Es gibt Angaben von ihr, die ich erstmal relativ dünn finde, würde ich jetzt mal sagen. Das ist Silvia Gubi-Kelm. Sie ist Professorin für Rechtspsychologie an der Medical School in Hamburg und beschäftigt sich vor allem mit Aussagepsychologie. Sie prüft also, wie glaubhaft Zeugenaussagen sind. Und sie hat sich mit mir einige Aussagen zum Fall Elena angeschaut.
Elena ist das Mädchen, das am 1. Februar 2022 gestorben ist. Ihre Mutter und ihre Großmutter haben ihre Leiche in einem Waldstück nahe einer Siedlung am Rande von Bern in der Schweiz gefunden. Sie war blutüberströmt und lag neben einer Baumhütte, die Elena und ihre Mutter eine Woche vor Elenas Tod gemeinsam gebaut haben. Alles sieht danach aus, als sei Elena getötet worden. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass ihre eigene Mutter die Täterin ist.
Mein Name ist Anne Kunze, ich bin die Kriminalreporterin der ZEIT. Ihr hört Elina, einen fünftstelligen Podcast von ZEIT Verbrechen. Das ist Folge 2. In der ersten Folge habe ich die Familie und den Anwalt der Beschuldigten kennengelernt. Sie glauben, Miriam Berger sei das Opfer einer klassengetriebenen Justiz. In der Folge heute möchte ich erfahren, was es ist, das Polizei und Staatsanwaltschaft von Miriam Bergers Schuld überzeugt hat.
Gehen wir nochmal in den Wald, zurück zu dem Abend, an dem Elena gefunden wurde. Gemeinsam mit dem Rettungsteam ist eine Patrouille der Kantonspolizei Bern eingetroffen. Ein Polizist hat nachträglich seine Eindrücke notiert. Wir haben seinen Bericht nachvertont. Die Mutter, Miriam, war trotz der Situation ziemlich gefasst. Sie weinte, jedoch war auch dies ziemlich verhalten. Weiter konnte durch mich und Kollege ***
Alkoholgeruch bei ihr wahrgenommen werden. Aber nicht nur Miriam Berger hat auf den Polizisten einen merkwürdigen Eindruck gemacht. Auch Monika Berger, Elinas Großmutter. Die Großmutter, Monika, starrte die ganze Zeit auf den Boden. Sie blickte dem Schreibenden nie in die Augen. Zudem sagte sie nicht viel. Wenn sie etwas sagte, schaute sie zuerst zu ihrer Tochter, Miriam.
Als Kollege *** und ich mit der Großmutter und Mutter Richtung Patrouillenfahrzeug liefen, sprach ich die Großmutter an. Wir liefen dabei circa vier Meter vor ihrer Tochter. Ich fragte sie dann, ob etwas vorgefallen sei oder ob zu Hause etwas passiert sei. Dann hielt sie an und schaute nach hinten zu ihrer Tochter.
Sie gab dann an, dass alles in Ordnung sei. Und zwei Tage später fällt dem Polizisten noch etwas ein. Nachträglich schreibt er zu der Befragung im Wald auf, Sie, Miriam, sei zu Elena gegangen und habe das Blut am Kopf gesehen. Sie habe dabei erkannt, dass ihr Gewalt angetan worden sei. Sie könne sich nicht vorstellen, wer dies gemacht habe. Sie habe in der Folge Angst gehabt, dass auch ihr etwas angetan werden könne.
Deshalb sei sie nicht dort geblieben und habe hier gewartet. Standort circa 15 bis 20 Meter von Elena entfernt. Sie habe lediglich den Puls versucht zu ertasten.
Weiter habe sie Elena nicht weiter anfassen wollen, da sie nichts Falsches machen wollte und nicht in Verbindung mit der Gewalttat gebracht werden wollte. Der Polizist schreibt, er könne sich an Miriam Bergers genauen Wortlaut nicht erinnern, aber die Begründung, sie wolle nichts Falsches machen und nicht mit einer Gewalttat in Verbindung gebracht werden, die kam dem Polizisten, wie er schreibt, ich zitiere, merkwürdig und suspekt vor. Für mich hört sich das so an, als sei der Verdacht recht schnell auf Elenas Mutter gefallen.
Was spricht für die Schuld von Miriam Berger? Am 2. Februar 2022, dem Tag nach Elenas Tod, haben Dutzende Polizisten das Waldstück durchkämmt, in dem die 8-jährige Elena tot aufgefunden wurde. Sie haben nach Hinweisen gesucht, nicht viel gefunden. Und dann, am Mittag, kam ein Junge auf sie zu.
Er war zwölf Jahre alt und wir wollen ihn hier Matteo nennen. Matteo hat den Polizisten gesagt, so steht es in deren Bericht, er habe Elina und Miriam Berger am Nachmittag zuvor gesehen, wie sie gemeinsam in den Wald gelaufen seien. Was er sagt, ist für die Ermittlungen von allergrößter Bedeutung. Seine Aussage ist das Fundament der Anklage gegen Miriam Berger. In den Akten wird die Bedeutung immer wieder unterstrichen.
Einmal zum Beispiel schreibt ein Gericht, dass sich der, ich zitiere, dringende Tatverdacht derzeit primär auf die belastenden Aussagen des Matteo stütze. Das Gericht schreibt, ich zitiere, seinen Aussagen kommt im vorliegenden Verfahren eine zentrale Bedeutung zu. Moritz Müller, der Anwalt von Miriam Berger, hält Matteos Aussagen für unglaubhaft. Der Junge selber kann die Tat, die vorgeworfene Tat nicht bezeugen.
Er kann einfach Aussagen machen, was er gesehen haben will. Ob es stimmt oder nicht, das wird nicht überprüft werden können. Und deswegen erachte ich ihn als sehr, sehr überbewertet, seine Aussagen, oder sein Gewicht als überbewertet. Ich möchte das selbst einschätzen können. Daher will ich Matthäus' Aussage prüfen lassen. Und dafür habe ich mit Sylvia Gubi-Kellm gesprochen, der Aussagepsychologin, die ihr bereits zu Beginn gehört habt.
Auf meine Bitte hin hat sie sich in die Akten zum Fall Elina vertieft. Frau Gubi Kelm interessiert sich erstmal dafür, wie eine Aussage überhaupt zustande gekommen ist. Bei Matteo war es so, dass eine Mutter im Schulbus mit den Kindern über Elinas Tod gesprochen hat. So wie sich das schriftlich aus der Akte darstellt, scheint er ja nicht verantwortlich.
auf die Leute zugegangen zu sein und gesagt zu haben, oh, die ist verstorben, soll ich euch mal was erzählen? Die habe ich ja gestern noch gesehen mit ihrer Mutter. Sondern er erfährt, da sind Kinder traurig, warum sind die traurig? Es erzählt ihm eine Mutter, was passiert ist und er sagt, oh, aber die habe ich doch gestern noch gesehen. Also das wirkt jetzt erstmal nicht so wie, ich erzähle jetzt eine Geschichte, um mich irgendwie in den Mittelpunkt zu bringen. Matteo hat im selben Viertel wie Familie Berger gelebt.
Er sagte, er sei in jenem Nachmittag mit seinem Hund spazieren gegangen und sei Elena und Miriam zweimal begegnet. Beim ersten Mal habe er sie noch in der Wohnsiedlung gesehen. Beim zweiten Mal seien sie schon fast im Wald drin gewesen.
Später wurde Matteo nochmal von einer Polizistin befragt. Es gibt diese Vernehmung auf Video und ich habe sie mir angesehen. Wenn Matteos Aussage stimmt, lügt Miriam Berger. Dann ist Delina am 1. Februar nachmittags nicht alleine zu einer Freundin gegangen, sondern gemeinsam mit ihrer Mutter in den Wald. Musik
Ich habe auch Frau Gubi Kelm gebeten, sich die Videoaufzeichnung von Matthäus Vernehmung anzusehen. Wir haben hier das Problem, dass Matthäus ja eigentlich nur etwas zur Begegnung sagen kann. Also nichts zur eigentlichen Tat. Er hat ja nichts gesehen, sondern er gibt ja nur an, Frau Berger und ihre Tochter an dem fraglichen Nachmittag gesehen zu haben. Also er sagt ja zum Beispiel auf die Frage hin, warum er die Zeit so genau angeben kann, wo er auf die beiden getroffen sei. Er habe auf die Uhr geschaut, von der er für sich
wissen wollte, ob er schon lang genug draußen sei mit dem Hund, weil er, wenn er nicht lang genug spazieren geht, irgendwie von der Mutter nochmal rausgeschickt würde. Das finde ich alles erstmal plausibel aus der Sicht eines Zwölfjährigen. Es sei gegen 16.45 Uhr gewesen, da seien Miriam und Elena Berger gemeinsam in Richtung Wald gelaufen.
Gegen 16.51 Uhr, also sechs Minuten später, habe er Mutter und Tochter noch einmal gesehen. Diesmal seien sie schon etwa fünf Meter im Wald drin gewesen. Es geht ja eigentlich nur um diesen Punkt, hat er die Mutter und die Tochter wirklich gesehen und dazu...
Berichtet er oder kann er nur wenig berichten? Das war ja nur eine ganz kurze Begegnung. In der finden sich so ein paar Sachen, die vielleicht ganz interessant sind. Zum einen, dass die Mutter den Hund gestreichelt haben soll. Elena dagegen habe ängstlich gewirkt und einen Bogen um seinen Hund gemacht. Laut anderer Zeugenaussagen hatte Elena Angst vor Hunden. Naja, wenn man das jetzt auf einer Beweisebene sehen will, auch das sind wieder Anhaltspunkte.
dass die Mutter mit der Tochter dort spazieren gewesen sein könnte. Aber es ist natürlich kein richtiges Beweismittel. Matthäus' Handydaten wurden abgeglichen. Sie passen zu dem, was er sagt. Er war tatsächlich rund eine Viertelstunde draußen. Davor und danach hat sich sein Handy mit dem Router der Familie zu Hause verbunden. Also das wirkt jetzt erstmal nicht so wie, ich erzähle jetzt eine Geschichte, um mich irgendwie in den Mittelpunkt zu bringen.
Und er bleibt ja auch in seiner Aussage sehr verhalten. Also es wird ja auch in der Aussage bei der Polizei nicht mehr, er erzählt nicht auf einmal eine reißerische Geschichte. Er hat ja auch zumindest aus dem, was sich jetzt ergibt, aus der Art der erstmal gar kein, zumindest kein Motiv, etwas gegen die Familie zu sagen, gegen die Familie Berger zu sagen. Als Aussagepsychologin kann Silvia Gubi-Kellm natürlich nicht beurteilen, ob Matthäus' Aussage wahr ist oder nicht.
Aber sie kann beurteilen, ob sie Matthäus' Aussage für erlebnisbasiert hält oder nicht. Die Aussage, die er getätigt hat, ist ja eher...
Er ist nüchtern, ist klein, ist nicht reißerisch, ist auch, finde ich, an einigen Stellen verhalten. Also er gibt ja durchaus Erinnerungslücken zu. Er erzählt nicht einfach irgendwas, sondern er sagt, das weiß ich nicht mehr genau. Und insofern mag ich mich da jetzt nicht festlegen, weil ich, wie gesagt, ihn selber gar nicht befragt habe. Aber von dem, was sich so aus den Akten ergibt, wirkt es zumindest erst mal nicht wie eine Aussage,
Nur um aufzuschneiden. Es gibt in den Akten eine anonyme Meldung, die bei der lokalen Kinderschutzbehörde eingegangen ist. Am 21. März, sieben Wochen nach Elenas Tod. Es geht um Matteo und etwas, das er angeblich gesagt hat. Wir haben die Meldung nachsprechen lassen. Und zwar machen wir uns große Sorgen um den Jungen, aber auch um die Kinder in seinem Umfeld. Besonders schockierend und alarmierend ist,
Erzählt anderen, zum Teil viel jüngeren Kindern, dass er das Mädchen im Königsbergwald mit einem Stein erschlagen hat. Er hat sie als letztes Leben gesehen im Wald und musste deswegen auch zur Polizei. Also er sollte normalerweise eher unter Schock sein, als solchen Seich zu erzählen. Und das Schlimmste daran, die anderen Kinder dürfen es auf keinen Fall weitererzählen. Er macht ihnen Angst und setzt sie gleichzeitig auch noch unter psychischen Druck.
Mit einem ermordeten Mädchen macht man nicht solche Späße, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Matteo bestreitet über seine Anwältin, das gesagt zu haben. Solche Worte seien nie gefallen. Auch Matteos Lehrerin weiß nichts davon. Matteos Anwältin wirft der Verteidigung Miriam Bergers vor, diese anonyme Anzeige als bloße Strategie zu verwenden. Ich finde, auch da muss man vorsichtig sein mit der Interpretation. Also wenn er deutlich später sagt, eigentlich habe ich die ja umgebracht, dann...
Mag das ja auch einfach ein Aufschneiden sein danach, eine Überforderung der Situation, dass er überhaupt nicht damit klarkommt und er jetzt irgendwie aufschneidet? Eine unabhängige Psychologin kommt also zu dem Schluss, dass Matthäus' Aussage wahrscheinlich glaubhaft ist, auch wenn er vielleicht danach seltsame Dinge erzählt hat. Mich wundert nicht, dass der Zeuge für die Staatsanwaltschaft so wichtig ist.
In ihren Vernehmungen, sagt Miriam Berger, an dem Tag, an dem Elena gestorben ist, war ich nicht mit ihr im Wald. Sie sagt, ich sage nicht, dass der Zeuge lügt. Elena und ich waren oft im Wald, aber er muss sich im Tag geirrt haben. Nun, sicher ist einer von beiden, Matteo oder Miriam Berger, muss sich täuschen oder lügt. Ich bitte Professorin Gubi Kelm, auch Miriam Bergers Aussagen einmal zu prüfen. Sie wurde etliche Male von der Polizei vernommen.
Also maßgebend für...
Den Prozess in der Aussagepsychologie und auch für meine Herangehensweise an die Fälle, mit denen ich zu tun habe, ist erstmal die sogenannte Nullhypothesenprüfung. Diese Art des Vorgehens bestimmt in Deutschland der Bundesgerichtshof. Sie ist also vom obersten deutschen Gerichtshof vorgegeben. Dass wir erstmal davon ausgehen, dass ein Ereignis, das berichtet wird, so nicht stattgefunden hat. Das heißt also, Aussagepsychologinnen wie Frau Gubi-Kellm glauben am Anfang erstmal gar nichts.
Und wir stellen dann Gegenhypothesen auf, also Alternativerklärungen, wie dieses Ereignis oder die Aussage zu einem Ereignis entstanden sein könnte, wenn das Ereignis möglicherweise so nicht stattgefunden hat. Das wäre zum Beispiel, dass eine Person vielleicht lügt, weil sie sich einen Vorteil verschaffen möchte oder dass sie vielleicht stark beeinflusst worden ist und wir es mit dem Thema Suggestion zu tun haben, um zwei ganz zentrale Hypothesen mal zu nennen.
Sie prüft, wenn sie eine Aussage hört, liest oder sieht, ob der Zeuge das, was er sagt, selbst erlebt hat. Und während ich die Aussagen lese, ist es so, dass in mir eigentlich die ganze Zeit dieser Hypothesenprüfprozess stattfindet. Also ich lese das und überlege mir parallel immer, gibt es ein Motiv beispielsweise dafür, dass jemand diese Aussage lehnt?
Ja, getätigt hat, weil er sich vielleicht einen Vorteil verschafft. Wie sind die Konstellationen der Person, um die es geht? Ging es beispielsweise um eine Beziehung, die vielleicht problematisch war? Gibt es möglicherweise schon, bevor es zu der Aussage kam, eine sehr lange Auseinandersetzung mit der Thematik? Also vor dem Hintergrund könnte Beeinflussung eine Rolle gespielt haben.
Oder ist etwas passiert und sehr schnell darauf wurde dann die Aussage getätigt? Ich finde interessant, wie Aussagepsychologinnen arbeiten. Sie beginnen fast immer damit, sich eine Tabelle anzulegen. Excel, das klingt zugegebenermaßen wenig spektakulär. Aber es sind Excel-Tabellen, die eine ganze Reihe großer Prozesse gedreht haben, weil sie Aussagen nebeneinander gelegt haben und so Falschaussagen auf die Spur gekommen sind. Haben Sie denn in den Aussagen von der Frau Berger
Widersprüche gefunden. Was vielleicht auch erstmal widersprüchlich erscheinen mag, sind die Aussagen zu Besuchen in diesem Wald, bei diesem Versteck, was sie mit ihrer Tochter besucht.
Vielleicht erinnert ihr euch an den Bau der Baumhütte im Wald, von dem wir ganz zu Anfang dieses Podcasts gehört haben. Sie sagt ja ganz am Anfang, sie sei mehrfach mit der Tochter dort gewesen, in einem eng begrenzten Zeitfenster. Miriam Berger sagt in den Vernehmungen bei der Polizei, sie sei mit Elena in der Woche vor ihrem Tod immer wieder in die gemeinsam erbaute Hütte in den Wald hinaufgestiegen. Wie oft, das weiß sie nicht genau.
Sie nennt in den Vernehmungen verschiedene Zahlen, drei, vier oder fünfmal. Sie sagt, sie kann sich nicht genau erinnern. Jedenfalls hätten sie und Elena die Hütte auch gemeinsam geschmückt, mit Weihnachtskugeln zum Beispiel. Auch da wurde ja dann wieder so eine technische Auswertung ihres Handys durchgeführt und man hat festgestellt, dass zumindest zweimal nur nachgewiesen werden kann aufgrund dieser Logindaten, dass sie da in diesem Waldstück war.
Auch da bleibt wieder die Frage. Sie sagt, eigentlich geht sie nie ohne Handy aus der Tür. Später sagt sie ja, vielleicht hatte ich dann das Handy nicht dabei. Vielleicht ist das ein technischer Fehler, dass das nicht aufgezeichnet wurde. Auch das bleibt so fraglich, ob das so gewesen ist oder ob sie vielleicht da keine plausible Erklärung hat.
Die Frage nach den Handydaten möchte ich mit einem Experten besprechen. Die Ermittlungsbehörden haben Miriam Bergers komplettes Handy ausgewertet und die Daten liegen mir auch vor. Miriam Berger sagt ja, Elena sei bei einer Freundin zum Spielen gewesen und erst als sie abends nicht nach Hause gekommen sei, habe sich herausgestellt, dass Elena nie bei der Freundin aufgetaucht sei. Sie selbst sei in dieser Zeit zu Hause gewesen, habe zwei, drei Bier getrunken, gechillt und Musik gehört.
Ihr Handy sei mit einer Box verbunden gewesen und habe eine Playlist von Spotify abgespielt. Heavy Metal natürlich. Ich bitte Sascha Fehnohr, sich die Daten mit mir anzusehen. Er ist mein Kollege aus dem Investigativ-Ressort der Zeit und kommt mit einem riesigen schwarzen Klotz zu mir an den Schreibtisch. Wow, das ist ja beeindruckend. Das ist jetzt der Rechner, den du extra dafür bestellt hast? Ja, hat die IT-Möglichkeit.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit Sascha zusammen und ich kann eins sagen, Sascha kennt sich mit Daten richtig, richtig gut aus. Kann ich dir was zudrinken? Nee, danke, ich habe Kaffee dabei. Okay, sehr gut. So, mal, das finde ich zum Beispiel, also ich glaube, was... Wir steigen gleich direkt ein, ne? Ja, gut. Auch deswegen mag ich Sascha. Er hält sich nicht mit Unwichtigem auf, er kommt gleich zur Sache.
Ich habe mir nochmal einen neuen Rechner besorgt, damit ich die Software installieren kann. Die Software nennt sich Cellpride. Damit kann man die komplette Datenkopie, die von dem Handy der Beschuldigten gemacht wurde, durchsuchen, durchforsten. Das liegt quasi...
fühlt das komplette Leben vor ein. Und man kann sehen, wann hat sie das Handy in der Hand gehabt, was hat sie für Musik gehört, mit wem hat sie geschrieben, was hat sie am Morgen nach dem schrecklichen Ereignis, was hat sie da gemacht, wann hat sie da das Handy zum ersten Mal in der Hand gehabt und was hat sie da interessiert. Das ist schon sehr beeindruckend. Sascha erklärt mir, was wir alles in den Daten sehen können. Bei ihr sieht man sehr, dass sie zumindest zuletzt in einem
Ich glaube, ihr zu Hause schöner machen wollte. Man sieht sehr, dass sie sich für Möbel, Einrichtungen und so weiter interessiert. Ich will mit ihm jetzt die offenen Fragen durchgehen. Sascha, können wir an diesen Daten sehen, wie oft sie bei diesem Versteckli im Wald war? Wir können ganz präzise sagen, dass sie mindestens einmal vorher da war. Weil es gibt Fotos, wo dieses Versteckli zu sehen ist, wo auch das Kind sich Fotoköpfchen hat lassen.
Darüber hinaus sehe ich jetzt aber keine Beweise, Belege für, es war nur einmal oder es war mehrmals. Ich finde, das können die Handydaten uns nicht sagen.
Wir können es an dieser Stelle nicht selbst nachprüfen, aber die schweizerischen Ermittlungsbehörden geben an, dass sie eine Funkzellenabfrage gemacht haben. Aus dieser ergebe sich eindeutig, dass Miriam Bergers Handy nur zweimal im Wald war. Einmal beim Bau des Baumhauses und ein zweites Mal, als sie gemeinsam mit Elinas Großmutter nach Elena suchte und ihre Tochter leblos im Wald fand. Das heißt, entweder lügt Miriam Berger und sie war vor Elinas Tod verletzt
wirklich nur am Baumhaus, um es zu bauen. Oder sie war öfter da und hat ihr Handy zu Hause gelassen. Und das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Genau. Ich will wissen, ist es ungewöhnlich, dass es eine Stunde Pause am Handy gab?
Die Ermittlungsbehörden argumentieren, ausgerechnet zu Elinas mutmaßlichem Todeszeitpunkt will Miriam Berger ihr Handy eine Stunde lang nicht bedient haben. Ansonsten hatte sie es aber dauernd in der Hand. WhatsApp sehen wir hier um 16 Uhr.
Ja, genau, das ist unstrittig. Geh mal hoch, wo es dann die Pause gibt. Genau. Ich scroll mal schnell, weil ja sehr viele Anträge sind, bis wir so einen Gap sehen. Ja, in der Zeit vor dem Nachmittag war Miriam Berger wirklich viel am Handy. Fast den gesamten Tag über sieht man, dass sie ihr Handy intensiv benutzt hat. 16.30. Genau, 16.43 beginnt die Pause. Stopp. Geh mal weiter hoch.
Ah, hier ist es. Genau. Also hier haben wir nochmal auf jeden Fall WhatsApp geschlossen. Genau. Okay. Und dann macht sie um 16.31 Uhr was? Schließt sie auf? Schließt. Und dann um, wann geht es dann weiter? 17.00 Uhr? 17.40 Uhr. Okay. Genau. Gut. Und jetzt interessiert mich, gibt es in den Zeiten davor, in den Tagen davor auch eine Pause-Pause?
Dann können wir ja einfach mal zum 31.1. gehen. Mhm, ja. So, hier haben wir auch einen Nachmittag. Mhm. Keine Pause, keine Pause, keine Pause. Wir setzen mal das vorhin. Warte mal. Also hier ist eine Pause von 16.36 Uhr und dann erst wieder um 17.17 Uhr. Genau, gehen wir nochmal vielleicht an den Tag davor. Genau, gehen wir zum 30. Gehen wir am besten auch einfach in so eine Nachmittagssituation, ne? Das ist vergleichbar.
Das ist eine kürzere Pause. - Mhm, 20 Minuten. Hier ist noch eine Pause. Zwischen ... - 40-Minuten-Pause. Äh, zwischen 10 vor 5 und halb 6. 40 Minuten Pause. - Ja, 45-Minuten-Pause. Mhm.
Auch am Tag davor. Also es gibt schon Pausen, es ist nicht singulär. Genau. Dass sie ihr Handy für mehr als eine halbe Stunde nicht benutzt, wie am Tag von Elinas Tod, kommt nach Saschas und meiner Auswertung zwar selten vor, aber nicht nie. Im Gespräch mit Sascha habe ich gelernt, dass es in den Handydaten keine Hinweise dafür gibt,
dass Miriam Berger öfter als zweimal im Wald bei der Baumhütte war. Einmal, als sie die Hütte gebaut hat und einmal, als sie Elenas Leiche dort gefunden hat. Ich habe erfahren, dass es ungewöhnlich, aber nicht unmöglich ist, dass Miriam Berger länger als eine halbe Stunde nicht an ihrem Handy war.
Was heißt das? Das heißt, es gibt zumindest laut den Daten die Möglichkeit, dass Miriam Berger ihr Handy zu Hause gelassen und Musik angemacht hat und sie dann in dieser Zeit mit Elena in den Wald gegangen ist. Matteo will sie dort gemeinsam gesehen haben. Eine Aussagepsychologin hält seine Aussage für glaubhaft. Sie hat auch auf Widersprüche in Miriam Bergers Aussagen bei der Polizei hingewiesen. Und sie sagt auch, dass sie...
diesen Stein, um den es geht, der das vermeintliche Tatwerkzeug der Name Inge war, dass sie diesen Stein nach diesem 24. Januar im Jahr 22, wo sie den zu diesem Versteck getragen haben will, weil die Tochter den so als eine Art Näpfchen haben wollte für ihre Spiele, nicht mehr angefasst habe? Ja, der Stein. Das zweite große Indiz nach dem zwölfjährigen Zeugen, das die Ermittlungsbehörden gegen Miriam Berger vorbringen.
Und jetzt geht's weiter mit der heutigen Folge.
Am 2. Februar, dem Tag nach Elinas Tod, haben Polizisten Miriam Bergers Wohnung durchsucht. Während sie drinnen die Unordnung notiert und ein paar leere Bierdosen gefunden haben, hat die Mutter draußen im Auto einer Polizistin, die mit ihr gewartet hat, von einem Stein erzählt. Miriam Berger, und das ist wichtig, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschuldigt, ihre Tochter getötet zu haben. Die Polizei hat sie in diesem Moment als Zeugin behandelt. Auskunftsperson heißt es in der Schweiz.
Es kann theoretisch wirklich so sein, wenn sie gebeten wird, bitte überlegen Sie alles, erzählen Sie uns alles, was Ihnen zu diesem Tag einfällt, alles auch, was Ihnen noch so unwichtig erscheint. Und sie geht in sich und überlegt, könnte es theoretisch natürlich so sein, dass sie sagt, ach, was war denn da rund um das Versteck? Ach ja, ich erinnere mich an diesen Stein, den ich da irgendwie hochgeschleppt habe. Die Ermittlungsbehörden glauben das nicht. Sie glauben, dass Miriam Berger den Stein vorsorglich erwähnt hat, um ihre Spuren daran zu erklären.
Die Forensiker finden Spuren an dem Stein. Blutspuren von Elina und DNA von Miriam Berger.
Wir werden uns den Stein später mit einem Rechtsmediziner noch genauer ansehen. An dieser Stelle müssen wir uns merken, dass sich Miriam Berger in ihren Aussagen zu dem Stein widerspricht. In späteren Aussagen sagt sie dann aber, sie habe mit der Tochter dekoriert rund um das Versteck herum und da habe sie den großen Stein nochmal verschoben, weil der gestört habe. Also auch da gibt es so Widersprüche in den Aussagen, Widersprüche.
die am Ende auch nicht so ganz zu klären sind. Es fällt zumindest auf, dass gerade bei diesem zentralen Punkt, das ist ja nun mal dieser Stein, auch da die Aussagen nicht immer gleich bleiben. Einmal sagt sie, sie habe den Stein im Versteck im Wald berührt, dann wieder nicht. Und am Stein gibt es Spuren. DNA-Spuren haben schon so manche Prozesse gedreht, die ich beobachtet habe. Um sie zu prüfen, brauche ich die Hilfe eines Forensikers. Ich kontaktiere Reinhard Detmeyer.
Bin ursprünglich Pathologe geworden und dann 1996 in die Rechtsmedizin gewechselt und habe im Jahre 2007 die Leitung des Instituts für Rechtsmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen übernommen und am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Prof. Detmeyer hat sich auch die Akten zu Elinas Tod genau angeschaut. Ein Hinweis, es geht jetzt ziemlich detailliert um die Tat, also wenn ihr das nicht hören wollt, spult besser ein bisschen vor.
Spurensicherung, Beweissicherung, also objektive Befunde, dann sehe ich im Fall Berger wenig Lücken. Das ist sehr gut ermittelt worden nach meinem Eindruck. Und die Beweislage, wenn wir an dem toten Kind Verletzungen haben und wir haben ein Tatwerkzeug, welches auffällig gut zu diesen Verletzungen passt,
Und wenn wir an dem Tatwerkzeug und am Tatort ausschließlich Spuren von Kind und Mutter haben, dann ist das bereits eine Konstellation, die sehr stark Richtung Mutter als Täterin auch weist. Wenn das dann noch untermauert wird durch objektive Spuren wie den DNA-Nachweis oder gar Blut des Kindes am Körper der Mutter,
dann muss die Mutter in solchen Fällen schon eine überzeugende Erklärung dafür liefern. Und die fehlt. Also Sie halten das für ausgeschlossen, dass ein Unfall passiert sein könnte oder dass jemand anderer das Kind umgebracht haben könnte, ein dritter Täter? Für den unbekannten Dritten, der aus heiterem Himmel kommt, dafür gibt es nun überhaupt keine Anhaltspunkte. Deswegen...
sehe ich da kaum eine Möglichkeit. Eine andere Erklärung wäre ja sonst nur, dass das Kind unfallbedingt zu Tode gekommen ist. Und dazu muss man sich die Örtlichkeiten sehr genau anschauen. Bei der Schwere der Verletzung bliebe aber eigentlich nur ein Sturz aus einer gewissen Höhe. Und dann auch noch rein zufällig auf das Tatwerkzeug.
Und das scheint mir von der Situation her nicht möglich zu sein, wenn es sich um ein relativ flaches Waldgelände etwa handelt. Es gibt am Stein Blutspuren von Elena. An einer Stelle finden sich auch DNA-Spuren von Miriam Berger. Sie sind aber so gering, dass während der Ermittlungen die Frage auftaucht, ob Miriam Berger während der Tat Handschuhe getragen haben könnte. Wenn wir die Mitteilung haben, an einem Gegenstand sei an bestimmten Stellen angepackt worden...
und es ist ein Gegenstand mit eher rauer Oberfläche, was hier wohl auch der Fall zu sein scheint, dann ist in der Tat auch bei uns die erste Frage, kann die Täterin oder der Täter Handschuhe getragen haben?
Das ist eine naheliegende Überlegung. Und das wäre hier auch möglich, auch wenn man an dem Stein keine Faserspuren oder sowas gefunden hat? Ja, kommt dann auf die Art der Handschuhe an, aber das ist möglich. Ich spreche mit Herrn Detmeyer auch über die Blutspuren. An der Nagelhaut von Miriam Bergers Ringfinger wurde Elinas Blut gefunden. Sie sagt, es sei, weil sie ihrer leblos da liegenden Tochter den Puls messen wollte.
Es gibt auch etwas Blut an der Vorderseite und am linken Ärmel von Miriam Bergers Jacke. Es ist realistisch, dass die Mutter das Kind mit diesem Stein erschlägt und trotzdem kein Blut spritzt auf die Mutter. Ja. Das kann sein. Das kann sein. Sie haben da äußerlich, wenn es gleich zum Herzstillstand kommt, keine Arterien, die mehr richtig kräftig nachkommen.
sodass da nicht mal eine ganz große Blutlache gewesen sein muss. Wir sprechen jetzt darüber, wie die Tat ausgesehen haben könnte. Ja, wenn wir einen harten Hintergrund oder Untergrund haben. Sie haben also einmal eine Verletzung an der Anschlagstelle und an der gegenüberliegenden Stelle, wo ein hartes Widerlager war.
So ist das Verletzungsmuster hier ja auch interpretiert worden, dass zumindest ein Schlag auch erfolgt sein muss, als der Kopf schon auf dem Boden lag und nicht mehr der Schlagenergie nachgeben konnte. Also könnte es sein, dass es tatsächlich nur den Stein als einziges Tatwerkzeug gibt?
Und der harte im Februar ja vielleicht leicht angefrorene Boden das harte Widerlager ist. Das ist durchaus möglich, ja. Bei dem Verletzungsmuster am Schädel gibt es auch keine Hinweise auf ein anderes Tatwerkzeug, was irgendeine besondere Konfiguration aufweist.
Vom Verletzungsmuster her geht Professor Detmeier davon aus, dass es zwei oder mehr Schläge gegeben haben muss. Einen unbekannten Täter, der Elina mit einem unbekannten Gegenstand erschlagen hat, sieht er nicht. In diesem Fall waren keinerlei Abwehrverletzungen beschrieben und beschrieben.
Von der Lokalisation der Verletzungsschwere auch ist dort ein Angriff hinterrücks, also heimtückisch, ohne weiteres denkbar. Das spricht dafür, dass Elina ihren Mörder oder ihre Mörderin gekannt hat. Wir tun uns schwer damit, dass Mütter ihren Kindern etwas antun. Wir denken ja, Mütter lieben ihre Kinder und wollen, dass ihnen kein Leid geschieht. Professor Detmeier ist ein Experte dafür, dass dies nicht immer so ist.
Er hat sich schon in den 90er Jahren mit einem Phänomen beschäftigt, das wir heute unter Münchhausen by Proxy kennen. Das ist ein Phänomen, wo Mütter, und es sind praktisch ausschließlich Mütter,
Ihre Kinder instrumentalisieren, ihnen Krankheiten beibringen, ihnen etwas einflößen, sie auch mal körperlich verletzen, um mit dem Kind von Arzt zu Arzt laufen zu können. Und in Wirklichkeit geht es ihnen um eigenen Zuwendungsgewinn, um Beachtung der eigenen Person. Da kennen wir Fälle, wo etwa Kinder anstehen,
anerstickt werden, sagen wir, bis fast zum Tode. Und dann wird der Notarzt gerufen und es heißt dann, mein Kind hatte einen Krampfanfall, es ist in Lebensgefahr, helfen Sie. In Wirklichkeit war aber die Mutter verantwortlich für die Situation. Und wenn in einer solchen Situation überschießend gehandelt wird und die Mutter als Täterin so weit geht, kann doch das tödlich enden. Ich frage ihn, wie häufig das vorkommt. Die schweren Fälle...
Früher hätte ich gesagt, sie sind sehr, sehr selten. Aber inzwischen zeichnet sich ab, dass das Phänomen Münchhausen bei Proxysyndrom doch relativ häufiger ist, nur eben meistens Gott sei Dank nicht tödlich endet. Aber als Phänomen ist es schon häufiger, dass dem Kind Abführmittel eingeflößt werden und andere Dinge enthalten.
Aber auch, dass ihm Dinge gespritzt werden, wie eigene Fäkalien, um es wirklich schwer krank zu machen.
Die milderen Formen sind möglicherweise häufiger als wir glauben. Mildere Formen wären beispielsweise, wenn eine Mutter Blut in die Windel ihres Kindes manipuliert und dann von Arzt zu Arzt läuft und sagt, mein Kind hat Blut in der Windel, Sie müssen das untersuchen, da ist was nicht in Ordnung. Als wir später nochmal telefonieren, erzählt er mir von den Anfängen seiner Forschung zum Münchhausen-Ber-Proxy-Syndrom.
Damals habe kaum jemand wahrnehmen wollen, dass es Mütter gibt, die ihre Kinder misshandeln. Mütter mit einer solchen Symptomatik sind auffällig oft beim Kinderarzt oder meistens gleich bei mehreren. Miriam Berger gehört nicht zu dieser Gruppe. Sie hat jede Vorsorgeuntersuchung mit Elena wahrgenommen. Und wenn Elena krank war, war sie mit ihr beim Arzt. Aber nicht öfter. Alles ganz normal also.
Es gibt dann nur eine Sache, die mich stutzig macht und über die ich mich mit Professor Detmeyer unterhalten möchte. Einen mysteriösen Purzelbaum. Sechs Tage vor ihrem Tod hatte Elena eine rätselhafte, aufgeschürfte Wunde genau an der Krone ihres Scheitels. Miriam Berger sagte der Polizei dazu, Elena habe ihr erzählt, sie sei auf dem Rückweg von einem Freund auf einen großen Stein gefallen.
Als sie Elena später gefragt habe, wo da ein Stein sei, habe die ihr gesagt, es könne auch eine Treppenstufe gewesen sein, über die sie einen Purzelbaum gemacht hätte. Dass Elena bei einem Freund war, das belegen Chats. Dass Elena nur sechs Tage vor ihrem Tod eine mysteriöse Kopfverletzung hat, bei der ein großer Stein eine Rolle spielt, das stimmt die Ermittlungsbehörden misstrauisch. Fest steht, dass Miriam Berger die Verletzung fotografiert und Elena von der Schule abgemeldet hat.
Professor Detmeyer hat sich die Verletzung angesehen. Er sagt, es ist schwer zu interpretieren, wenn es nur eine isolierte Kopfverletzung ist, weil Kinder, die ja ein bisschen kleiner sind, überall reinkrabbeln und sich aufrichten und dann mit einem Kopf irgendwo gegenstoßen können. Bei Erwachsenen würde man sagen, das ist ein Ort, der typisch ist für einen Schlag.
Es gibt da die sogenannte Hutkrempenregel, die wichtig ist in der Rechtsmedizin, weil man damit Schläge erkennen kann. Die Hutkrempel ist eine ausgedachte Linie an der Stelle des größten Kopfumfangs. Wenn eine Verletzung oberhalb dieser Linie ist, ist ein Schlag wahrscheinlich. Ist die Verletzung unterhalb dieser Linie, denken Forensiker eher an einen Sturz. Aber bei Kindern kann man es eben nicht so genau sagen. Falls Miriam Berger Elena getötet hat, warum hätte sie es getan?
Ich spreche mit Professor Detmeier auch über die Motive einer solchen Tat. Er war in Dutzenden von Prozessen als Gutachter tätig, in denen Mütter angeklagt wurden, ihre Kinder getötet zu haben.
Jetzt gab es ja gerade in Deutschland einen Fall, wo eine Mutter beschuldigt wurde, ihre Kinder umgebracht zu haben. Das wurde bis vor dem Bundesgerichtshof verhandelt und Sie waren in dem Verfahren der Gutachter. Ja, die Fälle als solche sind ja schon sehr, sehr selten, dass Mütter ihre Kinder töten.
Und es ist noch seltener, dass Mütter ihre älteren Kinder töten. Im Falle der Frau Berger ist die Tochter ja schon acht Jahre alt gewesen. Das fällt vom Alter her schon aus dem Rahmen. Bei dem Verfahren, was Sie erwähnt haben, das bis zum Bundesgerichtshof ging, waren die Kinder noch im Alter von ein, zwei Jahren.
Und es gab eine nachvollziehbare Belastungssituation für die Mutter als quasi alleingelassene, alleinerziehende Mutter, die auch Interessen hatte, was ihr Privatleben angeht. Und da war dann für das Gericht nachvollziehbar auch eine Motivation gegeben, mit deren Hilfe man nachvollziehen konnte, warum tötet diese Mutter ihre Kinder.
Und das ist etwas, was ich im Falle der Frau Berger vermisse. Warum erst nach acht Jahren das eine und einzige Kind töten? Miriam Bergers Freund hat sich nach Weihnachten, fünf Wochen vor Elenas Tod, von Miriam getrennt. Die beiden waren etwa sieben Monate zusammen. Er ist nicht Elenas Vater. Trennung ist schon ein Faktor, der in der Forschung als mögliche Ursache für eine Kindstötung durch die Mutter genannt wird.
Miriam Berger wurde stundenlang von einem Psychiater untersucht, einem Professor aus Bern, der die dortige Gerichtspsychiatrie leitet. Und er ist zu dem Schluss gekommen, dass Miriam nach der Trennung traurig war und als Reaktion eine kurze Anpassungsstörung durchlebt hat. Bis zu Elinas Tod sei die aber schon wieder abgeklungen gewesen.
Gibt es da Fälle, wo Sie sagen, das ist irgendwie vergleichbar? Ein älteres Kind, erst mal völlig ohne Motiv? Oder ist das ein totaler Einzelfall, dieser Fall Berger, über den wir sprechen? Ich würde zu totalem Einzelfall tendieren. Und die Vergleichbarkeit kann ich im Moment noch nicht herstellen. Von den wenigen Fällen, wo ich Informationen habe, fällt aber schon auf das Verhältnis,
was die Emotionalität angeht, die Empathiefähigkeit bei den Müttern eine Besonderheit gegeben war. Und zwar Defizite. Und das ist jetzt bei der Frau Berger nicht so herausgearbeitet worden, ob das bei ihr möglicherweise denkbar ist, das, was man im Volksmund als Gefühlskälte bezeichnet. Da hatte ich bislang eher den Eindruck, es ist das Gegenteil gegenüber allen Menschen und dem Kind gegenüber.
wird sie jetzt zumindest von ihrem Umfeld, aber das ist ja auch klar, als liebevoll beschrieben. Und ich habe mir die ganze Fotogalerie angeschaut. Da sind schon sehr viele Bilder ihres Kindes drauf. Und auch so Selfies mit sich und dem Kind. Und das scheint jetzt nicht eine kalte Beziehung gewesen zu sein von dem, was ich sehe.
Das will noch nichts heißen. Ich kann mich an eine Mutter erinnern, die drei ihrer Säuglinge getötet hat. Es sollte jedes Mal ein plötzlicher Kindstod sein. Und jedes Mal war die Mutter von den Polizeibeamten beschrieben worden als in Tränen aufgelöst, pausenlos am Weinen, total schockiert, um Hilfe schreiend. Also sie hat nach außen hin einen Betroffenheitseindruck vermittelt, der nicht zum Tatgeschehen passte.
Das geht. Mütter können eine solche Persönlichkeit haben. Ob das hier auch der Fall ist, kann ich schwer beurteilen. Aber man sollte sich vom äußeren Eindruck nicht täuschen lassen. Die Ermittlungsbehörden werfen Miriam Berger auch vor, sie sei mit der Erziehung Elinas überfordert gewesen. Außerdem hätte sie ihr Partyleben in den Vordergrund gestellt. Und dabei sei Elina ihr lästig gewesen. Ein weiterer Fall, der mir einfällt, ist,
Und da wollte die Mutter ganz offensichtlich mit ihrem neuen Freund mehr private Freizeit haben, am Wochenende in der Woche auch mal abends ausgehen können und sie hatte keinen familiären Background. Aber was ist mit den Großeltern? Elena hat doch zwei-, dreimal die Woche dort geschlafen. Miriam Berger konnte Elena immer zu den Großeltern bringen, wenn sie gearbeitet hat oder sich mit Freunden treffen wollte.
Elena hat sich dort sogar mit ihrer Cousine ein eigenes Zimmer geteilt. Man kann natürlich auch sagen, wer sein Kind ständig bei den Großeltern abgibt, das ist ein Zeichen dafür, dass man das Kind im Grunde innerlich nicht wirklich akzeptiert hat. Kannte man auch sagen, dann wurde im Grunde die Tat dadurch verzögert und deshalb konnte es noch älter werden. Wäre die Familie nicht gewesen, wäre es vielleicht schon viel früher zur Tötung gekommen. Warum tötet man ein so altes Kind,
das im Grunde fast selbstständig ist. Das ist ein interessanter Aspekt. Wenn man mal vom Schütteltrauma absieht, dann kam praktisch nie die Erklärung, das Kind hat mich genervt. Es hat geschrien, es gab eine akute Belastungssituation oder es hat mich die ganze Woche schon geärgert oder so. Solche Einlassungen, die kamen nicht. Ich frage Professor Detmeier, ob es Sie nicht irritiert, dass Miriam Berger die Tat immer wieder und von Anfang an bestreitet.
Nein, auch in den Fällen, die ich selbst erlebt habe, es gab kein Geständnis. Im letzten Fall hat die Mutter gar nichts gesagt und allein aufgrund der Umstände, der Indizien und der Gutachten ist sie dann, ich glaube, zu elf Jahren wegen zweifachen Totschlags verurteilt worden. Das ist nicht ungewöhnlich. Oder die Mütter beschränken sich schlichtweg ein bisschen wie hier auf das Abstreiten der Tat, aber das war es dann auch.
Der Rechtsmediziner hat die Akten im Fall Elena geprüft und für ihn ist die Sache ziemlich eindeutig. Wir müssen die objektive Spurenlage ja sehen und da spricht alles gegen die Frau Berger. Der Zeuge, das Handy, Elenas Kopfverletzung eine Woche vor ihrem Tod und der Stein. Das sind ja nicht die einzigen Indizien, die die Staatsanwaltschaft gegen Miriam Berger vorbringt.
Ein weiteres Indiz ist das Baumhaus selbst. Es soll laut Miriam ein Geheimnis zwischen ihr und ihrer Tochter gewesen sein. Und ausgerechnet dort wird Elina erschlagen aufgefunden. Und vier Tage vor Elinas Tod befragte Miriam Berger das Internet, wann wird es dunkel?
An dem Abend, an dem Elena starb, kontaktierte Miriam Berger mehrere Mütter mit der Frage, ob Elena bei ihnen sei, um den Verdacht im Vorfeld von sich abzulenken, wie die Staatsanwaltschaft meint. Ich habe jetzt mit der Familie gesprochen und dem Anwalt von Miriam Berger. Ich habe Experten gehört, zu den Aussagen, den Daten und zur Forensik. Aber niemand kann mir sagen, was wirklich geschehen ist in diesem Wald, in dieser Nacht.
Es gibt eine Perspektive, die mir fehlt. Vielleicht ist sie die wichtigste. Es ist die Perspektive der Frau, die Elena am besten gekannt hat. Es ist die Frau, die beschuldigt wird, Elena ermordet zu haben. Sie weiß, was an dem Tag geschehen ist, bevor Elena gestorben ist. Ich besuche sie im Gefängnis, Miriam Berger. In der nächsten Folge, Miriam. Hallo. Ja, ich passe.
Ich muss schnell. Möchten Sie mir von dem Tag erzählen? Ja, also eigentlich war es ein ganz normaler Tag. Das war Folge 2 von Elena, ein Podcast der ZEIT in Zusammenarbeit mit Polartists. Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, schreibt gerne an elena.zeit.de.
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Redaktion Konstanze Kainz, Zeit Online. Redaktionelle Mitarbeit Toni Andrews. Mixing und Mastering Milica Tekelewa von Pool Artists.
Rechtliche Prüfung Jörg Nabert. Fact-Checking Leonie Daumer. Sprecherinnen und Sprecher Elke Apelt, Katharina Stüber, Stefan Lehnen und Christian Ohler.