Hallo liebe Zeitverbrechen-Fans und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe unseres Kriminal-Podcasts und hallo liebe Anne. Hallo Daniel. Liebe Anne, wir haben es in unserem Podcast ja, man muss sagen leider, immer wieder mit sexueller Gewalt zu tun. In den allermeisten Fällen sind die Täter Männer und die Opfer Frauen oder Kinder. In dem Fall, den du heute mitgebracht hast, liegt die Sache etwas anders, denn die
Hier sind nicht nur die Opfer Kinder, sondern auch die mutmaßlichen Täter. Dieser Fall spielt in einem Verein. Um was für einen Verein geht es? Der Verein heißt HSVH, der Handballverein Hamburg. Und wir erzählen ein bisschen, würde ich sagen, so etwas wie eine Chronik, eine Überforderung dieses Vereins mit den mutmaßlichen Vorfällen. Hat das irgendwas mit dem großen Hamburger Sportverein, dem Fußballverein, den mutmaßlich die allermeisten Menschen kennen werden, zu tun?
Nein, die beiden Vereine haben nichts miteinander zu tun. Also die hießen früher mal eben
eben gleich, HSV. Und es ist auch heute noch so, also bei meiner Recherche sind mir viele Leute begegnet, die gesagt haben, ich spiele beim HSV oder mein Kind spielt beim HSV. Aber gemeint ist damit immer der HSVH, der übrigens in der Handballwelt erfolgreicher ist als der Fußballklub. Also der HSVH spielt in der ersten Bundesliga, der wurde 2011 deutscher Meister, 2013 Champions-League-Sieger und hat zweimal den DHB-Pokal gewonnen.
Es ist also ein Elite-Sportverein und einer von drei ganz großen Handballvereinen im Norden Deutschlands. Das hat jetzt sehr, sehr, sehr vielen Fußballfans wehgetan, insbesondere in unserer Heimatstadt quasi, der Heimatstadt der Zeit in Hamburg. Aber darum soll es heute nicht gehen. Was ist in diesem Verein vorgefallen?
Wir sprechen über Vorfälle, die sich ereignet haben sollen zwischen dem 14. und 18. August 2023. Das sind 60 Jungs, also es geht nur um männliche Kinder, im Alter von 11 bis 18 Jahren in ein Trainingslager gefahren, wie sie der Verein häufig ausrichtet, und zwar nach Dänemark. Die sind untergebracht gewesen in einer Siedlung mit so kleinen rot gedeckten Häusern. Du kannst es dir wirklich vorstellen wie so eine
Eine Bungalowsiedlung von Häusern, also so klassisch Ferienlager. Und die Jungs sind dort nach Alter getrennt untergebracht worden in den Häusern.
Manche zu viert, manche auch zu sechst, also je nachdem wie alt eben die Kinder waren, aber altersgemäß in den Häusern untergebracht. Und der Junge, über den wir vor allem heute sprechen, dem haben wir den Namen Jan gegeben, das ist nicht sein richtiger Name. Und der ist heute 14 und war damals 13 Jahre alt. Was ist dem Jan dort passiert?
Ich würde gerne einmal sagen, dass es zu dem, was ich jetzt dir und euch erzähle, also zu dem, was dem Jan dort wahrscheinlich passiert ist, da gibt es polizeiliche Ermittlungen, es gibt Schriftverkehr und es gibt die Aussagen des Vereins dazu. Und es gibt die Aussagen von den Kindern, die die einzigen Augenzeugen geworden sind,
zu den Vorfällen, die dort wahrscheinlich passiert sind. Und die Kinder haben ihren Eltern, ihrer Trainerin und auch dem Verein gegenüber von den Erlebtesten berichtet und sie zum Teil auch aufgeschrieben. Und ich habe mit diesen Erwachsenen gesprochen und ganz viele Dokumente in dem Fall eingesehen. Und deswegen kann ich umreißen, was passiert sein soll. Ich mache das aber trotzdem im Konjunktiv und in der indirekten Rede.
einfach weil wir den Regeln der Verdachtsberichterstattung folgen. Es gibt in diesem Fall kein gerichtsfestes Urteil. Warum? Dazu kommen wir noch.
Obwohl ich auch sagen muss, dass ich in der Recherche mit niemandem gesprochen habe, der die Vorfälle ernsthaft bestreitet. Das ist ja etwas, was wir immer wieder erleben, was auch das tägliche Brot von uns Investigativjournalisten natürlich ist, dass wir es so mit Vorwürfen zu tun haben, die noch nicht gerichtsfest belegt sind. Also sagen wir mal, die wir durch die Quellenlage identifizieren, die Sachen, die uns zur Verfügung stehen, die Recherchen, die wir selber anstellen.
Und danach feststellen, okay, da ist was dran und das überschreitet dann vielleicht auch die Schwelle oder idealerweise überschreitet es die Schwelle, ab der wir dann auch öffentlich darüber berichten dürfen. Du hast also eine recht breite Quellenlage, auch wenn es kein Gerichtsverfahren gab. Vielleicht erzählst du uns jetzt mal von diesen Tagen, von dem 14. bis 18. August 2023 im Trainingsferienlager in Dänemark.
Ja, wir sprechen über Vorfälle, die Jan, den ich schon genannt habe, betroffen haben sollen. Der Jan war damals 13 Jahre alt und hat neu bei der U15 gespielt. Also so wie in anderen Vereinen auch, ist es beim HSVH so, dass die Kinder eingeteilt werden in bestimmte Mannschaftsgruppen. Also wenn du U13 bist, bist du unter 13 Jahre alt, U15 bist du unter 15 Jahre alt.
Beim HSV ist es so, dass sie die Kinder jedes Jahr neu gemischt haben. Und Jan ist neu in eine Gruppe gekommen zu älteren Kindern. Also er ist neu in die U15-Gruppe gekommen als 13-Jähriger. Er hat also zusammengespielt mit Kindern, die er nicht kennen.
die zum Teil ein Jahr älter waren als er selbst. Und das macht ja in dem Alter gerade bei Jungs eine Menge aus. Das ist genau das Alter, auch sportlich. Ich war mal Fußballtrainer, ich weiß gar nicht, ob du das weißt, wo man quasi den Unterschied sieht im Leistungsvermögen, vor allem im Körperlichen natürlich. Da geht es dann viel um Geschwindigkeit und um Größe und Kraft.
Und das ist genau so dieses Nadelöhr, wo es sich trennt, wo ganz viele noch so einen Schuss machen. Also es kann ein Riesenunterschied sein, will ich nur sagen. Ja, die haben mir auch erzählt auf der Recherche, die Eltern, mit denen ich gesprochen habe, dass das teilweise einen Kopf ausmacht. Also die Kinder sind einen Kopf größer oder einen Kopf kleiner in dem Alter.
Und am Abend des dritten Tages soll eine Gruppe von sieben älteren Kindern in ein Haus gegangen sein, wo jüngere Kinder wohnten, und zwar sechs jüngere Kinder. Diese sechs jüngeren Kinder waren in der U13, also unter 13 Jahre alt, und waren die ehemaligen Mannschaftskameraden von Jan. Mit ihnen hat er noch kurz zuvor zusammengespielt.
Bevor ich jetzt erzähle, was passiert, möchte ich einmal sagen, dass es jetzt explizit um sexuelle Gewalt geht, die Kindern angetan wird. Also wer das nicht hören möchte, spult am besten ein paar Minuten vor. Bei dem, was jetzt passiert, war auch kein Erwachsener anwesend.
Am Abend des dritten Tages in diesem Trainingslager sollen eine Gruppe von sieben älteren Kindern in ein Haus gegangen sein, in dem sechs jüngere Kinder wohnten. Also aus der U13-Mannschaft, der ehemaligen Mannschaft von Jans ehemaligen Mannschaftskollegen.
Und am Anfang soll es noch lustig gewesen sein und Jan soll auch noch gelacht haben. Und dann hätte sich aber die Situation plötzlich verfinstert. Und zwar sei Jan dann von einem älteren Kind bedroht worden und Jan soll dann plötzlich auf die Knie gefallen sein und gefläht haben, bitte schlag mich nicht. Also plötzlich eine Umwandlung der Situation. Das kennt man ja auch, gerade von Kindern, dass sich Situationen auch kippen können. Das, was als Spiel oder als Scherz, man kann es nicht so genau sagen, man weiß es nicht,
Das deutet sich plötzlich um und es schlägt dann um in eine andere und auch bedrohliche Situation. Und das muss dann ja sehr explizit gewesen sein, wenn der direkt oder schnell auf die Knie fällt. Das muss er schon als sehr bedrohlich empfunden haben. Das kann ich nicht so genau sagen. Es kann schon auch sein, dass auch das noch so eine spielerische Geste war mit diesem Aufs-Knie-Fallen-Syndrom.
Aber die Kinder, die dabei waren, haben es gegenüber den Erwachsenen, also der Trainerin, ihren Eltern und den Vereinsverantwortlichen so geschildert, dass sich die Situation verändert hat. Und dann soll es so gewesen sein, dass zwei ältere Jungs den Jan gepackt haben und auf den Küchentisch gelegt haben und dass andere, die anderen von den Älteren, den Jan festgehalten haben.
Dann haben sie ihm die Hose runtergezogen und haben ihn mit dem Halter einer Küchenrolle anal penetriert. Und ich sage das hier so explizit, weil ich die Taten nicht verharmlosen möchte. Also wenn wir über sexuelle Gewalt sprechen, dann verstecken wir uns häufig hinter so Worthülsen.
Und das möchte ich aber nicht. Ich möchte, dass wir hier einmal ganz klar sagen, was passiert ist. Weil es ist auch in dem Fall wirklich ein Problem gewesen, dass ganz, ganz viele Eltern wochen- und monatelang nicht wussten, was ist überhaupt passiert. Und auch bis heute, also ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich geführt habe mit einem Elternteil, wo ich dann gesagt habe, das Wort Vergewaltigung gesagt habe. Und sie gesagt hat, das war doch nicht keine Vergewaltigung. Und ich so, naja, es wurde penetriert mit einem Küchenrollenhalter.
Also ich finde das wichtig, dass wir einmal aussprechen, was da passiert sein soll. Es war so, die jüngeren Kinder haben gesagt, dass sie total überrascht gewesen sein sollen von dem, was dann passiert ist. Und auch wie so im Schock. Und dass sie aber...
gezwungen wurden, zuzuschauen. Also, dass sie den Raum nicht verlassen konnten. Die Tür wurde offenbar von innen zugehalten. Und auch außerhalb der Tür waren Wachen von älteren Kindern postiert. Und Jan soll dann den jüngeren Kindern, die zugeschaut haben, gesagt haben, nächstes Jahr blüht euch das auch. Und das ist so ein Satz,
den haben sie dann hinterher entweder als Drohung interpretiert oder auch als Zeichen seiner Hilflosigkeit, dass er irgendwie versucht hat, sich aus dieser Situation vielleicht auch rauszureden. Das ist ganz schwer, diese Geschehnisse im Nachhinein zu deuten. Es ist auch schwer zu sagen, was da genau geschehen ist, weil die Aussagen der Kinder auch variieren. Wer hat genau was gemacht?
Es gibt auch viele Übereinstimmungen. Also zum Beispiel sind sich darin alle einig, dass Jan derjenige war, der da auf dem Tisch lag und dass sechs Kinder beschuldigt wurden, die Taten ausgeführt zu haben. Aber ob jetzt die Penetration gelungen ist oder nicht, darüber variieren die Angaben.
Also es schließen sich ja eine Menge Fragen an, weil das Geschehen so unüberschaubar ist und weil es ja dann auch zu dieser erstmal kontraintuitiven Aussage von Jan kommt, nächstes Jahr blüht euch das auch. Das würde man ja eigentlich als Aussage eher von den Tätern, den Mutmaßlichen erwarten.
und nicht von dem Opfer, dem dort gerade sexuelle Gewalt angetan wird. Da spielen natürlich viele psychische Prozesse eine Rolle, die gar nicht so einfach zu erklären sind. Natürlich wissen wir zudem, der Zeugenbeweis ist der schlechteste Beweis, wenn man sechs Leute über das selbe Ereignis befragt, gerade Kinder in dem Alter, U13, dann wird man natürlich unterschiedliche Aussagen bekommen. Das ist quasi ein Naturgesetz.
Ich finde aber, was schon sehr bemerkenswert ist, ist das, was du gesagt hast, dass es eben auch außen zwei Wachen gab, die postiert wurden. Das klingt ja wiederum ein bisschen so, als habe man schon irgendwas vorgehabt, als sei das fast nur ein bisschen orchestriert und geplant gewesen.
Hat sich im Zuge, und wir werden ja jetzt gleich darüber sprechen, wie es dann weitergegangen ist, wie das überhaupt ans Tageslicht gekommen ist, aber hat sich dazu irgendwann mal was ergeben, ob das wirklich ein planvolles Vorgehen sogar womöglich gewesen sein könnte? Ja, darüber gab es einige Spekulationen. Also es gab auch zu dieser Zeit so eine TikTok-Challenge, also so eine Mutprobe kann man vielleicht sagen auf dem sozialen Netzwerk TikTok-Challenge,
Wo es darum ging, dass anderen Menschen was in den Anus gebohrt wird, also entweder ein Gegenstand oder ein Finger. Und es gab auch Eltern, die vermutet haben, dass die Kinder sowas nachgespielt haben, also nachinszeniert haben. Darüber gab es ganz viele Spekulationen, ob das geplant war, ob das nicht geplant war, ob das das erste Mal vorgekommen ist oder eben nicht.
Darüber würde ich gerne später noch mehr sagen, aber um zu verstehen, was da passiert ist, brauchen wir jetzt noch ein paar Schritte. Und den ersten Schritt, den wir ja vielleicht mal gehen können, ist zu sagen, es gab dieses Ferienlager, das war dann vorbei im August 2023 und dann sind die ja alle wieder nach Hause zu ihren Eltern zurückgekehrt natürlich.
die vielleicht damit gerechnet haben, dass die Freude strahlend wiederkommen. Die hatten tolle Tage mit ihren Freunden. Das ist ja das, worauf man hofft, wovon man ausgeht, wenn man sein Kind im Vertrauen mit so einem Verein mitschickt. Noch dazu mit so einem Verein mit so einem großen Leistungsanspruch. Wie waren die Jungs denn drauf, als sie wieder zurückkamen? Ich glaube, du hast jetzt etwas ganz Wichtiges gesagt, dass der Verein so ein großes Renommee hat. Also auch die Eltern von Jan haben gesagt, wir haben den Verein glorifiziert. Und man muss sich das schon so vorstellen, dass...
Die Eltern tun auch einiges dafür, dass ihre Söhne da Handball spielen können. Die haben drei-, viermal die Woche Training. Die Eltern fahren da teilweise anderthalb Stunden hin und zwar eine Strecke. Also fahren pro Trainingstag drei Stunden manche Eltern. Dann gibt es noch am Wochenende Spiele. Es kommt zu diesen Trainingslagern. Es ist ein Familieninvest, dass das Kind da spielen kann. Und
Die Eltern machen das und tun das, weil sie den Kindern einen Traum erfüllen wollen. Die Kinder, die jetzt da von dem Trainingslager zurückgekehrt sind im August 2023, die sind verändert zurückgekommen. Also manche Eltern haben gesagt, ihre Kinder waren wie so plötzlich in der Pubertät. Also sie waren plötzlich anders drauf.
Es hat aber keiner von den Jungs erzählt, was da vorgefallen ist in dem Ferienlager. Also die haben so andere Sachen erzählt. Zum Beispiel hat einer gesagt, ja jemand hat, obwohl das verboten war, eine Pizza in der Mikrowelle gemacht. Also so Sachen, die Kinder halt erzählen. Stellvertreterkonflikte so.
Ja, man kennt das ja so von wegen, oh, da ist das und das passiert. Einer hat auch im Nebensatz erwähnt, dass es einen Küchenrollenhalter gab, aber seine Mutter hat mir gesagt, ja, wir haben dem überhaupt keine Bedeutung zugemessen, dass er diesen Küchenrollenhalter erwähnt hat, weil er hat ja nicht gesagt, was dazu passiert ist. Also ich glaube, das ist einfach so, Kinder erzählen Dinge und sie haben mal über die Stränge geschlagen und das ist so das, was sie den Eltern erzählen und was bei den Eltern angekommen ist.
Bei Jan war es so, dass seinen Eltern schon eine Veränderung aufgefallen ist. Und zwar hat mir seine Mutter gesagt, dass der Jan immer schon abends gerne gekuschelt hat. Aber jetzt sei es plötzlich so gewesen, dass er sie abends nicht mehr hat gehen lassen. Also er konnte gar nicht mehr ohne sie einschlafen. Was ja auch eine ungewöhnliche Entwicklung für einen 13-Jährigen ist, wenn der plötzlich wieder anfängt, in den Schlaf begleitet werden zu müssen. Die Eltern von Jan...
Haben sich schon lange überlegt, übrigens, ob sie reden wollen, aber sie wollten es dann gerne tun. Ich habe sie nicht dazu gedrängt. Also das ist ja auch immer die Frage, wie kommen die Recherchen zu uns? Hier ist es so, die Recherche ist zu uns gekommen. Also...
Jemand hat uns auf diesen Fall aufmerksam gemacht. Vielleicht, wenn ihr euch fragt, warum das so kryptisch ist, so ein bisschen, das können wir natürlich nicht immer offenlegen. Wir können jetzt hier nicht erzählen, wie kommen wir an jede einzelne Geschichte ran, wer ist auf uns zugegangen. Wir unterliegen natürlich dem Informanten- und Quellenschutz und das ist das überhaupt Heiligste, was wir Journalisten
Genau.
Genau, also im Gegenteil, das war sogar so, dass diese Vorfälle waren wirklich, das kann man schon sagen, ein offenes Geheimnis in der Handballszene. Also ich habe auch die Merle Schark, eine Kollegin, eine Freie Journalistin aus Kiel, hat mich da unterstützt bei der Recherche, die ist Handballreporterin und die hat mir auch gesagt, das wusste eigentlich jeder, dass da was vorgefallen sein soll.
Und dann irgendwann hat sich eine Person aus dem Umfeld der Familie von Jan an uns gewandt und hat das erste Treffen und viele weitere Treffen bis dahin begleitet. So kann man das sagen. Und die Eltern haben...
sich dazu entschlossen zu sprechen, auch öffentlich zu sprechen, weil sie verhindern wollen, dass sowas nochmal passiert. Also sie wollen natürlich ihren Sohn in allererster Linie schützen, aber sie wollen auch, dass es keinem anderen Kind widerfährt, was ihrem Kind mutmaßlich widerfahren ist.
Und diese Gefahr sehen sie, dass das sich wiederholt. Und der Vater hat mir gesagt, dass sie von Anfang an viel rigoroser gegen den HSV hätten vorgehen müssen, jetzt im Nachhinein betrachtet. Und er hat auch gesagt, er hätte am liebsten jetzt im Nachhinein die Eltern der Übergriffigen viel offensiver konfrontiert.
Die sind wirklich fassungslos, die Eltern, und die sind auch ziemlich wütend, weil sie finden, dass der Verein keine angemessenen Konsequenzen gezogen hat und dass die mutmaßlichen Täter ungeschoren davongekommen sind. Und das sehen auch viele andere Eltern so, mit denen ich gesprochen habe. Es ist schon so, dass viele von den mutmaßlichen Tätern bis heute erfolgreich Handball spielen.
Das heißt also, die haben sich alleingelassen gefühlt im Grunde genommen. Ja.
Also vielleicht müssen wir mal ein bisschen über die Genese sprechen, wie es dann weiterging. Also wie kam das überhaupt raus? Wie wurde es dann auch an den Verein herangetragen? Und in einem dritten Schritt, wie hat der Verein darauf reagiert? Vielleicht können wir das einmal so ein bisschen chronologisch abarbeiten. Ja, ich würde gerne einmal sagen, dass der Verein mir gegenüber...
gesprochen hat, also sogar sehr ausführlich. Also ich habe ausführlich mit Verantwortlichen geredet und die haben von Anfang an gesagt, wir glauben den Kindern. Also sie bestreiten die mutmaßlichen Vorfälle überhaupt nicht. Im Gegenteil, die sagen, dass nie bei ihnen auch nur im Ansatz zur Debatte gestanden hätte, das Thema unter den Tisch zu kehren.
Und dass nach allem, was ihnen berichtet wurde, sie davon ausgehen, dass es zu sexualisierter Gewalt gekommen ist. Und sie haben auch gesagt, sie hätten da sofort Konsequenzen gezogen, also ein Gesprächsangebot mit Psychologinnen, sie hätten das Training und die Spiele ausgesetzt und Vereine für sexuell missbrauchte Kinder mit ins Boot geholt.
Das Ding ist nur, ich habe ja die Familie von Jan getroffen in ihrem Haus am Hamburger Stadtrand. Da haben sie mich hineingeladen. So ein großes Haus mit einem großen Garten. Im Garten steht natürlich ein Tor. Da sind auch noch andere Mütter gekommen von jungen Handballern. Und auch Jan ist während des Gesprächs nach Hause gekommen und ist so die Treppe hoch gefedert. Ein hoch aufgeschossener Junge von 14 Jahren.
Der hat dann später mir ausrichten lassen über seine Eltern, dass er nicht darüber sprechen möchte, was da passiert ist. Also nicht mit mir, nicht mit einer Psychologin, eigentlich mit überhaupt gar niemandem.
Und es war so, die Eltern haben überhaupt erst davon erfahren, als Ende September 2023, also ein paar Wochen nach den Vorfällen, hat der Vater von Jan einen Anruf von einem Verantwortlichen vom HSVH bekommen. Und der hat ihm gesagt, im Trainingslager seien schlimme Dinge passiert. Er hat keine Details benannt, aber er hat gesagt, dass Jan beteiligt gewesen sei.
Und der Vater saß gerade mit Jan im Auto, hat ihn natürlich zum Handballtraining gefahren, wie so oft, wie eben drei, vier Mal die Woche. Und er hat dann Jan sofort gefragt, was ist da los, was ist da passiert? Und Jan ist aber nicht mit der Sprache rausgerückt. Und der Verein sagt dazu, ja, wir konnten ja auch nicht sagen, was passiert ist, weil es gab noch keine Details und die Lage war insgesamt total unübersichtlich.
Und das werfen sich die Eltern extrem vor im Nachhinein, dass sie da Jan erstmal konfrontiert haben. Also die Mutter hat mir gesagt, das sind nicht so Eltern, weißt du, es gibt ja Eltern, die sagen, mein Kind ist hochbegabt, mein Kind kann nichts falsch machen, mein Kind ist immer der Beste, der hat nie Unrecht und so weiter. So sind die nicht, also so beschreiben sie sich nicht als Eltern, sondern sie sagen, sie seien eher kritisch gegenüber ihren Kindern.
und hätten am Abend den Sohn zur Rede gestellt. Also hätten am Abend Jan gefragt, was hast du gemacht? Und zwar immer wieder, was ist da los, was hast du gemacht? Und dann hat Jans Mutter mir gesagt, dass Jan irgendwann zusammengebrochen ist und gesagt, Mama, sie haben zweimal versucht, bei mir was einzuführen, aber es hat nicht geklappt. Was für ein schrecklicher Moment als Eltern, wenn du dann irgendwie denkst, gut, da ruft jemand aus dem Verein an und sagt, Jan ist beteiligt. Dann denkst du, also dieser Automatismus, dass du denkst, der hat was gemacht.
Nicht, dem wurde was angetan. Das ist wahrscheinlich immer so die Angst, die man ja erstmal hat. Und das ist vielleicht auch die gesündere Angst, dass man nicht die ganze Zeit damit rumläuft, dass man denkt, mein Sohn könnte Opfer sein, mein Sohn könnte Opfer sein. Aber dass man das direkt assoziiert mit, vielleicht hat er jemand anderem was angetan. Was das wiederum mit dem Kind macht. Und dann wieder gespiegelt mit den Eltern, die sich denken, oh Gott, was haben wir unserem Sohn, der Opfer war oder Betroffener, Geschädigter, was haben wir dem jetzt damit angetan, dass wir ihn so unter Druck gesetzt haben.
Ihnen ist halt erst in dem Moment klar geworden, dass der Jan kein Täter ist, sondern Betroffene dieser Gewalt.
Und das war ganz schlimm für die Eltern. Also die Mutter hat mir gesagt, dass sie gar nicht mehr schlafen konnte, dass sie nur noch rumgelaufen sind wie Zombies. Du hattest ja gesagt, es gab diesen Anruf im Auto, wo Jans Vater mit ihm im Auto saß und dann haben sie ihn dann konfrontiert. Woher wusste denn der Verein jetzt überhaupt davon, dass etwas passiert ist, was auch immer in diesem Zeitraum noch, es war ja so ein bisschen verklausuliert, passiert ist?
Das Ganze kam überhaupt raus, weil sich die jüngeren Kinder ihrer Trainerin anvertraut haben.
Die Trainerin ist 57 Jahre alt. Ich habe sie auch getroffen und das ist wirklich eine Frau, die sich so durch die Welt zu bewegen weiß. Und die ist auch immer noch wirklich total erschüttert von dem, was da vorgefallen sein soll. Sie hat mir gesagt, ich habe mit vier Jahren angefangen Handball zu spielen. Ich bin Trainerin, seit ich 16 Jahre alt bin. Und das, was da in Dänemark passiert ist, ist das Schlimmste, was ich in 40 Jahren Handball erlebt habe.
Die ist deswegen immer noch in psychologischer Betreuung und sie hat mir gesagt, dass Kinder so sein können, dass Kinder sowas anderen Kindern antun können. Darauf war ich nicht vorbereitet. Sie hat die Kinder, die sie trainiert hat, nach dem Trainingslager in Dänemark wie ausgewechselt erlebt. Also sie hat mir gesagt, nichts im Training hat mehr funktioniert. Sie hat sich schon überlegt, was mache ich jetzt? Ist mein Training irgendwie falsch?
Aber es war irgendwie, sie kam gar nicht mehr an die Kleinen ran. Und sie hat dann auch gesagt, ihr sei aufgefallen, dass die Kleinen plötzlich gar nicht mehr bei den Großen helfen wollten. Also es war früher so, dass sie total gerne dann da Bälle holen sollten, was weiß ich, was eben zu tun gibt. Und jetzt war es plötzlich so, wenn sie gesagt hat, helft mal bei den Großen, war es wie so eine Strafe. Und dann hat sie noch beim Training gehört, wie ein Kind zum anderen gesagt hat, in der nächsten Saison spiele ich auf keinen Fall mehr beim HSVH. Und das war der Moment, wo
wo sie so gedacht hat, nee, dem muss ich jetzt nachgehen.
Und dann hat sie die Kinder einzeln angerufen und gefragt, was da los ist. Und ein Junge hat ihr dann alles erzählt. Dass der Jan vergewaltigt worden sei, dass Wachen an der Tür gestanden hätten und dass er und sein Team hätten zuschauen müssen dabei. Und sie hat dann alle Kinder angerufen und nicht gesagt, was ihr das erste Kind erzählt hat. Und zwei Kinder haben dann nochmal genau die gleiche Geschichte erzählt. Und daraufhin hat die Trainerin den Verein informiert und dann hat der Verein informiert,
sofort Jans Vater angerufen und das ist der Anruf, den Jans Vater eben bekommen hat. Das stimmt schon, die Lage war unübersichtlich, aber die Trainerin hat schon den Jan als Geschädigten benannt. Jetzt muss man sich natürlich mal kurz in diese Situation hineinversetzen. Da werden Menschen mit Informationen versorgt.
für die sie nicht ausgebildet sind, diese zu verwerten. Das stimmt. Das ist so, dass auch als ich mit denen gesprochen habe, der eine Verantwortliche im Verein hatte sich schon mit dem Thema befasst, sexuelle Gewalt. Aber natürlich, das sind...
junge Männer, die keine Berührung im Grunde damit haben und die jetzt plötzlich vor so einer Katastrophe stehen. Und es ist auch so, als ich mit denen gesprochen habe und als ich ihre Schreiben gelesen habe, das hat mich wirklich angesprungen. Also diese Überforderung und diese Hilflosigkeit, in der sie da waren, die man nachvollziehen kann, klar, das war ganz offensichtlich.
Das war auch so, dass sie an die Eltern dann sofort ein Schreiben geschickt haben am 22. September, also kurz nach diesem Anruf, den Jans Vater bekommen hat, wo sie gesagt haben, die Trainings und die Spiele für die Mannschaften U13 und U15 sind sofort abgesetzt.
Und sie haben geschrieben, dass sie eben diese Berichte erreicht haben, die sie wirklich bestürzt haben und schockiert haben. Sexualisierte Gewalt. Und sie haben dann versprochen, wir werden alles daran setzen, Licht ins Dunkel zu bringen und im Interesse der Kinder die richtigen Schlüsse zu ziehen und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten.
Und was ich jetzt erzählen möchte, ist, wie sich sowas entfalten kann. Weil man denkt ja immer, so ein Verbrechen passiert. Man denkt ja, die Welt bleibt stehen. Es ist alles still, weil sowas ist passiert. Aber das ist halt nicht so. Die Welt geht weiter. Die Kinder sind weiter in ihren Familien. Die lebende Eltern gehen weiter. Die Geschwister sind da.
Natürlich geht auch das Leben der Verantwortlichen weiter. Und ich glaube, man muss sich klarmachen, das ist nicht wie sozusagen ein Film läuft und plötzlich ist der Ton abgedreht, sondern du bist eben immer in deiner Situation drin. Und deswegen sind die da so reingestolpert, die Verantwortlichen, und haben wahrscheinlich schon ihr Bestes gegeben. Das will ich denen überhaupt nicht absprechen. Es ist trotzdem so, dass sie mit der Situation maßlos überfordert waren. Und das würde ich jetzt gerne einmal entwickeln, was da passiert ist. Ja.
Und man stellt sich aber natürlich unweigerlich zumindest die eine zentrale Frage an dieser Stelle als Vereinsverantwortlicher. Ich erfahre von so etwas, ich weiß, ich bin dafür nicht ausgebildet, ich kenne mich da nicht aus. Wendet man sich in diesem Moment nicht automatisch an die Polizei und sagt einmal...
Hier sind die Vorwürfe, mit denen sind wir konfrontiert worden. Wir haben keine Ahnung, was wir jetzt machen sollen. Wir haben nur erstmal den Trainingsbetrieb lahmgelegt, damit alle mal ein bisschen zur Ruhe kommen können, was ja im Grunde genommen auch erstmal die richtige Entscheidung zu sein scheint, von außen betrachtet.
Aber muss nicht notwendigerweise dieser eine Anruf passieren und ist der vielleicht auch passiert? Also die Polizei wurde informiert, aber von Eltern und erst später. Also es war so, dass der Verein hat, glaube ich, gedacht, wir regeln das. Und das muss man sich auch schon nochmal vor Augen führen. Also das Leben der Familien ist bestimmt durch den Verein. Der Verein entscheidet,
wann du in Urlaub fährst, weil in der restlichen Zeit sind Trainingslager und Spiele. Der Verein entscheidet, was du am Nachmittag machst, weil da sind Trainingseinheiten. Das ist schon so, ich habe das auch immer wieder nachgefragt bei der Recherche, wie war das denn, wie war das denn, weil ich das eine Weile gedauert habe, bis ich das kapiert habe, wie stark der Verein in das Leben der Familien hineinregiert, mit deren Wunsch und Wille. Das ist auf jeden Fall so. Also die Eltern möchten das so, weil sie ihren Kindern einen Traum erfüllen.
Aber ich glaube, da fängt das an, das, was du angesprochen hast, diese Überforderung, dass der Verein denkt, wir regeln das schon. Und die Eltern vielleicht auch gedacht haben, ja, der Verein regelt das schon am Anfang. Das kann schon sein. Die haben ja auch jemanden eingeschaltet. Also die haben dann schon am selben Nachmittag eine Pädagogin geholt, die in der Halle gewartet hat.
Und die Spieler sollten dann, statt Training zu machen, darüber sprechen, was passiert ist. Opfer und Täter, mutmaßliche Opfer und Täter miteinander? Ja, das ist halt das Ding. Das ist ja der absolute Wahnsinn. Ja, natürlich, das wissen wir. Und das war in dem Moment auch so, dass Jans Vater gesagt hat, er könnte sich heute noch ohrfeigen, dass er Jan dahin geschickt hat. Aber ihnen war die Dimension der Taten zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Und
Und vielleicht war es auch so, dass es dem Verein zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst war. Auf jeden Fall war das natürlich klar. Deswegen sage ich, das ist eine Chronik einer Überforderung. Da beginnt das sozusagen. Jans Vater geht es heute noch schlecht damit, dass er Jan dahin geschickt hat. Er sagt, ich könnte mich heute noch ohrfeigen, dass ich das gemacht habe. Aber die Dimension der Tat war ihnen einfach zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Und jetzt liegt er nachts manchmal wach, hat er mir gesagt, und stellt sich vor, was seinem Sohn da widerfahren ist.
Und als sich dann die Kinder in der Sporthalle mit der Pädagogin getroffen haben, haben sich die Eltern auf dem Parkplatz versammelt und dann in Form von einer Gerüchteküche ausgetauscht, was passiert sein könnte. Und in dem Moment haben dann die Eltern von Jan herausgefunden, dass es wahrscheinlich noch einen dritten Übergriff gegen Jan gegeben haben könnte. Diesmal eben mit vollzogener Penetration. Weil Jan hatte ja seinen Eltern gesagt...
Sie haben zweimal versucht, mir was einzuführen, aber es hat nicht geklappt. Und dieser mutmaßliche dritte Vorfall ist auch der Vorfall, der schriftlich bezeugt wird durch manche Kinder der U13. Man muss aber hier einmal ganz klar sagen, wie viele Vorfälle es gibt, wie viele Betroffene auch, ob jetzt die Penetration vollzogen wurde oder nicht, das können wir nicht sagen. Es gibt auch Eltern, die wollten nicht mit mir sprechen, aber die haben damals anderen Eltern gesagt,
Ja, das hat sich Jan nur ausgedacht. Also die bezweifeln, dass die Vorfälle überhaupt stattgefunden haben. Jan selber hat gesagt zu seinen Eltern, er kann sich an ein drittes Mal nicht erinnern. Und seine Mutter hat mir gesagt, dass er sich den Kopf darüber zerbricht. Aber eine Psychologin, mit der sie später gesprochen hat, hat gesagt, vielleicht ist es ganz gut, dass er es verdrängt.
Es kann natürlich auch sein, dass er sich sehr schämt, dessen, was da wahrscheinlich passiert ist. Und das ist der Moment, in dem dann andere Eltern bei der Polizei den Vorfall angezeigt haben und die Polizei hat auch Ermittlungen aufgenommen. Liebe Hörerinnen und Hörer von Zeitverbrechen, wir wollen euch auf ein Angebot aufmerksam machen.
In der ZEIT und auf ZEIT online berichten wir über Kultur, Politik, das Weltgeschehen und immer wieder, ihr wisst es, auch über Verbrechen. Ein gratis Probeabo mit unbegrenztem Zugang, digital oder ganz klassisch gedruckt, gibt es unter abo.zeit.de slash Verbrechen. Und jetzt geht's weiter mit der heutigen Folge. Musik
Einmal kurz zum Verständnis, wenn wir von drei Vorfällen reden. Du hast bislang ja diese Situation geschildert in diesem Ferienlager in Dänemark. Geht es innerhalb dieser Situation um drei Versuche oder vollendete Versuche, ihm etwas einzuführen? Oder gab es noch einen weiteren zusätzlichen Vorfall an einem anderen Tag oder an einem anderen Ort? Das kann sein, genau. Es kann sein, dass es noch andere Vorfälle gab zu anderen Zeitpunkten.
Wir reden aber nur erstmal jetzt von Vorfällen in diesem Ferienlager, also 14. bis 18. August 2023. Okay, nun sind wir bei den Eltern, die dann schließlich die Aufgabe des Vereins übernehmen und zur Polizei gehen. Wie geht es dann weiter? Strengt die Polizei Ermittlungen an und wenn ja, was passiert? Also die Polizei nimmt Ermittlungen auf. Zum Ausgang der Ermittlungen möchte ich später nochmal was sagen.
Ich glaube, was jetzt vor allem bei den Eltern losgegangen ist, sind so die Gedanken, warum passiert sowas? Wie kann sowas sein? Du hast es vorhin auch schon mal gefragt. War das das erste Mal? Das haben sich natürlich die Eltern auch gefragt. Und jetzt gibt es ja viele Beispiele aus dem Sportbereich, wo wir wissen, dass Erwachsene Kinder missbrauchen. Wir wissen auch, dass Kinder zu anderen Kindern total grausam sein können, bis hin, dass sie andere Kinder töten können.
Aber in einem Verein für Mannschaftssport, wo Gemeinsamkeit und Zusammenhalt so im Vordergrund steht, da hat man damit eigentlich nicht gerechnet. Das ist so was, was total kontraintuitiv ist. Das ist ja ein Demütigungsritual, was da passiert ist. Ein ganz brutales Demütigungsritual, das man eher so aus dem Militär kennt, aber sicherlich nicht aus einem Mannschaftssportverein. Noch dazu muss man sagen, also das mag immer nur so der Ruf sein, aber wenn man sich selbst viel in Sportvereinen rumgetrieben hat,
viel mit Menschen geredet hat, die sich mit Sport auskennen, dann weiß man, dass gerade die Sportarten Handball und Basketball als eigentlich besonders mannschaftsdienliche, gemeinschaftsfördernde Sportarten gelten, in denen eigentlich sehr gute Umgangsformen herrschen. Dass es andere Sportarten gibt, wo es häufiger mal auch zu innermannschaftlicher Gewalt kommen kann. Aber gerade bei Handball und Basketball ist das eigentlich sehr, sehr ungewöhnlich.
Ja, das haben die Eltern auch gesagt. Viele haben von ihnen selber Handball gespielt früher und sagen auch, Handball ist unser Leben. Und die haben gesagt, dass sie teilweise einen Zusammenhalt hatten wie noch nie sonst im Leben oder wie nie wieder auch später. Dass es so magische Momente in der Kabine gab. Aber...
Sie haben dann auch, wenn du mit ihnen sprichst über die Vorfälle, haben sie gesagt, es gab schon auch wirklich ganz schön viel Druck und auch ziemlich viel Stress. Und dass der HSVH so eine One-Man-Show gefördert hätte und Starallüren bei besonders guten Spielern, was der HSVH bestreitet. Der sagt, dass der Mannschaftssport nicht über den Einzelnen funktioniert. Was
Aber dann so nach und nach ans Licht kommt, ist, dass die geschilderte Vergewaltigung wahrscheinlich nicht die einzige Gewalttat ist, die da vorgefallen ist. Die Eltern haben zum Beispiel berichtet von Handtuchschlagen unter der Dusche. Also die Älteren quälen die Jüngere, sie schlagen sie so mit Handtüchern. Man kann, glaube ich, im Rückblick sagen, dass sich die Gewalt hochgeschaukelt hat. Also das fängt so an.
Mit so, was man vielleicht klassisch als Mobbing bezeichnen würde, mit einer Getränkekiste, in der aber nicht genug Getränke sind oder nicht genug gute Getränke. Die wird dann nach dem Spiel dahingestellt und dürfen sich zuerst die Älteren was rausholen. Die suchen sich die Cola und für die Jüngeren bleibt dann nichts mehr übrig oder nur die Getränke, die die Kinder eben nicht so interessant finden, wie Mineralwasser oder so. Dann durften offenbar die jüngeren Kinder erst nach den Älteren duschen. Also so Sachen, die so klein wirken, aber sich dann schon wirklich hochschaukeln.
Mir hat eine Mutter auch erzählt, dass ein Kind sich nackt auf die Bank stellen musste und von einem Älteren ausgepeitscht wurde. Das ist natürlich schon aber nochmal eine ganz andere Qualität. Das sind ja, finde ich, zwei verschiedene Paar Schuhe in so einem Leistungsumfeld. Wenn wir jetzt nochmal ein paar Jahre zurückgucken in den 90er Jahren und 2000ern, dann war das klar, wenn man als junger Profi beispielsweise in einem Fußballverein dazukam, dann musste man die Schuhe der anderen putzen und erstmal tragen und die Bälle einsammeln.
Die Älteren haben andere Rechte als die Jungen. Dann kann man darüber denken, was man möchte. Hatte so eine hierarchische Funktion, so verdienen die erstmal deinen Posten.
Keine gute Erziehungsmethode, würde ich sagen, insbesondere in dem Alter. Aber das sind ja zwei verschiedene Paar Schuhe. Ob der Trainer das so ein bisschen fordert und ein bisschen altbacken so eine Mannschaft führt oder ob jemand nackt irgendwie ausgepeitscht wird. Also das hat ja eine ganz andere Dimension. Und das ist aber gar nicht rausgekommen. Also das hat derjenige oder diejenigen, die das dann betraf, das kam quasi alles erst raus nach diesen schwersten Taten, die mutmaßlich gegenüber Jan begangen wurden. Das heißt, es ist
fächerte sich da erst alles auf. Vorher hat darüber keiner geredet im Verein. Habe ich das richtig verstanden? Also diese Gerüchte gab es schon. Die gab es schon. Die Eltern haben ja auch teilweise selber Handball gespielt und haben das selber auch erfahren. Das war so ein bisschen so, ja, die Älteren quälen die Jüngeren. Das war schon immer so. Das haben schon immer alle so gemacht. Weißt du, auf der Basis war das so. Die haben das, glaube ich, ein bisschen abgetan. Und dass sich aber
In dem Fall aus sowas eben das gesteigert hat und was anderes entwickelt hat, das konnten sich die Eltern, glaube ich, auch nicht vorstellen. Wie ist es denn danach weitergegangen? Also wir haben jetzt die ersten paar Tage oder Wochen danach beschrieben. Wie ging es weiter für Jan? Wie ging es weiter für seine Eltern und auch die anderen Eltern?
Also ich hatte ja den ersten Brief, den der Verein geschickt hat, gleich nach dem Bekanntwerden der Vorfälle, hatte ich ja genannt. Das klang ja sehr mitfühlend gegenüber den Geschädigten und
Und sechs Tage danach gibt es aber ein weiteres Schreiben, das in einem ganz anderen Ton verfasst ist. Da schreiben dann die Verantwortlichen, es geht ihnen nicht nur um den Schutz von möglichen Betroffenen, sondern auch von vermeintlichen Tätern. Dann schreiben sie, dass die Ermittlungen der Polizei abgewartet werden. Aber sie haben so einen drängenden Ton. Sie schreiben dann, dass sie hoffen, dass sie so schnell wie möglich wieder ins Training zurückkehren können. Und nochmal zwei Wochen später
Da schien es mir so, als wirbt der Verein fast flehend um ein bisschen mehr Verständnis, dass man noch nicht wieder in einem geregelten Trainingsablauf sei. Da fragt man sich natürlich unweigerlich, ja okay, wir sehen die Nöte dieses Vereins und die natürlich erfolgreich sein wollen und das ist wie gesagt, das ist jetzt nicht
so ein Kirmesverein, sondern da geht es richtig um Profisport. Also wenn wir es vergleichen, das ist wie die Jugend von Bayern München, nur alternativ auf Handball umgepumpt. Natürlich haben die da einen anderen Takt und natürlich ist das für so einen Verein, wenn er Wochen und Monate lang aus dem Spielbetrieb quasi genommen wird, eine Katastrophe. Aber wenn wir das gegenüberstellen, was im Raum steht, dann nimmt sich das doch tatsächlich sehr klein aus. Was ist da also los? Warum hat denen niemand mal gesagt, jetzt mal ruhig mit den Pferden?
Ich glaube, dass es gar nicht so sehr der Verein ist, der gedrängt hat, wieder den Trainingsbetrieb wieder aufzunehmen, sondern ich glaube, dass es vor allem Eltern waren. Und zwar Eltern von Kindern, die nicht betroffen waren oder die beschuldigt waren. Dass die nicht damit klargekommen sind, dass ihre Kinder nicht mehr spielen durften. Also so haben mir es jedenfalls sehr viele andere Eltern erzählt.
Die Mutter von einem Jungen hat mir gesagt, dass sich viele Eltern über die Trainingspause unendlich aufgeregt haben, dass sich die Jungs sogar privat in der Halle getroffen haben, damit sie sich endlich mal wieder bewegen können.
Das reißt natürlich auch ein Loch in den Alltag von Familien. Und viele Eltern haben dann, glaube ich, vor allem die Interessen ihrer eigenen Kinder im Vordergrund gesehen und haben darauf gedrängt, dass diese Kinder wieder Handball spielen. Ich habe natürlich auch den Vereinen das gefragt, was du jetzt fragst. Ich habe die gefragt, hat sie der Teufel geritten? Warum haben sie nicht viel mehr gemacht? Warum haben sie sich dann plötzlich dafür entschuldigt, dass es schon nicht mehr geht?
Und da war ein Mitarbeiter des Vereins, der für den Nachwuchs verantwortlich ist, der hat wirklich sichtbar für mich darunter gelitten. Also der hat so richtig das Gesicht in den Händen vergraben, als er davon erzählt hat. Und hat dann gesagt, ja, sie hätten alle Eltern von beschuldigten Kindern zu Einzelgesprächen eingeladen. Und viele Eltern sind dann trotzdem so in Gruppen aufgelaufen.
Und er hat dann gesagt, wir wollten eigentlich alle beschuldigten Spieler suspendieren, aber die Eltern haben uns die Hölle heiß gemacht. Die haben gesagt, wir nehmen ihren Kindern den Lebensinhalt weg. Und er hat dann mir erzählt, dass die Eltern ihm gesagt haben, ja, die Kinder werfen sich vielleicht vor die nächste S-Bahn und dann sind sie schuld.
Und das ist dasselbe noch ein ganz junger Mann, der ist klar mit dieser Situation wirklich überfordert. Und ich habe gemerkt, dass ihm diese Worte, diese Drohung oder diese Verantwortungsübergabe, ja, mein Kind wirft sich vor die nächste S-Bahn, wenn es nicht wieder Handball spielen kann, dann bist du schuld, dass ihm das heute noch zusetzt.
Und das kann man ja auch wirklich nachvollziehen. Das ist ja auch ein krasser Vorwurf, wenn man den mit nach Hause nimmt. Und diese Anspruchshaltung, die diese Eltern haben, das ist immer wieder sehr verwunderlich, finde ich, wenn man das so hört. Aber gleichzeitig, wenn man sich reindenkt, es gibt eben sehr viele Kinder, für die ist der Leistungssport alles. Und die sind natürlich dann zu Hause und sind auch sehr traurig, dass sie nicht mehr Handball spielen dürfen, weil das eben deren großer Traum ist.
Dennoch muss der Verein dann natürlich, aber du hast es schon richtig gesagt, das ist eben die Chronik einer Überforderung, anders reagieren. Wie war es denn mit den Eltern untereinander? Also wir hatten jetzt einmal die Eltern der mutmaßlichen Täter und der Unbeteiligten. Gab es denn nochmal Treffen zwischen den Eltern der mutmaßlichen Täter und den Eltern der mutmaßlichen Opfer? Haben die sich ausgetauscht?
Erst mal nicht. Also es war so, dass die Eltern von den beschuldigten Kindern dem Verein gegenüber gesagt haben, ja, das sind ja bloß Anschuldigungen.
die nicht bewiesen werden können. Die haben auch mit einem Anwalt gedroht. Also nicht nur mit einem Anwalt gedroht, die haben einen Anwalt eingeschaltet. Und der Verein hat mehrere Briefe von Anwälten bekommen und hat dann daraufhin das Training wieder eingesetzt. Und zwar Mitte Oktober 2023, also zwei Monate nach den mutmaßlichen Vorfällen, haben sie begonnen wieder zu trainieren, getrennt nach Altersstufen und ohne, dass die Kinder geduscht haben. Umziehen sollten sie sich in der Halle.
Und darüber haben sich die Eltern von den unbeteiligten Kindern und von den mutmaßlich geschädigten Kindern in einem Brandbrief beschwert. Und der Verein sagt auch, ja gut, das war jetzt keine gute Idee, dass wir so schnell wieder angefangen haben. Aber sie haben eben den Druck der Eltern nachgegeben. Und erst Ende November kam es dann zu einem Elternabend,
der nach Mannschaften getrennt war. Und von diesem Elternabend schildern mehrere Beteiligte wirklich so tumultartige Szenen. Weil du musst dir vorstellen, viele wussten immer noch nicht, was eigentlich los war, um welche Vorfälle wir hier eigentlich reden. Und da haben auch Eltern bei diesem Elternabend, also so berichten es Beteiligte, gesagt, ich will endlich wissen, was passiert ist. Und der Verein hätte aber nichts gesagt und hätte immer nur gesagt, ja, die Polizei ermittelt, die Polizei ermittelt.
Und der Verein sagt, ja, das stimmt, das haben wir gesagt, weil sie sind halt ein Sportverein, sie sind keine Ermittler und keine Richter. Sie können auch keine Vernehmungen durchführen und sie wissen auch nicht, was ganz genau passiert ist und deswegen konnten sie es auch nicht weitertragen. Und deswegen konnten sie nur sagen, dass es Berichte über sexualisierte Gewalt und dass diese Gewalt
schwerwiegend gewesen sein soll. Aber über alles Weitere haben sie eben nicht gesprochen. Und deswegen sind offenbar einige Eltern davon ausgegangen, dass es bei diesen Vorfällen um dieses Handtuchschlagen geht, was ich schon erzählt habe, dass Kinder mit einem Handtuch unter der Dusche geschlagen werden.
Und auf dem Elternabend soll die Mutter von einem beschuldigten Jungen gesagt haben, ihr Sohn hätte überhaupt nichts gemacht. Und die anderen Beteiligten sagen, dass es der Mutter nur darum gegangen sein soll, dass ihr Sohn so schnell wie möglich wieder Handball spielen kann. Und das sieht man vor allem an einem Zitat, das mir von mehreren Eltern geschildert wurde, dass sie gesagt hat, die Jungs können immer noch Meister in ihrer Liga werden. Und das steht sozusagen im Vordergrund. Das muss man sich wirklich einmal vorstellen.
vor Augen führen. Also dass es darum geht, zu gewinnen und die Besten zu sein. Und gleichzeitig, klar, die Eltern von den beschuldigten Kindern haben sich laut Aussagen von Beteiligten zutiefst ungerecht behandelt gefühlt und haben auch gesagt, die würden in der Schule als Vergewaltiger angefeindet werden. Also es wabert einfach ganz viel rum, was ist da passiert, was ist da nicht passiert.
Was allerdings in diesem Elternabend vor allem gemacht wurde, war eine Sprachregelung, die vielen Eltern heute noch in Erinnerung ist, dass die Psychologinnen gesagt hätten, dass man die Kinder, die wahrscheinlich Gewalt ausgeübt haben, bitte nicht als Täter bezeichnen darf, sondern sie Übergriffige nennen soll. Und diese Sprachregelung, das merke ich, wenn ich mit den Leuten spreche, die ist bis heute in den Leuten drin und sie sagen das mit so einem bitteren Unterton, die sogenannten Übergriffigen.
Und die Mutter von Jan hat mir gesagt, dass sie bei dem Elternabend in Tränen ausgebrochen ist und dass die Täter, also die Übergriffigen, viel, viel mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als die Opfer, als die Geschädigten dieser Übergriffe. Das bestreitet der Verein und sagt, ja, die Betroffenen hätten zunächst geholfen.
ausschließlich im Vordergrund gestanden und die Psychologinnen hätten zuerst Gespräche mit den Geschädigten geführt. Aber war das denn jetzt am Ende des Tages dieser Elternabend einfach nur Folklore oder stand da am Ende auch irgendein Maßnahmenkatalog, wie man jetzt in Zukunft mit der Situation umgehen will in dem Fall?
Ja, der HSVH hat an dem Abend ein Auflagenpaket vorgestellt und das erzähle ich dir mal kurz, was da dieses Auflagenpaket vorsieht. Und zwar, dass die Beschuldigten drei bis vier Beratungsgespräche brauchen bei einer kompetenten Stelle, wie es heißt, dass es Sensibilisierungs- und Präventionsworkshops geben soll, sie muss einen Ehrenkodex unterzeichnen und sie sollen sich bei den Spielern von den betroffenen Mannschaften aufrichtig entschuldigen und erst danach dürfen sie wieder zum Training kommen.
Und die Mutter von Jan hat mir so gesagt, ich habe gedacht, wo ist jetzt die Strafe? Und da ist sie nicht alleine. Das sagen ganz viele andere Eltern. Also eine Mutter hat mir gesagt, die Kinder brauchen doch eine klare Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht. Die müssen doch verstehen, dass da was Falsches passiert ist. Und welche Botschaft kriegen diese Kinder eigentlich mit, wenn Unrecht nicht geahndet wird? Und eine andere Mutter hat mir gesagt, ja, wie machen die denn weiter? Also was kommt jetzt weiter?
wenn ihr Verhalten keinerlei Konsequenzen hat. Klar, sie müssen ein paar Gespräche führen, dann soll sie sich entschuldigen. Und dann geht alles so weiter wie bisher.
Und Jans Eltern haben mir gesagt, sie hätten sich gewünscht, dass die mutmaßlichen Täter vom Verein ausgeschlossen werden, dass das eine angemessene Strafe gewesen sein soll. Und so habe ich den Verein auch gefragt, haben sie mal darüber nachgedacht, die Kinder auszuschließen. Und dann haben sie gesagt, ja, nee, das sind uns rechtlich die Hände gebunden. Wir dürfen niemanden ausschließen. Wir bräuchten Sicherheit über Schuld und Unschuld. Das stimmt aber nicht. Also wenn du mal schaust, es gibt Urteile, in denen bereits ein schwerwiegender Verdacht für einen Vereinsausschluss reicht.
Dennoch hätte man, und da versteht man ja die Eltern von Jan, hätte man sich andere Signale gewünscht. Wenn wir jetzt aber mal kurz dieses Auflagenpaket ernst nehmen, ich tue mich damit etwas schwer, aber dennoch, wir machen das jetzt einfach mal. Hat das denn in Anführungszeichen gewirkt? Es ist schon sozusagen dazu gekommen, dass es diese Workshops gab und diese Gespräche gab. Es war dann aber so, dass im Januar, also einige Zeit später, die Eltern von den betroffenen Kindern informiert wurden.
dass die beschuldigten Kinder am nächsten Tag, also einen Tag später zum Training kommen und sich entschuldigen würden. Also es war ja der letzte Punkt in diesem Auflagenpaket, wir erinnern uns, ist die aufrichtige Entschuldigung bei den Betroffenen. Und das sollte sozusagen einen Tag später passieren. Und da hat mir eine Mutter erzählt, deren Sohn zum Zuschauen gezwungen worden sei, dass ihr Sohn davon völlig überrumpelt war. Also er hatte keinerlei Möglichkeit, sich auf die Situation vorzubereiten und hat auch das einer ...
gesagt in einem dieser Gespräche, dass damit er sich wieder sicher und wohl fühlen kann und er ist einer der Kinder, der gezwungen wurde zuzuschauen. Also das hat ihn total beeindruckt, dieses Zuschauen. Er gehört nicht zu den Kindern,
dem unmittelbar sexuelle Gewalt angetan wurde. Aber es hat ihn sehr schockiert, da zuschauen zu müssen. Und er hat eben dieser Psychologin gesagt, er will die älteren Spieler nie wiedersehen. Das sei seine Bedingung. Und klar, das ist ja logisch, der Verein sagt auch, ja gut, das konnten wir jetzt nicht umsetzen. Das ist mir schon auch klar. Aber es war eben so, dass sich das Kind nicht mal eine Woche lang oder sowas auf diese Begegnung hätte vorbereiten können.
Das Kind hat dann aufgehört, Handball zu spielen. Also es spielt bis heute kein Handball mehr. Und er war Leistungssportler. Das muss man schon auch mal sagen. Wie ist es denn mit Jan? Der Jan hat den Hamburger Handballverein zu dem Zeitpunkt auch schon verlassen. Und die Eltern haben mir gesagt, dass sie nie eine Entschuldigung bekommen haben. Also weder sie noch Jan. Und der Verein, den habe ich das auch gefragt, warum hat sich denn nie jemand entschuldigt?
Sie haben gesagt, sie hätten Entschuldigung und Mitleid bekundet gegenüber Jans Familie, aber die Familie hätte eben auch deutlich gemacht, dass sie erst mal alleine damit klarkommen müssen. Und Jans Vater sagt, ja natürlich mussten wir erst mal damit alleine klarkommen, aber später haben sie durchaus das Gespräch gesucht, sogar schriftlich. Sie haben dann Ende Januar 24, also als diese Entschuldigungen da gerade vonstatten gingen,
auch sogar noch eine Mail an den Verein geschickt und geschrieben, wie maßlos enttäuscht und traurig sie seien. Und dass sie in vielen Fällen, ich zitiere, eine unbändige Veränderung
Ich finde, man kann das auch nachvollziehen, weil der Verein sagt, ja gut, die Beschuldigten hätten sich bei Jan auch deswegen nicht mehr entschuldigt, weil er den Verein gewechselt hat und deswegen gar nicht mehr greifbar gewesen sei. Das ist natürlich in Zeiten von Internet und Telefon und allem Möglichen wirklich ein bisschen selbstverständlich.
Eine seltsame Argumentation und das gibt der Verein auch zu. Die haben ja gesagt, ja, das ist schon rückblickend sicherlich ein Punkt gewesen, den wir gerne anders gelöst hätten. Und schließt sich natürlich wunderbar an, an diese sehr bequeme, ja, die wollten ja alleingelassen werden. Und dann so aus den Augen, aus dem Sinn, jetzt sind sie nicht mehr da, dann müssen wir uns ja auch nicht mehr kümmern. Das ist natürlich sehr bequem. Ich möchte trotzdem jetzt nicht grundsätzlich nur gegen den Verein kacheln. Du hast es ganz am Anfang gesagt, eine Chronik der Überforderung.
Manchmal ist es ja so, das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Ich glaube, sie haben es oft und an vielen Stellen gut gemeint. Sie haben es aber nicht gut gemacht. Die Eltern mussten zur Polizei gehen. Und jetzt interessiert uns natürlich alle, was ist denn aus diesen Ermittlungen geworden?
Also die Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Ermittlungen gegen fünf der Kinder eingestellt, weil sie zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt eben jünger als 14 Jahre alt waren und deswegen noch nicht strafmündig. Und der sechste Beschuldigte, der älter als 14 Jahre alt war, der wurde ebenfalls nicht weiter verfolgt. Hier ist die Staatsanwaltschaft Itzehoe zuständig und die begründet das Einstellen ihrer Ermittlungen damit, dass der Beschuldigte keine Ermittlungen
aktive Rolle hatte und außerdem eben an diesen Beratungsgesprächen und Workshops im Verein zur Prävention sexueller Gewalt im Sport teilgenommen hat. Deswegen reden wir darüber ja im Konjunktiv. Es gibt kein rechtskräftiges Urteil. Das ist natürlich gerade bei nicht strafmündigen Jugendlichen und Kindern einfach richtig. Punkt, muss man so sagen. Das ist lega artis. So ist es nun mal, wenn die mutmaßlichen Täter unter 14 sind.
Und tatsächlich erlebt man das ja häufig bei so jungen Tätern auch, dass Ermittlungen dann eingestellt werden, weil man eben auch viel Verständnis hat, wenn die sich in irgendeiner Art und Weise mit der Tat auseinandergesetzt haben. Und das ist ja vielleicht auch aus vielen Perspektiven gar nicht verkehrt. Aber natürlich aus der Perspektive derjenigen, die so ein Martyrium durchlebt haben, ist das natürlich immer mit großen Schmerzen verbunden.
Anne, du hast dich jetzt sehr ausführlich mit diesem Fall beschäftigt, du hast mit sehr vielen Menschen geredet. Welche Bilanz ziehst du für dich selbst? Ich glaube, was bei mir vor allem haften bleibt von diesem Fall, ist so diese auch Hilflosigkeit und Wut der Eltern, die sich überlegen, und das kann man sich ja auch vorstellen, du schickst dein Kind in den besten Sportverein, den es gibt,
in diesem Umfeld gibt, also in den besten Handballvereinigungen in diesem Umfeld gibt, in Hamburg in diesem Fall. Du denkst wirklich, du tust deinem Kind was Gutes. Du gibst dem dein ganzes eigenes Leben. Selbst du, also der eine Vater, mit dem ich gesprochen habe, der während der Sohn trainiert hat, gearbeitet, immer im sogenannten Homeoffice, also im Turnhallen-Homeoffice. Manche Geschwisterkinder lernen laufen, während ihre älteren Geschwister trainieren.
Du machst das alles bei so einem renommierten Verein. Du denkst, du tust das Beste für dein Kind und dann passiert sowas. Und ich glaube, das ist so diese unglaubliche Enttäuschung auch, die viele Eltern haben. Wenn du mich konkret nach einer Bilanz fragst aus diesem Fall, dann sind durch diese Vorfälle Mannschaften zerbrochen. Es sind natürlich auch Träume zerbrochen von Jungs, die mal große Handballer werden wollten,
Und konkret haben zwei Jungs den HSVH verlassen, nämlich der eine Junge, der sich von dem Entschuldigungsbesuch überrümpelt gefühlt hat. Der hat oft abends noch im Bett geweint, hat seine Mutter erzählt. Und es geht ihm besser, seit er den Verein verlassen hat. Und er möchte trotzdem nie wieder Handball spielen in einem Verein.
Der Jan hat einen neuen Handballverein gefunden. Er ist nach wie vor ein ziemlich guter Spieler. Und er tritt auch manchmal, also noch heute, gegen die Kinder an, die beschuldigt werden, diese Taten begangen zu haben. Da treffen mutmaßliche Opfer, mutmaßliche Täter weiterhin aufeinander in Turnieren. Und Jan schläft noch heute auf dem Sofa ein, am Anfang im Arm seiner Mutter, und
Und er möchte seit dem Trainingslager nicht mehr allein einschlafen. Und das ist, möchte ich nochmal sagen, das ist ein 14-Jähriger, den seine Mutter als Kraftpaket beschreibt. Und dieser 14-Jährige kann sich erst spät in der Nacht quasi vom Schlaf schon überwältigt in sein eigenes Bett trauen. Und die Mutter, die hat Tränen in den Augen gehabt, als sie mir gesagt hat, manchmal habe ich Angst, dass er sich was antut.
Und es haben auch andere geschädigte Kinder den Verein verlassen, auch manche der beschuldigten Kinder. Und viele spielen aber immer noch beim HSV Handball. The show must go on.
Liebe Anne, vielen herzlichen Dank, dass du uns diesen erschütternden Fall, finde ich auch sehr berührenden Fall und diese Nahaufnahme eines Kindes, das Opfer wurde, in einem Umfeld, in dem es eigentlich beschützt werden sollte. Vielen Dank. Danke und bis bald.