stahlteile. Auch das Kammergericht war teilweise beschädigt. Große Projektoren sorgten für die Beleuchtung. Es sah aus, als würde das, was von dem Gebäude übrig geblieben war, Stück für Stück verbrennen und sich verzehren. Es schien zu glühen.
Wir machten in vielen zerstörten und nicht wiederzuerkennenden deutschen Städten halt. Karlsruhe, Stuttgart, Hamburg, die Wüste von Hamburg. In einem Bereich des Hafens lagerten hunderte, tausende von Glocken aus ganz Deutschland geraubt. Glocken, die früher in den Dörfern das Angelus läuteten.
Für ihren Einsatz im Krieg wird Josephine Baker mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhält sie 1946 die Medaille des Freien Frankreichs. Und 1961 wird sie auf ihrem Schloss zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und mit dem Croix de Guerre geehrt. Sie warnt sich auf den Boden und die Mäuse auf den Brunnen. Sie machte so viel.
Und wenn ihr nicht zu müde seid, Seid ihr müde? Seid ihr müde? Zeigt es mir.
Ich schicke euch eine Botschaft der Liebe. Ich mag nicht, was gerade geschieht. Ich denke an Vietnam, an Biafra. Ich denke an Vietnam, an Biafra.
Winter 1945 in Paris. Die französische Hauptstadt ist von den Nationalsozialisten befreit, der Krieg beendet, die Not aber noch nicht. Josephine Baker geht zum Polizeipräfekten der Stadt und lässt sich Berechtigungskarten ausstellen, mit denen sie Lebensmittel kaufen kann. Die sind nicht für sie. Sie verteilt sie an Familien, die sie nötig haben.
Brian Bouillon Baker, eines der zwölf Adoptivkinder. Nach dem Krieg hatte sie sich verändert. Sie war nicht mehr dieselbe wie vor dem Krieg. Die Josephine der Roaring Twenties in Paris, Berlin, Budapest, in den USA, eine, die Spaß hat,
Sie war nicht mehr dieselbe. Nach dem Krieg war sie eine Frau mit Idealen, Überzeugungen, ohne Männer, nachdem sie sich von meinem Vater getrennt hatte. Keine Abenteuer mehr, keine Liebschaften.
Es war eine Art Mission, nicht nur die zwölf Kinder, sondern auch der Kampf für Bürgerrechte, universelle Brüderlichkeit überall auf der Welt. Amor d'amour c'est un color.
Josephine Baker muss auch Geld verdienen, ist sie doch während der Kriegsjahre meist unentgeltlich aufgetreten. Sie tourt durch Mexiko und reist weiter in die Staaten. Die Künstlerin hat, nach den Erfahrungen der letzten Reise, große Erwartungen. Doch die Realität enttäuscht erneut. Musik
Ich sprang also auf den Bahnsteig und merkte bald, dass sich alles verändert hat. Zum ersten Mal seit dem Beginn unserer Reise war die Trennung von Bürgern aufgrund ihrer Hautfarbe unübersehbar. Überall prangte das Gesetz des Südens. Zwei Aufschriften am Zug. Weiße, schwarze. Das war alles.
Aber es war mehr als ausreichend, um sich nicht wie die anderen zu fühlen. Sich bewusst zu werden, dass man hier nicht sagen konnte, sie wollen mich nicht, aber das Recht ist auf meiner Seite. Diese beiden Aufschriften bestätigen, dass man hier nur noch die Rechte besitzt, die sie einem zugestehen. Vor allem aber hat man kein Recht, sich mit den Weißen zu mischen. Es gibt zwei Wartehallen, zwei Gaststätten, zwei Toiletten. Und überall steht weiß, schwarz, weiß, schwarz.
Jeden Kontakt vermeiden, das ist das Wichtigste. Schauen wir mal. Ich betrete die Gaststätte mit der Aufschrift weiß. Was werden sie jetzt mit mir machen? Alle Tische sind besetzt. Ich steuere auf die Theke zu. Nicht zu lässig, nicht zu steif. Ich gehe zwischen den Tischen hindurch, als sei es die natürlichste Sache. Ich spüre, wie sie die Köpfe heben und die Gespräche verstummen. Ich lasse mich nicht beirren. Alle Augen sind auf mich geheftet.
Ich stehe jetzt an der Theke. Dahinter sind zwei Bedienungen beschäftigt. Ich hätte gerne zwei Sandwiches und ein Kilo Äpfel, sage ich. Die beiden sehen mich an. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich glaube sogar, dass ich lächle. Daraufhin reicht mir eine der beiden hastig, als wolle sie mich loswerden, die beiden Sandwiches, die Äpfel und nimmt das Geld entgegen. Ich gehe wieder auf demselben Weg hinaus. Kurz bevor ich den Ausgang erreiche, höre ich einen der Gäste rufen. »Muss wohl Fremd hier sein?«
Als würde er nach einer Ausrede dafür suchen, warum er sich nicht eingemischt hat. Anschließend betrete ich die Gaststätte für Schwarze. Ich bin überrascht, wie sich die Gäste hier verhalten, natürlich ausschließlich Schwarze. Ich hatte angenommen, zumindest ein paar der vielen schwarzen Gäste würden mir beifällig zulächeln oder komplizenhaft zwinkern. Tja, da hatte ich mich getäuscht. Ich sah nur Stirnrunzeln, Missbilligung und einige wirkten regelrecht bestürzt. Ich verstand überhaupt nichts mehr.
Trotz allem recht stolz auf mich, ging ich wieder zurück zu meinem Reisegefährten. In der Gaststätte hatte mich nur ein freundliches Paar Augen angeblickt. Und das gehörte einem armen, kahlen, schmutzigen Hund. Der Zug fuhr ab. Ich bat Jeff, mir das seltsame Verhalten der schwarzen Gäste zu erklären. »Miss Brown, Sie haben Ihnen Angst gemacht.« »Angst? Weil ich ein paar Äpfel an der Theke für Weiße gekauft habe? Weil man mich bedient hat und nichts Besonderes passiert ist? Es hätte auch anders ausgehen können.«
Einer der Gäste hätte einen Zwischenfall provozieren können. Man weiß nie, wie Zwischenfälle zwischen Weißen und Schwarzen ausgehen. No Jews, no dogs, no niggers. Im Jahr 1948, nach dem Krieg und seinen nie dagewesenen Grausamkeiten, nach so viel Elend, da zerreißt einem dieser Spruch das Herz. Und er versetzt mich in Wut. Sagen Sie mir einmal, was haben wir denn gemacht?
Ich wollte im Krieg dienen, gegen die Deutschen, wegen ihrer Rassenpolitik. Und ihre Politik finde ich nun bei denjenigen wieder, die sie angeblich bekämpfen wollten. Die Französin Josephine Baker kann, im Gegensatz zu den meisten anderen Schwarzen in den Staaten, das Land verlassen.
Biografin Mona Horncastle. Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung war so ein bisschen ein Sonderfall und ein schwieriger Fall, weil wie Josephine Baker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika kommt und eben die Segregation wieder aufhebt im Publikum, ist sie der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung weit voraus. Weil, und das wurde ja dann auch immer zum Vorwurf gemacht, kannst du ja alles machen, aber du kannst ja auch wieder nach Europa reisen.
Wir müssen hier damit leben. Also sie haben ihr so ein bisschen eine Methode mit der Axt vorgeworfen, dass sie zu viel zu schnell, ohne ein Gefühl dafür zu haben, wie man das in Amerika auf einer langfristig tragbaren Ebene implementiert gesellschaftlich. Und da hatten sie auch recht.
Josephine Baker ist 26 aus Amerika weg und war dann immer mal wieder dort, aber nur als Superstar. Dass sie dann in Hotels als Gast abgelehnt wurde, dass sie die Hintereingänge benutzen musste, das war ein Luxusproblem. Das hatte nichts damit zu tun, mit was die schwarze Bevölkerung sonst zu kämpfen hatte. Und darum war sie nicht wohl gelitten.
in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eine ganze Zeit, aber eben auch, weil sie ein paar Schritte voraus war. Sie hat einfach europäische Ideale mit nach Amerika gebracht und die haben dort nicht funktioniert. Josephine Baker kehrt nach Frankreich zurück, begleitet von ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Schwager, denen sie auf Le Mieland ein besseres Leben bieten möchte. Dafür braucht die Künstlerin Geld und tourt auch durch Deutschland.
In Hamburg ist der Reporter 1950 begeistert von ihr. Da steht diese Frau mit diesem unwahrscheinlichen Temperament im Blitzlicht der Fotografen. Sie hat zwei Stunden hier die Hamburger mitgerissen und das will was heißen. Dieses Temperament, das schon unsere Väter mitgerissen hat vor 20 Jahren.
Verzeihen Sie, Madame, jetzt müssen Sie einen Augenblick mir zur Verfügung stehen in einem Interview. Sie verstehen ja etwas Deutsch, das habe ich vorhin ganz genau, als Sie sangen, Wien, Wien, nur du, allein gemerkt. Sagen Sie, war das nicht großartig, dieser Erfolg hier in Deutschland? Sie muss langsam, langsam sprechen, weil ich kann nicht so viel. Ein, zwei, drei, wird das fertig. Ja, das genügt aber auch. Ich werde also versuchen, ganz langsam zu sprechen, Madame. Ja, bitte.
Was ist das für ein Erfolg? Erfolg, Succes! Oh, aber ihr habt nicht gehört? Das war wunderbar!
Das hat Ihnen gefallen? Ja, das sind Sie. Das muss man Ihnen bestätigen. Sie sind ja schon einige Tage in Deutschland. Ja, nein, nein. Einige Tage hier in Hamburg. Aber in Deutschland sind Sie schon länger. 15 Tage. Ja, ja, ja, das ist wahr. Das ist etwas schwer, sich zu verstehen. Sagen Sie, wohin werden Sie noch gehen?
Wir gehen nach Holstein, Hannover, Baden-Baden, Berlin. Josephine Baker hat sich verändert. Aus der jungen Frau, die tänzerisch Afrika verkörpern sollte, ist eine herausragende Sängerin geworden.
Was finde ich total unterschätzt ist, sie hat ja als Tänzerin, Comedian, wenn man es im weitesten Sinne so nennen möchte, angefangen. Und diese ganze Gesangskunst hat sie ja später mal nebenbei noch entwickelt. Und sie war am Ende ihrer Karriere eine fantastische Interpretin, eine wunderbare Sängerin, in so vielen Sprachen hat sie gesungen. Und ich betrachte sie tatsächlich eher als diese wahnsinnig begabte, vielseitig Gesangskunst.
Dabei war Josephine Baker nie nur Sängerin, Tänzerin, Geschäftsfrau.
Sie hat den Aktivismus von hinten durchs Nadelöhr vielleicht auf die Bühne gebracht, aber sie hat nie dem Publikum belehrend irgendetwas erzählt. Das Publikum ist am Ende ganz fröhlich, gut gelaunt, Josephine Baker, die schwarze Frau, liebend aus dem Theater gegangen. Und ich finde, das ist ein ganz toller Ansatz auch für die Kultur-
Heute, natürlich müssen wir bestimmte Dinge auch zeitkritisch hinterfragen und auch darstellen. Aber wenn wir, das ist so meine Überzeugung, wenn man zu sehr immer in die Konfrontation geht und nicht sagt für das Publikum, wir möchten was Schönes, was Gemeinsames schaffen, dann erreicht man, glaube ich, nicht so viel, als wenn man eben alle, alle einlädt, am Diskurs teilzuhaben. Und ich finde, das hat sie wahnsinnig toll ihr ganzes Leben lang getan.
1950 kündigt der niederländische Entertainer Lou van Bourgh die Künstlerin in Berlin im Maison de France an. Und jetzt, meine Damen und Herren, diejenigen, die Sie alle erwartet haben, große internationale Star, Josephine Bacquet. Danke, danke, danke. Und jetzt bitte schön, ein alter Freund, La Petite Tonquinoise. Danke.
* Sie singt. *
Sie kann mehr besser, bitte.
Danke schön, ja. Danke schön, oui, merci, mesdames, parce que les messieurs sont fatigués. Ja, das...
Mitternacht ist schon vorbei und im vierten Stock in der Bar des Maison de France am Kurfürstendamm in Berlin ist so etwas ähnliches wie ein Hexensabbat ausgebrochen. Josephine Baker treibt hier ihr Wesen, denn Unwesen kann man wirklich nicht sagen. Nachdem sie ein paar ihrer Lieder gesungen hat, hat sie jetzt zehn Ehemänner von den Zuschauern aufs Parkett gelockt.
Sie hat in Ballettröckchen umgebunden. Jetzt müssen die Armen sich auch noch die Hosen hochkrempeln, sodass man die scheußlichen Sockenhalter sieht. Und sie hat angekündigt, sie würde jetzt diesen Männern Ballettunterricht geben. Man kann Studien dabei betreiben. Das heißt, Männer warten Studien, wenn sie sich darunter etwas vorstellen können. Eins, zwei und drei. Halt, jetzt!
Und jetzt wird aufgefordert, im Chor La Petite Enquinoise zu singen. Dazu, und schade, dass Sie das nicht sehen können, müssen die zehn verkleideten Männer auf dem kleinen Parkett, die im Gänsemarsch auf- und abrennen. Das Ganze sieht aus wie eine Kindergesellschaft. Er spricht mir in den Armen, er spricht mir ganz unten.
Kuratorin Ines Hahn im Archiv des Berliner Stadtmuseums betont, Da ist so eine unbändige Freude, die andere auch mitreißt. Das sehe ich in den Bildern. Die andere Seite der Josephine Baker, das wirklich Private, kennen wir nicht. Das bleibt hinter den Bildern, die für die Öffentlichkeit gemacht sind, verborgen. Den Kampf um Menschenrechte und Gleichberechtigung verliert die Künstlerin nicht aus den Augen.
In den USA finden fragwürdige Prozesse gegen Schwarze statt. Der Afroamerikaner Willie McGee wird 1945 wegen angeblicher Vergewaltigung einer weißen Frau zum Tode verurteilt. Der Fall erfährt weltweit Beachtung. Albert Einstein, William Faulkner und Josephine Baker setzen sich für seine Begnadigung ein. Umsonst. 1951 wird Willie McGee hingerichtet.
Am Tag seiner Hinrichtung tritt Josephine Baker in Detroit auf. Sie eröffnet das Konzert mit den Worten Sie haben Willie McGee getötet, ein von meinen Leuten. Mit ihm ist in jedem Schwarzen ein Stück gestorben. Andere in ebenfalls fragwürdigen Prozessen zum Tode verurteilte People of Color besucht die Künstlerin im Gefängnis.
Das FBI legt eine Akte über Josephine Baker an. Ihr Visum wird vorzeitig beendet. Sie kann nicht mehr in die USA einreisen. Die Künstlerin verlegt ihren Kampf gegen Rassismus in ihren privaten Bereich.
Sie kann selber keine Kinder bekommen und beschließt, mittlerweile mit Joe Bouillon verheiratet, Kinder zu adoptieren. Sie wollte eine große Familie haben mit vielen Kindern, aber sie konnte keine bekommen. Sie war natürlich enttäuscht, aber sie sagte, egal, ich werde Kinder adoptieren, denn ich möchte viele Kinder in allen Hautfarben haben.
Und diese Regenbogenfamilie wird ein kleines Beispiel sein. Sie wird meine kleine Version der Vereinten Nationen sein und der großen UN in New York zeigen, dass es möglich ist, zusammenzuleben. Erzählt der Adoptivsohn Brian Bouillon Baker im Pariser Theater des Champs-Élysées.
Biografin Mona Horncastle. Sie war verheiratet, sie war glücklich verheiratet und sie wollte Kinder. Und es war für sie jetzt relativ naheliegend zu sagen, dann adoptiere ich doch welche. Aber ein völliger Wahnsinn, wenn wir uns das mal anschauen. Das war Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre. Da hat noch niemand gedacht...
Ich kann doch Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen retten und ihnen ein besseres Leben ermöglichen, weil ich bin Josephine Baker oder ich bin Angelina Jolie oder ich bin Madonna. Also in dieser Vorbildfunktion wurde Josephine Baker ja auch häufig kopiert.
Heutzutage wird das aber auch alles mit ganz anderem pädagogischem Wissen betrieben. Das Leben der Regenbogenfamilie soll im Schloss Le Milant an der Dordogne seinen Mittelpunkt haben. 1947 hat Josephine Baker schließlich das Schloss gekauft und versucht es zu vermarkten. Man muss sich vorstellen, das ist die Dordogne, das ist Le Milant, das liegt nicht am Nabel der Welt.
Infrastruktur gibt es nicht in der Region. Josephine Baker kommt, kauft dieses Schloss, was sie erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Übrigen gemacht hat, vorher war es gemietet. Nichtsdestotrotz, das ist natürlich enorm kostenaufwendig, so ein Schloss. Aber sie hat eine Idee.
Sie baut sich ihre Bühne drumherum. Dass da jetzt nicht nur ein Wachsfigurenkabinett mit ihrem eigenen Leben im Schloss ist, was die Leute besichtigen können gegen Geld. Dass da ein afrikanisches Dorf aufgebaut wird. Ganz so wie viele Jahre vorher auf den Weltausstellungen. Kann man sehen, wie man möchte. Dass das aber ein verdammt gut besuchter Amusement Park war.
Woher hatte sie denn die Idee? Wer hat das denn damals so gemacht? Das war schon echt visionär. Und für die Bevölkerung dort war das fantastisch. Da gab es plötzlich eine Schule, da gab es plötzlich Strom, da gab es plötzlich eine Tankstelle, da gab es plötzlich eine Infrastruktur, die funktioniert hat, weil Josephine Baker hat den Tourismus dorthin gebracht und Josephine Baker hat auch sehr viel bezahlt für den Aufbau.
Und das Geld muss ja irgendwie wieder in die Familienkasse kommen. 1954 tritt Josephine Baker in der Schlagerparade auf, unter der Regie von Eric Ode, der später als der Kommissar bekannt werden soll.
Eine nervöse Reporterin trifft sie dort zum Interview. Ich habe gehört, dass Sie sechs kleine Kinder adoptiert haben. Ja, das ist genau so. Ja, ich habe sechs kleine Kinder, Frau. Und diese menschliche Wärme, die hat wohl auch Josephine Baker veranlasst, sechs kleine Kinder, sechs Vollwaisen zu adoptieren. Welche Wünsche haben Sie für Ihre Schwester gemacht?
Josephine Baker hat sechs Waisen aus verschiedenen Erdteilen adoptiert, und zwar, weil sie die Demokratie im wahrsten Sinne des Wortes symbolisch darstellen will. Die Kinder von Frau Baker gehören der Welt.
Nur eine Rasse an, wie sie uns eben sagte, wenn sie auch vielleicht eine gelbe, eine rote, eine weiße Hautfarbe haben. Und so haben zwei kleine Japaner, ein Südafrikaner, zwei Franzosen, ein jüdisches Baby und ein kleiner Indianer die Heimat in dem Haus in Südfrankreich von Frau Becker gefunden. Musik
1957 wird ein Junge namens Brahim in Algerien geboren. Josephine Baker adoptiert ihn im Alter von sechs Monaten. Seine Eltern sind im Algerienkrieg gestorben und er ist im Waisenheim untergekommen. Josephine Baker, so erzählt es Brian Bouillon Baker, betrat das Zimmer, in dem er lag, um dort ein Mädchen abzuholen. Er habe sie angeschaut und angelächelt. Dann nahm sie ihn gleich auch mit und nennt ihn fortan Brian.
Brian Bouillon-Baker kennt den Vorwurf, der seiner Mutter gemacht wurde.
dass sie falsche Angaben zu den Nationalitäten der Kinder gemacht habe, dass sie falsche Zuschreibungen gemacht hat, um eine Vielfalt der Herkunftsländer zu erhalten. Sie stimmten in allen Fällen.
Bis auf einen. Bei meinem Bruder Mois, auf Englisch heißt es Moses, auf Jüdisch Mosche. Mois stellte sie als Israeli vor. Tatsächlich aber wurde Mois in der Nähe von Paris geboren, in Clichy. Von einer sehr jungen jüdischen Frau, die ihn in einem Waisenhaus abgab. Und Josephine dachte, ich nehme ihn und sage, er käme aus Israel.
Also er war Jude und sie sagte immer, er sei aus Israel. Brian Bouillon Baker wächst im Schloss in Frankreich auf, mit neun Brüdern und zwei Schwestern. Mit Papageien, Tukanen, Pfauen, Katzen, Hunden und Affen im Garten und mit einem Wachsfigurenmuseum, das Stationen aus dem Leben seiner Mutter zeigt.
Etwas weniger als die Hälfte des Jahres, so erzählt er, war die Mutter unterwegs, um Geld zu verdienen. Mehr als die Hälfte verbrachte sie zusammen mit ihrem Mann und den Kindern im Schloss. Sie konnte verärgert sein. Wenn wir im Schloss etwas anstellten oder in Paris oder in Monaco, oh ja, sie konnte verärgert sein. Sie hatte einen starken Charakter. Sie konnte sagen, du wirst bestraft.
Fernsehverbot für eine Woche. Kein Taschengeld für eine Woche oder einen Monat. Spielverbot im Park. Und wir hatten einen amerikanischen Onkel. Und wenn wir uns nicht gut benahmen, dann nahm er seinen Gürtel und BAM! Er sagte, zieh dein Shirt aus. Und meine Mutter verhinderte das nicht.
Wenn wir Sachen angestellt haben, zum Beispiel mit dem Fußball den Spiegel einschlagen oder mit Schlamm die kostbaren iranischen Teppiche verdrecken, und wenn sie dann fragte, wer das war, wir waren mehr Jungen als Mädchen, dann sagten wir, ich war es nicht, ich war es nicht, ich war es nicht, es war niemand. Ich weiß, dass nicht ihr alle es wart, aber es war einer von euch und ich will wissen, wer. Wir wissen es nicht, wir wissen es nicht.
Okay, also werdet ihr alle zusammen kollektiv bestraft. Für alle kein Fernsehen, für alle drei Wochen kein Taschengeld, Spielverbot im Park, für alle. Also, wer war's? Keiner? Strafe für alle. Aber einmal spielte ich Verstecken im Schloss.
und ich habe mich in der Nähe einer Tür versteckt, die halb geöffnet war. Und ich hörte meine Mutter zu Freunden sagen, gestern hat eines meiner Kinder den Kristallspiegel kaputt gemacht. Es war unmöglich herauszufinden, wer es war.
Also wurden sie alle bestraft. Aber meine Freunde. Im Grunde bin ich glücklich und froh zu sehen, wie solidarisch sie sind. Ich denke, meine Regenbogenfamilie funktioniert wie eine richtige Familie. Und meine Idee geht auf. Im Laufe der nächsten Jahre verkündet Josephine Baker immer wieder, ihren Beruf aufzugeben, um sich nur noch um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern.
Ja.
Sie sagt, natürlich, vor zweieinhalb Jahren habe ich Ihnen hier in Ihrem Mikrofon in Berlin gesagt, für mich ist nun endgültig Schluss mit der Bühne. Aber Sie müssen immerhin bedenken, ich habe neun Kinder, die Regenbogenfamilie, neun Kinder aus vielen, vielen Staaten der Welt, die ich in Frankreich auf meiner Musterfarm aufziehe. Und für die muss ich schließlich sorgen und für die fahre ich durch die Welt. Denn schließlich muss sie Geld verdienen. Für sich, ihre Familie aus den Staaten, für ihre Kinder.
Musik
Das heißt, es zieht sich immer wieder durch, dass sie Abschied nimmt und immer wieder kommt. Biografin Mona Horncastle sieht Josephine Bakers Umgang mit der Regenbogenfamilie kritischer. Josephine Baker hatte keine Ahnung und die hatte ein sehr großes Herz. Und sie hätte vielleicht beim fünften Kind auch einfach aufhören sollen und nicht zwölf Strauß machen. Weil A war sie nie da, sie musste Geld verdienen. B zwölf Kinder.
Wie viel Aufmerksamkeit kann man selbst, wenn man anwesend ist, da noch jedem Kind schenken, was aus einer anderen Kultur kommt, schlimme Traumata mit sich trägt und so weiter und so fort. Also das aufzufangen war schon ob der Zahl einfach nicht möglich. Da hat sie ihre Ideale sehr weit gestretched, wahrscheinlich nicht ganz zum Wohle der Kinder.
Und dann kam noch eine andere Sache dazu, dass Josephine Becker mit ihrer Regenbogenfamilie ein Exempel statuieren wollte. Um ein Exempel zu statuieren, braucht man Publikum.
Wenn sie das alleine auf ihrem Schloss mit ihrem Mann privat gemacht hätte, dann hätte das keine Außenwirkung entfaltet. Was bedeutet hat, dass jedes Mal, wenn Josephine Baker von einer Konzertreise zurückkam, auch die Kameraleute, die Journalisten, die Fotografen da standen, die Kinder alle gleich angezogen wurden und ihren Auftritt hatten vor der Presse. Da wurde dann...
die heile Familienwelt der Öffentlichkeit vorgeführt. Der Grundgedanke war ja kein schlechter. Ihr Grundgedanke einer humanistischen Welt. Sie schreibt ein Buch mit dem Titel »Die Regenbogenfamilie«, das sie auch in Deutschland vorstellt. Vorher besucht sie Schüler einer Grundschule in Frankfurt, die sie begrüßen.
Liebe Tante Josefin, wir danken dir, dass du gekommen bist. Wir hörten von der Lehrerin, dass du die Kinder lieb gewonnen hast. Ganz gleich, ob klug
Du erinnerst mich an meine Kinder, weil, naja, du bist auch meine Kinder.
Der Grundgedanke einer humanistischen Gesellschaft ohne Rassismus, ohne Antisemitismus treibt Josephine Baker unentwegt an. Der Verband für Freiheit und Menschenrechte e.V. lädt sie 1957 ein, in der Frankfurter Paulskirche eine Rede zu halten.
Die Aktivistin Baker spricht dort über Little Rock, einen Ort in den USA mit besonderer Geschichte. 1954 hatte der oberste Gerichtshof getrennte Schulen für Weiße und Schwarze in den Staaten für illegal erklärt. Die Umsetzung dieses Beschlusses ließ an manchen Schulen aber auf sich warten. Drei Jahre nach dem Beschluss sind 1200 Soldaten notwendig, um neun afroamerikanischen Jugendlichen den Zugang zur Schule zu ermöglichen.
Diese Geschichte erzählt sie und sie berichtet von ihren eigenen Erfahrungen als Schwarze in den USA und in Europa. Und sie nutzt die Reisen nach Deutschland auch für Auftritte.
Ines Hahn blickt auf die Fotos des Revue-Stars aus dieser Zeit. Bilder aus ihrer Garderobe, Bilder von der Bühne. Also das Auftreten des Stars als historische Figur funktioniert ja nur, wenn viele Leute von der Person erfahren. Und da sind die Medien ganz wichtig. Und ein Medium ist die Fotografie, die Illustrierten, die Presse. Leute, die die Person noch nie selbst gesehen haben, wissen von ihr, ja.
Und die Bilder, die wir hier vor uns haben, die bedingen das Bild, was die Menschen von der Person haben. Also was sie von ihr denken. Sie ist ein Star, sie kommt aus ganz einfachen Verhältnissen, sie hat es geschafft, sie ist eine Aktivistin. Eine Aktivistin, die auf Einladung des Auswärtigen Amtes durch Deutschland reist.
und auf einer Veranstaltung des Bundes der Verfolgten des Naziregimes auftritt.
Es ist wahr, dass es manchmal das Gegenteil ist.
Es stimmt, dass es manchmal genau das Gegenteil ist. Wir können nun heute wieder miteinander sprechen und wir können auch sogar lachen. Denn Sie wissen, dass das Lachen eine sehr wichtige Sache in der Welt ist. Und wenn es einmal verstummt ist, dann sind die Zeiten mehr als unangenehm.
Man muss lieben, mit viel Toleranz. Man muss wieder nach Berlin gehen. Und heute bin ich hier, bei Ihnen. Ich bin hier, weil ich weiß, dass es nicht mehr das Gleiche ist. Ich weiß, dass es jetzt eine Erkrankung gibt. Eine enorme Erkrankung hier in Deutschland. Eine absolute Erkrankung der Fraternität.
Während des Krieges bin ich mit vielen Leuten zusammengekommen, während ich in verschiedenen Ländern reiste, die auch aus Deutschland kamen. Sie reisten umher, weil sie verstoßen waren, weil sie geflohen waren, weil sie den Konzentrationslagern aus dem Wege gingen. Und ich habe viel mit ihnen gesprochen und habe von ihrer Mentalität gehört. Viele...
verachteten ihre Landsleute, viele hatten Rache-Gedanken und wollten unbedingt, dass ihren Peinigern das Gleiche getan werde, was ihnen selbst getan wurde. Jetzt bin ich erst in Polen gewesen und habe dort Mütter gesehen und Kinder gesehen und habe die Konzentrationslager gesehen, die während des Krieges dort eingerichtet worden sind.
Und zu all dem habe ich mich gefragt: Ist es möglich, dass ein zivilisiertes Volk so untereinander handelt, dass es keine Liebe mehr kennt, dass keine Brüderlichkeit mehr herrscht? Und der einzige Ausweg, der mir zu bleiben scheint, das ist eben die Liebe mit Duldsamkeit. Wir müssen tolerant sein untereinander und deswegen bin ich zurückgekommen nach Deutschland.
obwohl sein Ruf in der ganzen Welt verpönt geworden ist. Und ich habe hier wieder entdeckt eine Neugeburt des Gefühls der Brüderlichkeit und der Freundschaft der Menschen untereinander. Ja, Sir, that's my baby. No, Sir, I don't mean maybe. Ja, Sir, that's my baby now.
Den Rhythmus, einen großen Teil des Jahres auf ausgedehnten Tourneen Geld zu verdienen, um das Schloss und die zwölf Kinder zu unterhalten, behält Josephine Baker auch mit über 50 Jahren bei. Manchmal nimmt sie einige ihrer Adoptivkinder mit.
Brian Bouillon Baker? Wir reisten nach Kuba, Jugoslawien, Elfenbeinküste, Brasilien, Japan, Israel auch. Später kamen noch viele Einladungen nach Dänemark und Schweden, Finnland auch. Aber meistens war es England, Italien, Spanien. Spanien auch.
Bei ihren Konzerten schafft sie es, einen besonderen Kontakt aufzunehmen zu ihren Besucherinnen und Besuchern. Ines Hahn hat ein sehr schönes Foto in der Hand, das die gute Beziehung zwischen dem Star und seinem Publikum belegt. Also wir sehen hier eine Szene auf der Bühne. Sie beugt sich ganz tief runter zu einem alten Mann. Beide lachen, ja. Und ich lese mal den Pressetext dazu vor, ja.
Man soll nie Lebewohl sagen. Wie oft kann ein Mädchen Lebewohl sagen, das fragt man sich wegen Josephine Baker. Zweimal hat sie gesagt, sie wird ihr letztes Auftreten in Stockholm haben. Jetzt ist sie wieder in Schweden. Es ist wieder eine...
Abschiedsvorstellung, aber man weiß nie, ob es wirklich so ist. Wer sich des ersten Auftretens der Josefin Baker entsinnt, muss sagen, dass sie sich sehr entwickelt hat. Zuerst trug sie fast gar nichts, jetzt hat sie 16 Kleider. Das Bild zeigt, der 70-jährige Rechtsanwalt Petrus Bolzius hat abgeworfen,
38 Jahre gewartet, um dies zu tun. Er sah Josephine Baker zuerst, als sie 22 Jahre alt war. Er hat 15 Vorstellungen besucht, in denen sie auftrat. Jetzt hat er seinen Kuss von ihr bekommen. Das ist jemand, der sie noch aus der Vorkriegszeit kennt. Auf dem langen Tisch im Berliner Stadtarchiv liegen viele Fotos. Josephine Baker mit Blumenstrauß empfangen am Flughafen Tempelhof.
Josephine Baker, die im Berliner Zoo an eine ganze Schar von kleinen Kindern Kakao und Kuchen verteilt. Und oft hat Josephine Baker auch andere Stars auf den Fotos neben sich. Wieder Anna Gangway, also der Star wird in Empfang genommen von der Stadt.
In Düsseldorf. In Düsseldorf gab es eine große Show mit internationalen Stars. Die werden hier auch aufgelistet. Heinz Erhard, Billy Moe. Und auch der berühmte Trompeter Louis Armstrong. Und während der Blick von Ines Hahn über die ganzen Fotos schweift, macht sie eine Entdeckung. Gilbert Bicot. Das ist Gilbert Bicot.
Und offenbar in einer Garderobe. Man sieht einen Spiegel, man sieht, dass die Garderobe relativ einfach ist. Also da ist kein Prunk. Auf der Showbühne glitzert es und die Garderobe ist ganz einfach und sie hat einen Bademantel an und er neigt sich zu ihr und sie fasst ihn am Hals und...
Entweder flüstert sie ihm was ins Ohr oder es gibt so ein Backenbussi. Es ist eine sehr schöne, lebendige Szene. Der internationale Revue-Star Baker war nicht nur in Europa und in Westdeutschland unterwegs. Sie war auch in Ostberlin im Friedrichstadtpalast.
Ja, das ist sicherlich für die DDR auch wichtig gewesen, so eine Identifikationsfigur zu haben, die sich für die Rechten der Schwarzen einsetzt. Und da war sie natürlich gut empfangen. Und dann als Star, der nicht nur politische Botschaften hat, sondern auch
diese auch gut vermitteln kann, weil sie populär ist durch ihre Kunst. Das ist gut gewesen. Die Aktivistin Josephine Baker arbeitet weiter an einer besseren Welt, hält Vorträge weltweit und erfährt schließlich für ihr Engagement sogar in den Staatenehrungen. Seit 1953 gibt es einen Josephine Baker Day in New York.
Das wurde ihr zu Ehren dann mal eingerichtet, weil man schon gesehen hat, dass man, wenn man auf Josephine Bakers Stimme verzichtet, dann verzichtet man auf eine ziemlich laute Stimme in diesem Kampf. Also ohne ins Detail gehen zu wollen, aber da gab es einige Kämpfe und einige Rivalitäten und problematische Situationen.
Und als Martin Luther King dann sie einlädt, bei March on Washington zu sprechen, da musste erstmal wieder eine Einreisesperre aufgehoben werden, weil sie als Kommunistin verfolgt wurde. Also die FBI-Akte von Josephine Baker, die ist eine biografische Quelle, die ist wirklich faszinierend und sagt sehr viel aus über diese Zeit. Musik
Josephine Baker ist auch der große Revue-Star, der pro Show bis zu zehn Kostüme mit sich führt. Aufwendige Kleider mit Schleppe, Boa, Diademen, armlangen Handschuhen, Federkopfschmuck. Die Medien und die Künstlerin selber verbreiten das Bild einer ewig glücklichen Frau. Offen, selbstsicher.
Ihre Kinder erleben aber auch eine andere Josephine Baker, jenseits der Scheinwerferlanden. Sie schien immer zu lächeln, aber sie war auch anders. Zwei Jahre bevor sie das Schloss verließ, als sie von den Reisen zurückkam und dachte, die Situation ist kompliziert, hat sie nicht viel gelächelt.
Wir konnten sehen, dass sie müde war, besorgt und dass das nicht die Josephine Baker ist, die die Öffentlichkeit zu sehen bekam. Sie war eine Frau mit finanziellen Problemen und auch gesundheitlichen Problemen, denn sie hatte zwei Herzanfälle.
Wir kannten auch die andere Josephine. Denn 1968 ist der Traum von einem Leben mit einer Regenbogenfamilie auf einem Schloss endgültig geplatzt. Von ihrem Mann Joe Bouillon ist sie schon längst getrennt. Nun ist sie auch noch pleite.
Selbst ein Spendenaufruf von Brigitte Bardot kann nicht verhindern, dass sie und ihre Familie das Schloss verlassen müssen. Erst am Ende, als sie komplett ruiniert war, wurde sie gefilmt und da konnte die Öffentlichkeit sehen, wie sie sagte, es ist fürchterlich. Ich verliere nicht nur das Schloss, sondern auch den Ort, das Dorf für meine Kinder. 1969 wird Josephine Baker auf den Stufen ihres Schlosses fotografiert.
Es ist ein eindringliches Bild. Der Star sitzt auf den Eingangsstufen, die Beine in eine Decke gehüllt, auf dem Schoß eine Katze, die Haare unter einer Art von Haube versteckt. Die Augen sind von einer schwarzen Sonnenbrille verdeckt, dem Mund ist jedes Lächeln vergangen. Neben sich hat der Weltstar eine große Tasche stehen, als wäre darin ihre letzte Habe. Inszenierung? Schnappschuss?
Egal. Für Brian Bouillon Baker ein sehr wichtiges Foto. Das ist das Drama ihres Lebens.
Nach der Aufnahme hatte sie einen Herzanfall. Das Foto war in vielen Magazinen, auch im Paris Match. Das Bild zeigt Ruin, rausgeschmissen werden, Müdigkeit, Einsamkeit. Es zeigt das Scheitern eines Traums, einer Idee. Es zeigt das Drama ihres Lebens. Wohin mit allen?
Fürstin Grazia Patrizia lädt sie nach Monaco ein. Und Josephine Baker muss wieder auftreten, gibt Gastspiele, ist auf Galaabenden zu sehen, mit 61 Jahren. 1975 möchte die große Künstlerin es noch einmal allen zeigen. Drei Monate lang möchte sie jeden Abend im Pariser Bobineau auftreten und in einer Revue ihr Leben Revue passieren lassen. In Paris, in der Chance,
Schon während der Proben erleidet die 68-Jährige Schwächeanfälle. Doch bei der Vorpremiere am 8. April 1975 schreitet sie gekonnt eine glitzernde Showtreppe hinab, schwingt die Hüften und singt. Sie beendet ihren Auftritt mit den Worten Good night, ladies and gentlemen, buenas eras, buenas noches, shalom, salam.
Vier Tage später ist sie tot, gestorben an einem Schlaganfall. 20.000 Menschen begleiten ihren Trauerzug, der mit militärischen Ehren durch Paris führt. Damit könnte die lange Nacht über Josephine Baker enden. Doch die Geschichte über Josephine Baker schreibt sich fort bis in die jüngste Vergangenheit.
2019 wird sie mit einer Bronzentafel auf dem Rainbow Honor Walk in San Francisco für ihre Verdienste für die LGBTQ-Community geehrt. 2021 erfährt sie ihre größte Ehrung. Sie wird in die Ruhmeshalle Frankreichs aufgenommen, in dem Panthéon. Hier werden Menschen begraben, denen Frankreich viel zu verdanken hat.
Der Panthéon ist ein imposanter Kuppelbau, der schon von Weitem zu sehen ist. Eine breite Treppe führt hinein. Am Ende der Halle geht es hinab in eine schlichte Krypta. Dutzende Politiker, Kulturschaffende, Philosophen liegen hier. Marie Curie, Jean-Jacques Rousseau, Victor Hugo und, nahe bei der Politikerin Simone Weil, Josephine Baker.
Es ist eine symbolische Grabstätte. In dem Sarg in Paris befindet sich Erde. Erde von den Plätzen, an denen sie gelebt hat. St. Louis, Paris, Le Mieland und Monaco. Denn, so hatten es die noch lebenden Adoptivkinder gemeinsam entschieden, der Leichnam von Josephine Baker sollte nicht umgebettet werden.
Brian Bouillon Baker hat sich stark dafür eingesetzt, dass seine Mutter als erste schwarze Frau pantonisiert wird und geehrt. Präsident Emmanuel Macron würdigte Brians Mutter in einer großen Zeremonie für ihre Dienste für Frankreich und als Kämpferin für die Freiheit. Tausende begleiteten den Zug durch die Straßen von Paris. Was ich fühlte?
Vor allem stolz. Sie ist ein Beispiel der Welt zu zeigen, dass man nicht verzweifeln muss, dass man hoffen kann, auch wenn es Probleme gibt. Schritt für Schritt werden wir uns der universellen Brüderlichkeit annähern. Und ich glaube daran, auch wenn der Weg lang und kompliziert ist.
Was wussten die Adoptivkinder von dem wechselvollen und gefahrvollen Leben ihrer Mutter? Von ihrem Karrierestart in Paris der 1920er Jahre? Von ihrer Arbeit für den französischen Widerstand?
Hat Josephine Baker Ihnen davon erzählt? Nein, überhaupt nicht. Nicht über die Vergangenheit, nicht über Militär, Krieg, die Zeit davor, die 20er und 30er Jahre, über ihre Liebschaften und Liebhaber, nicht über die Kindheit, Kindheit in Armut.
Sie sagte immer, sie sind zu jung, zu jung. Sogar als wir zwölf waren, zu jung. 15, zu jung. Sogar mit 17, 18.
Ortswechsel von Paris vom Théâtre de Champs-Élysées nach Berlin in den ersten Stock in den Pausenraum des Wintergarten-Varietés, wo gerade die Show zu Ehren von Josephine Baker läuft, wo Alice Francis neben Roderige Funke, der die Show inszeniert hat, am Tisch sitzt und auf ihren Auftritt als Josephine Baker wartet.
Was hat sich seit den frühen Erfolgen von Josephine Baker für den Regisseur und Choreografen verändert an der Situation von People of Color im Showbusiness? Also es hat sich schon entwickelt, auf jeden Fall. Es ist aber nach wie vor natürlich nicht so, dass diese Stereotype nicht da wären. Man findet sie auch heute in der Darstellung ständig überall und da gibt es
finde ich gar nicht nur um schwarze Künstler, da geht es auch um Alter und da geht es auch um Körperform und da geht es um all diese Sachen. Natürlich als Gesellschaft tun wir so, als ob wir da schon fünf Schritte weiter wären, aber ich finde immer, wenn man wirklich ganz genau hinguckt, dann sind das meistens dann eben doch Ausnahmen, die mal anders betrachtet werden oder wo mal Besetzung anders funktioniert, aber im Großen ist das nach wie vor, finde ich, ein sehr, sehr langsamer Prozess.
Für Alice Francis, die Josephine Baker in der Revue verkapert, ist die Aktivistin wegweisend. Ich finde es auch gut, dass sie sich das gar nicht so sehr auf die Fahne geschrieben hat, dass sie jetzt irgendwie politisch aktiv war oder solche Statements veröffentlicht.
Und das stört mich heutzutage ehrlich gesagt so ein bisschen, dass jeder, der ein bisschen was macht, direkt so das laut raus posaunt und gleich damit tausieren geht. Und das hat sie nicht gemacht. Aber man sieht natürlich jetzt auch, wo das hinführt, dass es halt auch so ein bisschen übersehen wird oft. Ines Hahn vom Stadtmuseum Berlin. Ich kenne sie ja jetzt hier nur von diesen Bildern. Ich selbst habe sie nie erlebt vor.
Vielleicht mal als Kind im Fernsehen gesehen. Das muss eine ganz charismatische Figur gewesen sein. Und auf den Fotos, klar, sie lächelt immer, aber das wirkt so authentisch strahlend. Die hat eine Botschaft gehabt und die wollte sie mit aller Kraft vermitteln. Die Biografin Mona Horncastle bewundert Josephine Baker. Josephine Baker war die Person of Color, die...
die als allererste Probleme benannt hat und Veränderungen angestoßen hat. Und zwar unter viel, viel Einsatz und nicht als eine inszenierte Show. Und das ist das, wofür man sie heute noch eigentlich nur bewundern kann. Mit welcher Chuzpe.
die da gegen Mauern gerannt ist. Neben Bewunderung machen sich aber auch andere Gefühle in Mona Horn-Kasel breit. Ich finde, Josephine Baker wird auch von vielen Seiten instrumentalisiert. Und das unter dem Aspekt, dass sie sich aus der Instrumentalisierung mit viel, viel Aufwand befreien musste.
halte ich für nicht angebracht. Und all diese Anekdoten, die kursieren, die werden ihr nicht gerecht. Und ich mag da eigentlich gar nicht so wirklich mitspielen. Ich denke, die Faktenlage ist wunderbar, was wir wirklich gesichert wissen über ihr Leben.
zeigt schon, dass sie auch heute noch als Vorbildfunktion für viele Dinge gilt, dass sie eine irrsinnige Karriere gemacht hat und dass sie eine große Künstlerin war. Und das reicht. Brian Bouillon Baker ist im unermüdlichen Einsatz für das Andenken an seine Mutter. Er schreibt Bücher, berät Dokumentarfilmer, macht sich stark für einen Josephine-Baker-Platz in Berlin. Im vergangenen Jahr besuchte er eine Schule in Deutschland, die den Namen seiner Mutter trägt, und erzählte dort von ihrem Leben.
Zum Abschluss seines Vortrags in der Schulaula wandte er sich noch mit einer besonderen Bitte an Lehrer und Schüler. Ich habe gesagt, jetzt nehmen wir uns alle an die Hände, vor allem die Jungen, und hören die Hymne. Es ist eine internationale Hymne, die meiner Mutter Josephine Baker gefallen hätte, nach der eure Schule jetzt benannt ist. Weil die Verse...
Alle Menschen werden Brüder. Das ist das gleiche Denken, die gleiche Idee.
Meine Mutter hätte das zu dem Zeitpunkt singen können und hätte gesagt, bravo, das ist es, was ich fühle. Und es ist großartige Musik und es sind großartige Worte. Es handelt von Humanität, Brüderlichkeit, Kreativität, Liebe. Lieber Gott,
Warum lassen Sie uns nicht alle mit der gleichen Hautfarbe erschaffen? Es wäre alles viel einfacher. Glamouröser Showstar und Kämpferin gegen Rassismus. Eine lange Nacht über Josephine Baker von Berit Hempel.
Es sprachen Alina Wimbey-Straehler, Inka Löwendorf, Boris Aljenowitsch, Robert Frank und Michael Rothschopf. Ton Alexander Brennecke und Christoph Richter. Regie Beatrix Ackers. Redaktion Hans-Dieter Heimendahl. Musik
Nächste Woche erwartet Sie an dieser Stelle eine lange Nacht über Rolf-Dieter Brinkmann, den Popschriftsteller und Wüterich, der Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre neueste amerikanische Literatur nach Deutschland zu bringen half und selbst neue Töne und eine neue Unmittelbarkeit in Literatur und Kunst zu bringen sich bemühte.
Brinkmann lief zu großer Form auf, wenn er sich wütend empören konnte. Einer seiner häufigsten Ausdrucksformen, so kann man sagen, ist die Tirade. 50 Jahre ist es schon her, dass er bei einem Autounfall ums Leben kam. Seien Sie gespannt auf einen schillernden Berserker und zarten Lyriker. Sie können alle lange Nächte der letzten Monate auch in der Deutschlandfunk-App nachhören. Und wenn Sie uns abonnieren, können Sie keine Sendung mehr verpassen. Bis nächste Woche.