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cover of episode Tobi Dahmen über "Stell dir vor!" und Kinderliteratur aus der und über die DDR

Tobi Dahmen über "Stell dir vor!" und Kinderliteratur aus der und über die DDR

2025/5/17
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Bücher für junge Leser

AI Deep Dive AI Chapters Transcript
People
A
Andrea Baron
B
Benno Blutra
D
Daniela Leidig
N
Nancy Tandler
S
Stefan Schwarz
S
Sylvia Kramann-Rebschläger
T
Tobi Dahmen
Topics
Tobi Dahmen: 作为图像小说的发起人,我最初的想法是利用漫画这种媒介来讲述那些具有历史意义的收藏品的故事。漫画的优势在于它能够吸引读者主动参与,通过连接图像来理解故事,同时漫画也能平行地传递大量的背景信息,降低阅读门槛,并迅速建立情感联系。我希望这部漫画能够成为年轻人了解纳粹时期历史的一扇门,因为他们对这段历史的了解往往不足。我们必须意识到在经历了充满苦难的岁月后所取得的成就,现在的人们已经难以想象当时的困苦。了解历史是产生同理心的前提,也能让我们明白民主的重要性,以及我们每个人都有责任防止历史重演。在选择漫画中的物品时,我们倾向于选择那些能够直接在我们脑海中产生图像,激发我们讲述故事的欲望,并可能激发其他画家的创作灵感的物品。为了确保历史的准确性,我们与历史之家合作,插画家们也进行了自己的研究,并在创作过程中不断完善细节。例如,陶罐的故事就是一个很好的例子,它讲述了战后人们如何利用战争造成的苦难来牟利,并通过儿童的视角探讨了战争的罪责。我们给予了画家们充分的创作自由,只提出了几个主题方向,最终的故事呈现出多样性,这正是这部图像小说的魅力所在。鉴于当前德国和世界各地的政治氛围,进行历史记忆工作比以往任何时候都更加重要,因为它正在受到挑战。重要的是,通过记忆工作,我们能意识到民主的价值,并以生动的例子让人们看到可能出现的另一种景象。

Deep Dive

Shownotes Transcript

Translations:
中文

Deutschlandfunk, Büchermarkt. Dina Netz ist am Mikrofon der Bücher für junge Leserinnen und Leser. Willkommen zu einer Sendung, die sich vor allem damit beschäftigt, wie man von Vergangenem erzählen kann. Was bleibt von der Kinderliteratur der DDR und wie kommt sie in heutigen Kinder- und Jugendbüchern vor? Darum geht es gleich.

Der ehemalige Weseler Dompfarrer Werner Abresch hat die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit auf ganz besondere Weise festgehalten. Drei Jahrzehnte lang hat er Gegenstände aus dieser Zeit gesammelt. Mehr als 2000 Objekte kamen dabei zusammen, darunter zahlreiche sogenannte Notbehelfe, mit denen die Menschen in Zeiten, in denen alles knapp war, improvisierten.

Wie zum Beispiel ein Brautkleid aus Fallschirmseide, ein Fahrrad für den Transport von Lebensmitteln und anderem, ein Kochtopf, der aus Wrackteilen eines Flugzeugs hergestellt wurde. Eine in ihrer historischen Bedeutung einzigartige Sammlung nennt das Haus der Geschichte NRW in Düsseldorf die Sammlung Abresch. Die Familie Abresch überließ sie dem im Aufbau befindlichen Museum im Jahr 2021.

Nun hat das Haus der Geschichte NRW eine Graphic Novel zu dieser Sammlung veröffentlicht. Stell dir vor, Comics über die Nachkriegszeit, heißt sie. Und einer der Herausgeber ist der Illustrator Tobi Dahmen. Ich habe ihn gefragt, Herr Dahmen, Sie waren ja der eigentliche Initiator dieser Graphic Novel, weil Sie die Ausgangsidee hatten, von den Sammlungsgegenständen in einem Comic zu erzählen. Wie kamen Sie drauf?

Ja, ich saß beim Esstisch meiner Mutter in Wesel, wo die Sammlung ja herstammt, und habe den Artikel gelesen, dass die Sammlung, die ich halt auch aus meiner Jugend noch aus Wesel kannte, nach Düsseldorf verkauft worden ist. Und ich arbeitete gerade an einer Graphic Novel über Düsseldorf.

Sie haben ja schon in der Graphic Novel Kolumbusstraße die Geschichte ihrer Familie während des Zweiten Weltkriegs erzählt. Sie haben es gerade angedeutet. Warum bietet sich denn das Medium Comic so an, um von Vergangenen zu erzählen? Ja, ich glaube, der große Vorteil an den Comics ist, dass sie die Leserschaft so einbeziehen. Man muss selber die Bilder verbinden und dann kann man sich auch die Geschichten, die man in den Comics erzählt hat,

Und gleichzeitig kann man auch über den Hintergrund sehr viel Informationen parallel vermitteln, neben der eigentlichen Handlung. Und gleichzeitig ist es ein sehr niedrigschwelliges Medium, was eine Leserschaft, die vielleicht sich scheuen würde, ein dickes Buch in die Hand zu nehmen, sehr direkt erreichen kann. Gleichzeitig kann man sehr schnell eine emotionale Bindung aufmachen über die Figuren, mit denen sich die Leser dann befinden.

identifizieren können. Niedrigschwellig haben Sie gesagt, die Graphic Novel richtet sich ja an alle ab 14 Jahren. Jetzt haben Studien zuletzt immer wieder ergeben, dass Jugendliche erschreckend wenig konkretes Wissen über die NS-Zeit haben. Kann so eine Graphic Novel da vielleicht gerade für junge Leute ein Türöffner zum Thema sein? Das hoffe ich natürlich. Diese Entwicklung macht mir große Sorgen und ich

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, uns darüber bewusst zu werden, was wir erreicht haben nach diesen sehr heftigen Jahren voller Not. Ich glaube, darauf spielt eigentlich auch der Titel unseres Buches an, dass wir uns solch einen Elend, solch eine Not eigentlich gar nicht mehr vorstellen können. Gleichzeitig passiert sowas natürlich auch

nur relativ wenige Kilometer von uns entfernt wieder, genauso wie im Gazastreifen und an vielen anderen Brandherden der Welt. Und ich glaube, es ist sehr wichtig, eine Situation erstmal zu verstehen, um dann auch Empathie aufzubringen und gleichzeitig aber auch eben für uns selber zu begreifen, wie wichtig unsere Demokratie ist und dass wir alle gefragt sind, dass sowas nicht mehr wieder passiert wird.

Was war denn eigentlich Werner Abreschs Antrieb, so leidenschaftlich Kriegs- und Nachkriegsartefakte zusammenzutragen? Was hat ihn so fasziniert an diesen Gegenständen?

Also Sammler war grundsätzlich schon vorher, also er hatte sich auch immer mit Alltag beschäftigt. Darüber hinaus war aber, glaube ich, sein Ansinnen genau das Gleiche, was ich gerade schon beschrieben habe. Also über Verbindung, über Empathie, über ein Miteinander, auch unsere Gesellschaft davor zu schützen, wieder auseinander zu driften. Einerseits erstmal das Leid zu verstehen, das zu illustrieren mit diesen Gegenständen, weil sie eben so viel betrifft.

über diese Zeit erzählen und dann im Austausch miteinander sich zu verabreden eigentlich, um sowas nie wieder vorkommen zu lassen. Jetzt haben Sie, Herr Dahmen, für diese Graphic Novel ja eine Vorauswahl der Objekte aus der Sammlung Abresch getroffen, in Absprache mit dem Haus der Geschichte NRW. Wie mussten denn die Gegenstände beschaffen sein, um davon ausgehend eine Comicgeschichte zu erzählen?

Ja, also das ist natürlich immer eine subjektive Entscheidung. Im Endeffekt waren das dann die Objekte, wo direkt Bilder in mir und dem Jakob Hoffmann, mit dem ich das zusammen ausgewählt habe, aufgetaucht sind eigentlich. Wo man direkt merkt, okay, hier ist eine Geschichte, da entstehen direkt Bilder in meinem Kopf, die ich erzählen möchte und die vielleicht aber auch

eine Möglichkeit geben, dass das bei mir passiert. Das heißt ja nicht, dass es auch bei den anderen ZeichnerInnen passiert, aber wir haben halt einen relativ großen Katalog zusammengestellt, aus dem sich dann die ZeichnerInnen was auswählen konnten, wo eben bei ihnen auch direkt

direkt Bilder aufgetaucht sind. Nun sind ja die Geschichten in den Comics fiktiv. Sie sollten aber möglichst authentisch über die Kriegs- und Nachkriegszeit Auskunft geben. Wie haben denn die IllustratorInnen die zeithistorischen Umstände recherchiert? Und wie lief die Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte NRW? Das Haus der Geschichte hat als Ratgeber fungiert. Natürlich haben die IllustratorInnen selber auch Recherche angestellt. Also abhängig von der jeweiligen Geschichte,

Parallel lief das aber auch dann im Prozess, dass die ZeichnerInnen erste Entwürfe gemacht haben und darauf dann kommentiert wurde. Beispielsweise dieses Flugzeug war dort nicht im Einsatz oder die Uniform müsste hier ein bisschen angepasst werden. Solche Dinge sind oft Details, aber grundsätzlich haben die meisten Arbeit, würde ich auch schon sagen, also in der Recherche, die ZeichnerInnen erstmal geleistet und darauf aufbauend dann das Haus der Geschichte.

Mögen Sie uns vielleicht mal ein Beispiel nennen, an dem man gut zeigen kann, wie aus so einem Gegenstand eine Comicgeschichte wurde? Ein gutes Beispiel ist vielleicht diese Geschichte des Topfes. Es ist ja ein recht profanes Objekt. Aber der Ausgangspunkt war eigentlich, dass die Zeichnerin Melanie Garanin, wenn ich das jetzt richtig erinnere, auch in ihrer Familie jemanden hatte, der mit diesen Töpfen gehandelt hat. Da werden eigentlich so Querverbindungen hergestellt. Also das ist natürlich auch die Wirtschaft gehandelt.

im SS-Regime von diesem profitiert hat. Nach dem Krieg profitiert dann wieder eigentlich jemand von der Not, die der Krieg hervorgerufen hat. Man muss vielleicht sagen, Herr Dahm, dieser Topf, von dem die Geschichte von Melanie Garenin ausgeht, der besteht aus eingeschmolzenen Flugzeugteilen. Genau. Alles wurde quasi wiederverwendet, weil kaum noch was intakt war. Und da stellt sich halt die Frage, wo kommt dieser Topf her? Über ganz naive Kinderfragen wird also diese Geschichte dieses Topfs nachgezeichnet, weil

Waren die jetzt von den Feinden oder waren das vielleicht auch unsere Flugzeuge? Haben unsere Flugzeuge vielleicht auch irgendwelche Häuser zerstört? Also diese Schuldfrage wird da auf eine naive Art und Weise erörtert. Und die Mutter will eigentlich auf keine dieser Fragen antworten, weil da eben dieses Schweigen der Nachkriegszeit einzieht. Und weil die Leute einerseits beschäftigt sind mit ihrem Alltag, andererseits aber natürlich diese drängende Schuldfrage sich selber nicht stellen wollen.

Diese vier Comic-Geschichten und Ihre Rahmenerzählung, die Sie selber beigesteuert haben, Herr Dahmen, die sind ja ganz verschieden, sowohl gestalterisch als auch inhaltlich, schwarz-weiß oder bunt, erschreckend oder mutmachend. Vielleicht mögen Sie mal so die Spannbreite, die gestalterische Spannbreite der Comics umreißen.

Also das haben wir eigentlich den ZeichnerInnen selber überlassen. Wir wollten nicht irgendwie allzu sehr eingreifen. Es war uns auch wichtig, dass es da einen künstlerischen Freiraum gibt. Wir haben im Vorfeld ein paar Themen vorgestellt, mit denen man sich beschäftigen könnte. Also Alltagssituationen, das Schweigen, vielleicht auch Schmuggel, wo dann irgendwie das Organisieren von Lebensmitteln eine Rolle gespielt hat. Aber wir wollten natürlich auch,

die Opfer der NS-Zeit nicht außen vor lassen. Und dafür war es halt wichtig, auch eine Geschichte darüber zu erzählen. Und das ist eben das Bandoneon, dessen Geschichte Michael Ross erzählt hat. Allzu viel haben wir nicht vorgegeben. Wir wollten nur so grobe Themen angeben. Aber im Endeffekt, diese Ausrichtung der Geschichte haben dann doch auch die Zeichnerinnen gemacht. Und dass sie so verschieden geworden sind, finde ich gerade das Spannende an dieser Graphic Novel.

Werner Abrisch hat mal gesagt, eigentlich ist immer Nachkriegszeit. Ihm war es, wie wir schon gesagt haben, wichtig, die Erinnerung an das Grauen des Kriegs und an die Nachkriegszeit wachzuhalten. Ist Erinnerungsarbeit heute angesichts der politischen Stimmung in Deutschland, aber auch in der Welt wichtiger denn je? Würde ich sagen. Ich glaube daran, dass man sieht, dass sie bekämpft wird.

sieht man, wie nötig sie ist. Also ich finde es extrem wichtig, dass wir uns über die Erinnerungsarbeit bewusst werden, wie wertvoll unsere Demokratie ist, dass es hier sehr anders aussehen könnte. Und dafür sind dann eben solche Beispiele sehr wichtig, um den Leuten das vor Augen zu führen, wortwörtlich.

Und weil es darum geht, vor Augen zu führen, heißt die Graphic Novel auch Stell dir vor, Untertitel Comics über die Nachkriegszeit. Der Band mit Comic-Beiträgen von Julia Bernhard, Tobi Dahmen, Melanie Garanin, Michael Ross, Volker Schmidt, Julia Zane ist im Avant-Verlag erschienen. Altersempfehlung ab 14 Jahren. Ich habe mit dem Mitherausgeber Tobi Dahmen gesprochen.

Eine politische Folge des Zweiten Weltkriegs war die Teilung Deutschlands. Und das Land, das im Osten in der sowjetischen Besatzungszone gegründet wurde, ist inzwischen schon wieder Geschichte. 40 Jahre DDR, das waren auch 40 Jahre Kinder- und Jugendliteratur. Welche Titel aus dieser Zeit sind noch erhältlich und werden auch nachgefragt? Erzählen heutige KinderbuchautorInnen von der Deutschen Demokratischen Republik und wenn ja, wie?

Siggi Seuss hat sich einen Überblick über Wiederauflagen und Neuerscheinungen verschafft. Zunächst hören wir rein in die Erzählung »Das Katzenhaus«. »Tili Bom, denkt euch ein Haus, wie ein Prunkschloss sieht es aus.«

Tor und Fenstersims und Giebel fein geschnitzt, bemalt, nicht übel. Schon der Teppich goldgewirkt vor der Tür für Reichtum birgt. Ja, es gibt sie noch, Kinderbücher aus der DDR, die kleine Bücherwürmer schon vor mehr als einem halben Jahrhundert erfreuten.

Sie sind weit langlebiger als der Staat, in dem sie entstanden. Zum Beispiel die 1957 im Kinderbuchverlag der DDR erschienene geniale Nachdichtung der lyrischen Erzählung des Russen Samuel Marschak durch Martin Remané, hier der Beginn der Audiofassung von 1977.

Die einfachen Endreime, die eingängige Rhythmik und die liebevoll altmodischen Bilder des Illustrators Erwin Gürzig gehen einem nicht mehr aus dem Kopf.

Bestätigt die Leiterin der Stadt- und Kreisbibliothek Anna Segers im thüringischen Meiningen, Sylvia Kramann-Rebschläger.

Oder mitunter auch mal die Großmutter oder der Großvater, die ihren Enkeln, Kindern die Erinnerung nochmal wachrufen möchten. Das Buch findet sich in der 40 Kinderbuchklassiker umfassenden Backlist des vom Belz Verlag übernommenen Kinderbuchverlags der DDR. Natürlich ist das nur ein Bruchteil der Geschichten, die nach wie vor lesenswert wären. Gerade Bücher für junge Leser und Leserinnen ab 13 Jahren findet man eigentlich nur noch antiquarisch.

Bei Belz ist eben eine Anthologie der schönsten Kindergeschichten aus 40 Jahren DDR erschienen. Andrea Baron, Herausgeberin von »Hirsch«, »Hase«, »Bär« und noch so viel mehr. Unser Ziel war es, diese Geschichten einer neuen Generation zugänglich zu machen. Der letzte Band dieser Art liegt bereits fünf Jahre zurück.

Höchste Zeit also, die Auswahl zu aktualisieren und vielleicht sogar zu erweitern. 39 Geschichten von Fried Rotrian, Friedrich Wolf, Hannes Hüttner, Herbert Friedrich, von Illustratorinnen und Autorinnen wie Elisabeth Schor und Ingeborg Mayer-Rei und von Benno Plutra, dem wohl bedeutendsten Kinderbuchautor der DDR.

Seine beiden hier veröffentlichten Erzählungen unterscheiden sich in der Tonart von denen der anderen Autorinnen und Autoren. Die meisten Geschichten handeln von Tieren, sind humorvoll, ja pfiffig, märchenhaft, mal mehr, mal weniger moralisch unterfüttert und die grafische Gestaltung zeugt von der hohen Qualität der Illustrationskunst in der DDR.

Etwa Klaus Enzikats zarte Gouachen zu Erwin Strittmatters Ponyweihnacht oder die aquarellierte Tierwelt von Gerhard Lahr zu Hans Fallers Märchen Mäuseckenwackelohr.

Da in einem Überwachungsstaat den Augen der Zensoren nicht einmal die geringste Darstellung von Verwerfungen im realsozialistischen Alltag entging, blieb vielen Autorinnen und Autoren nur eines, wie Benno Blutra im Jahr 2000 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk bemerkte.

Kinderliteratur war für mich immer am besten schreibbar, weil ich eigentlich so einen absoluten Freiraum gesehen habe, wenn ich für Kinder schreibe. Es war eine Nische, das zeige ich Ihnen nachher erst. Als das Wort Nische kam, ich glaube, durch Gauss, dachte ich, oh Gott, was für eine schöne Nische gehabt hat. Diese Nische war mehr oder weniger in allen sozialistischen Ländern die Kinderliteratur.

In ihr konnte man in den fantastischsten Welten leben. Am ehesten nähert sich in der bei Belz und Gelberg erschienenen Anthologie noch Hannes Hüttners Erzählung »Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt« und Fred Rodrians »Die Schwalbenkristine« der Wirklichkeit eines DDR-Alltags.

Hüttner stellt ein Feuerwehrkommando vor, das nicht zu einer ordentlichen Kaffeepause kommt, weil ständig Notrufe eingehen. Und Rodrian lässt seine kleinen Helden, ohne den Staatsapparat in Kenntnis zu setzen, zusammen mit Bauarbeitern, Feuerwehrleuten, Hubschrauberpiloten und einem Großvater ein Schwalbennest aus einer Abbruchmauer retten.

Ben und Plutras Geschichten dagegen künden in einer bemerkenswert knappen, unverblümten Sprache von einer kalten und gefährlichen Welt.

die dennoch ein Sehnsuchtsort ist, meist der einer Küste oder eines Meeres. Die größere Kraft geht vom Meer aus, glaube ich. Und da liegt auch die Ferne, also auch der Sog, dass man weg will. Die Erzählung der Hundeskapitäns berichtet von der wundersamen Rettung eines schiffbrüchigen Seemannes und eines Hundes, den einzigen Überlebenden einer Schiffskatastrophe im Südatlantik.

Eine zweite in der Anthologie veröffentlichte Kurzgeschichte vom Bären, der nicht schlafen konnte, entstand 1960. Sie erzählt, illustriert von Ingeborg Mayerei, vom Bären Mischka, der vor den steigenden Wassermassen nach Bau eines Staudamms in Sibirien aus seinem angestammten Revier fliehen muss. Und da habe ich dann geschrieben eine Geschichte vom Bären, der nicht mehr schlafen konnte. Der ist müde, haut sich hin und immer wieder schläft.

kommen die Arbeiter und noch schlimmer, das Wasser kommt auch, der See steigt. Und da haben wir wirklich gesagt, weißt du, das sind die Großbräute des Kommunismus. Und du erzählst da von einem Bären, der nicht mehr schlafen kann, oder?

So ein Quatsch da, ha? Welch Unterschied zur Rettungsaktion der Schwalbenkristine. Da geht es ebenfalls um eine sozialistische Großbaustelle, um die Errichtung eines Neubauviertels. Während Fred Rodrians kleine Helden das Schwalbennest durch kollektive Anstrengungen retten, entlässt Benob Lutra den Bären in eine ungewisse Zukunft irgendwo in der Taiga.

Genauso bleibt das Ende seiner Geschichten offen, selbst wenn die Menschen für den Augenblick gerettet scheinen. Ich halte schon lange, lange nichts mehr von dieser didaktischen Draufsicht in der Kinderliteratur. Und auch nichts natürlich über Schönung, wenn man das so nennen kann. Schönung war nach dem Zerfall der DDR in der Kinderliteratur nicht mehr gefragt.

Weggesperrt, Gritt Poppes Roman über das Leben in den berüchtigten Jugendwerkhöfen ist das beste Beispiel dafür. Gab es im ersten Jahrzehnt nach der Wende noch einige Bücher für junge Lesende, die sich mit dem Alltagsleben in der DDR beschäftigten, sank die Zahl danach. In den vergangenen Jahren hat vor allem der in Leipzig ansässige Verlag Klett Kinderbuch ein Augenmerk auf Geschichten aus der DDR gelegt.

Zuerst mit Franziska Gehms schrägem Roman »Pullerpause im Tal der Ahnungslosen« von 2016. Eine mit Stereotypen überfrachtete Zeitreisesatire. Kann man mögen, muss man aber nicht.

Wesentlich realitätsnäher geht es in der Kletz-Kinderbuchreihe »Wir Kinder von früher« zu, wo nach der Ostberlinerin Gerda Reit mit »Wie ein Vogel« nun der Journalist Stefan Schwarz, geboren 1965, geheime Einblicke in eine besondere DDR-Kindheit, so der Klappentext, liefert.

Besondere Kindheit deshalb, weil Schwarz der Sohn eines Offiziers der Staatssicherheit ist. Geschichten über Menschen, die an und in der DDR litten, schreibt Schwarz im Nachwort zu Der Große Wurf, gibt es Gott sei Dank mittlerweile viele.

Und sie müssen alle erzählt werden, weil diejenigen, die sie erlebten, sie in der DDR nicht erzählen durften. Dabei entsteht oft der Eindruck einer Welt, in der alle immer dagegen waren. Das ist aber wahrscheinlich unverhältnismäßig und nicht die ganze Wahrheit.

Diese Geschichte hier erzählt davon, wie es für mich war, ein Kind in einer Familie zu sein, die für den Sozialismus war. Das tut der Autor mit Witz und Ironie, wenn er von den Tücken des Alltags eines kleinen Steppkes erzählt, die von Danja Schäckesi freundlich realistisch illustriert werden.

Mit Augenzwingern berichtet Schwarz vom Leben in einer stramm sozialistischen Familie, ohne dabei zu verhehlen, dass er seine Kindheit als geborgen und glücklich empfand. Der Tag, als der Vater befördert wurde, war für den Fünfjährigen natürlich ein Freudentag.

Mein Vater hatte zwar jetzt zwei goldene Sterne, aber das wussten nur wenige, denn er ging nie in Uniform zur Arbeit. Vater war Offizier in einem Geheimdienst. Und wenn man Offizier in einem Geheimdienst ist, darf das niemand wissen. Deswegen bleibt die Uniform auch geheim. Und wenn er einmal die Uniform anzog, wurde er immer gefahren.

So freundlich und ironisch Stefan Schwarz auch von seiner Kindheit erzählt, das Büchlein ist nicht mehr als ein winziges Teil in einem Puzzle aus erzählter Kindheit und erinnerter Geschichte und Geschichten, mit dem wir uns ein differenziertes Bild vom Leben junger Menschen in der DDR machen können.

In die Lebensverhältnisse in den ostdeutschen Bundesländern heute kann sich sicher eher hineindenken, wer die Geschichten aus diesem und über dieses Land vor unserer Zeit kennt.

Diese Kenntnis setzt voraus, dass es Verlage gibt, die weiterhin dafür sorgen, dass die Quellen nicht verloren gehen und auch Texte wieder aufgelegt werden, die Autoren wie Christoph Hain, Volker Braun, Sarah Kirsch, Stefan Heim oder Franz Fühmann vornehmlich für Jugendliche schrieben.

Wie LehrerInnen ihren SchülerInnen begegnen, hat großen Einfluss auf den Bildungserfolg. Das belegen Untersuchungen immer wieder. Die Psychologin Nancy Tandler von der Universität Halle hat zum Beispiel herausgefunden, dass eine positive Einstellung der Lehrperson die Leistungen der ganzen Klasse verbessert. Was passiert also, wenn einem Kind schon in der ersten Klasse gesagt wird, dass seine Sicht auf die Welt falsch ist, wenn es nicht ins Raster der schulischen Erwartungen passt?

Davon erzählt Daniela Leidig in ihrem Bilderbuch »Das Wunder der Flunder«. Isabel Stier stellt den kleinen Protagonisten vor. Erstklässler Moritz ist anders als die meisten Kinder in seiner Klasse. Er beobachtet das neue Klassentier, eine Flunder, von Weitem, statt sich das Gesicht am Glas des Aquariums plattzudrücken.

Er schreibt Worte groß, die klein geschrieben werden sollen. Er malt nicht so, wie es die Lehrerin gewohnt ist und beschäftigt sich auch zwischen den Unterrichtsstunden lieber selbst. In der Pause rannten alle raus zum Tor. Die Lehrerin beugte sich über Moritz wie eine Wolke und die Wolke fragte, warum spielst du denn nicht mit Fußball? Moritz spielte kein Fußball, weil er lieber in hohe Bäume kletterte, über den Wolken. Dort fragte er sich, warum man so wenige große Leute in Bäumen sah.

Daniela Leidig macht in ihrem Bilderbuch-Debüt Moritz' Perspektive nachvollziehbar. Dem Jungen fällt es schwer, sich an die Erwartungen der Erwachsenen und des Schulsystems anzupassen.

Auf jeder Seite sind Moritz' Gefühle erlebbar. Besonders eindrücklich ist das, als Moritz vor der ganzen Klasse bloßgestellt wird. Zu sehen ist da ein überdimensional großer Lehrerinnenkörper, den die Illustratorin aus einem beschriebenen Schreiblernheft ausgeschnitten, digitalisiert und dann in einer Collage mit einem feuerroten Aquarell kombiniert hat. An den Seitenrändern geht das Rot in ein dumpfes Grau über.

Immer wieder gibt es Perspektivwechsel in der Darstellung des Protagonisten, was verdeutlicht, wie wichtig es ist, Moritz' Verhalten aus verschiedenen Sichtweisen zu betrachten. Mal blickt man in der Sporthalle von oben auf ihn. Mal ist er nur eine Silhouette, die sich hinter den anderen Kinderköpfen versteckt. In kurzen Sätzen erzählt Daniela Leidig, wie Moritz den Unterricht erlebt. Letzte Stunde Sachkunde. Die Flunder betrachten. Aber ganz genau.

und dann malen aber ganz genau zeichnen heißt das das mochte moritz sehr denn er mochte die flunder sehr er malte sie ohne betrachten zwinkerte ihr nur zu hatte sie doch längst im kopf sogar im herzen

Der leicht verständliche Text und die eindrucksvollen Bildkompositionen ergeben ein stimmiges Zusammenspiel. Mit ihrem Buch bestärkt Autorin und Illustratorin Daniela Leidig, Kinder auf behutsame Art und Weise darin, an sich zu glauben und sich nicht zu verstellen, um anderen zu gefallen. Das Wunder der Flunder ist eine Ermutigung zum Durchhalten, auch wenn das im Schulalltag manchmal nicht leicht fällt.

Das sagt Isabel Stier über das Bilderbuch »Das Wunder der Flunder« von Daniela Leidig, Kunst- und Stifterverlag, ab fünf Jahren. Und das waren die Bücher für junge Leserinnen und Leser. Nächste Woche Samstag können Sie hier etwas über japanische Bilderbücher hören. Direkt im Anschluss folgt jetzt Computer und Kommunikation. Am Mikrofon war Dina Netz. Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende.