In Deutschland glaubt man, dass der, der laut spricht, nicht mehr Herr seiner Sinne ist.
In Deutschland ist man ein intelligenter Mensch immer dann, wenn man langsam und leise spricht. In Deutschland hat der Schuld, der sich entschuldigt. In Deutschland darf ein heterosexueller Mann einen anderen Mann nur küssen, wenn er vorher "no homo" sagt. Selbst wenn es sein Bruder ist. Wenn man sich in Deutschland Links- oder Antikapitalist nennt, dann darf man keine Tasche tragen, die teurer ist als 500 Euro. Ein Tattoo, was teurer war als 500 Euro, darf man tragen, aber keine Tasche.
Als Antikapitalist darf man in Deutschland monatlich auch keine 50 Euro für eine Pediküre ausgeben. Für Gras schon. In Deutschland wird man Drogenbeauftragte, wenn man weiß, dass Bliff eine Musikgruppe aus den 80ern ist. In Deutschland ist das Gras für den einen manchmal dasselbe wie die Pediküre für den anderen. Pediküre für den anderen.
Wenn eine Transfrau sich den Bart weglasern lässt, dann hat man das zu unterstützen. Wenn eine Cis-Frau sich die Achselhaare weglasern lässt, dann ist sie rückständig.
In Deutschland tragen reiche linke Studenten weiße Tennissocken mit einer Avocado oder dem Lidl-Logo drauf, weil das cool ist. Hier ist es cool als Deutsche arabische Ausdrücke zu benutzen, aber wenn ein Nordafrikaner einen Deutschen nach dem Weg fragt, dann fehlen dem Deutschen die Worte. In Deutschland ist immer alles verfügbar. Aber Streuselschnecken gibt es samstags nicht. In Deutschland ketten Gastronomen ihre Bestuhlung auf dem Gehweg an, nur Bio-Bäcker nicht.
Der Deutsche weiß: Bei Biobäckern klaut man nicht. In Deutschland schreiben Menschen Texte mit dem Titel "AfD schlimm schlimm" für Leute, die größtenteils nicht die AfD wählen. Woran erkennt man einen Deutschen, der nichts gegen Ausländer hat? Er wird es dir sagen.
Viele Deutsche lassen einen Hitlergruß in der Berliner U-Bahn unkommentiert stehen. War halt ein Idiot, noch dazu besoffen. Vielleicht wird er aggressiv, wenn ich was sage. Außerdem habe ich gerade die kleine Nele dabei. Trotzdem sind diese Deutschen überzeugt, dass sie damals ganz anders als Oma und Opa und Papa und Mama waren.
Diese Deutschen leben in einer Großstadt, weil es hier so frei und tolerant und einfach toll ist. So ganz überzeugt, dass sich andere deutsche Großstädter solidarisieren, wenn man etwas gegen den Hitlergruß sagt, sind sie aber nicht. Diese Deutschen erwarten aber von Menschen in der ODEC, dass sie sich doch bitte mal ganz deutlich gegen Hitlergröße positionieren.
Denn diese Großstadtdeutschen haben noch nie einen Ossi mit einer kleinen Nele gesehen. Die heißen da ja auch anders: "Klein", "Neun Ossis", "Kinder-Ossis", die ja eigentlich keine Ossis sind. Auf die Fresse lernen in Deutschland nur sehr wenige. Die Zeit wird lieber damit verbracht, den Schundersong der Ärzte mitzusingen. Manche Deutsche glauben, Hitlergrüße in Berliner U-Bahnen gibt es nicht, obwohl man für einen Hitlergruß nicht mal Westberlin verlassen muss.
In Deutschland ist Berlin mittlerweile zu einer Metapher geworden. Das ist schön auf eine Art, aber manchmal auch sehr schrecklich, weil manche Deutsche Berlin gar nicht metaphorisch meinen. In Deutschland kommen die Leute nicht damit klar, wenn man sagt, dass man damals wahnsinnige Angst um seinen Vater hatte, wenn er am Opferfest nach Brandenburg gefahren ist, weil es dort einen Bauernhof gab, wo ihn irgendwelche Schafszüchter haben illegal selbst schlachten lassen.
Damit kommen die Deutschen nicht klar. Wenn man gleichzeitig sagt, dass man unendlich unter der Religionsauslegung des eigenen Vaters gelitten hat. Das tut mir in Deutschland am meisten weh, weil man so in Deutschland niemals zusammenkommt.
Der Deutsche kennt sich selbst kaum, aber wäre so gerne auch mal fremd. Der Deutsche sagt: "Neue Bundesländer." Sagt: "HFD, schlimm schlimm." Aber versteht nicht, wieso man um einen Vater Angst hat, der zum Opferfest nach Brandenburg fährt, um dort ein Schaf halal zu schlachten. In manchen Ecken Deutschlands möchte ich kotzen, weil sie so schrecklich ordentlich sind. Und in anderen, weil sie so schrecklich unordentlich sind.
Verstehen Sie, worum es geht? Möglicherweise um eine neue Form. Um Deutschland geht es, dachte ich. Es geht doch auch um Sie. Um mich? Um Sie mit kleinem S. Fast jeder Satz fängt doch mit Deutschland an. Da dachte ich, dass es auch um Deutschland geht. Und die AfD vielleicht. Oder die Verschwörungstheoretiker. Die AfD. Die AfD.
Schlimm, schlimm. Ja, schlimm. Aber darum geht es nicht. Wieder geht es um Befindlichkeiten, um irgendeinen Vater. Wieder jemand, der seine privaten Problemchen in die Öffentlichkeit trägt. Sie ist die Figur, nicht die Autorin. Ich höre hier keine Figuren. Wir befinden uns doch auch noch ganz am Anfang. Und am Anfang, da geht es doch auch um die Erwartungshaltung.
Sie stottert, habe ich gehört. Die Autorin. Nein. Aber sie ist schwarz auf eine Art. Oder? Wegen meiner Schuld, frage ich. Nicht schwarz. Jüdisch? Auch nicht. Wurde sie als Kind misshandelt? Davon weiß ich nichts. Was soll ich denn dann mit Befindlichkeiten, wenn die nichts bedeuten? Wegen der Schuld. Wegen keiner Schuld. Wenn ich keine Schuld an ihnen trage, meine ich. Aber man munkelt, dass ihre Eltern kein Abitur haben.
Oh Gott, ach so. Dann sehe ich das ja jetzt mit einem ganz anderen Blick. Sagen Sie das doch gleich. Jetzt fühle ich mich doch gleich viel wohler. Jetzt bekommt das ja so eine Art Bedeutung. Wenn man ohne Abitur von Bedeutung sprechen kann. Das muss eine Kindheit gewesen sein. So viel verborgen. Immer nur Ostsee, Ostsee, Ostsee. Da ist doch noch so viel mehr als die Promenade von Warnemünde. Aber hier geht es nicht um Sie.
Sie ist eine Figur, völlig losgelöst von ihr. Und woher wissen Sie das denn alles? Ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Die Autorin jetzt? Ja. Wie heißt sie denn? Sarah Kilter. Sind Sie sich sicher? Ganz sicher. Aber Sie sagten, dass es nicht um Sarah Kilter geht. Genau. Es geht um die Figur. Ich weiß, dass die ganzen Erfahrene schreien.
Ich will nach Hause. Ich will Bushido hören, weil ich mal wieder ganz kurz Kind sein möchte. Heute ist mein Geburtstag und da möchte ich immer Kind sein. Auch mein Geburtstag triggert mich, weil er ausgerechnet auf den algerischen Tag der Revolution fallen musste. Da hilft auch keine Triggerwarnung.
Ich will an die Jungs in Picardi-Jeans und Zahnstörcher im Mund denken und mich in einen verlieben. Voll Adrenalin sein, während wir rauchend die Badstraße langlaufen und gesehen werden wollen, weil wir cool sind, aber gleichzeitig immer auf der Hut sind, ein Familienmitglied zu treffen, das es dann petzt. Angst vor dem ständigen Buschfunk in der Badstraße. So gerne hätte ich früher schon jemanden kennengelernt und an mich gebunden, um mit dem dann gemeinsam zu etwas zu werden. Alle, die ich heute kenne, sind schon was.
Ich bin erst ein Vierteljahrhundert und rechts und links ist langweilig. Rechts und links ist jetzt schon alles schrecklich hochdeutsch.
Ich musste nie trockenen Toast essen. Das höchste der Gefühle waren Pellkartoffeln mit Schichtkäse und Leinöl oder Brot mit Satate und Olivenöl. Je nachdem, was ich gerade war. Aber nicht wegen kein Geld, sondern wegen Schmeckgut und kein Bock zu kochen und reicht auch. Aber heute ist mir das nicht mehr genug. Also sitze ich wieder am Einstein Café am Saviniplatz, esse ein Club Sandwich und trinke einen Cappuccino mit Hafermilch. Hafermilch, weil ich von zu viel Milchprodukten extreme Menstruationsbeschwerden bekomme.
Gott, bin ich ein Trottel. Wäre ich in der Badstraße geblieben, ich bin sicher, ich könnte problemlos Milch trinken.
Aber ich fühle mich gut am Saviniplatz, während ich in einer Zeitung oder einem Magazin aber immer mit viel Schrift und wenig Bildern blättere. Aber hier hat jeder Zweite einen Hund. Die springen mich an. Die kotzen mich an, diese Stadthunde, die auf meinen Club-Sandwich geiern. In der Badstraße gibt es weniger Haustiere. Aber am Saviniplatz, da sehe ich, dass mich jemand sieht. Jemand, der schon was ist. Und das gibt mir und meinem Körper ein gutes Gefühl. Ein Gefühl, richtig zu sein.
Aber dann fange ich wieder an, Bushido zu idealisieren. Ich versuche es mir zu verbieten, weil der ist böse, aber der ist auch meine Kindheit. Der ist auch meine Bartstraße. Der ist auch meine erste große Liebe. Der ist auch schon immer der gewesen, der das mit meinem Vater versteht.
"Letzte Runde", sagt die Aushilfe. Ich hau mir den Rest Cappuccino rein, ich meine, ich hab dafür bezahlt. Diese unverschämt teure Flüssigkeit muss dann auch in mir verschwinden. Ich klemme mir mein Magazin unter den Arm, so dass es ästhetisch aussieht, weil das ist auch eine kleine Inszenierung am Saviniplatz. Ich überlege, die drei Stationen nach Hause mit dem Bus zu fahren. Das Taxi ist aber schneller da und ich denk mir, was soll der Geiz, nehm ich.
Im Taxi frag ich mich, was ich wohl später am Altenheim für Lieder singe. Was ist in mich eingebrannt? Während ich den Refrain von "Reich mir nicht deine Hand in Gedanken" aufsage, steige ich aus dem Taxi.
Und wer sich wagt, jetzt oder irgendwann anders dieses Lied von Bushido einzuspielen, dem hetze ich die Jungs von der Badstraße auf den Hals. Ich sehe mich schon in meiner Flügeltür auf dem Lammfell in stabiler Seitenlage liegen, mit Bushido im Ohr. Dann hole ich meinen Schlüssel raus, um aufzuschließen und irgendwie bin ich irritiert. Da steht ein Auto, das sagt mir was. Da habe ich eine Assoziation zu. Dann gucke ich genauer hin und sehe den geleasten Plug-in-Hybrid-SUV von Thomas und Jule und ich denke, fuck!
Fuck, fuck. Ich schließe die Haustür auf und sehe zwischen den ganzen beschissenen Rennrädern auch das von Max. Meine Freunde sind hier, weil heute mein Geburtstag ist. Die wollen ein gutes Gefühl von mir, weil Geburtstag heißt Service und Geburtstag heißt Kundendienst. Ich will das nicht leisten. Ich will Bushido. Bushido und ich auf dem Lammfeld an der Flügeltür.
Keine Freunde hinter einem Sofa, die dann hervorspringen und laut "Wuhu" machen. Meine Mutter muss die reingelassen haben. Ich hasse Freunde hinterm Sofa. Ich hasse "Wuhu". Ich hasse Rennräder. Vielleicht ist das ein Zeichen. Vielleicht soll ich auf keinem Lammfell liegen, sondern ich gucke mir Max' Rennrad genauer an.
Tatsächlich nicht angeschlossen. In Charlottenburg wird nicht geklaut, sagt er. Siehst du, was du von deiner Arroganz hast. Ich versuche mich draufzusetzen. Es tut tierisch weh, dieser Minisattel bohrt sich in meinen riesen Hintern. Aber egal. Losgestrampelt, Bushido, Badstraße, ich komme. Vielleicht ist was passiert. Im Einstein-Café passiert nichts. Ja, auf dem Rückweg vielleicht.
Sollen wir mal anrufen? Mein Handy ist in meiner Tasche. Dann geh es holen. Und wenn sie genau jetzt kommt? Leute, ich bitte euch, das ist Charlottenburg. Hier passiert nichts. Ich nehme mein Fahrrad, schließe ich hier an. Ist sie mit dem Rad unterwegs? Was ist, wenn sie wegen irgendeinem Rechtsabbieger Matschig auf der Kantstraße liegt? Arbeitet sie momentan eigentlich? Müssen wir uns dann um die Beerdigung kümmern? Und irgendjemand muss sie ja dann auch identifizieren. Ey, das kann ich nicht.
Diese Wohnung hier. Wie macht sie das, wenn sie nur im Einstein-Café hängt? Ja gut, aber sie hat auch kein Auto. Wenn wir den SUV nicht bräuchten, dann hätten wir auch eine größere Wohnung. Jule, das weißt du. Dein Mobilfunkvertrag läuft übrigens immer noch über deine Mutter. Weil ich sonst eine neue Nummer bekommen würde. Ich will aber die alte behalten. So ein Quatsch. So einen Handyvertrag, den kann man doch übertragen. Man müsste sich halt nur mal drum kümmern. Ich hätte so gerne ein Arbeitszimmer.
Sie hat gleich zwei, obwohl sie nicht mal arbeitet. Naja, wissen tun wir es nicht. Gibt es ein Hinterzimmer im Einstein-Café? Meinst du, sie macht was Illikates? Ja, genau so fangen Kriminalgeschichten an. Und wir stehen dann als die seltsamen Freunde da, die der Journalistin nicht glaubhaft machen können, dass wir all die Jahre nichts gemerkt haben von den kriminellen Machenschaften unserer angeblichen Freundin. Ich will nicht zu Aktenzeichen XY. Da ist was passiert. Der geht's nicht gut und wir kriegen das nicht mit. Weil sie nicht redet.
Weil wir nicht fragen. Du willst doch nicht, dass ich das mit der Arbeit anspreche. Mein Gott, Thomas. Du bist aber manchmal auch eine Pussy in einem Elektroauto. Du bist ein Pascha auf einem Rennrad. Hm. Der noch Sex hat. Hast du vergessen. Wir haben auch noch Sex, Julia. Gestern erst. Sag's ihm. Gestern erst. Siehst du? Immerhin sind wir nicht so spießig wie sie. Habt ihr ein Geschenk? Wenn ich das hier so sehe... Eigentlich braucht sie doch gar nichts mehr. Hat ja alles.
Sogar einen Dyson hat sie. Thomas, seit Jahren falle ich über das Staubsaugerkabel. Wieso solltest du bei dem Dyson dann nicht drüber stolpern? Weil der Dyson, der hat kein Kabel. Das ist ein Akkusauger. Den lädt man auf, genauso wie dein scheiß SUV.
Das ist doch der Punkt. Endlich sind wir mobil, ohne schlechtes Gewissen. Du, ich wäre auch jeden Tag in einen Dieselwagen gestiegen, der wenigstens wirklich uns gehört hätte. Wenn ich dafür einen Dyson hätte haben können. Denn mal ganz nebenbei bemerkt: Das Auto ist nur geleast. Das gehört uns nicht mal richtig. Hier ist doch bestimmt auch alles geleast. Die Wohnung gehört ihr. Die least nicht. Sie kauft nicht auf Pump. Sie pachtet auch nicht. Sie besitzt. Wir haben ein Auto, das wir fahren können. Darum geht's doch.
Ja, und wenn wir dann ein Kind bekommen, das ein Autokotzkind wird, wie ist es denn da versicherungstechnisch, wenn da überall Kinderkotze ist auf dem Rücksitz? Das weiß ich nicht. So weit habe ich jetzt nicht... Ja, natürlich hast du so weit nicht. Da hätte man sich ja drum kümmern müssen. Thomas, ich will was besitzen. Ich habe als Kind nie im Auto gekotzt. Max, wie war das bei dir? Ich auch nicht. Nie. Und wenn ich euch so sehe und mir euer Kind versuche vorzustellen... Nein, ich sehe kein kotzendes Kind.
Warum willst du das dann bitte festmachen? Das ist einfach so ein Gefühl. Der Staubsauger kostet über 600 Euro. Ist das richtig, Jule? Soll ich dir den blauen Fleck mal zeigen von meinem letzten Sturz? Gott, Jule, der ist ja nicht blau, der ist grün und blau. Nee, da muss man was machen. Ich hab hier einen Stullenwickler bei Etsy gekauft. Wisst ihr, da packt man dann so eine Stulle rein. Innen ist so ein Bienenwachstuch und außen so ein süßer, witziger Stoff.
Die frisst jeden Tag ihr Club-Sandwich in einem Einstein-Café. Die schmiert sich keine Stullen. Vielleicht, wenn sie mal nicht fertig wird? Dann kann sie das Club-Sandwich hier einwickeln. Ich finde, das ist eine liebe Idee mit dieser... mit diesem... Stullenwickler? Hast du mittlerweile eigentlich mal was gegessen? Ja, ja, ein Keks. War ein guter Keks. Ich weiß nicht, bleibt es alles, wie es ist?
Ich weiß nur, ich hab grad ein bisschen Zeit für dich. Komm, steig ein und wir fahren durch Berlin.
In Deutschland sind die meisten Partys dafür da, um sich cool zu fühlen, nicht um Spaß zu haben. Auch auf Partys gibt es Leute, die nicht dazugehören. Vielleicht hat man sie eingeladen, weil es jemanden geben muss, der nicht dazugehört. Der sitzt dann allein in der Ecke, weil er keine Tennissocken mit dem Lidl-Logo oder einer Avocado drauf trägt. Dieser Typ, der alleine auf einer Party in der Ecke sitzt, wird dann zu einem Menschen, der in der U-Bahn eine Straßenzeitung verkauft.
Man schaut kurz, bemerkt, dass er stört und man ignoriert ihn. Oder man gibt ihm so Geld, dass es alle sehen. Man macht eine große Geldgebergeste. Aber jetzt ist auch gut. Hey du kleiner Penner, lass den Geldgeber jetzt aber auch in Ruhe. Er hat seinen Teil beigetragen. Jetzt tusch weg.
Wenn aber ein anderer auf eine Party kommt und ohne seine Lidl oder Avocado-Tennissocken alleine in der Ecke sitzt, dann kommt ganz schnell ein Mädchen mit bunten Haaren zu ihm und sagt, dass sie das gehört hat mit seiner Flucht. In dem politischen Feuilleton einer Zeitung, die mit zwei oder drei Buchstaben abgekürzt wird, hat sie einige Artikel gelesen. Ob er mit ihr Bierponks spielen will oder Flunkyball? Klar, voll gerne.
Manchmal machen die Deutschen andere Menschen auch zu einem Dinkelbrötchen. Sie benutzen diese Menschen, um sich besser zu fühlen, obwohl sie sonst die Leute verurteilen, die diese Menschen benutzen. Fast überall, wo man in Deutschland ist, ist auch oben und unten und rechts und links Deutschland. Deutschland ist einfach überall. Es ist schrecklich. Wenn man in Deutschland seine Sätze beginnt mit Vielleicht bin ich auch zu blöd, um das zu verstehen. Dann werden die Deutschen immer denken, dass du zu blöd bist, um das zu verstehen. Wenn du in Deutschland deine Sätze mit
"Jetzt rede ich wieder nur über mich" beginnst, dann bist du immer die, die nur über sich redet. Obwohl alle anderen Deutschen auch nur über sich selbst reden. Aber diese anderen Deutschen sind so schlau und beginnen ihre Sätze eben nicht mit "Jetzt rede ich wieder nur über mich". In Deutschland entscheidet das Betriebssystem deines ersten Computers über deine Zukunft. In Deutschland weiß ich manchmal nicht, ob Abdel Latif ein männlicher Vorname oder ein rhetorisches Stilmittel ist.
In Deutschland gibt es Deutsche, die fast 30 sind und trotzdem noch Kinderhände haben, weil diese Hände nichts gemacht haben, als in Büchern zu blättern und Notizen an den Rand zu schreiben. In Deutschland habe ich Angst, über mich zu sprechen, weil Deutsche aus Apple-Haushalten mich immer in einem globalen Kontext sehen wollen. In Deutschland reiße ich mir an den Fugen der Dielen meiner Altbauwohnung die weißen Tennissocken auf.
In Deutschland verstehen Leute aus Apple-Haushalten nicht, wieso die Hermes-Sandalen und die Rolex-Armbanduhr für manche Menschen viel mehr sind als ein Statussymbol. Und wieso Tennissocken mit dem Lidl-Logo oder ein Avocado drauf nicht schmückendes sind.
In Deutschland ist der Leberfleck unter meinem linken Auge, den viele für verwischte Wimperntusche halten, das einzige, was mir von meinem Vater übrig geblieben ist. Ich wollte ihn weglasern lassen. Ich saß schon im Wartezimmer irgendeiner privaten Hautarztpraxis am Kudern. In Deutschland habe ich den scheiß Fleck drangelassen. * Musik *
Jetzt geht diese Deutschland-Scheiße wieder los. Heutzutage steht Politik drauf, aber Vater ist drin. Ich bin so schlau wie vorher. Ich geb dem noch Zeit. Den Bushido hab ich nicht ganz verstanden. Haben Sie den verstanden? Ein Krimineller? Sicher habe ich den verstanden. Auf eine Art hält mich Bushido in dem Stück drin. So kleine popkulturelle Elemente find ich eigentlich immer ganz spannend.
Aber wenn der Bushido jetzt nicht mehr auftauchen würde, das würde ich bedauern. Dann bräuchte ich ein anderes popkulturelles Element, um dran zu bleiben. Oder man würde sich mal an was Politisches wagen. Aber Sie sagten ja, die Eltern haben kein Abitur. Vergessen Sie Ihre Schuld nicht. Ist ja richtig. Ich bin ja sogar Lehrerin. Arzt. Angenehm. Deutschen Sport. Am Gymnasium.
Ich leite eine sehr erfolgreiche Theater-AG. Körper und Geist, dachte ich damals.
War 'ne gute Entscheidung, denke ich heute. Aber manche Jugendliche, an die komme ich einfach nicht ran. Denen muss man sagen, dass sie falsch sind. Auf dem Gymnasium. So schmerzhaft es auch ist, man kann nicht allen helfen. Es muss ja nicht jeder ... Abitur, meine ich. Was wären wir ohne die vielen Auszubildenden? Die braucht man in Deutschland ja auch. Menschen in der Pflege sind wahnsinnig wichtig.
Als Beispiel jetzt. Haben Sie das mitbekommen, mit deren Bezahlung? Schlimm. Schlimm. Es wäre vielleicht möglich, dass diese Sarah Kilter Schülerin auf meinem Gymnasium war. Ganz kurzzeitig nur. Es wäre sogar möglich, dass ich auf eine Art ihre Klassenlehrerin war. Auf dem Sophie-Charlotte-Gymnasium.
Woher wüssten Sie das? Ich habe sie gegoogelt. Das steht im Internet? Heutzutage genügt oftmals ein Klick. Alles ist so schnelllebig. Naja, sehr schnelllebig alles. Steht das da auch mit dem Mobbing drin? Oder den Selbstmorden? Nein, davon weiß ich nichts. Erzählen Sie doch mal. Vergessen Sie es. Oh, entschuldigen Sie. Noch bis vor einigen Jahren war ich viel auf Reisen.
Nordafrika hat es mir damals ganz besonders angetan. Und die Menschen dort. Wie sagt man? Ureinwohner. Richtig. Auf Nordafrikanisch sagt man allerdings Kukuchakutsch. Kukuchakutsch. Da hört man ihren deutschen Akzent noch sehr. Mehr aus der Kehle. Ja, als würden sie würgen. Denken Sie mal an was ganz schrecklich Ekliges. An die Gaffer. Ja, oder an die Bezahlung der Pflegekräfte.
An den Neoliberalismus. Kuckuckschakutsch. Das ist es noch nicht. Denken Sie doch mal an Ihre Schuld. Kuckuckschakutsch. Bin ich begeistert. Naja, ganz, ganz, ganz toll für eine von hier. Und ich glaube eben gelesen zu haben, dass sie auch so einen Hintergrund hat in Richtung Nordafrika. Sarah Kilter jetzt? Ja. Aber das sieht man ja überhaupt nicht. Also das war für mich immer ein deutsches, bildungsfernes Kind aus einem Raucherhaushalt.
Und der Bushido, der hat auch sowas mit Nordafrika. Auf eine Art kommt der da her, der Vater. Es sind ja oft die Väter, die durch ihre Tatenlosigkeit, ihre Unfigürlichkeit...
Spuren hinterlassen. Ja, bei dem besagten Bushido, da ist das ja erkenntlich. Nordafrika. Ja, aber wieso habe ich all die Jahre nicht gemerkt, dass Sarah Kilter einen Migrationshintergrund hat? Dann hätte ich das alles doch besser verstanden. Die Bildungsferne meine ich. Dann hätte das Mobbing doch ein ja anderes Geschmäckle gehabt. Ich hätte dem Mobbing doch dann mehr Zeit gewidmet. Bis
Wissen Sie, als Lehrerin, da ist man auf so vielen Baustellen. Ich musste mich doch darum kümmern, dass wir eben, ja, diesen Titel Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage bekommen. So ein Titel ist doch wichtig. Und da habe ich mich eben nicht ganz um dieses Mobbing gekümmert.
als kleine Hänseleien kümmern können. Aber ich meine, jetzt ist sie doch Künstlerin. Also das erklärt vielleicht auch, weshalb sie manchmal sonderbar war. Und solche Künstler, die müssen doch durch eine harte Schule gehen. Was wäre Kunst ohne Verletzungen in der Andalusenz? Ich habe Menschen angesprochen und gefragt, ob ich richtig bin.
Alle haben mir zugesichert, dass das hier die Badstraße im Wedding ist. Aber ich check's nicht. Hier sind Leute mit Hochwasserhosen, aus denen Tennissocken mit dem Lidl-Logo oder ein Avocado rausgucken. Sowas hätten wir früher verdroschen. Ich gehe in einen Späti und noch bevor ich richtig angekommen am Tresen sagen kann, was ich will, liegt da schon der gelbe Tabak von Poeblo, die Gizé-Filter mit dem Klebestreifen und die doppelten blauen OCB auf dem Tresen. Ich könnte kotzen. Klar. Bushido ist nicht hier. Der ist abgehauen.
Ich weiß, worüber die in meiner Wohnung sprechen. Ich kann denen aber einfach nicht erklären, woher ich die ganze Kohle für diese Wohnung herhabe. Dann werfen die mir vor, das wäre alles Kalkül gewesen vor drei Jahren, als ich damals ab und zu nach dem Uli geguckt habe. Ich wusste doch nicht, dass der was besitzt. Dann hätte ich mich doch auch gar nicht um den gekümmert, weil er mir ja dann auch nicht so dermaßen leid getan hätte. Dann hätte der mit seinem Besitz ja jemanden bezahlen können, der sich um ihn kümmert. Und ich wusste noch viel weniger, was der Uli mir seinen Besitz vermacht, nur weil ich eben ab und zu nach ihm gucken gekommen bin.
Davon habe ich dann die Wohnung gekauft. Und wenn ich dann also wieder danach gefragt werde, dann erzähle ich die Geschichte mit dem Uli natürlich nicht. Stattdessen sage ich immer, dass ich mit Böhmermann zusammen bin. Natürlich nicht in echt, nur in Gedanken. Aber davon kann ich ziemlich gut leben. Dann schmunzeln sie kurz und danach habe ich erstmal wieder für eine Weile meine Ruhe. Aber mal im Ernst.
Ich habe 23 schöne Stunden am Tag mit Böhmermann. Eine Stunde am Tag schäme ich mich dafür, was ich da die anderen 23 Stunden für einen Quatsch mache. Mein Leben lang suche ich nach einer Mischung zwischen Böhmermann und Bushido. Nicht unbedingt als Partner, sondern einfach als einen Menschen in meinem Leben.
In meiner Kindheit musste ich immer die Kaputten nehmen. Auf irgendeinem Straßenfest in der Badstraße durfte ich mir als Kind immer ein Kuscheltier aussuchen. Ich konnte mich nicht entscheiden, weil es so viele verschiedene gab und auch von dem einen Kuscheltier gab es dann noch unendlich viele Kopien. Es war schrecklich. Meine Mutter hat dann rumgewühlt in den Kuscheltierkissen und hat dann endlich eins gefunden mit Alleinstellungsmerkmal. Dem hat dann ein Bein gefehlt oder ein Auge oder irgendwas Wichtiges.
Diesen Teddy sollte ich dann nehmen, den will doch sonst niemand, hat meine Mutter gesagt. Das ist doch traurig, hat meine Mutter gesagt. Also habe ich den genommen. Wegen der Schuld habe ich den kaputten genommen. Genauso wie meine Mutter damals meinen Vater. Böhmermann ist meine späte Emanzipation. Der ist zwar unvollständig, aber immerhin nicht kaputt.
Da haben sie ihre popkulturellen Elemente. Nicht mal hier kommt man um diesen Böhmer-Mann drum rum. Das hat eine höhere Bedeutung. Sie ist verliebt in Prominente und hat einen B-Fetisch: Krankhaft. Können Sie das irgendwie pathologisieren, damit es Bedeutung bekommt? Hautarzt, kein Psychiater.
Spüren Sie denn keine Identifikation? Sie müssen doch irgendwas mal Ja sagen. Schwärmen Sie denn nicht für jemanden aus der Popkultur? Ist da niemand, der Sie irgendwie auf eine Art anfasst? Niemand. Es gibt da diese WDR-Moderatorin. Kennen Sie das Format Wunderschön? Seit Jahren keinen Fernseher.
Ja, sicher. Ich doch auch nicht. Aber es gibt ja auch das Internet, die Mediathek, YouTube. Naja, jedenfalls Tamina Kallert, die reist so durch die Welt in diesem Format, wunderschön. Da hat so einen Kameramann dabei, seinen Namen kenne ich jetzt nicht. Wenn ich jetzt mal ganz ehrlich bin, wenn ich jetzt mal so richtig aufmache, ja, dann...
bin ich eifersüchtig auf diesen scheiß Kameramann, der eben diese Tamina Callard begleiten darf. So sehr in der Popkultur verwurzelt kann diese Tamina Callard ja nicht sein, wenn ich sie nicht kenne. Ich wollte doch mit dem Beispiel der Tamina Callard
nur verdeutlichen, dass ich ebenso eine parasoziale Beziehung, dass mir das nicht völlig fremd ist. Ich glaube, es geht hier um eine Sehnsucht, eine Metapher. Mein Gott, aber so eine Metapher, die muss doch dann auch gut sein. Ich bin Deutschlehrerin, ich weiß, was es für so eine Metapher braucht.
Vielleicht geht es um die Sehnsucht nach Männlichkeit? Weil die eben immer gefehlt hat in einer Welt, in der Männlichkeit und Weiblichkeit vermeintlich verschwimmen? Die Sehnsucht nach einer Vereinigung der Männlichkeiten, dieser beiden Männer mit B. Nicht unbedingt in einem Mann, ein gewisses Selbstverständnis für beide Seiten, vereint in einer Person.
Ich bleib hier dran. Das ist ein Rätsel. Sicher hat sie viel gerätselt, als ihre Eltern sich nicht gekümmert haben, als die so rücksichtslos rumgeraucht haben. Da hat das Kind sicher Sudokus gelöst auf dem Weg nach Stralsund oder vielleicht wenigstens mal zelten am Cap Acona. Vielleicht rette ich die verlorenen Kinder auf meinem Gymnasium mit kleinen Rätselheften. Seien Sie doch nicht so zynisch.
Ist Harald Schmidt Ihre Tamina Callat? Nein, Harald Schmidt ist nicht meine Tamina Callat. Wer ist es dann? Herrgott, ich mach mir nichts aus Prominenten. Jetzt akzeptieren Sie das doch mal. Entschuldigen Sie. Ich bau einen und meditiere, ich rauch einen und levitiere. Ich glaub ich resignier, ich glaub er deprimiert mich.
Letztendlich ist oben und unten und rechts und links Deutschland. Und oben und unten und rechts und links ist scheiße. Oben und unten und rechts und links ist alles so schrecklich hochdeutsch.
Wenn du in Deutschland ständig die Worte "ambivalent" und "äquivalent" verwechselst, wird dich niemand darauf aufmerksam machen. Der Deutsche wird dir absichtlich immer wieder Fragen stellen, bei deren Beantwortung du die Wörter "ambivalent" und "äquivalent" benutzen musst. Danach lacht er in sich hinein und freut sich, dass er schlauer ist als du. In Deutschland gibt es Leute, die glauben, ein Mensch wäre ambivalent zu einem Tier.
In Deutschland befreit man eine Spinne aus den Fängen der eigenen Wohnung kompliziert mit Hilfe eines Glases und einem Stück Pappe, weil man Respekt vor dem Leben hat. Den Opa besucht man aber nur zu Weihnachten.
In Deutschland bücken sich Hundemütter, um Kacke aufzusammeln. Hundemütter drücken Analdrüsen aus, suchen nach Zecken ab und lassen für ihren Hund, der einen Menschen-Namen trägt, einen Physiotherapeuten kaufen. Und klar, die Akupunktur ist auch noch drin. Der alte weiße Mann wartet seit drei Wochen darauf, dass man ihn einmal dreht, damit er sich nicht wund liegt. In keinem anderen Land habe ich mehr Angst vor Dekubitus und Tierschützern als in Deutschland.
In Deutschland läuft was schief, wenn mir manchmal wippende Menschen mit bunten Babytragetüchern mehr Angst machen, als alte deutsche Omas und Opas auf weißen Plastikstühlen in ihren Kleingärten. In Deutschland rühren mich alte Männer, die in einem Café einen Kakao bestellen, zu Tränen. In Deutschland verliere ich vor erwachsenen Männern, die an einem Schlumpfeis schlecken, jeglichen Respekt.
In Deutschland verbringt man mehr Zeit damit, sein Drumherum aufgeräumt aussehen zu lassen, als es kosten würde, das Drumherum wirklich mal aufzuräumen. In Deutschland haben sie mich früher auf dem Gymnasium Hagrid genannt. In der Schule wurde ich jeden Morgen von irgendeinem Mitschüler mit der Titelmelodie von Harry Potter gegrüßt. Die Titelmelodie von Harry Potter triggert mich bis heute, aber da nimmt niemand Rücksicht drauf.
In Deutschland ist mein Vater in mir drin wie ein Tampon, an dem das Rückholbändchen fehlt. Ich habe in Deutschland gelernt, dass alles zwischen Mann und Frau etwas mit Sexualität zu tun hat. Bis heute kann ich keinen Mann, der halbwegs in meinem Alter ist, ohne sexuelle Konnotation angucken. In deutschen Parkanlagen kann ich bis heute nicht im Gebüsch pullern, weil mir mein Vater dabei ständig im Nacken sitzt und mir in mein Ohr flüstert, wie verdorben ich bin, verdorben ich bin. In Deutschland ertrage ich keine stillenden Mütter in der Öffentlichkeit.
In Deutschland finden viele reiche Studenten mit weißen Tennissocken, dass ich mich mal locker machen soll. Ich kann mein Kind in Deutschland niemals in einem Café stillen, weil es dabei nicht um das Kind gehen würde, sondern um mich und meine Rebellion gegen meinen Vater. Aber in Deutschland taucht man ungern so richtig in fremde Welten ein.
Denn der Deutsche hat beim Tauchen Probleme mit dem Druckausgleich. Das sieht ja aus wie in einer Kanzlei. Kein Wunder, dass hier schlechte Stimmung aufkommt.
braune Candys-Zucker-Sticks in einer KPM-Schale. Das ist eine Provokation. Ich bin nicht so eifersüchtig. Bin ich nicht. Das hat ja nichts Wohliges. Wie kann es eigentlich sein, dass niemand von uns jemals bei ihr zu Hause war? An ihrer Studentenwohnung damals war ich. Ach so. Julia, du hast heute noch nichts gegessen. Doch, einen Keks. Du hörst nicht zu. Du isst jetzt was. Ich gehe in die Küche und das isst du dann.
Was machst du da? Den Fernseher an. Wir haben ja schon seit Jahren keinen Fernseher mehr. Sieht aus wie so ein Altar. Ein Mischepunkt des Raumes. Das ist doch krank. Das ist ein Horrorhaus hier. Eine Horrorwohnung. Alles ist voller Hafermilch. Tetrapack für Tetrapack. Nur Hafermilch. Ja, Julia, hilft nichts. Du trinkst jetzt mindestens einen dieser Tetrapacks. Mach ich nicht. Ich geh jetzt.
Bleibst hier, nicht mal die Schranktüren kann man hier knallen. Weil er alles dieses verdammte Soft-Clause-Automatik hat. Ich fahr jetzt nach Hause. Ich muss morgen früh raus. Mein Fingerprint, Jule. Der SUV hört nur auf meinen Fingerprint. Ich hab das umgestellt. Der hört auf deinen und auf meinen jetzt. Hast du nicht? Doch, hab ich. Ich kümmere mich um Sachen. Diese eine Sache habe ich dich gebeten, ey. Einen letzten Scheißfunken Männlichkeit. Stimmt nicht, Jule. Sag, dass das nicht stimmt. Geh jetzt runter. Gucken.
Wie geht die Tür jetzt hier auf? Horrorhaus. Hafer Milch, Horrortür. Diese Horrortür, die hat keine Klinke. Jetzt warte doch mal, lass mich mal gucken. Ein letztes Stück Männlichkeit, das schaffe ich allein. Ich wollte einfach nur einen richtig schönen Abend mit euch verbringen. Einen Geburtstag unserer lieben Freundin feiern. Und jetzt sowas? Die Tür öffnet sich nur mit Gesichtserkennung. Wir werden doch ein Bild von ihr hier irgendwo haben. Die hat sich immer weggedreht.
Dann bei Facebook. Hat sie nicht. Oder Instagram. Hat sie nicht. Sie wird doch hier irgendwo Bilder von sich haben. Das ist eine Katalogwohnung, hier ist kein Platz für Privates. Das ist ein OP-Tag, da warten drei Wutermale, sechs Warzen und dreimal Hautkrebs auf mich. Denkt hier gerade mal irgendwer an irgendwas anderes als sich selbst?
Ich mach mir Sorgen! Ach komm, wünsch dir doch fast, dass was passiert ist. Du platzt doch vor Neid. Krass. Thomas, guck mal, was ich mir hier anhören muss. Wieso schreitest du da nicht ein eigentlich? Wer Feministin sein will, der muss sich auch verbal zu helfen wissen. Ich bin keine verdammte Feministin. Eine Feministin mit Essstörung? Das reicht doch jetzt. Du musst auch mal den Tatsachen ins Auge, Jule. Welchen Tatsachen musstest du denn jemals ins Auge? Du bist fast 30 und wirst immer noch von deinen Eltern finanziert.
Muss man sich auch jetzt mal wagen, mit fast 30 Jahren zu sagen: "Ja, Mama und Papa, ich nehm gerne 1000 Euro im Monat von euch. Danke!" Und deine beschissene CO2-Bilanz. Willst du dich damit wiedergutmachen, hä? So Leute wie du sind der Grund, warum ich es nicht ertrage, in Bioläden einzukaufen. Dir ist doch egal, wo dein Essen herkommt. Wenigstens esse ich überhaupt was. Thomas, jetzt schreite ein! Du wärst dich doch ganz toll schon selbst
Ach, als ich so richtig verliebt war in dich und du mich noch mit deinem alten Schaltwagen abgeholt hast, da hast du immer die Kupplung getreten und ich hab den Gang reingesetzt. Das fand ich richtig toll, weißt du? Das hab ich dir damals erzählt, nur unser Ihmchen fand's nicht gut. Abgesehen davon, dass das so ein beschissenes sexuelles Machtspiel ist, ist es auch beschissen, weil man dann noch einen Partner haben will, der schaltet. Und ich hab's nicht verstanden. Jetzt schon, jetzt dämmert's. Und Max...
Selbst dein Rennrad hat keine Gänge. Du machst jetzt hier nichts Existenzielles draus. Lass das. Imchen versteht es einfach, anderen immer wieder ein schlechtes Gefühl zu geben. Manchmal hat sie vielleicht aber auch einfach recht.
Ich hatte doch auch Probleme mit meinem Vater. Aber die wurden immer überschattet von ihren Problemen mit ihrem Vater. Ihre Probleme waren immer krasser. Ja, und dann fängt man an, sich zu entschuldigen, wenn man sich überhaupt noch traut, über die eigenen Probleme zu sprechen. Ja, man erzählt von seinem Opa, der in russischer Gefangenschaft war. Und dann kommt wieder ihmchen um die Ecke. Also mein Opa ist während des Bürgerkriegs in Algerien umgekommen, nachdem er die Kolonialisierung der Franzosen überlebt hat. Wieder übertrumpft.
Jetzt diese Wohnung hier. Hat sie uns immer angelogen? Waren all diese Jahre schlechtes Gewissen umsonst? Wenn das alles stimmt, was sie sagt, dann müssten wir doch viel mehr geschafft haben in unserem Leben, weil wir ja angeblich so viel bessere Startvoraussetzungen hatten als sie. Es ist doch wie alles eine riesengroße Scheiße. Du musst essen. Ich will nicht essen. Ich will den Dyson. Ich will so gerne mal irgendwas richtig besitzen.
Musik
Ich komme aus dem Späti. Zack, Fahrrad weg. Dann ruft Jule an. Sie heult. Gratuliert mir zum Geburtstag. Ich sage, dass es mitten in der Nacht ist. Mein Geburtstag ist seit acht Minuten vorbei und niemand hat mich angerufen. Ich könnte auch heulen. Aber ich habe gerade Beton in meiner Brust, deswegen kann ich nicht weinen. Sie fühlt sich schuldig, sagt sie. Nicht ein Bild hat sie von mir. Aber ich hätte mich ja immer weggedreht. Ich höre durch das Telefon, wie sie einen der braunen Kandeszucker-Sticks zerbeißt.
Bushido wäre auch ohne Foto rausgekommen. Schraubenzieher, bisschen Feingefühl, zack. Männlichkeit ist manchmal so einfach. Aber ich bin mit lauter Böhmer-Männern und Frauen mit Kinderhemden befreundet. Die kommen da nicht raus. Ich gucke auf die Uhr. Das Einstein-Café öffnet erst in sieben Stunden. Ich schicke ihr ein Bild bei Zeiten, sag ich. Dann leg ich auf. Irgendwoher höre ich Musik von Bushido. Ich weiß nicht, ob ich mir das einbilde oder ob das wirklich da ist. Aber das war schon immer mein Problem.
Ich folge der Musik und bleibe vor einem Wohnhaus stehen. Ich gucke nach oben und sehe Leute auf einer Dachterrasse grölen und tanzen. Ich gehe in den Hausflur und sehe das Fahrrad von Max. Nur jetzt eben angeschlossen am Treppengeländer. Ein Dieb, der die Gefahren kennt. Sexy. Ganz oben stehe ich an einer Tür, die beklebt ist mit politischen Stickern, die mir eine Zuversicht geben, dass sich dahinter Menschen befinden, die mich nachvollziehen können.
Menschen, für die ich nicht Ort und Zeit wechseln muss, damit ich eine Allgemeingültigkeit bekomme.
Mein Vater, der hatte eine Hasenscharte. Eine gut operierte Hasenscharte. Aber auch eine gut operierte Hasenscharte bleibt nun mal eine Hasenscharte. Mein Vater war nicht gut zu mir. Und trotzdem will ich es bis heute einfach nicht schaffen, meinen Vater zu hassen, weil er nie gut zu mir war. Aber eben auch nie wirklich böse. Ich sollte immer Lehrerin werden.
Das habe ich für ihn gemacht. Und als ich fertig war mit dem Refendariat, als ich dann irgendwann endlich meinen Beamtenstatus hatte, ja, da hat er so reagiert, als ob ich ihm erzählt hätte, dass ich gerade beim McDonald's Monopoly eine Apfeltasche gewonnen habe.
um mal einen Vergleich aus Ihrer Lebensrealität zu bedienen. Sie glauben, McDonald's ist meine Lebensrealität? Ich wollte Sie nur pieken. Das ganze Leben habe ich darauf aufgebaut, dass dieser blöde Vater einmal stolz ist. Aber er war es nicht. Meine beiden Ehemänner, die einer Affäre, selbst mein erster Freund, hatten alle eine Hasenscharte. Bei dem zweiten Ehemann habe ich sie erst gar nicht gesehen.
Ich dachte, ich hätte mich befreit, bis meine Schwiegermutter auf unserer Hochzeit eine Diashow zeigte. Das erste Bild war meine schwangere Schwiegermutter mit meinem Mann im Bauch. Das zweite Bild war mein Mann als Säugling. Und dieser Säugling hatte eine Hasenscharte. Ich bin auf mich selbst reingefallen. Wenn Sie erlauben, wenn Ihnen das jetzt nicht zu schnell... Irgendwie macht mich das hier alles mutig. Essen Sie mit mir?
Wollen wir zu McDonalds? Auch wenn das absolut nicht meine Lebensrealität... Zu den Kuckuck-Schakusch? ...die ja eigentlich Deutsche sind. Aber äußerlich, die ummantelung, das zunächst Sichtbare, die Offensicht, das Offengelegte, das bleibt ja Kuckuck-Schakutschig. Ich denke eben, ich könnte die Synthese sein. Ich kann beide Seiten. Ich kann Böhmermann, aber ich kann eben auch durch Nordafrika. Der ganze Sand dort.
Sogar eine Zirkumzision habe ich vornehmen lassen. Ich kann gleichzeitig der Mann mit und ohne Hasen scharten. Versprechen Sie mir etwas? Alles. Zeigen Sie mir niemals ein Bild aus Ihrer Kindheit von sich. Und verhindern Sie auch, dass andere es tun? Ich verspreche es. Wieso hast du nicht gesagt, wie dringend wir ein Bild brauchen? Hä, wieso machst du denn jetzt so einen Stress? Auf mich warten morgen früh lauter Teenager, auf dich wartet nur dein MacBook Pro. Das ist auch Arbeit.
Sie ist sauer, weil wir ihr nicht zum Geburtstag gratuliert haben. Wieso hast du nicht gesagt, dass wir in ihrer Wohnung sind? Na, dann hätte sie doch sofort verstanden, dass ich nicht traurig um das Bild bin, sondern darüber, dass wir hier festsitzen. Hm. Hast du was? Nein, aber hier ist alles voll mit Bushido-CDs.
Vielleicht schadet sie das beim Joggen. Vielleicht lassen die homophoben Texte sie schneller laufen, weil sie sie so wütend machen. Dafür gibt es doch andere Möglichkeiten. Vielleicht sind sie das Überbleibsel. Aus der Jugend? Keine Ahnung. Die war doch in der Schule viel zu uncool für Bushido. Ihr seid zusammen zur Schule gegangen? Wieso zur Schule? Weiß ich das nicht.
Hier steht der Max Frischfragebogen neben einer Bushido-Maxi-CD im Regal. Das hält man doch im Kopf nicht aus. Boah, ich will hier so gerne was kaputt machen. Ja, guck mal, Julia, ich mach die Musik von diesem Bastard kaputt. Eine Münze, Bushido-CD und losgerubbelt. Siehst du das, wie ich schalte? Ich zerkratze Fotze und Schwuchtel. Siehst du das? Ey, hör auf damit. Sie wurde doch selbst gemobbt früher in der Schule und jetzt hört sie sich Musik von einem Typen an, der andere Menschen mocht.
Nichts gelernt, offenbar. Und hast du da mitgemacht? Natürlich nicht. Aber du hast auch nichts dagegen gemacht? Natürlich nicht. Was haben die denn mit ihr gemacht, hm? Erzähl mal. Ja, gemobbt halt. Was sonst? Ja, aber so Teenager, die lassen sich doch mehr einfallen. Es gab mal so ein Fake-Profil von ihr auf Facebook, glaube ich. Das haben irgendwelche Leute erstellt. Gibt es die Seite noch? Ja, gibt es noch. Ey, ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals sage, aber ich liebe unsere Generation.
Ist nicht dein Ernst? Zeig's mal her. So sah sie aus? Krass. Hat ein bisschen was von Hagrid aus Harry Potter. Das macht ihr nicht. Das ist unsere einzige Chance. Auf einer Bühne aus Europaletten also steht Bushido in einem Käfig. Nicht der echte, aber auf eine Art.
Er hat einen Zahnstocher im Mund, so wie ein richtiger Gangster. Und drum herum stehen Menschen mit Bauchtaschen, Ralph Lauren Caps, Adeletten oder Air Max, die sie mit Hochwasserhosen kombinieren und aus denen weiße Tennissocken mit einer Avocado oder dem Lidl-Logo drauf rausgucken.
Eine Frau läuft mit einem Tablett voller Zahnstocher durch die Reihen des Publikums. Als sie bei mir angekommen ist, bin ich verwirrt. Ich frage, ob da nicht was draufgespießt sein müsste auf den Zahnstochern. Ich sage Amuse-Gueule, ich sage Amuse-Bouche, ich sage Weintraube und Käse.
Ich sage: Gemülltablett. Ich sage: Fass? Die Leute ohne Zahnstocher werden ungeduldig. Ich sage: Vielleicht bin ich auch zu dumm, um das zu verstehen. Ich beiße mir auf die Zunge. Hände greifen um mich herum auf das Tablett und holen sich ihre Zahnstocher. Ich sehe mich um und gucke, was sie mit den Zahnstochern machen. Dann klickert's im Kopf. Es klickert gewaltlos. Bushido ist im Käfig. Bushido sagt nur ein paar Worte und schon steht er im Fettnäpfchen.
Er verwechselt ambivalent und äquivalent, erzählt ein bisschen was zu seinem Verständnis von Männlichkeit. Das Publikum grölt und freut sich, dass Bushido so dumm ist. Denn das Publikum hier hat für sich als Community schon lange die Schranken zwischen männlich und weiblich durchbrochen. Bushido sagt, dass ein echter Mann für seine Frau und seine Tochter kämpft, mit jedem Werkzeug, das ihm zur Verfügung steht.
Ich denke an meine Jugend und wie ich damals im Auto meines Vaters zurückgelassen wurde. In der Badstraße rannte nämlich ein Freund meines Vaters mit einem Hammer in der Hand dem Ehemann seiner Tochter hinterher. Mit gewaltloser Intention kaufte er den Hammer zuvor einem Deutschen auf dem Flohmarkt ab. Mein Vater
Er kannte eben diesen Freund auf der Straße, ließ mich im Auto zurück und hat seinem Freund geholfen, den Ehemann zu fangen. Aber auch dafür gesorgt, dass der Hammer den Kopf des Ehemanns nicht trifft. Ich hatte damals Angst um meinen Vater, aber nicht so viel Angst, wie wenn er nach Brandenburg gefahren ist. Und ich dachte, der Ehemann, der wird sich schon was erlaubt haben, das berechtigt, ihm mit einem Hammer hinterher zu laufen.
Und dann denke ich an die Typen hier auf dem Bushido-Konzert, die das nicht checken. Und plötzlich finde ich alle Menschen hier wahnsinnig unmännlich. Dann schäme ich mich aber auch gleich wieder, weil was ist schon männlich? Bushido hat aufgehört zu reden und so langsam lässt auch das gleich danach. Es wird Party gemacht, abgezappelt. Ein Typ quatscht mich an und verliert dabei seinen Zahnstocher.
Ich hebe den Zahnstocher für ihn auf, er öffnet leicht seinen Mund und ich platziere den Zahnstocher wieder so zwischen seinen Lippen, dass es ästhetisch aussieht. Ich sehe, dass er auf seinen Fingern die Buchstaben ACAB tätowiert hat. Ich verliebe mich, aber bleibe Böhmermann treu. Das ist eine einseitige, aber keine offene Beziehung zwischen uns. Dann wird es plötzlich wahnsinnig laut auf der Badstraße. Schnelles Auto, Rückwärtsgang, Bremsen, Geschrei.
Die Leute auf dem Rooftop rennen zum Geländer, Zahnstocher im Maul und gucken nach unten. Auch auf der Badstraße hat sich schon eine Traube von Gaffern gebildet. Ich ruf sie an, sie ruft mich an, ich geh nicht ran. Sie schreit auf Facebook, WhatsApp und auf Instagram. Ich brauch ne Frau, sie ist ne Brauch, sie braucht ein Hand.
In Deutschland hätte man für viele Leute den Zahnstocher vorher stärker etablieren müssen, damit diejenigen verstehen, was dieser Zahnstocher letztendlich bedeutet. Ich erinnere mich nicht daran, dass in Deutschland für mich jemals ein Krieg, ein Diskurs, ein Fremdwort oder ein "Was weiß ich" erklärt wurde, damit ich mitkomme. In Deutschland kann man manche Dinge aber auch einfach mal voraussetzen.
Das habe ich im Musikunterricht auf dem Gymnasium gelernt, als die Lehrerin von mir erwartet hat, dass ich genauso gut Xylophon spiele wie der Junge neben mir, der seitdem er sechs Jahre alt ist Klavierunterricht nimmt. In Deutschland habe ich aber auch gelernt, mich um die Kaputten zu kümmern.
Manchmal verurteilen Deutsche die, für die sie sich sonst aussprechen, ohne es zu merken. In Deutschland ist ein Zahnstocher manchmal schwerer zu verstehen als ein Krieg, obwohl der Zahnstocher bei den meisten Deutschen doch so viel mehr in die Lebenswirklichkeit passt. In Deutschland weiß ich manchmal nicht wohin.
obwohl hier alles so wahnsinnig gut ausgeschildert ist. Wenn man in Deutschland einen Satz beginnt mit, dass man sowas in Deutschland ja nicht sagen darf, dann ist man in Deutschland schnell unten durch. Deswegen sage ich diesen Satz auch erst ganz zum Schluss. Vielleicht bin ich für Deutschland aber auch einfach zu dumm und zu jung und zu unpolitisch. Scheiße, jetzt rede ich schon wieder nur über mich selbst.
In Deutschland stehen Typen auf einem Rooftop in Berlin-Wedding in der Badstraße mit Tätowierungen, Metall- oder Hornbrille und Zahnstocher in der Fresse und sehen sich das Szenario unten an. In Deutschland sehen diese Typen wie ein Kuckuck-Jakutsch einem anderen Kuckuck-Jakutsch mit einem Hammer in der Hand hinterher rennt, während ganz viele unbeteiligte Kuckuck-Jakutschs Teil dieses Schauspiels werden, aber nicht indem sie dem Verfolgten zu Hilfe eilen, sondern indem sie gaffen.
Der Kuckuck-Jakutsch an sich gafft gerne. Und die Zahnstocherfressen gucken sich das an. Sie gaffen nicht. Sie gucken, sie beschauen und schauen zu. Sie scannen, sie analysieren, sie blicken oder blicken rein. Sie äugeln, sie lugen, sie erfassen. Aber wie gesagt, sie gaffen nicht.
Ein anderer Kuckuckschakutsch im Auto sieht, wie sein Kuckuckschakutsch-Freund einem anderen Kuckuckschakutsch mit einem Hammer in der Hand hinterherläuft, bremst und steigt aus. Seine Tochter, die manchen Menschen nicht Kuckuckschakutschig genug aussieht und gerne Bushido hört, aber heimlich, weil die Musik von Bushido gleichzeitig haram und politisch unkorrekt ist, bleibt im Auto.
Der Vater rennt die Badstraße entlang. Auf der Badstraße hat sich bereits eine Traube von unbeteiligten Kuckuckschakutsch gebildet, die ja eigentlich Deutsche sind, aber äußerlich die Ummantelung, das zunächst Sichtbare, die Offensicht, das Offengelegte bleibt ja nun mal Kuckuckschakutschig.
Auf der Straße stehen auch Deutsche ohne Kuku-Chakutsch-Hintergrund. Aber unter Deutschen geht der Deutsche manchmal unter. In Deutschland öffnen Deutsche mit ACAB-Tätowierungen und Zahnstochern in der Fresse ihre Münder und grölen, pardon, rufen, fordern, begehren, bitten, appellieren: "Lasst den Mann in Ruhe, ihr seid so widerlich, jemand muss doch dem Mann helfen!" Dabei rieseln Zahnstocher auf die Kuku-Chakutschs. Aber die Kuku-Chakutschs haben eine dicke Haut, die ist ihnen in Deutschland gewachsen.
Einige Männer mit ACAB-Tätowierungen rufen die Polizei. Die Bushido-Fans wissen: Das K- und das N-Wort werden nicht gesagt. Diese Worte sind bei der Hetz-Tirade verboten. Bei "Spast" hört es auf. Bis "Spast" und "Bastard". Aber nicht weiter. "Spast" und "Bastard" lassen sich linke Studenten mit dem Lidl-Logo oder einer Avocado auf den weißen Tennissocken nicht nehmen, weil den Deutschen, die "Spast" und "Bastard" sagen, weder Bein noch Auge noch Vater fehlt.
Die Deutschen auf dem Rooftop sind so schlau, sie sagen das N-Wort nicht, auch nicht das K-Wort, sie denken es sich nur. Die Deutschen hören sich gerne Rap-Songs an, in denen ein Kuckuck-Jakutsch erzählt, wie er einem anderen Kuckuck-Jakutsch mit einem Hammer hinterherläuft. Aber wenn das plötzlich Realität wird, das geht nicht. Diese Deutschen haben gedacht, dass die Geschichten der Kuckuck-Jakutschs ironisch sind, auf eine Art Satire. Wie bei dem anderen Mann mit B.
Wie bei dem anderen Mann mit B. Wie bei dem anderen Mann mit B. In Deutschland wartet ein Mädchen in einem Auto in 2. Reihe darauf, dass ihr Vater wiederkommt und sie zurück nach Hause fährt. Und gleichzeitig hat sie Angst davor.
Dieses Mädchen möchte einfach nur in Ruhe auf dem Lamm verliegen und mal wieder ihre Kindheit hören.
Wieso ging es eigentlich nur um Deutschrap? Keine Ahnung. Ich kenne mich halt null aus in der Szene. Aber einer Hörerin, der ist doch auch mal nach einem Lösungsansatz. Einen Lösungsansatz habe ich nicht bemerkt. Nee. Gehen wir noch ein Bier trinken? Ja.
Ja, voll gerne. Ich habe auch den Wedding nicht verstanden. Badstraße sagt mir nichts. Auf keine Art. Es ging auch um Chancen und Zugang und Erreichbarkeit. Aber wer soll denn das verstehen, der eben nicht wie wir irgendwas studiert hat? Oder nicht mal wie wir am Gymnasium war? White Passing von Sarah Kilter
Mit Hewin Tekin, Lili Sahavi, Tamir Tahan, Damir Avdic, Andreas Nickel und Sesele Dersian. Ton Martin Selig und Martin Scholz. Regieassistent Lisa Spöri. Regie Nick Julian Lehmann. Dramaturgie Juliane Schmidt. Eine Produktion des Rundfunk Berlin Brandenburg 2022.