Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir freuen uns über euer Interesse an unserer Arbeit und über eure Unterstützung mit einem Digital- oder Podcast-Abo. Und wir möchten gerne eine exklusive Folge aufnehmen, in der wir eure Fragen beantworten.
zu unserer Zusammenarbeit, zu unseren Recherchen, egal was. Und alle vier Hosts, also Sabine, Andreas, Daniel und ich, Anne, wir beantworten eure Fragen. Schickt sie uns gerne unter www.zeit.de slash eure Fragen. Der Link steht auch nochmal in den Shownotes. Und jetzt geht's los mit dem heutigen Kriminalfall. Musik
Hallo liebe Zeitverbrechen-Fans und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Kriminal-Podcasts. An meiner Seite sitzt, wie immer, die wundervolle Anne Kunze. Hallo Anne. Hallo Daniel. Heute teilen wir uns unser kleines schnuckeliges Studio noch mit einer weiteren Person, die aufmerksame Zeitverbrechen-Hörerinnen und Hörer,
recht gut kennen dürften auch und vor allem aus dem Adventskalender des Jahres 2023. Heute bei uns ist Ursula Merz. Schön, dass du da bist, liebe Ursula. Hallo, ich freue mich auch. Diese Folge, die ihr heute hört, ist Teil 1 einer Doppelfolge. Im zweiten Teil erzählt euch unsere Reporterin Lale Artun von einem inzwischen alten Herrn, der als junger Mann von einem deutschen Gericht verurteilt wurde, weil er schwul ist.
Und nehmt euch mit, wie dieser Mann fast 60 Jahre später auf einen Richter trifft, der damals Urteile gegen Homosexuelle fällte. Heute aber, Ursula, hast du uns eine Geschichte mitgebracht, die wie kaum eine zweite die beiden wohl größten Themen des Menschseins miteinander verbindet. Die Liebe und den Tod. Es ist die Geschichte zweier Männer. Und magst du uns die beiden einmal vorstellen? Sehr gerne. Gesehen habe ich nur einen Mann.
nämlich Frederik Rust, der nicht so heißt in der Realität. Ich erlaube mir auch, ihn jetzt im Fortgang der Geschichte nur beim Vornamen zu nennen, machen wir vielleicht alle, weil es ein bisschen einprägsamer ist. Gesehen habe ich nur Frederik und zwar als Angeklagten vor Gericht in einem Prozess im Frühherbst 2017.
Der andere Mann, sein Mann, sein Lebensgefährte seit 50 Jahren, die beiden Männer waren 50 Jahre, also ein halbes Jahrhundert ein Paar, hieß Olaf Mehring. Wir nennen ihn einfach Olaf, der Einfachheit halber.
Ich erzähle mal ganz kurz ein bisschen die Vorgeschichte überhaupt dieses Falls, weil die ist doch wichtig, um sie vor Augen zu haben. Die beiden haben sich Mitte der 60er Jahre, da waren sie Anfang 20, im Gleiskasino kennengelernt. Ihr werdet den Namen vielleicht nicht kennen, ihr seid ein bisschen jünger und vielleicht auch später nach Berlin gekommen als ich. Das Gleiskasino war in Schöneberg eine fast legendäre Schwulenbar.
Und zwar nicht nur in der Zeit der Bundesrepublik, sondern bereits seit 1923, wurde unter den Nazis geschlossen, in den 50er Jahren wieder eröffnet. Aber es war sozusagen auch in den 60er Jahren einer der wenigen Treffpunkte, wo sich Homosexuelle treffen konnten oder getroffen haben. Rosa von Braunheim hat da verkehrt, Andreas Bader verkehrt.
Viele illustre Leute, was nicht unwichtig ist, 1959 gab es eine riesige Razzia im Kleist Casino wegen des Paragrafen 175 Unzucht. Ich mache es kurz, die beiden lernten sich an der Bar kennen und nach fünf Minuten waren sie vollkommen verliebt.
Also es war alles andere als eine kurze Affäre und haben ihr Leben miteinander verbracht. Die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Die berühmte große Liebe auf den ersten Blick. Und haben die beiden auch so ein ausschweifendes Leben geführt? Also sind sie dann häufiger in dieser berühmt-berüchtigten Bar, in der Hubert Fichter war glaube ich auch dort.
Der Schriftsteller Hubert Fichte hat da auch darüber geschrieben, in seinen Romanen kommt das Gleiskasino. Ja, daher kenne ich es nämlich. Waren die dann dort auch häufiger oder wie war deren Leben? Was für ein Leben haben die geführt? Also ich glaube ausschweifend ganz sicher nicht.
Frederik Rust war schon pensioniert, war Bankangestellter, Olaf Mehring war Labortechniker und sie haben ein sehr, sehr unauffälliges, sehr bürgerliches, sehr geordnetes Leben geführt. Im Übrigen, was wichtig ist, auch ein sehr symbiotisches Leben.
Aber sie gehörten zum Beispiel überhaupt nicht zur Berliner Schwulenszene. Also die wären nie, glaube ich, zum Christopher Street Day gegangen. Muss man ja auch nicht, wenn man als Schwuler sozusagen. Sie haben gerne gekocht.
Sie haben gerne abends Spiele gespielt. Sie haben sehr, sehr ausführlich, sehr liebevoll, spurpedantisch, glaube ich, ihre Reisen vorbereitet. Sie waren mal in Australien, in Thailand. Und wenn sie zurückkamen, haben sie ihre Fotos abendelang sehr schön in Alben eingeklebt. So ein Leben. Sie haben ihr Geld sehr risikoarm angelegt. Sie hatten, was wichtig ist, eine Eigentumswohnung.
die sie über die Maßen geliebt haben. Die war auch ein bisschen ihre Schutzburg, glaube ich. Und da war auch alles sehr genau, sehr schön eingeordnet. Sie haben die Vorhänge aus... Kurzum, nichts, was man sich unter einem ausschweifenden Leben vorstellen kann, traf auf diese beiden zu. Sie hätten...
irgendein Berliner bürgerliches anderes Paar auch sein können. Was auffällt, finde ich, wenn du so von den beiden erzählst, ist, dass du auch nur von den beiden erzählst. Also das ist nicht, sie waren häufig im Theater, sind ausgegangen, haben Freunde getroffen oder so, sondern es klingt so sehr nach einer, was du ja schon gesagt hast, symbiotischen, aber vielleicht auch tatsächlich nach einer reinen
Zweier-Konstellationen, die sich da in ihrer Trutzburg so ein bisschen gegen die Welt da draußen verbarrikadiert haben. Ein bisschen auch, ja. Wenn wir nachher auf die Tragödie zu sprechen kommen und auf den Prozess, der aus der Tragödie hervorging, wird es eine Rolle spielen, dass sie wirklich fast kontaktlos gelebt haben.
Es hat einerseits, glaube ich, entsprach es ein bisschen ihrem Naturell, sich sowieso abzuschirmen, war ein bisschen introvertiertes Paar. Ich glaube, der Frederik wusste noch mehr als das spätere Opfer Olaf Mehring. Aber, du hast es irgendwie schon anklingen lassen, es hatte auch mit der Zeit zu tun, in der sie zusammen lebten und auch wohnten.
In den 70er, 80er, 90er Jahren, ja doch noch in den 90ern, war es so selbstverständlich nicht, dass zwei Männer, die ersichtlich ein Paar sind, zusammen wohnen.
Also ich kann mich noch an meine Kindheit und Jugend erinnern. Ich habe sowas überhaupt nie irgendwo gesehen und erlebt. Ich wusste natürlich, dass es Homosexuelle gibt. Der Dame wurde übrigens damals gar nicht verwandt. Man sagte schreckliche Begriffe, 175er warme Brüder und so weiter und so fort. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo in einer Wohnung zwei Männer als Paar gelebt haben.
Mit diesem Bewusstsein sind die aufgewachsen und das haben sie, glaube ich, beibehalten und haben sich abgeschirmt. Die beiden leben über Jahrzehnte zusammen. Das hast du ja geschildert. 50 Jahre. 50 Jahre. Also sie waren sich selbst genug. Und dann nach 50 Jahren erkrankt einer von den beiden schwer. Also jetzt tauchen wir langsam in den Tunnel der Tragödie ein. Die Erkrankung war schon etwas früher. Im Jahr 2008
ist Olaf an Prostatakrebs erkrankt. Da war er 69 Jahre alt. Nicht so ungewöhnlich für einen Mann in dem Alter. Und auch der Arzt, der ihn operierte, sagte, Herr Mehring, kleine Sache, also in Ihrem Alter wird wieder kein Problem. Aber schon ein paar Wochen, paar Monate nach der Operation hatten beide das Gefühl, da stimmt was nicht, da gibt es doch ein Problem.
Olaf hat sich nicht erholt von dieser OP. Im Gegenteil, er hatte merkwürdigste, schwer einzuordnende Symptome, die immer stärker wurden. Also Schluckbeschwerden, Gleichgewichtsstörungen, Depressionen, schwer erklärliche Depressionen.
Die beiden haben dann, was sie doch mehr zusammengeschmiedet hat, obwohl ich glaube, man kann gar nicht mehr zusammengeschmiedet sein, als sie ohnehin schon waren, eine Odyssee durch neurologische Arztpraxen und neurologische Kliniken gemacht. Bis schließlich 2015, genau im Mai 2015, kam die wirklich schreckliche Diagnose,
dass Olaf an einer atypischen Form von Parkinson erkrankt ist. Atypisch hieß, dass sie schwer erkennbar war vorher und sie war nicht nur atypisch, sondern besonders aggressiv. Und diese beiden, die ja eigentlich erst am Anfang zum Alter waren und sich auf schöne Ruhejahre des Rentnertums eingerichtet hatten,
dass Olaf maximal noch zwei Jahre zu leben hat. Das war die Erwartung. Und ein Pflegefall ist. Und er war es da noch nicht, noch nicht so ganz 2015. Aber es war klar, er wird es auf eine...
sehr schnelle Weise werden und auch auf eine schreckliche. Weil die Krankheit heißt, er kann irgendwann einfach gar nichts mehr. Du schreibst in deinem sehr anrührenden Stück von einem Leben auf dem Planeten Krankheit, den nur zwei Menschen bewohnen. Wie sah der Alltag dieser beiden aus, nachdem diese schreckliche Diagnose kam? Erstmal gab es für sie einen tiefen,
Und ich glaube, enorm schmerzhaften Einschnitt. Sie haben beschlossen, ihre Eigentumswohnung, die sie wirklich wie ein Baby geliebt haben, zu verkaufen und in eine Senorin-Residenz zu ziehen. Den Namen wollen wir hier auch nicht nennen, das tut eigentlich nichts zur Sache. Aber es war eine Senorin-Residenz des mittleren, gehobeneren Standards in der Innenstadt.
Das hieß, dass sie sich von fast, das ist ein Schicksal, dass alle älter werdenden Menschen oder viele irgendwie erfasst, dass sie sich trennen müssen, dass sie nur ein Sofa mitnehmen können und eine Pfanne und ein paar Bilder und so weiter. Für die beiden war es besonders schlimm, aber...
Vor allem Frederik, der gesunde Teil des Paares, hat einfach gesehen, es wird nicht anders gehen. Es ist schon jetzt schwierig, die Eigentumswohnung lag im höheren Stockwerk, ich glaube dritter oder vierter Stock. Der Olaf kam kaum mehr die Treppen, also sie mussten etwas unternehmen.
Sie haben diese Wohnung verkauft, sind in diese Seniorenresidenz gezogen. Jetzt ist aber etwas Wichtiges. Sie haben ihre Wohnung an ein jüngeres Ehepaar verkauft, ein Arzt und eine Ärztin, auch das ist wichtig, die sie durch den Verkauf kennenlernten. Und diese beiden, die in die Wohnung einzogen, waren in den nächsten Jahren
bedeutsamen anderthalb Jahren eigentlich ihre einzigen Sozialkontakte. Die sind beide auch vor Gericht als Zeugen aufgetreten. Sonst niemand. Keine anderen Verwandten. Daran seht ihr, wie isoliert die gelebt haben. Und die Seniorenresidenz, es gibt ja so unterschiedliche Formen von betreutem Wohnen. Es gibt dieses, dass das Pflegeheim die ganze Zeit schaut oder dass man noch relativ selbstständig lebt.
Also hatten Sie da Kontakte innerhalb der Seniorenresidenz durch einen Pfleger, eine Pflegerin? Hat da mal jemand nach denen geschaut? Also sie hatten auch da sehr wenig Kontakte. Es ist aber natürlich so, in vielen Altenheimen oder Residenzen gibt es quasi zwei Gebäudetrakte. Einen, da wohnt man einfach.
Und geht aber noch in den Speiseraum zum Frühstücken und zum Essen. Und es gibt einen anderen, nach irgendwelchen Jahren zieht man dann um in den eigentlichen Pflegetrakt. So ist und war das auch in dieser Residenz. Sie wohnten aber in einem Apartment von zwei Zimmern. Und Frederik war ja noch kräftig. Der hat alles für seinen Mann, Freund getan.
Es ist jetzt aber noch etwas ganz Wichtiges und das gehört sozusagen zu diesem symbiotischen Innenleben der beiden. Als diese Diagnose kam, diese schreckliche, da flehte der Olaf den Frederik an, schieb mich nicht, bitte schieb mich nicht. Und Frederik hat ihm das versprochen, hat gesagt, ich werde dich nicht abschieben.
Ich bin es, der dich bis zum Ende alleine pflegt. Ein heilloses Versprechen. In Deutschland gibt es mehr als drei Millionen Pflegebedürftige. Fast zwei Drittel davon werden von nahen Angehörigen zu Hause gepflegt. Ich saß vor vielen Jahren zu einer Recherche über Patiententötungen mal bei dem Arzt und Soziologen Klaus Dörner in Hamburg, der mir sagte, das Pflegen an sich, insbesondere eines nahen Menschen,
ist eine Überforderung. Wie erging es Frederik mit dieser Pflege? Entsetzlich. Schon sehr bald entsetzlich. Olaf hat immer mehr abgebaut, wobei, liebe Anne, auf deine Frage zurück, wie hat die Senorenresidenz auf die beiden reagiert? Also,
Der Olaf war schon noch in der Lage, mit allem Rollator und mit viel Zeit zum Frühstück in den Speiseraum zu gehen. Also die waren nicht vollkommen von der Bildfläche verschwunden, sodass man gesagt hätte, die sind in ihrem Zimmer. Aber er konnte immer schlechter sprechen, er konnte sich doch immer schlechter bewegen. Und was noch?
für Frederik am schlimmsten und am belastendsten war, er konnte sich nicht mehr alleine waschen und er konnte vor allem nicht mehr allein auf Toilette. Und das ist wirklich, also ich habe da nur neulich mal privat nur mal reingeschaut, in das wie es sein könnte, weil meine Mutter schwer gestürzt ist.
Das ist wirklich krass. Man schläft wieder mit einem Babyfohn und hört drauf, dass die erwachsene, bettlägerige Person klingelt, um auf die Toilette zu gehen. Man ist die ganze Zeit ja im Grunde abrufbar. Man ist die ganze Zeit da und kümmert sich und es ist krass.
Bei einem Kind gibt es ja immer so eine Entwicklung. Das Kind wird größer, das Kind entwickelt sich besser. Du weißt, dass es endet. Klar, wenn du jemanden, einen Angehörigen pflegst, also meine Mutter ist jetzt wieder, der geht es jetzt wieder sehr viel besser. Deswegen meine ich, ich habe nur reingeschaut. Wenn du einen Angehörigen pflegst, ist es ja so, dass das schon auch endet, aber halt mit dem Tod. Es wird immer schlimmer. Ich glaube, das ist eine Belastung, die man sich, wenn man das nicht kennt, gar nicht vorstellen kann, wie belastend
Belastend sowas. Unfassbar. Und es kommt noch was anderes dazu. Es war eben kein Baby von sieben, acht Kilo, sondern ein Mann von, ich weiß es nicht, sagen wir 70 oder 80 Kilo. Den allein zu tragen. Und Frederik, da werden wir nachher noch drauf zu sprechen kommen, wie er auch körperlich wirkte vor Gericht, ist ein sehr schmaler, kleiner Mann.
Und er musste nun seinen Freund, den Olaf, mindestens viermal in der Nacht, der hat geklingelt, der hatte eine Klingel am Bett, musste sehr, sehr oft auf Toilette, viermal in der Nacht gehen.
ist Frederik an sein Bett, hat ihn irgendwie rausgehievt, irgendwie mit dem Rollator ins Bad gebracht, irgendwie auf die Toilette gesetzt, wieder hochgeholt, gewaschen, wieder ins Bett gehievt, hat sich hingelegt und nach eineinhalb Stunden klingelte es wieder. Das ist wirklich kaum zu schaffen. Ich glaube, es gibt da ein Tabu und das heißt Aggression. Bei größter Liebe, wenn du das monatelang mitmachst,
Und es bleibt auch nicht aus, dass ein Mensch, der so schwer Parkinson hat, nicht mehr richtig sprechen kann. Und der weiß, aha, die Aussicht heißt zwei Jahre. Da sind jetzt schon 13 Monate rum. Der wird dann eben doch wie ein Kind sehr unzufrieden und klammernd, klammernd, klammernd. Das war bei den beiden so. Also der Olaf hat sehr, sehr, sehr geklammert.
Also es ging sozusagen über meinen Verstand, mir nicht vorzustellen, dass da Aggression auftaucht.
Aber ich glaube, das ist ja allein der Schlafentzug. Wenn du sagst, er hat viermal in der Nacht geklingelt. Ja, natürlich, alles, die Erschöpfung. Du bist ja selber wundgeriesen dann durch so etwas. Das ist auch eine Pausenlosigkeit. Die Pausenlosigkeit. Also das ist ja auch das Ding. Also bei Eltern, da hat man immer noch, wenn der eine irgendwie am Rande seiner Kräfte ist, dann sagt der andere halt, okay, jetzt mache ich mal die nächsten drei Nächte und du schläfst dich mal aus. Aber er war ja damit allein. Und es war ja quasi auch dieses Versprechen, du schiebst mich nicht ab. Das heißt, er war ja quasi wie gefangen eigentlich.
Er war vollkommen gefangen. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen, wie du gesagt hast, werden von Familienangehörigen, aber eben im Plural gepflegt. Da sind manchmal schon erwachsene Enkelkinder dabei. Oder es gibt von außen eben Pflegekräfte, die auch helfen. Im Pflegedienst, da kommt einmal am Tag jemand und wickelt und macht dieses und jenes. Und hier kam niemand. Das war das...
Verhängnisvolle. Weil es der Frederik auch nicht wollte, oder? Auch nicht. Er fühlte sich doch an das Versprechen gebunden, entnehme ich deine Erzählung, dass er dem Olaf gegeben hatte. Es gibt da so einen kleinen blinden Fleck, vielleicht nur in meinem Verständnis, weshalb der Frederik, der eigentlich ein sehr die Dinge überschauender Mensch ist, warum er sich nicht etwas früher klargemacht hat,
dass dieses Versprechen in den Wahnsinn hineinführt. Der lebte in einem Albtraum. Und was jetzt vielleicht auch wichtig ist zu erzählen, im Sommer 2016, das erzählte Frederik vor Gericht, gab es ein vages Gespräch zwischen den beiden Männern, von dem beide Seiten wussten, das Thema dieses Gesprächs ist Verbrechen.
Wie wäre es mit Sterbehilfe? Beziehungsweise Sterbehilfe im einen Fall und Sterbehilfe
Co-Suizid von Frederiks Seite im anderen Fall. Man hat überlegt, gemeinsam auf dem Leben zu stellen. Ich versuche, die richtigen Worte zu finden. Es war eben nicht so, dass die sich hingesetzt haben und gesagt haben, was tun wir? Machen wir dieses, machen wir jenes oder so? Es war sehr vage, ja, so im Konjunktiv. Was meinst du? Was könnten wir tun, wenn es gar nicht mehr geht? Und wie wäre es, hm?
Was wären denn die Möglichkeiten? Schlaftabletten, Schweiz, so. Insbesondere in Deutschland ist es ein irre komplexes Thema, weil es vier verschiedene Unterscheidungen gibt.
was eigentlich erlaubt ist, was nicht erlaubt ist. Und vielleicht kannst du uns ganz kurz, vielleicht machen wir eine kleine Abzweigung an dieser Stelle, mal in dieses Dickicht einführen der Sterbehilfegesetz in Deutschland oder auch dieser Überlegung, die die beiden gemacht haben, was wäre denn eigentlich möglich gewesen? Haben die sich wirklich damit auseinandergesetzt? Haben die genau das, was du gerade schon mal so angedeutet hast, haben sie aktiv darüber nachgedacht, in die Schweiz zu fahren, wo es ja sehr viel einfacher ist als in Deutschland? Das haben sie nicht.
Sie haben sich so verhalten, wie ich es tatsächlich aus meiner eigenen privaten Erfahrung, nicht meiner familiären, sondern aus meinem freundschaftlichen Umfeld kenne, von einer Frau, die sehr, sehr schlimm an Multiple Sklerose litt, wo auch klar war, wie es endet. Nämlich furchtbar, in einer völligen Bewegungslosigkeit, in einer völligen Hilflosigkeit.
Und die dann, ich sage jetzt mal fast plötzlich, sagte, ich will nicht mehr, ich will Sterbehilfe. Ich will das jetzt. So einfach ist es nicht. Von der Gesetzgebung abgesehen, auch praktisch nicht.
Wobei, ich will das jetzt nicht konkretisieren, aber die Freunde, die näher an ihr dran waren, haben sich dann auch so ein bisschen umgehört. Es gibt durchaus alle möglichen Vereinigungen. Wenn du da Geld bezahlst, dann kannst du innerhalb von 48 Stunden...
Taucht ein Arzt, wenn es ein Arzt ist, bei dir auf und hat irgendwie ein Mittel dabei, um assistierten Suizid in Angriff zu nehmen. Das kann man alles machen. Das ist aber...
Ich finde, auf eine verhängnisvolle Weise in einem blöden Nebelbereich. Also blöd ist nicht das richtige Wort, aber sehr, sehr unscharf, sehr eigen und auch kriminalisiert. Also diese Freunde wollten das alle nicht. Und in die Schweiz kannst du auch nicht von heute auf morgen fahren. Ich weiß von einigen auch prominenten Fällen, die in die Schweiz gefahren sind für Sterbehilfe, aber die waren jahrelang schon Mitglied des Vereins.
Das heißt, das ist alles machbar. Es ist auch so machbar, dass man nicht vor Gericht kommt, auch nicht die Angehörigen oder die Mitwissenden. Aber das braucht kluger und langer Vorbereitung. Ob klug, weiß ich nicht, aber langer Vorbereitung. Und so war es bei den beiden eben genau nicht. Es war eine vage, letztlich ungerichtete, ungenaue Überlegung.
Bedeutsam ist das aber in diesem Gespräch im Sommer 2016, der Olaf zu Frederik sagte, jetzt noch nicht. Das wird irgendwann juristisch wichtig werden. Er hat nicht gesagt, bitte, bitte, bitte mach das, bitte, bitte, bitte hilf mir aus dem Leben.
Das gibt es ja als Straftatbestand, Tötung auf Verlangen, sondern er sagte, jetzt noch nicht. Was aber auch heißt, irgendwann vielleicht einmal. Aber auch heißt, du musst entscheiden. Also es war wohl schon so, dass dieser Olaf ein schwer, schwer kranker, sehr, sehr leidender Mann,
auch gemarterter Mensch war, aber ich denke auch ein Mensch, der auf Frederik alles abgeschoben hat, also die ganze Pflege, ganz allein, der auch zugelassen hat, dass der Frederik sich vollkommen übernimmt und ramponiert hat.
Es gibt ja auch Kranke, die das noch sehen. Die noch sehen, dass sie eine entsetzliche Zumutung sind. Das hat er nicht gesehen, glaube ich. Und er hat eben auch nicht gesehen, dass er die Frage, ob er auf den natürlichen Tod wartet oder nicht.
ob es für ihn eine andere Option gibt, dass er auch die dem Frederik auflastet. Wenn wir etwas vorspulen aus diesem Sommer 2016 zum 22. November 2016. Ein Tag, der in dieser Geschichte eine ganz große Rolle spielt. Was ist an diesem Tag geschehen? Ja, jetzt kommen wir in den ganz engen Teil des Tunnels. An diesem Tag, es ist ein Dienstag.
findet in dem Zwei-Zimmer-Apartment der beiden Männer eine Art Konferenz statt. Angestoßen hat diese Konferenz der befreundete junge Arzt, der Mann des Paares, der die Wohnung kauft. Der hat als einziger seine Frau auch gesehen, hier läuft etwas vollkommen aus dem Gleis, hier muss etwas geschehen.
Und hat auch über den Kopf von Frederik und Olaf hinweg sich an die Heimleitung gewartet und hat gesagt, also wissen Sie eigentlich, dass diese beiden überhaupt nicht mehr zurechtkommen. Die brauchen Pflegehilfe, die brauchen Pflege. Und er hat zu den beiden gesagt, ihr braucht Hilfe. Also an diesem Dienstagmorgen treffen sich in dem Zwei-Zimmer-Apartment der befreundete Arzt und
Die Leiterin des Pflegedienstes, die in der Seniorenresidenz tätig ist,
Eine Krankenschwester und ein Hilfspfleger. Ziemlicher Auflauf. Wie so eine Intervention, kann man sich das vorstellen? Eine Intervention. Der Arzt sagte so, wir brauchen einen Termin. Und sagte zu Frederik, du machst das jetzt. Du kannst nicht mehr. Du stirbst noch vor deinem Freund. Es geht nicht mehr. Es muss was passieren. Eine minimale Hilfe braucht ihr wenigstens. Die saßen also alle da. Fünf Erwachsene.
Olaf saß, so hat es Frederik im Prozess später geschildert, und der Arzt, der als Zeuge auftrat, ganz apathisch im Sessel. Im Grunde ganz passiv. Hätte er Olaf zum Beispiel gesagt, ja, ich weiß, Frederik muss entlastet werden, es wäre schon anders gesehen. Frederik war sehr, sehr erregt, sehr aufgeregt.
Der Grund seiner tiefen Erregung konnte den anderen gar nicht so klar sein. Jetzt wurde eben doch beschlossen, dass fremde Hilfe in das Apartment kommt, dass der Hilfspfleger oder die Krankenschwester wechselndweise dem Olaf helfen, wenn er zur Toilette muss oder wenn er geduscht werden muss. Und konkret sah das so aus, dass am Donnerstag, zwei Tage später,
das hat die Konferenz dann in Anführungsstrichen beschlossen, um 12.30 Uhr ein sogenannter Dusch-
dass Rollstuhl mit Toilettenfunktion, ich habe das heute noch mal gegoogelt, also der Sanitätsbegriff sozusagen, in das Apartment kommt. Was bedeuten würde, dass der Olaf nachts nicht mehr auf dem Weg zur Toilette gehievt werden muss, sondern nur noch auf den Stuhl und dass jemand kommt, ihm beim Duschen hilft. Was aber auch bedeutet, dass ein dritter Mensch ...
die Intimsphäre der beiden Männer betritt. Und das ist, glaube ich, der ganz entscheidende Punkt. Weil das so war für Frederik, als hätte er das Versprechen, das er Olaf gegeben hat, nämlich, ich schiebe dich nicht ab, gebrochen hätte. Ja, das war für ihn jetzt, er fühlte sich wie ein Verräter. Jetzt kommen sie doch.
Weil einmal am Tag jemand gekommen wäre und geholfen hätte. Oder zweimal. Oder zweimal und geholfen hätte bei der Körperpflege. Ja, und sozusagen, dass überhaupt der Pflegedienst jetzt ins Spiegel kam, hätte ja aller Erfahrung nach bedeutet, dass er immer mehr den Olaf übernimmt. Das ist ja nun mal der... Klar, weil Sie sehen ja, in was für einem Zustand Olaf ist. Das ist nun mal der natürliche Weg der Dinge. Und er fühlte sich wie ein Verräter und wusste zugleich, es muss aber sein.
Und das ist irgendwie auch das Besondere an dieser Tragödie, die in gewisser Weise ja doch
Eine Allerweltstragödie ist bei drei Millionen Pflegefällen in Deutschland, ist es auch eine Allerweltsgeschichte. Aber das nicht irgendwie ganz durchschnittliche ist, dass der Frederik nicht aufgeatmet hat. Er sagte, endlich kommen hier mal Menschen und sehen, dass ich nicht mehr kann. Endlich sieht mal jemand, wie das ist mit Olaf, mit der Klingel neben dem Bett und ihm viermal nachts. Sondern
Die Konferenzteilnehmer gingen wieder davon. Und was Frederik dann durch den Kopf ging, weiß niemand genau. Aber es muss ihm durch den Kopf gegangen sein, dass ein Albtraum durch den nächsten ersetzt wird. Und dass er jetzt was tut, was ganz anderes. Denn dieser Duschrollstuhl hat seinen Weg nie in das Apartment gefunden. Was ist passiert in der Nacht vom 23. auf den 24. November? Werbung.
Hallo liebe Hörerinnen und Hörer und jetzt eine kleine Durchsage von Andreas. Ja, wir gehen auf Tournee und zwar Ende September, Anfang Oktober. In vier Städte, vier Großstädte, Berlin, Düsseldorf, München und Hamburg in dieser Reihenfolge. Und wir machen das nicht allein, sondern wir nehmen Anne Kunze mit und Daniel Müller. Und jedes Duo hat einen Fall dabei. Die Tickets gibt es unter eventim.de oder an jeder bekannten Vorvorkaufsstelle. Wir freuen uns auf euch. Aber wie?
Am Mittwochabend, also an dem Abend, bevor, wie du sagst, der Duschrollstuhl kommen sollte, hat Frederik dem Olaf, das hat er natürlich sich ausgedacht, geplant, alle Geschehnisse, die jetzt kommen, irgendwie doch durchdacht und geplant waren, dem Olaf statt einer Schlaftablette drei Schlaftabletten gegeben. Der schlief also sehr schnell und sehr tief ein.
Irgendwann um Mitternacht, genau ist das überhaupt nicht zu rekonstruieren, ist der Frederik an das Bett des schlafenden Olaf, hat ein Kissen genommen und es auf das Gesicht gedrückt. Das ist ja so, soll ich sagen, die klassische Methode. Gilt als sanfte Füllungsmethode. Gilt als sanft und wird so bizarr, es klingt...
ist eine Methode, die vor allem oft ganz am Anfang des Lebens, also bei Babys und ganz am Ende des Lebens angewandt wird, wenn der Atem in beiden Fällen schwach ist. Und so hatte er sich gedacht, es wird sehr sanft,
Er sagte das auch, er hat sich zu Beginn des Prozesses, er hatte eine schriftliche Erklärung, die dann von ihm bzw. seiner Verteidigerin vorgelesen wurde. Er sagte, ich wollte meinen Olaf ganz sanft von seinem Leiden erlösen. So wurde es aber nicht, es wurde das Gegenteil. Denn Olaf wachte auf von diesem Kissen und begann sich mit Händen und Füßen zu
gegen den Angriff von Frederik zu wehren. Frederik hat aber nicht abgelassen, sondern ganz im Gegenteil geriet in ein Furor, das unbedingt zu Ende bringen wollens. Und jetzt wird es sehr schlimm und sehr blutig. Er ging schnell in die Küche und
holte ein sehr langes Messer, ich erinnere mich an 30 Zentimeter, das muss es gehabt haben, diese Länge muss das Messer gehabt haben, denn gestorben ist der Olaf an zwei Messerstichen, die von der Brust bis in den Bauchraum hineinführten.
Frederik hat aber auch in den Hals gestochen, also eine ganze Anzahl von Messerschnitten. Und was natürlich wichtig ist, auch zur Bewertung des Falls, er hatte an armen Händen starke Abwehrverletzungen. Also das heißt, er hat immer wieder in das Messer hineingegriffen. Er wollte in diesem Moment nicht sterben. Das ist nicht unwichtig. Er war natürlich schlaftrunken, aber er wollte nicht sterben.
Damit es wirklich klappt, um das komische Verb zu verwenden, hat ihm Frederik auch noch eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und die unten zugehalten. Also der eine wollte nicht sterben und der andere wollte ihn töten. Ja, er wollte ihn töten und der andere, also der Frederik…
War sich aber auch ganz sicher, dass Olaf eben doch getötet werden möchte. Also das ist nur so eine Abwehrreaktion. Das ist nur so ein Instinkt. So ein Instinkt, so wie es glaube ich, ein bisschen komischer Vergleich, aber wie es gar nicht so leicht ist, ins Wasser zu gehen und sich zu ertrinken, weil man einfach nach Luft schnappt. Ja, klar.
Und so hat der Olaf auch reagiert. Das ist natürlich ein bisschen schwer auseinanderzuklamüsern, aber wichtig ist, Frederik war sich doch sicher, er macht etwas ganz Schreckliches, aber Richtiges. Und trotzdem, also ihr habt den Mann ja nicht vor Gericht gesehen, das ist ein sehr schmaler, zittriger Mann gewesen.
Ich habe den überhaupt nicht in diese Szenerie reinversetzen können. Der hat in diesem Apartment ein Massaker angerichtet.
Ein blutigstes Massaker. Er muss so außer sich gewesen sein, so verzweifelt, wild und aber auch brutal. Ohne Brutalität geht sowas nicht. Du hattest vorhin von diesem intimen Gespräch und diesem aber auch noch relativ vagen Gespräch zwischen den beiden berichtet. Im Sommer, wo es um Auswege ging. Und einer dieser Auswege war ja auch ein Co-Suizid.
Wie hat Frederik in dem Moment, nachdem er dieses Blutbad angerichtet hatte, dann gehandelt? Wollte er selbst auch aus dem Leben scheiden? Er hat zügig weitergehandelt nach einem Drehbuch, das er sich ausgedacht hatte.
Er hat zunächst das Lieblingskuscheltier von Olaf genommen und hat es ihm in den Arm gelegt. Das hat er erzählt. Dann ist er zum Rechner gegangen, zu seinem Laptop und hat an den befreundeten jüngeren Arzt eine Mail geschrieben, in der er die Tat erklärt hat. Dann hat er ein handschriftliches Testament geschrieben, in dem er das Ärzte-Ehepaar als Erben einsetzte.
Dann hat er sich in sein Bett gelegt, hat eine Rolle mit doppelseitigem Klebeband genommen, die hat er bereitgelegt, ein großes Stück davon abgerissen und sich auf den Mund gepackt. Damit sollte er Schreien, Schmerzensschreie ausstoßen bei dem, was jetzt kommt, die nicht draußen gehört werden.
Mit diesem Klebeband auf dem Mund hat er dann ein Messer genommen, ich glaube ein anderes, als das, mit dem er Olaf tötete, das schon bereit lag und hat ganz wild an den Innenseiten der Gelenke rumgeritzt und geschnitten, um sich umzubringen. Das ist ihm nicht gelungen, aber er hat sich doch so schwer verletzt, dass er in Ohnmacht gefallen ist.
Und wer hat die beiden dann entdeckt? Ja, das dauerte eine Weile. Zum Frühstück sind sie nicht erschienen. Sie waren wohl dort meistens noch im Speiseraum zum Frühstück. Sind sie nicht erschienen, das hat noch niemanden so ganz gewundert. Ich meine, es sind ja immer noch freie Menschen gewesen. Du kannst zum Frühstücken gehen, ob du willst oder nicht. Aber um 12.30 Uhr sollte ja dieser Duschrollstuhl kommen. Die Krankenschwester...
Und der Hilfspfleger, die auch bei der Konferenz in Anführungsstrichen dabei waren, haben geklopft und geklopft, hat niemand aufgemacht. Dann war ihnen eigenartig, sie holten von der Heimleitung den Generalschlüssel, haben das Zimmer geöffnet, fanden den Olaf in einem unglaublichen Blutbad vor und Frederik,
In einem fast zu großen Blutbad, der aber noch lebte. Er kam sofort ins Krankenhaus und wurde dort zwei Tage später verhaftet und dann angeklagt wegen Totschlag. Und bei diesem Prozess, wie du ja schon erwähnt hast, warst du dabei. Wie hast du Frederik dort vor Gericht erlebt? Wie ich schon gesagt habe, also das Wort...
Und gebrechlich trifft das nicht ganz, weil er war damals 71 Jahre alt. Eigentlich war er ein bisschen schwerhörig, aber sonst gesund. Er war aber, als hätte man alle Energie aus ihm rausgegeben, als wäre er durchsichtig, als wäre er irgendwie substanzlos. Nicht nur zitterig, sondern wie ein ausgemerkeltes,
ganz, ganz zitterig. Er erschrak auch sehr schnell. Also ich erinnere mich, das kennt ihr ja in den Gerichtssälen, sind immer so kleine Mikrofone, in die man reinspricht. Und wenn die angeknipst werden, dann gibt es manchmal so einen komischen Zischlaut. Und den gab es auch bei ihm. Und der schrak so zusammen, als wäre ein Donner vom Himmel gekommen. Er konnte kaum sprechen, kam mir sehr fahrig, auch sehr unkonzentriert vor.
Man muss sich vorstellen, das war ein Bankangestellter, der sein ganzes Leben sehr, sehr, sehr solide verbracht hat. Sehr bürgerlich, sehr geordnet. Er war ein bisschen zwanghaft geordnet, wie ich zwei Jahre später festgestellt habe. Der sitzt jetzt vor Gericht in dieser großen Saal des Berliner Landgerichtes mit relativ viel Presse, mit Zuschauern.
Da sitzt er, weil er, was der Verstand eigentlich kaum fassen kann, den Menschen umgebracht hat, der ihm das Allerkostbarste auf der Welt war. Gab es einen Verstand, war ein bisschen überfordert, buchstäblich. Und seine Psyche ohnehin. Wenn du sagst, seine Psyche war überfordert, gibt es denn einen Gutachter, einen Psychiater, der sich diese Frage gestellt hat im Auftrag des Gerichts? Ja, natürlich. Es gab einen Gutachter.
Einen sehr guten. Vielleicht, wenn ich das schon mal ein bisschen vorausholen darf. Also in allem wirklich großen Unglück hatte der Frederik als Angeklagter ziemlich viel Glück. Er hatte eine fantastische Anwältin aus einer sehr guten, sehr renommierten Anwaltskanzlei, die wiederum ihm das Ärzte-Ehepaar geschafft hat.
Und ich betone deswegen, dass es eine Kanzlei war, weil er diese Anwältin hat sich juristisch um ihn gekümmert, aber die Kanzlei hatte eben sehr viele andere Möglichkeiten, sich um ihn zu bemühen. Die haben ihm eine Therapeutin beschafft. Er wurde immer abgeholt zum Gericht. Er war nie alleine. Also die haben sich wirklich um ihn gekümmert in sozialarbeiterischer Weise, ja.
Und er traf oder auf ihn traf in diesem Prozess ein wirklich toller, ich weiß leider den Namen nicht mehr, ist egal, aber ein sehr renommierter Gutachter, der sich lange mit ihm befasst hat und über ihn sagte, er ist seelisch vollkommen gesund, seelisch, geistig vollkommen gesund. Er hat eine starke Neigung zur Introvertiertheit.
das haben wir ja schon besprochen, sich abzuschirmen von der Welt und zum Zwanghaften. Also auch zum Zwanghaft kann auch heißen, ich habe mir eine Handlung vorgenommen und die wird jetzt durchgezogen, lapidar gesagt.
Der Gutachter hatte aber eine Erklärung, die weniger lapidar war. Er führte einen Begriff ein, der mir völlig unbekannt war, nämlich den der Vorwärtspanik, um zu erklären, warum... Das ist wie ein Militärbegriff. Ja, genau, das ist ein Begriff aus der Militärpsychologie. Im Ersten Weltkrieg tauchte der auf und zwar versucht er das Rätsel zu erklären, warum
Soldaten im Schützengraben, die unter Todesangst leiden, plötzlich aus dem Graben rennen, dem Feind in die Arme. Also sie haben wahnsinnig Todesangst und rennen dem Tod entgegen. Das nennt man und nannte er Vorwärtspanik, um zu erklären, warum der Frederik in dem Moment, als der Olaf nicht unter dem Kissen gestorben ist, sondern sich wehrte,
nicht aufhörte, sondern weitermachte. Immer weiter und das Messer holte und zu stark und zu stark. Gegen das eigene Interesse eigentlich. Gegen den Überlebensinstinkt bei der Vorwärtspanik im Militär und gegen diese bedingungslose Liebe für diesen Partner, den man ja eigentlich nur gesund haben möchte. Aber ich glaube, Vorwärtspanik ist natürlich eine extreme Ausnahmesituation. Aber so ein bisschen kennt es, glaube ich, jeder. Ein bisschen aus dem Alltag. Also
Ein Ei fällt in der Küche auf den Boden und man denkt, ach du lieber Gott, das muss aufhören. Und dann bückt man sich und während man sich bückt, vergisst man den Gasherd aufzudrehen und während man das macht, kommt die nächste und dann eskaliert irgendwas. Es hat auch was mit der Eskalation zu tun, mit psychischen Eskalation. Als sei er dann nicht mehr rausgekommen. Er war nicht raus. Er hätte den Plan und er will ihn vollführen und er kommt irgendwie selber nicht, er findet den Ausstieg nicht. Er findet den Ausstieg nicht.
Da hast du völlig recht, aber es gibt eben, ich habe das vorhin schon beangedeutet, es bleibt dabei, es muss auch irgendwie ein Anteil großer Aggression, also doch so eine Art von Tötungsintention. Ja und vielleicht auch diese unterdrückte Wut, die man natürlich auch hat, also auch gegen den Menschen, den man liebt.
Und das ist aber, glaube ich, auch bei pflegenden Nichtangehörigen, sondern bei professionellen Pflegern beobachtet man das ganz oft, dass sich da eine Aggression aufstaut gegen diese Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit dieser Menschen, die einem da überverantwortet werden, weil man eben irgendwann mit dieser Überforderung nicht mehr klarkommt, weil man einfach nur noch denkt...
Mann, jetzt mach es halt mal selber. Musst du schon wieder pissen. Ganz blöd. Ganz einfach. Und ich habe es so nicht erlebt, wo meine Eltern nicht mehr leben. Ich ahne es nur ein bisschen. Aber auch das, Anne, du hast vorhin von
Ich weiß nicht, wir haben von kleinen Kindern gesprochen, von Nächten, in denen man nicht schläft. Also ich kenne sowas auch aus schwachen Momenten als Mutter, was ich merke, oh Mann, jetzt werde ich aber wütend auf das Kind. Jetzt mal
Also wenn du im Supermarkt bist, abends um sieben und du hast noch nicht gekocht und da legt sich ein Kind auf den Boden und schreit. Und du hast eine dicke Jacke an, draußen ist es kalt, du fängst an zu schwitzen. Du fängst an zu schwitzen und dieses noch nicht gemacht und das nicht und das schreit und schreit und macht ein Riesentheater. Alle schauen dich an. Alle gucken zu. Ihr merkt schon, wir haben das alle. Es geht um Riegel Schokolade.
Ich weiß, einmal habe ich mein Kind vom Boden genommen und bin unverrichteter Dinge aus diesem Supermarkt und habe gedacht, einfach nur Ruhe. Das könnte jetzt, so wie du drauf bist, ganz blöd werden.
Das ist sozusagen der kleine Nenner jetzt. Ja, dass man merkt, man sollte sich aus der Situation entfernen, damit man nicht blöd wird. Oder man sagt, kannst du mal das Kind nehmen? Ich gehe mal kurz zum Block. Absolut menschlich. Und diese Möglichkeit hatte Frederik, aber sich selber verstellt, muss man auch sagen, durch das Versprechen, das er ihm dem Olaf gegeben hat. Wie ist denn das Urteil? Was hat er denn bekommen? Also er war angeklagt wegen Totschlag.
Totschlag kann nicht unter fünf Jahren Haft bestraft werden, was eine Bewährungsstrafe natürlich ausschließt, die geht nur bis zwei Jahren.
Aber, um es nochmal zu sagen, sowohl dieser Gutachter als auch diese vorzügliche Anwältin haben einfach auch so toll argumentiert. Also es lag aber auch auf der Hand, der Mann wird niemand wieder etwas tun. Der hat vorher noch nicht mal einen Parkzettel bekommen vermutlich. Was soll der denn um Himmels Willen in Haft? Sodass auch der Staatsanwalt sich einig war mit der Verteidigerin,
von einem Totschlag minderschwerenfalls auszugehen. Da ist der Strafrahmen anders. Der liegt zwischen einem Jahr und zehn Jahren. Ein sehr, sehr weiter Strafrahmen, finde ich. Der es aber auch erlaubt, dieses Minderschwer sehr elastisch zu interpretieren. Das hat der Richter getan, beziehungsweise der Richter und die beiden Beisitzer und die beiden Chefen. Er wurde bestraft,
Frederik wurde bestraft zu zwei Jahren. Das ist das Maximum, was auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Und es wurde auf Bewährung natürlich ausgesetzt. Das heißt, er ging als freier Mann aus dem Gerichtssaal. Nach all dem, was du uns erzählt hast, scheint das ein Urteil zu sein, was ja selten genug in solchen Kapitaldeliktsprozessen fällt, mit dem alle Seiten...
Alle. Es war eine besondere Stimmung natürlich in dem Prozess, in dem Gerichtssaal, also sehr anrührend, das ist völlig klar. Und ich glaube, die Hälfte der Menschen, die da saßen, ob Zuschauer oder juristische Personen, haben überlegt, wie wird das mal später bei mir oder meinen Eltern oder ich?
Was kann ich tun, um meine Kinder nicht dermaßen in Haft zu nehmen? Viele hatten Erfahrung. Und ich glaube, es gab niemanden in diesem Saal, der nicht menschlich Verständnisse Frederik gehabt hätte. Man muss das immer schön natürlich unterscheiden, also sozusagen vom Gesetzgeberischen, vom Juristischen. Das kann und darf nicht dasselbe sein. Moralisches Empfinden ist nicht die Grundlage für Urteile.
Aber es ist wichtig, weil der Frederik selber, und das war für ihn ganz deutlich und ersichtlich das Wichtigste, zu merken, er wird hier nicht unwahrscheinlich verdammt. Und nochmal dazu gesagt, das war ein Mensch, der Ende der 40er Jahre auf die Welt kam, ein Homosexueller, der mit dem Gefühl, ich kann jederzeit verdammt werden,
weil ich eine andere sexuelle Neigung habe wie die Mehrheit. Das Gefühl muss ihm sehr bekannt gewesen sein. Umso erlösender, dass er jetzt, nachdem er etwas so doch Schreckliches gemacht hat, sagt er, der Richter ist freundlich und nachsichtig mit ihm. Der Richter sagt, Herr Rustin,
Sollen wir eine Verhandlungspause machen? Brauchen Sie was? Brauchen Sie was zu trinken? Ja, kann man nachvollziehen. Einen tollen Gutachter. Das war für den so wichtig. Das war wie eine Erlösung. Ich hatte den Eindruck, fast noch wichtiger, als dass er nicht ins Gefängnis muss, was aber auch schlimm für ihn gewesen wäre. Hast du denn die Möglichkeit gehabt, nach dem Prozess nochmal mit ihm zu sprechen? Ja.
Ja, also ich habe während des Prozesses, der sich ja doch ein paar Wochen hinzog, bin ich mal an einem Sonntagnachmittag, der Prozess war im Spätsommer, zu der Seniorenresidenz gefahren, weil ich dachte…
Vielleicht besuche ich ihn einfach mal. Ich hatte aber vorher schon mal mit ihm gesprochen, in dem, kennt ihr auch, die schöne Kantine des Berliner Landgerichts im fünften Stock. Da war er immer mit der Anwältin zum Mittagessen. Schon das deutete ich als ein Zeichen, wie gut die sich verstehen und dass er wieder an die Öffentlichkeit geht. Und da habe ich mich einfach mal dazugesetzt und da war er doch bemerkenswert.
relativ offen. Und dann bin ich an einem Sonntagnachmittag in diese Seniorenresidenz gefahren. Sonntagnachmittag kommen die Kinder und die Enkel zu Besuch, wird Kaffee getrunken, Kuchen gegessen. Und ich schaute in den Garten, die Residenz hat einen sehr schönen großen Garten, wo so verteilt Sitzgruppen stehen. Und da schaute ich hinein und habe ihn auch gesehen. Er saß ganz am Rand, ganz, ganz am Rand auf einem Mäuerchen.
und schaute nach unten, sodass man sie gesichtlich sah. Und das war ja nun noch während des Prozesses. Und das sah schon schrecklich verloren aus. Ich meine, dann wurde mir auch bewusst, außer diesem befreudeten Ärztepaar hat der niemand. Und da habe ich mich gescheut hinzugehen. Ich wollte auch nicht so die Aufmerksamkeit auf ihn lenken, die anderen. Das ist das eine. Und dann aber zwei Jahre später...
habe ich Kontakt zu seiner Anwältin aufgenommen. Also ich habe ja für das Verbrechensmagazin noch eine kurze Fortsetzung geschrieben und habe gefragt, ob sie die Möglichkeit sieht, dass ich ihn mal aufsuche, wo er denn lebt. Ja, natürlich, sie hat mir sofort seine Telefonnummer gegeben. Er wohnte und wohnt nach wie vor in der gleichen Seniorenresidenz, wenn auch in einem kleineren Apartment.
Und er war, ja natürlich, kommen Sie vorbei. Und schon am Telefon hörte ich, das ist ein anderer Mann. Er hatte eine kräftige Stimme, er war nach wie vor so ein bisschen sehr, sehr leicht pedantisch. Er sagte, nee, wir gehen nicht ins Café von der Residenz, kommen Sie zu mir ins Apartment. Und ich sagte, ja wann denn? Ja, 16 Uhr ist gut. Und dann sagte er, dann stehen Sie doch um 15.55 Uhr.
Unten am Eingang, da hole ich sie ab und kam ich in sein Apartment, ein wunderschön, sehr liebevoll gedeckter Kaffeetisch und Räumlichkeiten, sowas sauberes habt ihr noch nicht gesehen. Wirklich, also ich bin keine Schlampe, aber das würde ich nicht hinkriegen.
Also er ist sehr ordentlich. Und sehr ordentlich. Er macht das auch selbst? Er macht es selbst reinlich, reinlich. Und ich sagte dann, wird aber gut geputzt hier in der Residenz. Er sagte, nee, das lasse ich die nicht machen. Das mache ich selber, das machen die nicht so gut. Also ihr könnt euch ihn ein bisschen vorstellen dadurch. Dann haben wir uns den Nachmittag über unterhalten. Er hat geweint, zurückdenkend an Olaf und an 50 Jahre Reise.
Glück, glückliche Liebe. Wir haben aber auch viel gelacht. Es ging ja auch nicht nur um Olaf. Er hat erzählt, was er so tut im Leben. Und er tat damals einiges. Er hatte ein Stammcafé, er hatte Leute kennengelernt. Ein Stammcafé, wo er morgens hinging. Er hat angefangen zu fotografieren und diese Fotos am Rechner zu bearbeiten. Er hatte Facebook entdeckt.
Ich weiß gar nicht, gab es da schon Netflix? Er guckte auf alle Fälle Serien. Es ging ihm gut. Es ging ihm gut, so gut wie es einem 73-jährigen allein lebenden Rentner gehen kann. Und das Wichtige war, er ist nicht aufgewacht und nicht eingeschlafen mit dem Gedanken, ich habe etwas Höllisches getan. Ist er nicht höllisch.
Er erschien mir mit dem Geschehen im Reinen.
Das war der erste Teil unserer Doppelfolge, auch zum Thema Paragraf 175. Das ist ja in dieser Folge angeklungen, was die Illegalität der Sexualität homosexueller Menschen auch mit ihnen angerichtet hat. Dieser Paragraf hat sicherlich dazu beigetragen, das haben wir hier herausgearbeitet, dass die beiden dieses Einsiedlerleben zu zweit geführt haben und sich vielleicht nach draußen nicht getraut haben.
Wenn euch das Thema interessiert, würde ich euch sehr ans Herz legen, noch den zweiten Teil zu hören, in dem Anne und ich mit Lale über diesen Paragraphen nochmal ausführlich sprechen wollen. Ursula, ganz herzlichen Dank, dass du hier warst und bis bald. Gerne. Vielen Dank, Ursula.